Oedenburger Zeitung, 1890. Juli (Jahrgang 23, nr. 149-175)
1890-07-01 / nr. 149
a Ki Dienfiag, 1. Juli 1890. ur DE 4 BEE ® FR Ar. 149. Sedenb XXI. Sadrgang. rgerBeifu Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirthschaft, sowie für faziale Interrisen, Einzelne Nummernßoflenthreuzm Buchdruklkkrti C.Romwalterckx Sohn,CraistrundtlII Das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen Sonn- oder Feiertag folgenden Tages. Prämmerations:Preise: Für Loco: Ganzjährig 10 fl., Halbjährig 5 fl., Vierteljährig · » 2fl.50kr.,Monatlich 1f«l. Fürbhtstwarts:Ganzjährig 14fl.,halbjährig 7fl.,Vierteljährigsst.sotr. Alle für das Blatt bestimmten Sendungen,mit Ausnahme vonferaken,Pränumerations-und Insertionsgebühren,sind an die Redatlion portofrei einzusenden. Fuserate vermitteln:in Wiem Hasensteins,Vogley Mischgasse 10,A.Oppelik,I.,Stubenbastei2,Heinrich Schalek, I.,Wollzeile12,R.Mosse,Seilerstätte2,M.Dukes,J.s.Riemer·gasse12.In Budapest:JaulusGy.,Dorotheagasse11,Leop. Lang,Gisellaplatz3,A.W.Goldberger,Servitenplatz3. 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Es ist vollbracht! das Opfer nämlich, das der Nation von ihren mit schwerem Gelde bezahlten Geießgebern auferlegt worden ist; die schwerwiegenden Mehrausgaben wurden sämmtlich bewilligt (für die Eintreibung werden schon die Erematoren sorgen) und die Delegationen ruften sich wieder zum Aufbruche, jedes Mitglied D desselben mit dem erhebenden Bewußtsein beigetragen zu haben, zur Höheren Machtstelung Oesterreich- Ungarns. Sie haben sich ja von den Ausführungen des Herrn Reichskriegsministers und des Referenten für das Heeresbudget überzeugen lassen und nach schüchternen, kaum angehörten Einwendungen der wenigen Oppositionsmänner Alles bewilligt, obgleich die von der gemeinsamen Negierung geforderten Suimmen, jene des Vorjahres — die gleichfalls schon weit über unsere Kräfte gingen — diesmal um mehr als drei Millionen überragen. Bei der Abstimmung gaben sogar viele Abgeordnete der beiden Oppositionen im zustimmenden Sinne ihr Botum ab, allein mit S schwerem Herzen! Was wir wohl davon haben? Mit Schwerem Herzen vernimmt er auch der Steuerträger aus den Reichstagsberichten und den Zeitungen, daß Alles ungeschmälert bewilligt worden ist. Vortreten, eine trügerische gewesen sei. einem Jahre hatten wir das Gefühl, daß das Gros der kolonialen Rüstungsarbeit, welche den Völkern der Monarchie durch eine Reihe von Jahren so große außerordentliche Opfer auferlegt hat, nunmehr vollendet sei. Die diesjährige Delegations-Session hat man diesen Wahn zerstört. Der furchtbare Ernst der Zeit, im welcher wir leben, wurde duch die Berathungen über das Armeebudget noch vollkommener enthüllt, al durch die Diskussionen, deren Gegenstand die auswärtige Politik bildete. Dieser furchtbare Ernst D duldet nach seiner Richtung hin Ilusionen. Die Vorstellungen, welche der Zukunft eine freundlichere Gestalt verleihen konnten, müssen unnachsichtlich über Bord geworfen werden. Wenn man die Debatten, welche in den Delegationen über das Heeresbudget geführt wurden, durch eine freilich etwas fühne Augeje mit politischen Schlachten vergleichen wollte, so müßte man sagen, daß in diesen Schlachten in moralischem Sinne bereit mit rauchlosem Bulver geschaffen wurde Mit soldatischer Offenheit gab Baron Bauer den Delegationen zu verstehen, daß jene Hoffnung, als könnte in derüstungsarbeit eine Ruhepause ein- Keine wohlthuende Rauchwolfe verhüllt uns die Zukunft, vielmehr müssen wir mit