Oedenburger Zeitung, 1897. März (Jahrgang 30, nr. 49-73)

1897-03-02 / nr. 49

.--I-(·I-s­­»-f-x-f-s-F-q-.-»-sss XXX. Jahrgang. Dientag, 2. März 1807, Oedenburger Zei­­­­­­­m­k­reis: 6 Seiler. Pränumerationd:Preise: Für Aveo: Ganzjährig 20 Kr., Halbjährig 10 Kr., Bierteljährig 5 Kr, Monatlich 1­8. 70 Hr. Här Undwärts: Banzjährig 35 Mr, Halbjährig 13 Ar. 50 Sr., Bierteljährig 6 #: 25 HZ, Monatlich 2 Mr. 20 HZ Administration und Beflag­­ung Politisches Tagblatt. Kuhh­akerei Alfred NRommalter, Srahrae 121. Beleron ir. 25. reis: 6 Keller. Inserate nach Tarif. Derselbe wird auf Wunsch überallhin gratis und franco versendet Annoncenaufträge, Abonnements­ und Infek­tion dı@es­bühren sind an die Administration (Grabenrunde 121) eingufenden Vermittlung durch alle Annoncen-Bureaus. TER Die Volksschule ist das Fundament der Kultur. Oedenburg, 1. März. Unser Abgeordnetenhaus befaßt sich gegen­­wärtig mit dem Budget der Kultus- und Unterrichts­­ministeriums und gerade­­dieses Berathungs-Thema ist dasjenige, für welches in den allerweiterten Kreisen lebhaftes Interesse herrschen muß, denn die Schule legt allezeit und überall den festen Grund zur kulturellen Bedeutung der Nationen. Von der Volks- bis zur Hochschule dehnen sich die Strahlen des geistigen Lichtes aus und wehe dem, der von diesen Strahlen unberührt, in der Nacht der Un­­wissenheit durchs Leben wandern müßte. Wenn die Universitäten und technischen Akademien die Blüthe der Intelligenz unserer Jugend zur vollen Ent­­faltung zu führen imstande sind, so ist dies nur durch jene Pflege möglich geworden, welche schon in gut geleiteten und rationell den Lehrstoff behandelnden Bolksschulen dem allmählig fi, entwicklnden Bei­­stande zutheil wurde. Der Bolksschule legt das Land die erste und zweifellos wichtigste Mission auf, für die nationale Kultur den Boden vorzu­­bereiten, den fruchtbringenden Samen in denselben zu legen und sorgsam zu betreuen, damit den höheren Bildungsanstalten nur mehr die Veredelung der gesunden und ertragsfähigen Reifer erübrigt. Diese Kultur, deren zielbewußte Anlage schon den Volfsschulen obliegt, muß insoferne national sein, als sie getränft sein muß vom Geiste des un­­garisschen Volkes und dadurch geeignet, in Keifch und Blut desselben überzeugehen. Sie muß aber auch im gewissen Sinne international sein und zwar vor Allem bezüglich ihres Niveaus das heißt, sie muß an Gehalt und Intensität­ den Vergleich mit der Kultur anderer vorgeschrittener Kulturwölker aushalten, ferner muß sie die Auf­­fangung der Errungenschaften fremder Kultur nicht ausschließen, sondern weise vermitteln. Die ungari­­sche Nation ringt, seit sie die Macht über ihr eigenes Schiesal zu entscheiden, wieder in die Hände nehmen konnte, mit beh­undernswerther Energie für die Ausbildung ihrer Kultur. Ihr Ringen war fein unfruchtbares und sie kann mit Befriedigung auf den Ortschritt der jüngsten dreißig Jahre zurückbliden. Troßdem aber ist relativ die Rolfsschule, in welcher wir da­s Fundament der Kultur erbliden, bei und noch lange nicht auf jener Stufe, auf welche sie emporgebracht werden muß, wenn sie der aufhaltenden universell bildenden Mission volständig gerecht werden sol. Wir haben erst unlängst von der jammervoll Färglichen Be­­soldung einiger Bossschullehrer im Oeden­­burger Komitat ein sehr traurige Liedchen gesungen, nım hängt aber eben von der Tüchtigkeit des Lehrers des Erfolg des Unterrichtes ab, welcher Mann von wirklicher gründlicher Bildung, von hervor­­ragender pädagogischen Befähigung wird sich dafur herbeilassen, die bitterste Noth und allerlei Demü­­­thigungen zu ertragen, um der Dorfjugend Tag für Tag die Pforten zum Tempel des Willens zu eröffnen ? ! Man muß auch den bescheidensten Dorfschul­­lehrer eine menschenwürdige Epristenz bereiten, damit er nicht nur sorgenfrei sein Lehramt, sondern er