Oedenburger Zeitung, 1900. April (Jahrgang 33, nr. 75-98)

1900-04-01 / nr. 75

Pe: EEE ER TEE RR TORRENT re VENEN FE­E09 « "-"- EN Wedenburger Zettung. Gegenwart mit ihren merk­vollen Erfolgen werfen, um einen Ausblick zu gewinnen auf eine durchaus nicht mehr ferne Zukunft, so freuen uns die Errungenschaften durch Die schaffensfreudige Arbeit berufener Fachkräfte, wir sehen überall die ordnende Hand des Leiters unsere3 Justizressorts. Die nunmehr ins Leben getretene Straf­­prozeßordnung, welche bereits während ihrer ern Wirksamkeit dem Bewußtsein der Ge­­b­worenen und damit der Staatsbürger die eis und das Ge­wicht der Begriffe vom Schug der Ehre und Freiheit in praktischester­eise näher gebracht, dienten dem Budget unseres Siegelbewahrers als unwerthvollste Folie, da Erfolg und Versprechen gleichmäßig auf fester Basis ruhend erschienen. Daß nicht nur noch immer große Auf­­gaben der Lösung Harren, sondern vielmehr stets größere und schwierigere, soll Ungarn Jahrhunderte alte Berjäumnisse einholen und dabei den vielfachen, nach Pegelung und Ausgestaltung drängenden Anforderungen des ethisch- materiellen und des mittelschaftlichen Lebens gerecht werden, braucht dem Meinister PLSH gewiß nicht von aufen dargelegt zu werden. Seine diesbezüglichen Ausführungen | Geltung bringen wird, legen Zeugnis ab von der umfassenden Thätigkeit, | welche unter seiner Leitung jemwohl das Justiz- | ministerium selbst, als die Kodifikationzabthei­ | fung entfaltet. Wohl künnte leicht der Anwult gemacht werden, daß der Minister nicht Hinsichtlich a im Auge befindlichen Arbeit die leitenden | der emsigen Arbeit des Justizministeriums. tinzipien derselben darlegte. Doch würde das offenbar zu weit geführt haben. Immerhin jedoch ist aus den Verhandlungsprotokollen­­ des Redaktionssomites der Ungarischen Bürgerlichen Gehe aus den Mittheilungen über einzelne andere Geieß­­entwürfe und­ — mas nicht gering zu beran­­te Reformarbeiten und der in Vorbereitung befindlichen Schöpfungen jedenfalls bereits soviel bekannt, um vor Allem den Wunsch vege zu machen, daß — umgestört gearbeitet werden möge, ungestört von den Wellenschlägen poli- E anne: Leidenschaften, umso mehr, als die den justiziellen Arbeiten nothmendiger­weise inne­­­wohnende Objektivität jedwede Leidenschaft so­­­­­stzusagen vorweg ausschließen sollte .Die erziehliche Wirkung der Gesetze ist s­chon längst von Politikern und Soziologen erkannt und gebührend gewürdigt und gehört demwetterBlick hoher Standpunkt eine feste Hand, ‚profunde Kenntniß der Menschen und l : der Verhältnisse dazu, um ein Gesäß gut und auch für die absehbare Zukunft gut zu schaffen. Daß da novellarische Verfügungen nicht immer und überall ausreichen, sondern ift besser eine systematische Arbeit, wenn auch mit mehr Opfer an Zeit, gemacht werden­ muß, scheint Minister BIS als Vegel auszustellen, so auch, daß den Fachkreisen und der Deffentlichkeit überhaupt rechtzeitig Gelegenheit geboten werde, Kritik zu üben, Wünsche zum Ausdruck zu bringen, Anträge auf Renderung und Ver­­besserung zu stellen. Zwei große Aufgaben drängen nun zur Lösung, da bürgerliche Gelegbuch und Die Zivilprozestordnung, von welchen das erstere naturgemäß, weil ohne nennenswerb­e heimische Vorarbeiten und wegen der eminenten Interessen des gesammten wirthschaftlichen und auch des ethischen Lebens der Nation, die dadurch berührt und geregelt werden, eventuell in neue Bahnen gelenkt werden sollen, noch längere Zeit ausstehen dürfte, während die leitere auf Grund des seit einigen Jahren in Kraft stehenden Summarverfahrens baldigst Gereg werden dürfte und die großen Prinzipien des modernen Prozesverfahrens auch im Zivilprozeß zur Berggeies, Advokatenordnung, Regelung einzelner Wartieen des Handels und Konkurz­­rechtes und gemisset diesen verwandten oder doch nahestehenden Theile des allgemeinen bürgerlichen Nechtegebiets, das sind Die in nächster Zukunft in Aussicht stehenden Früchte f»...,,«-·»’-»L«. 