Oedenburger Zeitung, 1897. Dezember (Jahrgang 30, nr. 275-296)

1897-12-01 / nr. 275

s .«PJ(XX« Jahrgang. en; % ne 1897. ern — Oedenburger Zei Preis: 6 Seller. Wolififhes Tagblatt. Brämumerations-Breite: Für Loco: Ganzjährig 20 Kr, Halbjährig 10 Kr., ast., Monatlich 1 fr. 70 Sl. Für Auswärts: Langjährig 25 Kr, Halbjährig 12 Kr. 50 SL, v­ierteljährig 6 Str. 25 SL, Monatlich 2 Kr. 20 Hr. Vierteljährig Adminiftration und Verlag: Kuhdenherei Mlfred Nommalter, Grahenunde 121. Telefon Mr. 25. Ar. 27, reis: 6 Sbeller. Snierate nach Tarif. Derselbe wird auf Wunsch überallhin gratis wnd Franco versendet .Annoncenaufträge, Abonnements­ und Insertiond:Ges­bühren sind an die Ad­ministration mB 121) einzusenken. Vermittlung durch alle Annoncen-Bureaugr­­ lauf Nach der Sturmfluth. Oedenburg, 30. Novem)er. Der beispiellose Orkan, der an dem Parlamente jenseits der Leitha vier Tage hindlich, gewaltsam gerüttelt und en­tb­ießt, aus allen Fugen gerissen hat, wirbelte auch — wie Sturmmwind welte Blätter — jenes unglüd­­he Kabinet auseinander, das, mit dem Grafer Badeni an der Spike, von den besten V­orlägen befeelt, in’s Amt trat, aber im Uebereifer sie selbst derart um der­ öffentlichen­­ Wahlmeinung loderte, daß es so vehementer Sturm­­fluth, wie sie verfehlte Maßregeln entfeffelte, nicht stand;ujalten vermochte, sondern elendiglich in die B­ ühn ging. Nann sind noch alle politischen Aus­­zü­ge mt Trümmern verschüttet. Ueberall frögt man Ruinen und­ zerbrödelte Ueberreste: der gefallen­en parlamentarischen Zwingb.rg, zu deren Errichtung Graf Falfenhayn den verhängnis­­vollen­ Rath­­ gab, alle politis­chen­­ Bartei­­chranismen sind entweder gesprengt oder doch tief erschüttert. Wie werden sich die schweren Schäden ausbessern, die Wege zur Ber­tändigung­ ebnen, der versumpfte Bassamatarismus in­ Oesterreich­h wieder in Ordnung bringen lassen, nah der Sturm: fEuth?! D, e3 gehört eine weit größere Dosis yoli­­­t­gen Scharfblid3, oder jagen. wir.: Vermögen dazu, als diejenige, dessen wir uns rühmen dürfen, um Heute schon vorhersagen zu können, wie die nächsten­ Schritte des Kabinets Gautsc beihelfen sun müßten, wenn es die parlamentarischen Kräfte sich dienstbar machen und welche derselben es zu einer Einheit zusammenfassen will. Denn daß Baron Gautsch vor Allem eine parlamentarische Erledigung des Ausglei­ch­s­­provistoriums mit Ungarn anstreben wird und anstreben muß, das ergibt sich schon aus den nächsten und dringendsten Aufgaben öster­­reichischer Staatskunst. Dob schon man in den Budapester politischen Kreisen — wie die Zeitungen zu melden wissen — dem M­inisterium Gautsch sich sympathisch gegenüber­stellt, so sind mit dem jeßt in Desterreich­­ vollzogenen Kabinettwechtel doch seineswegs­ alle Schwierigkeiten der Situation behoben. Nicht nur die politische Welt, sondern auch die ganze­ Bevölkerung Ungarns er­­wartet mit Spannung, wie und auf welche Weise es gelingen wird, das Ausgleichsprovisorium noc in der legten Stunde unter Dach zu bringen. In der Liberalen Partei herrscht die Ansicht, daß Sreifert v. Gauts­ch, der seit vielen Jahren Beziehungen zur deutschen Opposition (resp. Ber­­einigten Linken) unterhält, Beziehungen, die selbst in den rechten Tagen nicht gelodert worden­ sein sollen, im Stande sein dürfte, die Opposition zu veranlassen, das Ausgleichsprovisorium im NeichE­­rathe anzunehmen, worauf dann der österreichische Reichsrat­ an die Lösung der Sprachen frage­n könnte. Das Ausgleichsprovistorium jäh wäre erledigt und die Ausgleichsfragen könnten bis zum näch­sten Sommer ruhen. Diese optimistische Auffassung können wir aber leider nicht vollständig theilen, denn