auch mit Luft und Liebe befleide. Wie der FE. ung. Unterrichts- und Kultus­­minister Dr. Wlafn­es in einer längeren Rede den Abgeordneten eröffnete, plant die Regierung in der That eine gründliche Reform des Go­lfs­­unterrichts. Diese Reform werde sich jedoch mehr auf die administrative Seite beziehen, indem dem Staate eine gewisse Ingerenz gesichert werden sol. Man muß hier mit Rücksicht auf die kon­­fessionelle Sensibilität behutsam vorgehen. Minister Wlaffics will seine Verstaatlichung der Schule, wohl aber wird er dort, wo er es für nöthig hält, Staatsschulen errichten. Es gibt — so meinte der Leiter unseres Unterrichtsweseng — in Ungarn seine Irreligiösität, wie die „WVolfSpartei“ sagt, aber wenn es eine gäbe, so wäre eben die Geistlich­­keit daran schuld, da vier Fünftel der Volksschulen konfessionell sind. Hinsichtlich der Bezahlung der Lehrer wird Redner dort, wo dieselben noch immer nicht das Minium erhalten, für Abhilfe sorgen. Unter den Staatlichen Lehrern gibt es seinen mit nur 300 fl. Bezahlung. Die Ausbildung der­­ BoIfs- Mann — gar nicht Schuld! man konnte doch von einem ehemaligen russischen Dorfschulmeister nicht verlangen, daß er schreiben solle wie ein Dr. Mar Falk! — Sein Blatt wurde aber weniger gelesen und viel, viel weniger gehalten als das seines gebilde­­teren und liberalen Kollegen Deferow, über welche seltsame Erscheinung Dlim­oukow sich vergeblich den Kopf zerbrach. Während der Leserpreis des „täglichen Boten“ mit jedem Halbjahr gewaltig zunahm, sah der Herausgeber der „Russischen Sonne“ seine Auflage mit Sammer immer mehr zusammenschrumpfen. Kollege Djerom drohte ihn gänzlich zu verschlingen.­ Der natürliche Selbsterhaltungstrieb ließ Dh­nnnoukow das wirksamste ruffiiche Mittel finden, der gefährlichen Konkurrenz entgegen zu treten. Er wandte sich voll findlichen Vertrauens an die väterliche Regierung, und da Diele über das Wohl und Wehe ihrer artigen Kinder mit mütterlicher Sorgsamkort wacht, so ward dem be­­drängten „Sohn des Baterlandes“ Hilfe zugesagt. Der umsichtige, thatenfrische Gouverneur nahm­ sich die Sache in seinem, zugleich aber in eigenem S Interesse an. Nachdem Dlim­oukow beim Gouverneur mehrere geheime Audienzen gehabt, meldete sich eines Nachts der Gen­darmeriechef mit vielen Poli­­zisten in der Wohnung des Redakteurs Djerow zur­ Hausdurchsuchung. Privatwohnung, Redaktion, Drucereiräume wurden­­ bei beseßten Thüren und unter­ strenger Bewac­hung der­ redakteurlichen Familie, bis hinab zum "Säugling in der Wiege, heimlichst Duchforscht, alles Rapierin und Beschh­e- Schullehrerinen und Kinderbewahrerinen soll ver­einigt werden. Ueber den Mittel-Unterricht ver­breitete sich der Minister wie folgt: Die Negierung trage sich nicht mit der Absicht, eine einheit­­ige Mittelschule zu trei­en, wohl aber eine Mittelschule mit einheitlicher Berechtigung, welche für die Hochschule vorbereiten soll, während eine einheitliche Bürgerschule für einzelne Lauf­­bahnen den Weg ebnen sol. Hiemit im Zusammen­­hange sst die Frage der Dualifikation zu regeln, da man für viele Laufbahnen, für welche die Bürgerschule genügt, die Matura fordert. Auch sollen die Meittelschulen nicht schablonenmäßig einander gleich sein. Wohl so in allen Mittel­­schulen ein gewisses Lehrmaterial das unverändert gleiche set, aber in jenen Städten, wo mehrere Mittelschulen sind, sollen in der einen zum Beispiel die modernen Sprachen, in der anderen die klassi­­schen Sprachen, in der dritten die Mathematik und so ähnlich prädominiren. Redner wünscht auch eine zielbewußte Vermehrung der Mittelschulen, aber man könne doch nicht jeder Kleinen Stadt ein Gymnasium geben und solchen Kleinen Orten wäre die Errichtung eines Internats in der Mittelschule einer nahegelegenen größeren Stadt zu empfehlen. Die Berbesserung der Gehälter der Professoren wird stufenmäßig