Oedenburger Zeitung, 1891. Dezember (Jahrgang 24, nr. 275-298)

1891-12-01 / nr. 275

" EEE Dienstag, 1. Dezember 1891. XXIV. Jahrgang. edenburge Organ für Malitik, Handel, Industrie und Landwirthchaft, sowie für snziale Interessen, 13 eifrig. jährig 8 fl. 50 fl. Alle für das Blatt bestimmten Sendungen, mit Ausnahme von Inseraten, Prämumerations- und Infertionsgebühren, sind an Redaktion portofrei einzusenden. Administration, Verlag und Inseratenaufnahme: | Buhdenderi E, Nomtalter , Sohn, Grabenrunde 121, Einzelne Nummern offen 5 Kreuzer. Das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen « Sonn-oder Feiert­sfolgenden Tages.— From­merations-Ycetse: Für Loco: Ganzjährig 10 fl., Halbjährig 5 fl., BVierteljährig 2 fl. 50 fl., Monatlich ı fl. Für Aundwärts: Ganzjährig 14 fl., Halbjährig 7 fl., Biertel« En zu u­ne vermitteln: im Wien: Hafenstein & Bogler, Walls­ichgasse 10, U. Oppelit, I., Stubenbastei 2, Heinrich Schalek, I., Wollgeile 12, R. Moffe, Seilerstätte 2, M. Dufes, I., Riemer­­gasse 12. An W Budapest: Paulus Gy., Dorotheagasse 11, Leop. 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Wir unterlassen es, den allbekannten Canon Chamisso­n von der „schweren Zeit der Noth“ weiter zu verfolgen; wer in der Welt Heutzutage, ohne bedeutendes eigenes Vermögen zu­­ befiten, 6103 von seinem schwerverdienten und von allen Seiten belasteten Erwerbe leben muß, weiß von „der Noth der schweren Zeit" gewiß selber ein Lied zu singen, wozu er nicht einmal ein Dichter, sondern nur ein Familienvater aus dem Mittel­­stande zu sein braucht, welchen der erorbitante Breisaufschlag bei allen Stoniumartikeln zu den äußerten Einschränkungen zwingt, obgleich seine soziale Stellung in der Welt ihm die Bewahrung eines gewissen äußeren Anscheins von Wohlhaben­­heit auferlegt. Es ist wohl ein recht tramriges Lied, zu dem die Noth der schweren Zeit den Text liefert, aber man darf nicht die Ohren verschließen vor der Klage, die überall ertönt. Die allgemeine T­euerung verlangt die vollste Aufmerk­­samkeit der berufenen aktoren, die allgemeine Noth fordert uns auf, unser wirthschaftliches Le­­ben neu zu regeln. Der Frieden bericht in der auswärtigen Politik, ein bewaffneter Frieden, der den Völkern schwere Opfer auferlegt, aber doch ein sicherer Frieden; wir haben seine Sorge, daß ein Krieg unser wirthschaftliches Gebäude niederreißt, wir kün­­nen selbst daran gehen, es auszubessern, e3 mwohn­­lich auszugestalten. E38 ist sonach gerade frst der gelegenste Zeitpunkt, daß durch eine gesunde vol f3- wirthschaftliche Politik die Regierung ernstlich daran geht, die Interessen der erwer­­benden Bürgerflasten zu fchtigen, denn nur, wo diese leistungsfähig sind, prosperirt der Staat. Im September dieses Jahres ist die Kohle theurer geworden, es hat sich ein „Kohlenring“ ge­­bildet. Glückicherweise sind nicht alle „Kartell­­berechtigten“ diesem Kohlenring beigetreten und die Preissteigerung konnte nicht in jenem Maße durch­­geführt werden, wie es auf Kosten der armen Konsumenten geplant war. Die Kohlentheuerung besteht auch heute noch fort, und als si in Wien, bezüglich dieses Umstandes, der dortige Magistrat an die Handelskammer mit der Anfrage wandte, wie man dieser ummotivirten Sohlentheuerung steuern könne, entgegnete die interpellirte Stelle, daß „sein Anhaltspunkt dafür gewonnen werden man, daß die Preissteigerung der Kohle im Sep­­tember dieses Jahres auf eine gemeinsame Verab­­redung der Kohlenhändler Hin erfolgt sei." Da, solche Anhaltspunkte sind nicht Leicht zu finden, die Herren Kartellschließer sind immer schlau, sehr Schlau, mögen sie nun einen Kohlenring, einen Bruderring, einen Rapierring, einen Eisen­­ring, einen Zwirnring bilden, sie sind