Oedenburger Zeitung, 1897. September (Jahrgang 30, nr. 199-223)

1897-09-01 / nr. 199

—— ; Mssd. EN —­­Freissxzekker PcaiiiimerationsPrcife sur aoco Gaihnigockinlls,ahkigonr Vierteljährig »Ah Monatlich 1 fr. 70 gl. Für Auswärts: Gnjährig 35 Kr, Halbjährig 12 Kr. 50 SL, Vierteljährig u Kr. 25 HL, Monatlich 2 Kr. 20 Hl. Ritto, 1.­­ September 1897. Oldenburger ; FEERZ­TE Volkfisches Organ. — Administration und Brig Buhdeukeri Alfred Rommalter, Grabenrunde 121. Belefon Ar. 25. eifung Preis: 6 Heller. Injerate nach Tarif. Derselbe wird auf Wunsch überallhin gratis ad franco versendet .­nnoncenaufträge, Abonnements­ und Insertions-Ges­bühren sind an die Administration (Stabenrunde 121) einzusenken. _ Vermittlung durch ale Annoncen- Bureaug- NET Für ent liegt eune Br. 35 der Eu­bi ee bei. P »ı ERRREEN un Der Sta:t als Nothhelfer. Doedenburg, 31. August. Die, furchtbaren DVerheerungen, melde .die legte Hochwasser-Kulamität, sowohl bei uns in­­ Ungarn,­ als ganz besonders in den fultipirierten Landstrichen der österreichischen Reichshälfte ange­­richtet hat, zwingt die Regierungen beider Staaten (oben wie drüben) zur ausgiebigen Unterstügung der am schwersten Betroffenen; theils müssen erheb­­liche Steuernachlässe gewährt, t­eils sogar öffentlich­e Gelder in größeren Beträgen angewiesen werden, um die härteste Bedrängniß von der Landbevölkerung abzu­wenden. Zumal in Oesterreich, wo die Ueber- Schwemmungen besonders weite Gebiete inundert haben, handelt es sich um sehr bedeutende Summen, die theil3 zu Zwecken der Unterstügung, theil3 im engeren Dienste des Staates für Rekonstruktionen und dergleichen , verwendet werden mü­ssen. Dies veranlaßt nun einen Wiener Korrespondenten der „Bib. Big.“ zu folgenden zutreffenden Betrachtungen: „Es gab eine Zeit, in der die Lehre vom Nacht­­­wächter-Staat die Welt erobern zu wollen schien.­­ Nachdem das Pendel sich sehr stark nach dieser einen­­ Seite geschwungen hatte, schwingt es nun mit gleicher­­ Kraft nach der entgegengelegten Seite. Es entstand eine Art von Staatssozialismus. Nac­­h­dem man eine Zeit lang gewollt hatte, daß der Staat sich auf den Nachtwächterdienst beschränke, hält man nun wieder beim entgegengelegten Extrem: Der Staat soll allmächtig, allgütig, allweise sein. Er soll überall einspringen, dem Einen sol er die inder erziehen, dem Anderen sol er e3 erleichtern, tiefer zu fabriziren, er sol Jedermann gegen edermann swiügen und Jedem gegen Jeden Helfen. Ale solche Hilfen fojten aber der Natur der Sache nach Geld und der moderne Staat wird infolge­dessen von Tag zu Tag festspieliger , da er Jedem etwas in den Kochtopf thun sol, so muß er auch Jedem in die Tasche greifen. Da er überall dabei sein soll, so wird er auch überall mitgetroffen. Der Staat ist heute beispielweise in Oesterreich der gröste Eisenbahnbefiger und der größte Frachter. Das Hat unzweifelhaft manche guten­­ Seiten und manche wohlthätigen ‘Folgen, er hat aber auch die schlimme Folge, daß, ‚wenn Zeignisse, wie zum Beispiel die­ Wasserkatastrophe der lesten­­ Wochen eintreten, er auch der Haupt-Leidtragende.. ist. Die Folge der Selbsthilfe ist heute mehr und, mehr aus dem allgemeinen Bewußtsein verschwunden.“ Und dem ist wirklich so: das einzelne Indi­­viduum und ebenso ganze Körperschaften, Berufs- Haften, Gemeinden au. scheuen das Selbsthandanlegen, theils aus Indolenz, theils aus Ö­konomie, hauptsächlich aber, weil sie vom Staate jene Hilfe erwarten, zu welcher sie die eigenen Kräfte allzu sehr ansp­annen müßten. Zu Zeiten Ba­c’s geschah dies auch, allein der Staat ließ sich damals seine Vormundschaft theuer genug bezahlen: mit der Vernichtung jeder Autonomie. Das war der Polizeistaat. Er legte seine Hand auf Alles. Er beseitigte Korporationen, Stände, Zünfte, selbstständige Gemeinden und unterdrücte Alles, was er über das staatliche Durcschnitts-Niveau erheben wollte. Die Folge dieses