1. April 1900. Deterreich-Ungarn. D­er Hofe. Gelegentlich der Auflöi­­sung des Hofstaates Ihrer E. u. £. Hoheit der Frau Kronprizessin-Witwe Erzherzogin St­e­­fanie hat Seine Majestät die Enthebung des Schlagen ist — aus der Kenntniß des großen­­ Majors Eduard Grafen Choloniewoff Bachmitjens des Ministers, Tendenz und Bwed­­ Myßka außer Dienst von der Stelle des Obersthofmeisters angeordnet und demselben bei diesem Anlasse den Orden der Eisernen Krone erster Klasse verliehen; der Rittmeister erster Klasse Rudolf Graf Bellegarde wurde zum Dienstkämmerer Ihrer k. u. E Hoheit der Frau Erzherzogin Elisabeth Marie ernannt.­­ Militärisches. Seine Majestät hat die Uebernahme des Feldmarschall-Lieutenants Mori­­d v. Laizner, Festungskommandanten in Pomorn, auf­ sein Ansuchen in den Ruhestand angeordnet und­­ demselben bei diesem Anlasse das Ritterkreuz des Leopold- Ordens verliehen. An seine Stelle wurde der Feldmarschall-Lieutenant Moriz Venus in. Elbringen, Kommandant der 8. Artillerie- Brigade­­ zum Festungskommandanten in Komorn ernannt Wensionirt wurden Generalmajor Karl Edler v. Z­ielmayer unter Verleihung der Eisernen Krone III. Klasse; die Oberste: Robat Janhen de Inf.-Negt. 45, Johann Sefta f des Inf.­­Negt. 96, Karl Bart­ dv. Boldogfalva des 16. Hußaren-Regt. und Alexander Walluschek dv. Wallfeld vom 3. Feldartillerie-Regimente.­­ Ministerkonferenzen in Wien. Im Laufe der nächsten Woche werden im Aug­­wärtigen­ Amte Ministerkonferenzen stattfinden, die sich mit den den Delegationen zu unterbreitenden Vorlagen befassen werden. An den Konferenzen werden neben den gemein­­samen Ministern die beiderseitigen Minister­­präsidenten und Finanzminister t­eilnehmen. Die Delegationen sollen bekanntlich­ in der ersten Hälfte des Wionates Mai zusammentreten.­­ Glaubenswechsel des Fürsten Fer­­dinand von Bulgarien Wie aus Sofia gemeldet wird, steht der Austritt des bulgarischen Fürsten Ferdinand aus der kat­bolischen Kirche und sein Ueber­­tritt zur eutsishen orthodoxen Kirche unmittelbar bevor. Nach vollzogenem Ueber­­tritt wird Fürst Ferdinand am P­eters­­burger Hofe empfangen werden. Fürst Ferdinand hofft durch die Unterfrügung des Ezars den Thron für sich und seine Dynastie auf unerschütterliche Basis zu stellen­­­. Dem ung. Abgeordnetenhanse wurde der Bericht des Finanz-Ausschusses über das Finanzgejet unterbreitet. Das Haus beschloß, denselben auf die Tagesordnung der Montags­­fügung zu stellen. Hierauf wurden einige Im­­munitäts-Angelegenheiten und ‘Retitionen er­­ledigt. O Ein­e Drei-Milionen-Ansehen für Wiener - Neustadt. Der Gemeinderath von­­ Wiener-Neustadt hat nach einem Referate des Gemeinderathes Willerth mit großer­ Majorität (23 gegen 3 Stimmen) den Beschluß gefaßt, ein Kommunal-Ansehen von 3 Millionen Kronen aufzunehmen. Dieselben sollen ver­­wendet werden für den Bau einer Kavallerie­­katerne (700,000 Kronen), eines Truppenspitals (400,000 Kronen), einer Wasserleitung (600,000 Kronen), des städtischen Gas­werfes (500,000 Kronen), eines Schlachthauses (640,000 Kronen) und einer Doppelschule (160,000 Kronen).­­ Todesfall. Am 29 . ist in Buda­­pest Baron Bela Aczel, Direktor des Parf- Eubs, gestorben. Baron Aczel entstammte einem alten Adelsgeschlechte, das im vorigen Jahrhundert im P­reßburger und Neutrae Feuilleton, Frühjahr. Bon Baronesse Falke. (Fortjegung.) 