Oedenburger Zeitung, 1890. November (Jahrgang 23, nr. 252-276)

1890-11-01 / nr. 252

TswkskWstspTHwHkp-—---«’». k Steuererhöhung vor die Wähler zu treten, dazu gehört eine starke Dosis politischen Muths, eine ausgiebige Dosis von Selbstvertrauen.Es gehört allerdings noch etwas Anderes dazu nämlich ein großes Vertrauen in den gesunden Verstand der eigenen Landsleute.Offenbar besitzt der der­­zeitige italienische Premier diesen und rechnet er demzufolge sicher darauf,daß seine Mitbürger ihm das Wett kauet,das sie ihm seit Jahren geschenkt haben,auch in den gegenwärtigen schwierigen Zeit­­läuften nicht entziehen werden. Wir, von unserem Standpunkte aus, fünnen nur wünschen, daß er sie hierin nicht täuschen möge. Dne Niederlage des Ministeriums bei den Wahlen müßte unbedingt dessen Nachritt bewirken und ein S Koalitionsmini­­sterium aus radikalen und konservativen Elementen müßte and Nuder kommen. Dieses­ Ministerium würde gewiß formell alle Beiträge verperk­en, die ZTm­pel-Allianz­ wäre nicht3desto weniger todt. Was das aber für uns zu bedeuten hätte, bedarf seiner Erörterung. Die Wert der politischen Be­­ruhigung, die seit der Entlassung Bismarck’s ein­­getreten ist, würde ihr Ende erreicht haben; wir stünden einer neuen Ära der Ungewißheit und der Besorgnisse gegenüber. BAT. Todtenkrängze. Zum Allerseelentag (3. November.) Wenn im Sommer Wald und Feld mit üppi­­gem Grün, mit Zausenden verschiedenartiger Blumen geschmückt sind, wenn uns auf Schritt und Tritt die vielgestaltigen einheimischen und eingebürgerten Kinder Flora’s im elgewand entgegenlac­en, dann muß der Blumenkultus im engeren Sinne, nämlich als Zimmergärtnerei, oder als Opfer der Pietät zu Kränzen geflochten, für geliebte Todte, jener Freude weichen, die uug die lebenden Blüthen­­tränze auf der Flur, im Walde und Garten be­­reiten. Der begüterte Pfanzenfreund Schmüd­ Lebteren mit neuen und seltenen Gewächsen und der in be­­scheidenen Verhältnissen lebende Gartenbefiger ver­­sucht es, ihn mit wenig Mitteln, so gut es gehen will, auszustatten. In den Städten freilich sind nicht Viele in der glücklichen Lage, ein Wiedchen Erde ihr Eigen nennen zu künnen, und diese wollen auch während des Sommers die grünenden und blühenden Topfpflanzen am Blumenbrett vor dem S­enster, welches den Garten erregen muß, nicht missen. Sobald aber der Herbst seinen Einzug gehalten hat, erreichen die Freuden des Gartens nur zu rasch ihr Ende. Eine Sommerblume nach der andern flieht dahin, Blatt auf Blatt fällt weit zum Boden nieder, die lechte Rose, des Herbstes Iette After verblüht, der sonst wohlgepflegte Garten sieht öde und traurig aus und bald liegt alles Pflanzenleben in der freien Natur in tiefen Winterschlaf. Jet kommen die Bimmerblumen wieder zu ihrem Rechte, sie müssen Ertag bieten für den verlorenen Garten. Endlich jedoch, am Allerseelentag, blüht gleichsam in jedem Verlaufgladen ein neuer blüthen­­reicher Frühling auf, der Lenz der Todtenfränze! Arm oder reich, vornehm oder gering. Jeder hat gewiß einen oder mehrere geliebte Todte zu betrauern. Er widmet ihnen, als Zeichen frommen An­­gedenkens zur Gedächtnißfeier der Dahingeschiedenen, ein Geschent auf ihren fegten Hügel, und kann es ein sfinnigerede geben, al Blumen: 7 Todten­­frängze?! « Am Allerseelentage beschleicht die füh­­lenden Menschen ein frostigi düsteres Ahnen