im Budget durchgeführt. Dr. Wlaffics legt auch großes Gewicht auf gute ungarische Schulbücher und steht außerdem mit den hervorragend­en Gelehrten in Unterhandlung wegen Anfertigung guter ungarischer Handbücher. Wir wiederholen die eingangs erwähnte These: Das Fundament der Fortbildung bildet die Bolf3fschule, und diese gibt dem­ Unterrichte und mithin Zukunft Ungarns das nationale Kolorit. Eben darum bauen wir auf den Unterrichtsminister und wollen hoffen, daß er mit der angekündigten Reform des Volksschul­­gefeges nicht lange räumen wird. Hier gilt gewiß der Saß, daß doppelt gibt, wer schnell gibt. Eine so eminente Arbeitsraft und ein so findiger Kopf wie Herr Dr. Wlaffics wird einen diesbezüg­­lichen Gejegentwurf schnell fertig bringen, ohne sie­­ zu übereilen und ohne oberflächlich zu werden. Der Feuilleton. Auf administrativem Wege. Aus allen russi­schen Gouvernements hörte man etwas, aus E. nichts. Höchstens, daß im Jahr einige Dustend Harmloser Raubmörder, ein halbes Hundert ungefährlicher Einbrecher und Brandstifter zur Deportation beigesteuert und eine Menge Juden ausgewiesen werden F konnten — weiter nichts ! Und doch gab es in Stadt und Provinz Leute der verdächtigsten Berufsklassen — Literaten, Herzte Chemiker, Studenten —, und Treibhäuser mit Neiikuluren der staatsgefährlichsten Pflanzen, wie : ein thierärztliches Institut, höhere Töchterschulen, Gesangvereine­­. Und seit Jahren sein „Unzuverlässiger,“ dem auf „administrativem Wege“ ein politisch-klimatischer Kurort in Siberiens Gefil­­den hätte angewiesen werden können! Dieser Zustand war unhaltbar; der un­wissende und un­­fähige Gouverneur wurde daher „beurlaubt,“ bzw. „pensionirt”“ und durch einen „umsichtigeren“ Mann erregt. Er war dieser ein junger, thatenfreundiger Mann, ein heller Kopf, und er hatte auch Glüd. — In der Gouvernementsstadt erschienen zwei Zeitungen, die eine Tiberaler Richtung, soweit es der anarchistische Rothstift des Präventiv-Genjors zuließ ; die andere im Allgemeinen fanatisch-pan- Mavnstiich orthodog, im Wesentlichen unbestimmten Inhalts, da die meisten Artikel wegen gewisser genialer Regellosigkeit des Stils und der Orthographie unverstanden und unverdaut blieben. Doch daran war der Redakteur — Polim­ouchow hieß der bene beschlagnahmt, die Typografie versiegelte Dserow sah dem ziemlich ruhig zu, denn er wähnte sein Gewissen und Haus frei von fibirienfähigem Belastungsmaterial , doch ernster wurde sein Gesicht als er nach beendigter Hausdurchsuchung für ver­­haftet erklärt und sogleich in’s Polizeigewahrsam mitgenommen wurde. Zwar jeßte man ihn gegen Kaution von fünf Tausend Rubel wieder auf freien Fuß, aber schon nach sechs Tagen erhielt er das ministerielle Dekret­­ über seinen bevorstehenden Wohnortswechsel. So was geht in Rußland schnell. Dierow hatte nach er­­wähnter Verfügung binnen acht Tagen­­­ zu ver­­lassen und sein Domizil ein paar Tausend Werft weiter, „im Innern des Reichs“, zu nehmen, wo er drei Jahre lang unter P­olizeiaufsicht Muße haben sollte, über die V­ergänglichkeit russisch-liberaler Ansichten nac­h­­zudenken. Denunziant und Gouvernementschef freuten und gratulirten sich. Ersterer Schwamm in Wonne, den verhaßten Konkurrenten mit so leichtem Kaps für immer unschädlich gemacht zu haben. Lebterer konnte mit Genugthuung den stolzen Erfolg kon­­stativen, schon im zweiten Monat seiner Verwaltung einen jener Langvermißten, dingfest zu machen, fü­r deren Nichtentdeckung sein­e Vorgänger bei den haupt­­städtischen­­ Vorgejegten in­ Ungnade gefallen war. Redakteur und Gouverneur gaben eine Reihe Kaviar­­frühfuüde. Nun besaß aber der brot- und heimathlos gemachte Oferomw russische Zähigkeit genug, um das Beten in der Noth dem Handeln unterzuordnen, Brotestiren und Bitten Half nichts, da wußte er -

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