1 88 ist ihr Mann, den sie selbst hinaus­­­gejchtet hat, damit er frische Luft schöpfen soll. Fe Halb aus Fürsorge für ihn und dann, weil selbst seine Gegenwart sie irritirt. Er Spricht immer von Sonnenschein und Wärme und sieht zum Fenster hinaus, das reizt sie, und überhaupt — sie ist zu müde, um zu sehen­­ oder zu hören. Selbst sein Anblick weckt wieder das ziehende Schmerzgefühl von der unbe­­friedigten Sehnsucht. Warum eigentlich? Drei Jahre sind sie erst verheiratet, sie sind sich gut , vertragen sich — hat sie je mehr erwarten mnen? Sie erinnert sich nach einer Stunde, ganz vor Kurzem, wo sie sich herzlich glücklich fühlte, und jegt — jest kann sie auf einmal nicht mehr jagen, worin das Glück bestand, und es kommt ihr Alles so leer vor. Sie ist so müde und jest fällt ihr plößlich ein, daß er sich vielleicht schon­­ unbe­­­friedigt fühlt, daß­ ihre Krankheit seine Geduld erschöpft, und er bedauert, sich an sie­ gebunden zu haben. Er ist so stark und­­räftig und lebensvoll — sie wird vielleicht nie mehr so blühend, wie sie war, und das geht dann so fort. Beide ziehen an einer Kette, die sie e­rlammenzwingt. Jedes nach der anderen Seite — jo fort bis zum Ende —­­ Draußen entspinnt sich ein Gespräch. — Wer ist denn da? Ach ja, ihre Sch­werter, eine wilde Hummel von faum­ade Jahren, der nie glatt und nett sein will. Sie hört auch­ den Tonfall der mechselnden Stimmen, aber sie sind offenbar vom Unter abgewendet, man versteht nichts, und gerade das reizt­ sie nun, zu erfahren, wovon sie sprechen. Sie richtet sich mühsam auf und spannt die Hörnerven an — man müßte doch ver­­stehen — sie Sprechen wohl absichtlich so Leije — gerade als ob sie sich Geheimnisse mitzu­­theilen hätten. Die Stimme der Kleinen wurde jet vernehmbar, sie plapperte mit lachender Backfisch­­dreistigkeit in den höchsten Tönen. „Geh’ überhaupt Hinein zu Annie! “& gehört­ sich gar nicht, daß man seine Frau allein läßt, wenn­­­" Das Weitere verlor sich wieder in unverständliche Laute, bi ein paar Worte seiner Antwort hörbar wurden. „— und, weißt Du, es ist so heiß da drinnen, man erstickt fast. Ich Le­toirklich etwas freie Luft schnappen, D­iese drücende Bimmerluft kann ich gar nicht mehr aushalten.“ Die Lausc­ende fühlte den Arm, auf den sie sich srüßte, so heftig zittern, daß sie sich zurückfinden lassen mußte, das Blut begann rascher zu reifen, e8 krauste in ihren Ohren, und sie legte die Hand über die Augen. — E3 ist ihm eine Dual, bei ihr zu sein — er kann e3 nicht aushalten und sehnt sich hinaus in die Sonne — Alles drängt hinaus, nur sie muß da liegen und damit zwingt sie ihn auch herein. Er kommt ja wohl, aber unwider­­willig, geollend und er wird diesen Zwang haffen und bald — auch fiel, — Oder er thut es vielleicht schon und sehnt sich weg nach — dem Frühjahr, nach Knospen und Keimen und — Sie fährt zusammen, denn die Schritte nähern sich dem Fenster und Lieschen sagt halblaut: „Was macht denn Annie?" „Ich weiß nicht, sie war sehr müde.“ Jest rauchelte etwas an der Fenster­­umkleidung und ein blonder Kopf tauchte im Rahmen auf, ein roth und weißes, sommer­­sprosfiges Gesichtchen, von verwirrten Haaren umgeben, mit einem je aufstrebenden Näschen und Seisbhubenaugen sein Gesicht für Geheimnisse. Sie ist offenbar auf die Bar unter dem Fenster gestiegen, sonst sieht man nicht herein. Annie hat instinktiv vasch die Augen ge­­schlossen. Sie weiß nicht, warum. Ein Häßlicher Trieb nach Heimlichkeit und Horchen steigt in ihr auf, fre­ht sich nicht an, was sie dent. Aber tief innen lauert ein abscheulicher Keim, der unter der schweren Frühlingssonne heraus­­gelockt wird. Sie liegt unbe­weglich, und Liegchen­ jagt mit dem leisen Wigpern, das weiter dringt als gewöhnliches Sprechen: „Sie schläft.“ „Gott sei Dank!" kommt es von unten herauf Z Troß ihres Bestrebens, sich ruhig zu ver­­halten, zuch die Liegende. — Gott sei Dank! — er ist froh, sie für eine Zeit loszu sein, — froh, daß er nicht hereinkommen muß in die drühende Zimmerluft, sondern in der Sonne bleiben kann und sich freuen an dem Glanz und der Gesundheit. Da draußen hat er Alles, den Frühling und die Jugend — die lebendige, blühende Jugend. Siegchen springt hinab, und dann f­arrt die Bank leise, sie haben sich wohl Hingejebt. Eine Weile is still. Annie öffnet die Augen, richtet sich wieder auf und horcht mit spähen­­dem, häßlichem Ausbruch nach dem Fenster hin. (Schluß folgt.)

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