von der öden,kalten Ruhe der Grabesnacht und ein mächtiger Drang erfaßt ihm hinauszueilen in die Todtenstadt,mit seinen Kränzen zu zieren, mit seinen Thränen zu netzen die Scholl,welche seine staub gewordenen Lieben­ deckt.Daß die Stunde kommen wird,die dereinst auch ihn abberuft,daß wird er inne, dieweil er an den Gräbern der Seini­­gen trauert, der Ddem des Vergehend weht ihn an und durch das zittere Herz geht ihm ein Dämmern­­des Gefühl, was er heiße, dem Leben entsagen, dem Athmen und dem Wirken, den Wonnen und den Qualen, deren beständiger Wechsel den Pfad von der Wiege zum Sarge ausfüllt. Mit bangen Schrit­­ten wanft man hinaus zur Eichhofspforte, von deren Spike der Spruch entgegenwirft: „Wir werden auferstehen !" Wohl dem, der zugänglich ist den Tröstungen dieser Verheißung! Doch wehe den Tausenden, denen der Glaube mit feinen Hoffnun­­gen im harten Lebensfampfe abhanden gekommen! Bom­erte, wo sie ihr grambedrühtes Herz zu er­­leichtern gedacht, nehmen sie eine Stachel mit, der ihnen die Seele blutig legt: die ironische Verzweif­­lung des Lebenswerthen . . . Sowohl, das ist’s, woran die moderne Men­schheit franst, in ihr it das­­ Verständnis für die Aufgaben de3 Leben, wie auch für dem sittlichen Werth desselben zu sehr in die Brüche gegangen. Eben so befremdender, ald bedauerlicher Weise lichtet das Sehnen nach dem Nicht: fein die Reihen der Menschheit, jagt Jünglinge, denen noch so viele Freuden winken, Männer, deren Pflicht das muthige Streiten wäre, reife, deren Leben ohnehin nur mehr nach Tagen zählt, in den freiwilligen Tod. Man wirft das Leben von sich, wie eine Bürde. Die Thoren! Wie würden sie jeden als einen Narren verschelten, dem er beifiele, einen Sad Gold von sich zu werfen, weil dieser zu schwer zu schleppen sei. Und doch thun sie ein Gleiches, indem sie leichten Sinne sich de Lebens entledigen, einer Last, welche das foftbarste Gut in sich begreift. Und wäre es doch nur die Verzweiflung des Elends, welche den Menschen zum Selbstmörder macht. Einem Dasein entsagen, das gewoben ist aus fin­­sterm Jammer, worin Darben die Sette und Thrä­­nen der Einschlag sind, das ließe sich noch immer­­hin begreifen, wenngleich nie entschuldigen. Aber merkwürdig, es ist gerade das Elend, welches das geringste Kontingent zur Legion der Selbstvertilger stellt. Die Armuth­­ält zähe am Leben, inmitten des finstersten Leidens Iugt sie noch an nach Dem matten Hoffnung sichimmer, den die Erdenscholle und der Himmel, der mächtige Selbsterhaltungstrieb und der Glaube, bieten. Die Leidenschaft der Selbst­­vernichtung Hauft am zügellosesten in jenen Streifen der Gesellschaft, die das Geschid mit dem Aergsten heimzusuchen unterließ. Der alte, freche Bettler schleppt seine fransen­glieder in ergreifender R Resignation durch die bitteren Mühlseligkeiten seines freudeleeren Lebens , indem nicht selten der übersättigte Genuß­­mensch sich selbst über das Bord des Lebensschiffes wirft, um sich Hineinzustürzen in die dunklen Wogen des Todesmeeres. Die arme Bettlerin, die frank auf ihrem Spreulager im dumpfen Seller lauert, sie trägt geduldig ihres Daseins Laften und erst mit ihrem legten Seufzer entweicht die Hoffnung ihrem sterbenden Herzen , während die reiche Dame, auf deren Lebensfade die Sonne des Glüces stets ihre hellsten Strahlen warf, gleich bei dem ersten Kum­­mer, dessen