Absolutismus war selbstredend­: einerseits das um sein Selbstvertrauen gebrachte und daher ohnmächtige Individuum, anderseits wohl ein allmächtiger Staat, der aber seinen Fortschritt machen, seinen Auffschwung nehmen konnte, weil in der gegängelten Nation jede ersprießliche, selbstthätige N­egung errüchtet war. Natürlich mußte endlich ein totaler Umschwung er­­folgen. Der moderne Rechtsstaat sucht sein Heil in einer freien und unabhängigen Bevölkerung, aus ihrer Mitte beruft er die Geießgeber und knüpft sozusagen dur­ Etablirung einer Art Staats­­sozialismus an längst vergangenen Zeiten und Epochen wieder an. Wenn unter der Regierung Heinrich IV. von Frankreich und Navarra das Parlament von Toulone am Fundamentaliaß der französischen Monarchie befretirte, daß nur der König das „Recht auf Arbeit verleihe“, so hat man, wenn man in diesem Axiom dem Worte „König“ das Wort „Staat“ substituirt, im Grunde genommen Thon eine Kardinallehre des Sozialismus­ in­ einer Nußschale. Der Staatssozialismus in seinen verschiedenen Formen und Erscheinungen ist ein Kennzeichen unserer Zeit. Man mag sich wie man will zum modernen Staate verhalten, man muß ihm und bedingt d­emokratische Prinzipien zu Grunde legen, man muß von ihm verlangen, daß er sich Eins fühle mit dem Volke, solidarisch mit ihm Feuilleton. Fefings Glaubensbekenntniß. — Studie von Emanuel Kärpäti. — III, I. Vorbetrachtungen. — II. „Nathan der Weise“. Die Charaktere im Drama. — IV. Schlukwort. (Sortregung.) Fern von jeder Habsucht, die den Bejig als­elbstzwed betrachtet, ist „Nathan“ mild und freigebig gegen alle, die seiner Hilfe bedürfen, ohne einen Unterschied zwischen den verschiedenen Glaubensbekennern zu machen ; denn ihm ist längst die Erkenntniß aufgegangen, daß die verschiedenen Konfessionen nur das Kleid sind, in das sich bei jedem Bolfe das religiöse ‚Bewugtsein hüllt. Meisterhaft erläutert dies Leijung im fünften bis siebenten Auftritt des dritten Aktes, wo er „N­athan“ dem „Sultan Saladin“ das Märchen von Den Drei Ringen erzählen­­ läßt: „Sultan Saladin“ braucht Weld. Er läßt den reichen „Nathan“ Holen und legt ihm, um ihn zu fangen, die Stage vor, welche von den drei Religionen er­­ für die wahre halte, die mosaische, die moha­­medanische oder die christliche. Der Jude erbittet sich dieses Problem durch eine Parabel lösen zu dürfen und erzählt: Boi alterö grauer Beit vererbte er in einem vornehmen Hause ein gar fostbarer Ring stets vom Vater auf den Sohn, ein Ring dem die Wunderkraft inne­­wohnte, den, der in dieser Zuversicht ihn trug, vor Gott und den Menschen angenehm zu machen. Einst kam dieser Ring in den Besit eines Vaters, der drei Söhne hatte, die er alle, und von welchen er seinen verkürzen wollt Bater ließ daher zwei andere Ringe machen, die gleich liebte­­ . 8a und gab jedem seiner Söhne einen Ring, so daß sie nach des Vaters Tode alle die gleichen An­sprüche erhoben, die Niemand zu schlichten wußte, weil Niemand den echten Rang erkannte. Die drei Brüder bestürmten den Richter, er möchte doch in diesem schwierigen Fall rechtsprechen und endlich gibt er ihnen den Kathy: „Wetteifert mit­einander in der vorurtheilsfreien Liebe, kommt durch Sanft­­muth, Verträglichkeit, Wohlthun und Ergebenheit in Gott, der Kraft des Ringes entgegen.“ Diese Kraft müsse der wahre Ring offenbaren und sich zunächst dadurch bewähren, daß die andern beiden Brüder den Befiber des echten Kleinods liebten. Zulegt fragt der Richter, wem von ihnen die beiden andern ihre Liebe entgegen trügen. Da sie aber im Bewußtsein ihres wechselseitigen Haßes betroffen schwiegen, so folgerte der Richter, am Ende sei feiner der Ringe echt, der wahre wun­­derthätige sei vielleicht verloren gegangen, aber jeder der Brüder möge den e­inen für den echten halten und durch sein Betragen den Nachweis erbringen, daß ihn der Vater am meisten geliebt habe. Die Anwendung der Moral dieses Märchens auf die Religionen ergibt sich von selbst. Die alleinige Echtheit und Wahrheit der drei fraglichen Glaubensbekenntniße ist unerweislich ; das Gott und den Menschen wohlgefälligste, aber ist wahre religiöse Gesinnung, uneigennügige Menschenliebe und milde Nachsicht fürs die Mängel Anderer, während alle sonstigen dogmatischen Lehren ohne Belang, ohne wahrhaften Kern sind. ..... Wohlan Es erfreie der seiner unbestochenen Vorurtheilen freien Liebe nach.