Schwerem Herzen unsere Augen daran gewöhnen, an das Unerfreulichste mit Ruhe und ohne Furcht zu Schauen. Eine Reihe neuer, festspieliger Investitionen, welche ungeheuere Summen verschlingen werden, nimmt ihren Anfang. Der SKriegsminister ließ bei einer Gelegenheit das Wort über die 120 Millionen fallen. Dies hat die schon durch die Ziffern der Budgetvorlage wachgerufenen Bedenken bedeutend gesteigert. E38 wurde klar, daß das Kriegsministerium zielbewußt auf eine dauernde Erhöhung der Heereslast hinarbeitet. Das verhängnißvolle Wort von der nothwendigen Erhöhung des Präsenzstandes wurde ausgesprochen. Woher nimmt man aber die zur Erhöhung des Standes nothwendige Mannschaft ? Die Erhöhung des Nekrotenkontingents im neuen Wehrgeseb läßt zwar eine Vermehrung des Friedensstandes um zirka 20.000 Mann zu, doc ist der Stand für das Jahr ohnedies schon um 16.407 höher, als der Stand vom Jahre 1887, welches Plus unter regelmäßigen Verhältnissen nur doch das im neuen Wehrgejeg erhöhte Rekrutenkontingent gedecht werden fan, so daß auf diesem Wege also eine Vermehrung des Friedenstandes nicht durchzuführen is. E38 wird also entweder das Nekrutenkontingent neuerdings erhöht werden müssen, was eine Revision des Wehrgejeges bedingt, oder aber wird man den 6.4. XVII . 1888 über die ausnahmsweise Einberufung der Ertragreservisten abändern müssen, in beiden Fällen wird also ein Eingreifen der Legislative nothunwendig sein. Was diese Erhöhung des Friedensstandes für die Volkswirthschaft zu bedeuten Hat, braucht wohl nicht näher erörtert zu werden. Mit schwerem Herzen erwägen wir die Konsequenzen dieser Maßregel. Es ist ein Schwacher Trost, daß diese neuerdings von uns geforderten großen und schmerzlichen Opfer leider geboten sind — oder wenigstens laut Ausspruch der Vertheidiger des vergrößerten Heeresbudgets und der Nefrutenvermehrung geboten sein solen — durch die fortwährend drohender sich gestaltende Weltlage, welche troß der mächtigsten Friedensgarantien manche noch ungelöste und ungeklärte Frage, manchen dunklen Bunt und vor Allem die europäischen Heere in stetig steigender Kriegsbereitschaft zeigt. Diesem wehrhaften Zustande Europas muß angeblich auch unser Rei und unser Heer Rechnung tragen; wir können nicht stillstehen auf einem Bunfte militärischer Entwicklung, um uns von allen großmächtlichen Heeren überholen zu lassen; wir Fünnen die gewaltigen Ortschritte der militärischen Technik nicht ignoriren, fünnen nicht theilnahmslos das beständige Anwachen ver Ziffern verfolgen, welche die Entfaltung aller modernen Heere bezeichnen. Unsere Kriegsverwaltung behauptet, daß wenn sie sich bisher zur dem äußersten Maße von Sparsamkeit(!) verstanden hat, welches sie mit ihrer schweren Verantwortlichkeit vereinbaren konnte, wenn sie Schach- Feuilleton, 1866. (Sortfegung und Schluß.) Boi allen Dingen’ aber war König Wilhelm mit den von Frankreich vorgeschriebenen Friedensbedingungen durchaus nicht einverstanden, er wollte mehr, weit mehr, die volle Hegemonie über Deutschland, die Einverleibung Sacssens, über welches er wegen Beust’s fortwährender Wühlereien sehr erbost war. In Bismarck aber stand der Gedanke, „die alte Freundschaft mit Oesterreich zu erneuern, unerschütterlich sei“ und so schrieb er denn, da er seinem Monarchen in seiner andern Weise bekommen konnte, an denselben am 24. Juli, im fritischesten Moment, als schon das russische Kongreßangebot telegraphirt wurde und der französische Botschafter im preußischen