wir fürchten, da die Gegenfäße zwischen Deutschen und Grechen so erbitterter Natur sind, daß die Deutschen­­ eine ruhige parlamentarische Verhandlung nur dann zulassen, wenn die Sprachenverordnungen zu­­r­ü­c­­gezogen werden, was aber natürlich, wieder, wie wir schon gestern an leitender Stelle aus­­geführt haben, bei den Szechen und Bolen auf den heftigsten Widerstand stoßen wird. Ajo and nach der Sturmfluth haben sich die Dinge bei weitem noch nicht Der­­gestalt beruhigt und geklärt, daß man seine Furcht mehr vor NOENREEEN gel Witterungen zu hegen braucht. Bir regnen jedoch halb und Halb darauf, daß bei den vom wilden Kampf ermü­deten Parteien nicht mehr die Neigung zu weiteren besonderen Kraftstücken bestehe, und so ist denn die Hoffnung vielleicht doH niit eine ganz Himärische, daß nach der Entfernung des polnischen Fremdkörper aus­ dem politischen Organismus Oesterreich die normale parlamentarische Temperatur und damit die Arbeit­­fähigkeit des Parlaments wiederkehren werde. Wahrlich, es ist längst über und über genug des grausamen Spiele mit den vitalsten Interessen der Monarchie, mit dem Frieden der Völker, mit Recht und Geset. Das Kabint Gauts­ch wird an den Fehlern seines Vorgängers wohl gelernt haben, wie 8 nicht gemacht werden darf, wenn Ordnung herrschen und die Geschäfte erledigt werden sollen. &3 ist allerhöchste Zeit zur Umkehr. Ungarn kann nicht mehr Lange, ja e3 kann gar nicht mehr warten, wenn nicht auch bei uns Die Möglichkeit geschaffen werden sol, daß kleine ent­­schlossene Parteien die Situation beherrschen und geradezu fatale Komplikationen schaffen. Wir geben die Hoffnung nicht auf, daß Baron Gautid uns diese Komplikationen ersparen t werde. Unsere besten Wiünsche begleiten ihn bei seinem so überaus schwierigen Planirungs-Geschäfte "O der u · M flilch ? Dem Tage. D­em allerhöhsten Hofe. Wie man aus Graz berichtet, werden die Hofjagden um Nepiere von Mürzsteg, für welche bereits alle Vorbereitungen getroffen waren, heuer nit stattfinden. Se. Majestät hat mit allerhöchster Entschließung den Oberstabsarzt zweiter Klasse im Verhältnisse außer Dienst der Landwehr, Dr. Josef Kerzl zum­ m f. Leibarzte ernannt.­­ Auszeichnungen. Se. Majestät hat in Ministerialrat­ im Aderbauministerium Stefan Lipthay v. Kisfalud anläßlich seiner auf eigenes Ansuchen erfolgten Benfionirung zum Komthurkreug des Franz Sojef-Ordend den­ Stern und dem Esongrader Grundhefiger und Advokaten Ferdinand Ujhelyi den Titel eines kön. Naths verliehen. © Bene Geheimrätie. Der Monarch hat die erblichen Mitglieder des Herrenhauses des österreichischen Reichsrathes Paul Fürsten Met­­ternich-Winneburg, Karl Fürsten Clary- Aldringen und Friedrich Herzog von Beaufort- Spontin zu f. u. E. Geheimen Näthen ernannt.­­ Der neue Houv­ r­eur von Fiume, Graf Ladislaus Szapary wird, wie aus verläßlicher Duelle verlautet, die Stelle des Gouverneurs von Fiume erst Ende des laufenden Jahres antreten. O zum Ausgleich. Ministerpräsident Baron Desider Banffy, welcher am legten Sonntag von Sr. Majestät in längerer Audienz empfangen wurde, ist Sonntag Abends nach Budapest zurück­­gekehrt. Er wird Mittwoch zur Verhandlung des Budgets den Weißern wieder in Wien ein­treffen. Mit dem Ministerpräsidenten trifft auf der ungarische Finanzminister Dr. Ladislaus 2utäncs in Wien ein. Von ungarischer Seite wird das größte Gewicht darauf gelegt, da das Ausgleich­­provisorium parlamentarisch erledigt werde. Von der Anwendung des S 14 will man bei uns nicht3 wifsen. In der legten Audienz, die Baron Banffy bei Seiner Majestät hatte , entwickelte der Ministerpräsident die Gründe, welche vom ungarischen Standpunkte dafür sprechen, das Aus­­­gleichsgravisorium­ unter normalen Formen zu Stande zu bringen. ..