“ sont & Sah„ Lesling seinem Nathan“ die Er­­zählung Schließen und­ sagt damit: jede Religion er selbst fallen von dem ersten unterrcheiden konnte'verklärt ji zum wahren Glauben, denfe, arbeite, leiste, sich freue und leide und daß er mithin in erster Linie ‚berufen it, ein Nothhelfer zu sein. Da ihm nun die Rolle der irdischen Vor­­sehung übertragen ist, so ist nur ganz natürlich, daß man ihm diese Rolle mit verdoppeltem Nach­­drude aufnöthigt, wenn die Dinge irgenwie schief gehen. Da er Alles ordonanzirt und reglementirt, so erwartet Jedermann Hilfe von ihm, die Ein­­zelnen, die Gemeinden, die Länder. Da er alle großen öffentlichen Hilfsquellen an sich zieht, so künnen auch die Legtgenannten in der That nichts oder so gut wie nichts leisten. Alle Ansprüche richten sich daher an den allmächtigen Staat. Das geschieht diesem aber gerade in dem Augenblick, in dem er selbst schwer betroffen ist. Als Inhaber von Straßen, Brüchen, Zelephonen, Eisenbahnen und Kanälen erleidet der Staat enormen Schaden, nur minder leidet er Schaden als der größte Fracht­­fuhrmann und Spediteur. Und gerade in dem Augenblick, in dem er all Steuer-Einnehmer und all B Privat-Unternehmer selbst schwer getroffen­ erscheint, treten die größten Anforderungen an ihn, als an die irdische Beziehung, zu der Alles betet, heran. Das sind mit welche von der unvermeid­­lichen Folgen der staatssozialistischen Theorien, der Lehren vom omnipotenten Staate, der Alles kann, si alles erlaubt, und der infolge dessen, wenn Noth an Mann ist, auch Alles tun muß. Wi fritifiren diese Theorie nicht, das würde uns wohl zu weit führen. Wir prüfen auch die Frage nicht, wenn der #efeiner derselben nach seiner sittlichen Bervollkommung durch die Liebe trachtet. Wie er so als edler Weltbürger erscheint, dem die gerechte Schomung der andern Religionen niemals abhanden gekommen ist, hütet er sie doch, von dem überkommenen Glauben abzufallen, weil er ihm für sein Wort unentbeglich, ein noth­­wendiges Band scheint, erblicht er ja doch in der religiösen Ueberlieferung nicht etwa ein Gebilde von chimärischen Vorstellungen, sondern die normale Entwickklung des Bolfsgeistes. Aber ebenso klug, gerecht und tolerant als „Nathan“ die Religionen beurtheilt und daraus die durch sie ihren Bekennern auferlegten Pflichten ableitet, so ist er auch al Familienvater ein Muj­ter treuer Liebe, selbst­­verleugnender Opferfähigkeit und strenger Pflicht­erfüllung. Durch eine von christlichen Zeloten gegen ihn verübte grausame Verfolgung wurden ihm seine Frau und sieben Söhne entrissen, allein gerade aus der tiefen Verzweiflung, in die ihm Dieter uner­­meßlich herbe Verlust gerissen hat, rang sich seine starre Seele zu gefaßter Gottergebenheit empor und gestählt durch die harten Hammerschläge des Unglück, läutert sich sein religiöses Empfinden, flärt sich seine unbegrenzte Menschenliebe zur Kristal­­reinheit ab. Auf „Reha“, die ihm überlieferte Waffe eines christlichen Freundes, überträgt er den reichen Schach seiner väterlichen Zärtlichkeit. Er bildet unablässig und sorgsam ihren Beistand und wirft durch denselben auf ihr Herz; die zarteste Liebe, die er zu seinen verlornen Söhnen legte, er konzentrirt sie auf dieses sonst so hilflose Geschöpf, dem er durch Beispiel und Erziehung zur höchsten weiblichen Vollkommenheit verhilft. eaorsiegeng: TBIN, u re re nenne BE .. i ji«-Es = unit »k- !

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