ebenso schlau und so mächtig, daß nur ein Geseh ihnen das Handwerk, den armen Konsumenten als Schlerel, von dem man nach Belieben Geld herab­­fragen kann, zu behandeln, legen kann. Und darum fordern wir neuerdings Die Schaffung ein Gefeßel gegen die Kar­­telle, wir fordern es heute dringender als je, weil die theuren Zeiten Hilfe für die Konsumenten verlangen, jede mögliche Hilfe! Unsere Hausfrauen müssen darauf dringen, daß durch ihre Männer auf die Stadtbehörden Hingewirkt werde, damit wenig» frend der Willführ der Verkäufer in der Preisbestim­­mung ihrer Konsumvortikel Schr­anken gejegt werden. Das „Wie?“ ist eben Sade der Magistratd-Weis­­heit. Vor Allem muß dem Unfuge de­s Vorverkau­­fes energisch entgegen getreten werden. In Bezug auf das Treisch hat beispielsweise der P­reßburger Magistrat gedroht, selbst Ochsen anlaufen und in eigener Regie ausschrotten zu lassen, wenn Die Herren Fleischhauer nicht rationable Preise machen. Vielleicht wird der fest etablierte Konsumver­­ein aue etwas dazu beizutragen, daß die Bäume der eigenmächtigen Artikelvertheuerung nicht in den Himmel wachen. Doc bei alledem ist noch immer nicht viel erreicht, Die Noth der Schweren Zeit abzuwenden, wenn die Regierung durch aller­­lei Nachlässe, Herablegung der Ver­ehrungssteuern, der Einfuhrszelle und durch Erlassung einer Reihe sonstiger Gejege der allgemeinen Theuerung ent­­gegenwirkt. Der Ausfall muß dann durch Steuern, welche nur die Reichen treffen, hereingebracht wer­­den. Zum­ Beispiel Hohe Erb- und Börsesteuern, sowie durch vernünftige Belastung des Großgrund­­befißes. Die schwere Noth der Zeit ist ein allseitig gefühltes Nebel, eine Serankheit, der radikal zu Leibe gegangen werden muß, und welche mit der Energie der­­­erzweiflung drängt, die soziale Frage einer entsprechenden Lösung zuzuführen. Unser wirthschaftlicher Organismus zeigt bedenkliche Sprünge und Riffe und die Maschine geht nicht mehr ihren richtigen Gang, im Mechanismus klappt nit mehr Alles, wie vor Jahren. Die gewaltigen Ideen der Nationalökonomie, welche das wirts­­cchaftliche Leben in diesem Jahrhundert beherrscht haben, erweisen ss als zu schwach für die neuen Verhältnisse; hervorgegangen aus der scharfsinnigen Beobachtung der früheren wirthsschaftlichen Zustän­­de, sind sie mit diesen Zuständen schwach und hinfällig geworden. Die großen Lehrer der Volfs­­wirthschaft waren Niefen gegenüber den Objekten ihrer Betrachtung, aus denen sie leuchtende, wichtige Grundsae der National - Oekonomie, der Wissenschaft, den wirthschaftlichen Wohlstand der Staaten und Völker zu begründen, ableiteten. Heute sind die Objekte gewachsen und überragen den Standpunkt, welchen jene Gelehrten eingenom­­­men haben. Es geht nicht mehr mit den alten Prinzipien, mit den alten Dogmen der Volfswirthschaft. Schon die Lehre, daß das Angebot und die Nach­­frage dem Preis regele, taugt nicht mehr für die modernen Bedingungen des wirthschaftlichen DVer­­fehrd. Die Produktionsweise hat sich geändert, die Produktionskosten sind andere geworden, und die Konsumtionsfähigkeit ist nicht gestiegen. Wir leben in einer Welt des scheinbaren Ueber­­flusses; wir darben, wo Alles zur Verfügung stünde, unsere Lebensweise zu einer angenehmen zu gestalten. Die allgemeine Theuerung selbst ist ein schreiender Kontrast zwischen der Wirklichkeit und den Buständen, wie sie nicht nur sein sollten, son­­­dern sein müßten, sobald der Staat­e versuc­ht die Produktions-Verhältnisse zu bee­n­den; und jonach tritt denn auch die Jdee der Verstaat­­. aus ihrem Auge — und ich sah, daß sie michh verstand. »s· Ihre Eleganz verrieth deutlich, daß sie Equi­­page gewöhnt war, sie ging aber zu Fuß und recht langsam der Stadt zu. Ich wußte sofort, daß