Hauptquartier bereits ein Wort von Grenzregulirungen hatte fallen Lassen, ein ewig denkürdiges Memorandum an seinen König, worin er ihm unzweideutig auseinanderjeßte, daß, wenn der Friede nicht augenblicklich auf der bereits gegebenen Basis geschlossen werde, die erwachte Eifersucht der Mächte Alles wieder zweifelhaft mache. Selten hat ein Minister mit seinem Herrscher so gesprochen. Er ist nun charakteristisch, was von Seite des Königs erfolgte: „Der König nahm, anfangs unter heftigem Widerstreben, den Vortrag zur Erwägung und ertheilte am 25. Juli dem Minister seinen Bescheid. Gewiß, schrieb er in den Randnoten, er sei ein Resultat erzielt worden, das nie vorherzusehen war und durch die Kongreßidee auch wieder problematisch werden künnte. Er war einverstanden mit Bi3- mar’3 Wort, daß ein solches Resultat nicht durch fleine Nebenforderungen in Frage gestellt werden dürfe; aber fügte er Hinzu, er kommt darauf an, wieviel man an Geld oder Land erlangen kann, ohne das Ganze aufs Spiel zu legen. Schließlich resümirte der König, wenn man vom Besiegten nicht Alles erlangen künne, was man mit Recht verlangen dürfe, dann eben der Sieger sich fügen müsse“ Hiezu bemerkt Sybel: „Schwerlich wird die Nachwelt anders urtheilen, als daß ein solches Verhältniß zwischen Monarch und Minister, eine solche Verbindung von Siegesbewußtsein und Mäßigung, ein solches Hand-in-Handgehen von Selbstbeherrschung und Genialität in aller menschlichen Geschichte sehr selten erschienen ist.“ Dank der Kaltblütigkeit und Energie Bismarck’s wurden die Friedenspräliminarien am 25. und 26. Juli zu Ende geführt. „In der Frage der Kriegsfosten ging Bismard von 50 auf 45, dann auf 40 Millionen herunter, davon sollten 15 Millionen auf Oesterreichd Auslagen für den dänischen Krieg abgerechnet werden ; später gab Bismard nach, daß weitere fünf Millionen für die Naturalverpflegung der preußischen Truppen in Abzug kämen, so daß die Baarzahlung sich schließlich auf 20 Millionen Thaler beschränkte.“ Was Sachsen betraf, wofür der Kaiser von Oesterreich seine Ehre und Napoleon seinen Einfluß einjegte, ließ Bismard die Annexionsgedanken fallen, doch als Graf Károlyi die Verbindung Sachens mit dem Südbund forderte, „war Bimard an der Grenze seiner Nachgiebigkeit angelangt; er war an der Zeit, auf einmal die Leidenschaft seines Patriotismus hervorzuführen; er warf seinen Sessel zurück und hoch aufgerichtet gab er die Erklärung, die Aufrechthaltung dieses Begehrens sei die Erneuerung des Krieges; selbst wenn Se. Majestät der Könige annehme, würde er sein Amt aufgeben, um einen solchen Vertrag nicht zeichnen zu müssen.“ Er wurde Triede. Die Hegemonie Desterreich über Deutschlands war gebrochen, Preußen um vier Millionen Untertanen verstärkt und als Präsident des an Stelle des begrabenen „Deutschen Bundes“ gestifteten Norddeutschen Bundes aus dem Kampfe hervorgegangen. Es war ein Uebergangsstadium, ein Kompromiß, vom Uebergewicht Frankreich und Nußlands diktirt. Im Wesentlichen war das romantische Programm Friedrich Wilhelm’s IV. aus den vierziger Jahren verwirklicht, aufgepußt duch den Frankfurter Gedanken einer parlamentarischen Nationalvertretung. Der sechte Abschnitt des fünften Sybel’schen Bandes beschäftigt sich mit den internen Geschehnissen bei der Gründung des Norddeutschen Bundes mit preußischer Seite. Wir nehmen Hier Abschied von dem spannenden Buche, welches von Freund und Feind mit gleichem Nugen und Interesse gelesen werden wird. Dr. Adolf Silberstein.