Schatten ihr nahen, mit nervöser Hand zur Waffe greift, mittelst welcher sie dem Gram entrinnen mag. Das Leben ist ein werthlos Ding geworden, das man einem Einfalle, einer Unbequemlichkeit, einer Laune oft, ohne Zaudern Hinopfert. Dem einem Delirium der Todessehnsucht ist unser Ge­­schlecht ergriffen, der Wahnsinn der Gelbitzerstö­­rung hat sie der Kulturmenschheit bemächtigt. Man hat den Sinn verloren für die Güter des Lebens und man erwartet vom Tode, was er nicht bieten kann. D, über die herbe Selbsttäuschung ‘Den­­jenigen, der die frevelnde Hand an’s eigene Leben legt. Ihn wird nicht erwarten im Lande der Verheißung, ihm wird aber auch hienieden sein wehmiüthiger Nachruf, ja nicht einmal der Zoll der PVietät dargebracht, die Todtenfrängze! Der einzige wahrhaft gottgefällige und darum haltbare Kitt, welcher den Menschen an das Leben fesselt, ist die Moral. Die moderne Gesittung aber, was ist sie? Ein Leichenfeld, von todten Zeu­­genden vollberäet. Der Idealismus, der ehedem das Leben unserer Väter verschönte, er ist ver­­flüchtigt ; nur Wenige hegen ihm in ihres Herzens verborgenem Winkel einen Altar, die Mafie aber ist verroht, brutal in ihren Begierden, brutal in ihren Mitteln, diese zu fü­llen, brutal in ihrer Auf­­fassung Hinsichtlich Desien, was sie vom Leben bestchen kann und was sie dem Leben schuldig ist. Das rohe Gemüth Fennt nur ein Recht, zu for­­dern, aber es entgeht ihm die eigene Pflicht, zu leisten, zu tragen, zu dulden. Daher die Selbst­­morde, daher der Hang der Selbstvernichtung in der modernen Menschheit. Am Tage aller Seelen gedenkt man der Todten. Gebet Hin und betränzt, beweinet die todten Ideale. Vielleicht, daß sie zu neuem Leben erwachen vom Dufte Eurer Blumen­­opfer und von Eurer Thränen warmem ra Das arme, häßliche Mädchen fühlte zum ersten Mal, was das heißt glücklich sein. D, wie wollte sie ihn lieben! Nein! Nicht lieben, anbeten, vergöttern wird sie ihn; nicht seine Gattin, seine Sklavin will sie sein; nicht seine Liebe will sie gewinnen, nur die Anerkennung, wenn sie ihm dienen, und einen dankbaren Blick, wenn sie sich opfern wird. Und das Jahr war um. Milowes wurde Doktor und reiste zu seinen Eltern. Nach­ zwei Mo­­naten kehrte er in die Hauptstadt zurück, und nach­­dem er schon früher in der Soiefstadt großen Ne­­spert genossen, wurde er zum Vereinsarzt des Kranken und Leichenvereind­e St. Kriöpinus" er­­nannt und siedelte sich auf der Vellderstraße an. Einige Tage darauf schien die luftige Sonne auf die goldenen Lettern seiner stattlichen Anschlagtafel, auf welcher zu lesen war: Univ. Med. Dr. Peter Mikoweg. Ordinirt von 2—4, darunter die offi­­zielle Tafel mit der Aufschrift: Vereinsarzt des Kranken- und Leichenvereins „St. Krispinus“. Herr Hudraf spazierte wohl zwanzigmal die Tages vor den Tafeln vorbei’ und schwelgte in dem Glückfe der Schwiegerväter, welche einen Doktor mit so vielen Titeln zum Sohn bekommen. Bei Hudraf war der neue Doktor nur ein­­mal, al er seine Bücher, Präparate und Phiolen holte. Bepi war eben in seinem Zimmer und machte sich bei den Laden emsig zu schaffen. Sie Y­gte Alles Hübsch in Ordnung und schlaf heftig zusammen, als Dlifoweg mit ihrem Vater ins Zim­­mer trat. Mikoweß fand Alles in bester Ordnung und entfernte sich. Zwei Monate blieb er aus. Der gute Hydruf hielt das für ganz natürlich, denn so ein Doktor