sie mich erwarte. Eine reizende Dame, die sichtlich be­­strebt ist, von mir eingeholt zu werden! Ein paar Minuten und ich gin an ihrer Geste. „Bnädige Frau —* sprach ich sie an, indem ich fein und artig den Hut lüftete. „Mein Herr “­ sagte sie und schaute mich fragend an mit einem schelmischen Bli ihrer schö­­nen Augen. „Ich wollte in einer ganz außergewöhnlich wichtigen und dringenden Angelegenheit in die Hauptstadt reifen. Zu Hause baten mich meine­reunde, doch ja das Bankett abzuwarten, daß sie mir zu Ehren veranstalten. Sie künnen sie vor= frelen, meine Gnädige, wie wichtig die Sache sein­ muß, die mich zwang, die Bitte meiner Freunde unerfüllt zu lassen. Und nun bin ich hier, plößlich ausgestiegen und bleibe hier‘. „Und warum das, da Sie doch in einer so dringenden und wichtigen Angelegenheit in der Haupt­­stadt erscheinen sollen ?' „Weil“ — sagte ich mit einer tadellos ele­­ganten, bezwingenden Überbeugung — „weil ich Sie gesehen habe, weil ich noch nie und nirgends eine so göttlich schöne rau gesehen Habe, wie Sie sind, weil ich empfand, daß ich Sie liebe".­­ Feuilleton. Er hat ans Ienfter geklopft. Bon Karl Murai. Im Klub der Privatbeamten fißt unter Herren mit rothen Halsbinden ein junger Mann, dessen Gesicht nur so leuchtet von Selbstzufrieden­­heit und der spricht unter fortwährendem bedeu­­tungsvollem Augenblinzeln, mit J­einer binnen, erhobenen Stimme das Gläsergeklirre überschreiend. Zweites Läuten. Der Kondusteur fing an, die Wagen abzu­­gehen und schlug gleichgiltig eine Thür nach der andern zu. Ich saß beim Koupefenster und gute sie hinaus auf den Berren. Wie ich nun so gedan­­kenlos auf die Bafjanten Hinunterstarrte, fielen mir ein alter Herr und eine sehr junge Frau auf, die schnellen Schrittes Arm in Arm aus dem Wartesanle kamen. Die Frau — eine majestätische, eine bezaubernde eine phänomenale Schönheit. In ihr lag der ganze duftende Frühling und aus ihren Augen sprühte Sommergluth. Wie sich ihr alter Gatte auch, sputete, um nicht zu versäumen, er schaute, doch mit Liebe und Wärme auf die schie­­bende Fre an seiner Seite und ich bemerkte, daß daß er ihren Arm drücte. Die Geschichte begann mich zu interessiren. Ich ließ schnell das Senfter Heunterfallen und stedte­ mit großer Eile den Kopf hinaus. Gerade zur rechten Zeit.­­Ich sah den alten Herrn in ein­e Roupe steigen und sah das­­­­ wunderbare Wesen ihm mit den behandschuhten Händchen zum Abschied winken. Wie sehr sie auch mit ihrem Alten beschäftigt war, fand sie doch Zeit, mir einen flüchtigen Eli zuzumerfen. Ich sah sie steif an, mit brennendem Gesicht, mit dem ganzen Zauber meiner Augen und sie erröthete. Verlegen senfte sie die Stirne, Flammen schoffen ihr in die Wangen und ich blickte triumphi­­end um mich im Rollbewußtsein der Wirkung, die ich da erzielt hatte. Nachdem ich das gethan, blieb mein Auge auf dem Bahnhofdiener haften, der soeben den Strick des Glockenklöppels ergriff und den Wink zum dritten Leuten erwartete. Noch ein bewundernder Blick auf die Frau und mein Entfluß war gefaßt. Ich öffnete die Thür, ergriff mein Stoffechen, und sprang eben in dem Augenblick vom Zrittbrett, als das Dritte un­ ertönte und der Zug sich in Bewegung ebte, Instinktiv, meine Herren, instiktiv bemerkte dad der alte Mann, und sein Gesicht verfinsterte sich, wie ein Regenschirm. Ein Gepäckträger nahm meinen Koffer und trug ihn auf meinen Befehl in den­ Speisesaal. Ich aber ging mit leichten, elastischen Schritten, ein Liedchen jummend, Hinter Dem dagebliebenen, jungen reizenden Weibchen her, das auch zusammengefahren war, als ed mich im Augenblice der Abfahrt aus dem Buge Hatte springen sehen. Ein bligender Blid

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