­ Am 6. Dezember, an welchem Tage das ungarische Abgeordnetenhaus­ seine erste meritorische Sagung hält, wird Baron Banffy allerdings wegen der mit dem österreichischen Kabinetswechsel­­verbundenen Formalitäten und der voraussichtlich nothwendig werdenden Neubildung des Präsidiums des österreichischen Abgeordnetenhauses, die formale Annahme des Ausgleichsprovisoriums in Oesterreich wo nicht zu melden in der Lage sein, aber man hofft, daß Baron Bäanffy am genannten Tage im ungarischen Abgeordnetenhause bereit, die An­­nahme des Ausgleichsprovisoriums in Oesterreich mit Sicherheit wird in Aussicht stellen können. Graf Golubowsk­i, der am legten Sonntag vom Monarchen empfangen wurde, soll erklärt haben, daß das B Präsidium des österr. Abgeord­­netenhaufen jedenfall­ ® demissioniren mäüffe, was namentlich von Herrn v. Ybrahamopicz gilt, sofern man hoffen will, das Ausgleichs­­provisorium zu erledigen. O Der neue Dr. Paul Freiherr Gautsch von Frankenthurn ist im Jahre 1851 in Wien al Sohn eines öfteren Ministerpräsident Sta­­ttbeamten geboren und erhielt seine Erziehung­­ in der Theresianischen Akademie. Nach Vollendung der Rechtsstudien an der Wiener Universität trat Dr. v. Gautsch als Konzipient bei der nieder­­österreichischen­­ Finanzprokurator ein. 1874 wurde er von Dr. vw. Stremayr und Unterrichtsministerium berufen und bald darauf mit der Leitung des Präsidialbureaus betraut. Im Jahre 1881 erfolgte seine Ernennung zum Direktor des Theresianums. In dieser Stellung verblieb er bis zu seiner am 6. November 1885 erfolgten Ernennung zum Unterrichtsminister. Als solcher wirkte er­­ acht Jahre Hindurch in der verdienstvollsten Weise. Dem Bernehmen nach wird er sich als Minister­­präsident auch das Nesjort des Ministeriums des Innern vorbehalten. Ferner sol Graf Weljersheimb nach wie vor Landesvertheidigungs­­minister bleiben ; Sektionschef Baron Witte, Eisenbahnminister, Sektionschef Graf Latour, Unterrichtsminister, Sektionschef Dr. v. Böhm Bamers, Finanzminister, Marquis Bacquehem, Handelsminister und Sektionschef Dr. v. Klein, Justizminister werden. Ob in das Kabint Gautsch auch ein Pole als Landsmannminister eintreten werde, ist im Augenblickk noch unbestimmt. In jedem Falle dürfte die Ernennung dieses Ministers ohne Porte­­feuille erst einige Zeit später erfolgen. Divinations=­­ a AR Veneftes, Wien, 29. November. Die Tuchfirma Sigmund Oppenheim in Wien ist insolvent. Die Basliven für Waaren betragen 80.000 fl., für Geld und Giro 50.000 fl. Wien, 29. November. Gestern wurde Frl. Adele Eirich, die weil man sie des Diebstahl von vier Paar Schuhen beschuldigte, sich aber, da sie sich schuldlos wußte, aus Verzweiflung ershoß unter großer Theilnahme zu Grabe getragen. Budapest, 29. November.­­ Kaufmännische Kreise regen die Idee an, wegen Lechers Aus­­spruch, Desterreich werde an Ungarn verkauft, die Brünner Tuchfabriken zu boykottiren. Budapest, 29. November. Der Maschinen- Schloifer Franz Heitsch, ein dem Trunfe er­­gebener Mann, Hatte heute Mittags mit seiner Gattin geb. Anna Kanalas, welche ihm über seinen le Vorwürfe machte, einen Streit, worüber Heitich so in Wuth gerieth, Dah­er sie mit einem Sanftschlag tödtete. Temesvár, 29. November. In der Gemeinde Kefes fiel der Ortsrichter Peter- Anno grauenhaften Berbrechen zum Opfer. Der Dorf­­bekannte Kretin Andreas BStaits überfiel den Ahnungslosen auf der Straße ‚amd bohrte ihm ein einem‘ _ „ut Abonnenten fi ftegt Beute Ar. 48 der „Slufieirten, Rinderzeitung‘“ bei. '

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