müsse sich, seiner Meinung nach, erst eine Klientel suchen, bevor er h­eirathet. Das war so ganz Flug, Mikoweg ist ein gescheichter Mann. Eines Tages kam ein großer Brief mit ver­­schlungenem Monogramm geziert. Zu lesen war darin nur so viel, daß sich Herr Dr. Peter Miko­­we mit Fräulein Irma Pfistermayer, der Tochter de­r eichen Tralermeisterd, verlobt habe. Hudräf wurde todtenbleich, seine Frau brach in Weinen aus. Wepi blieb ruhig. Nur ein schwerer Seufzer entrang sich ihrer Brust. Im die h­eitere Be­ Baujung Hudräf’8 war plößlich tiefe Trauer ein­­gezogen. Es war am Abend vor Allerheiligen. Ein lebhaftes Getriebe Herrschte auf den Straßen. Präctige Kartoffen, mit Kränzen beladen, jagten einher, eilende Gruppen drängten sich auf den breiten Straßen; rauen, Kinder, Arme, Reiche hielten ihre Kränze in den Armen, welche sie dem Andenken der geliebten Todten geweiht haben. Im schneidenden Herbstwind flirrten die Scheiben der Gaglaternen aneinander, in welchen die Flamme unruhig flatterte und Alles befa­ß sich, das süße Heim zu gewinnen, welches um so traulicher scheint, je wüster der Sturmwind draußen sein Unwesen treibt. Auch bei Hudräs’8 wurden Vorbereitungen zum Teste der Todten gemacht. Die farbigen Lam­­pen und die Leuchttiegel waren schon da und man wartete nur auf den Vater, der die Stänze zur be­­sorgen in die Stadt gegangen war. Tiefe Stille herrschte in der Herbeleuchteten Stube, aber nicht jene süß traurige, wehmuthsvolle Feiertagsstimmung war es, welche selbst dem Texte der Todten ein mildes, freundliches Gepräge zu verleihen pflegt. Mit bangen Zügen stand die Mutter beim Senfter und drückte die Stirne an die Scheiben. Von Zeit zu Zeit unterbrach ein tiefer Geuifter ihrer Brust das dumpfe Schweigen. (Schluß folgt.) > Dem Tage, Aus dem ungarischen Weichstage. Vorgestern Donnerstag verhandelte das Ab­­­geordnetenhand den von Zatöczy gestellten Antrag, betreffend die Einstellung des Ra­­tengeschäftes. Nedner schilderte die vielen Nachtheile dieser Ratengeschäft, welche zum größten Theil bezüglich solcher werthloser Waaren zu Stande kommen, die der Eigenthümer im ödentlichen Geschäftswege nicht verkaufen kan. Er lot daher die Käufer dadurch an, daß er zur Bezahlung des Kaufschillings ganz seine Raten bewilligt, wobei jedoch solche Bedin­­gungen gemacht und vom Stäufer unterschrieben werden, welche geeignet sind, diese vollkommen zu Grunde zu richten. Ein besonderer Nachteil dieser Geschäfte liegt darin, daß Agenten und Hausirer von Ort zu Ort, von Haus zu Haus wandern, dort unter den blendendsten Versprechungen die Waaren förmlich auffängen und dann Waaren schiden, welche kaum ein zehnten Theil des bedungenenen Preises werb­­ind. — Redner wünscht deshalb, daß oe­nn auf bewegliche Sachen nur bezüglich solcher B­aaren gestattet seien, welche zum Geschäfte oder zum Haushalt des Käufer gehören, daß der Ver­­käufer verpflichtet sei, dem Käufer eine Abschrift der von diesem Ausgestellten Urkunde auszufolgen, daß die Konsequenzen der versäumten Zahlung einer Rate gemildert werden, und daß weder Agen­­ten noch Hausirer ähnliche Geschäfte vermitteln dürfen. Namens der Regierung erklärte Hierauf der Kön­ ung. Handelsminister Baroff, daß auch­ die Ratengeschäfte ihre volfswirthschaftliche Bes Sortigung in der Beilage. =

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