Oedenburger Zeitung, 1902. Mai (Jahrgang 35, nr. 101-122)

1902-05-01 / 100-nr. 101

a XXXV.Jahrgang. Emmen Nr. 100—101. Jseiwsxbecken Pränumerationd- Breite: Ganzjährig 20 Kr., Halbjährig h Kr., Vierteljährig Für Loco: 5, Monatlich 1 Kr. 70 Für Auswärts: Ganzjährig 25 Kr., Halbjährig 12 Kr 50 Hl., Vierteljährig 6 Kr 25 Hl., Monatlich 2 Kr. 20 Hl Donnerstag, 1. Mai1902. - Ledenburger Zeitun­gocttisches FagbeatL Turn­ar Adminiftration und Verlag: Buchdenkerei Alfred Nomm­alter, Grabenunde 121. Telefon Air. 25. Preis: G Seller. RER u EN . [ er “I Be Ki „ se % Inserate nach Tarif. Derselbe wird auf Wunsch überall’ in gratis und franco versendet, Minoncenaufträge, Albonnen entd. und Interfiond. Ges bühren sind an die Administration (Grabenrunde 121) einzusenden. Vermittlung durch alle Annoncen-Bureaus. Zum ersten Wal. Dedenburg, 30. April. Die finsterste Reaktion ist stets die Mutter des radikalsten Liberalismus ge­­wesen. Auf die spanische, Heilige Inquisition folgte die Logreißung der Niederlande, auf englischen Hebermuth folgte die Gründung : der,,Vereinigte Staaten von Nordamerika«, auf das französisc­­e Maitressen-Regime die große Revolution, auf die Despotie das ruhmvolle Jahr 1848 und mit­ diesem die Konstitution. In jenen heißen Tagen­­entrollte Ferdinand Zajjale auf den Barrikaden Düsseldorfs und Ber­­lins das rothe Banner der inter­­nationalen Sozialdemok­ratie. Dieses rote Banner war ehemals weiß, das Blut der um ihre geistige und po­­litische Entmündigung kämpfenden Bürger färbte er erst roth. In jenen denkwürdigen Tagen focht der Bürger neben dem Arbeiter. Erst später trat eine Scheidung ein. Die Ursache derselben ist ein untilgbarer lod aus der Ehre der damaligen Bourgoisie. Die Regierung bewilligte diesen einige auch auf am Papier stehende politische Rechte, während die eigentlichen Initiatoren der Ereignisse de Jahres 1848, die Arbeiter­­schaft, leer ausging, ihre Blut fast umsonst verspirgt, die Gefängnisse für nichts ge­­fällt hatte. Für Nichts ist zuviel gesagt, denn der ausgestreute Samen ging groß aller Polizeigewalt auf und je brutaler diese alle freiheitlichen Ideen unterdrücken wollte, desto kräftiger gedieh die Frucht. Mit dem wirthschaftlichen Aufschwunge Europas, der immer größer werdenden Industrie erstarkte naturgemäß auch die Sozialdemokratie. Die bisher rein natio­­nalen sozialdemokratischen Vereinigungen Europas traten in Fühlung, gemeinsames Leid, gemeinsame Interessen verm­nschten allen nationalen und konfessionellen Unter­­schied und so entstand die auf kosmopolitis­cher Basi beruhende Internationale Sozialdemokratie mit ihrem glänzenden, idealen Wahlspruch: Gleiches Recht für Alle. Die Angst vor dem rothen Gespenst ist gemwichen, die Zeiten sind vorüber, in welchem der Sozialist als Anarchist ver­­rufen und verfolgt wurde. Es ist für den Werdegang der So­­zialdemokratie charakteristisch, daß sie gerade in den ehemalss autokratischesten Saaten am ehesten Fuß fußte, am zeitlichsten zur Mitarbeit im Negieren zugelassen worden sind. Der durch seine rohe Polizeigewalt noch durch­ Separatgelege sich unterdrücken lassende Gedanke, daß auch das arbeitende Proletariat ein Recht an den Staat hat, findet seine höchste Betätigung in Frank­­reich, in welchem zwei der wichtigsten Minister = Vartefeuille ® Sozialdemokraten anvertraut sind, die erst sebten Sonntag mit erdrüdender Majorität wiedergewählt wurden. Zur Adjährigen Feier des Jahres fast nur mit Handels- und Geldangelegenheiten beschäftigen. Gerade hier bei Ihnen in Berlin habe ich einzelne sehr brave Juden kennen gelernt. Mendelssohn, dem ich in einer hiesigen Familie begegnet bin, hat mich sogar persönlich angezogen und ich begreife, daß Lessing mit ihm befreundet­ ist.“ „Aber selbst Shakespeare, dessen Werke Sie mir verdeutschen, hat zum Träger der Gewinnsucht und des starren Tropen einen Suden Hingestellt !" wandte Lanigfa ein, „so weil Shylos ihm durch die Ueber­­lieferung als ein Jude bezeichnet worden,“ erwiderte Altenberg. „Und dann mollte er weniger die Geminnsucht schildern, als die Rache, welche der verachtete Jude an dem geehrten Kaufmann von Venedig zu nehmen suchte. Man fühnte, wenn man wollte auß dem Kaufmann von Venedig ebensogut die indirekte Lehre ziehen, Bid zu welchem Grade des Halses die Beschränkung der Nuden auf bestimmte Lebenssreife, da Dunkel, zu dem man sie berdammt und daß sie zu Schleichwegen nöthigt, die Verachtung, der sie unterliegen, diese Unterbrücken gegen ihre Unterbrücer auf­ Hacgeln muß. Und im Uebrigen hat Shakespeare so viel christliche Bösewichter und Thoren ge­­schildert, daß die Juden sich eigentlich rühmen dürfen, gut genug fortgenommen zu sein. Aber lassen Sie uns gehen! Man vermißte Sie bereits !“ Al sie in den Baron zurückkehrten, hatte der König ihn, bereit wieder verlassen, und die beiden Freunde traten zu verschiedenen Gruppen. 1848 entstand, von Paris kommend, die Fee einen internationalen, nichtkonfes­­sionelen Arbeiter- Feiertag ab­­zuhalten und wurde dazu der 1. Mai auserkoren. An diesem Tage soll alle Arbeit ruhen. Die Gluth in der Schmiede, das Feuer im Dampffesfer soll­­ verlöschen, die Welt der Arbeit soll stille stehen, wenn der Arbeiter will der Welt seine passive, aber peremtorische Macht zeigen. Die gesammte Arbeiterschaft soi an diesem Tage einen einzigen, weithin schallenden P­rotest der ganzen Welt zurufen, sie soll für den Wahlspruch der großen Revolution, für Freiheit, Gleichheit um Brüderlichkeit plaidiren. Diese drei Begriffe werden heute nur noch von den Sozialdemokraten hochgehalten, in deren Grundprinzipien allein liegt — ab­ gesehen von unvermeidlichen Auswüchsen — der richtige, ideale Liberalismus, ja, er liegt noch mehr darin, denn im ihren Rinzipien liegt Religion. Der sozialdemokratische Grundlag: „Gleiches RKRecht für Alle“ ist nichts anderes als die Duintessenz moralisch - christlichen Glaubens: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ In diesem Sinne war­ auch der edelste Lehrmeister, den die Welt h­ervor­­gebracht, war Yesus E Christus Sozialdemokrat­ie 1. Mai als Feiertag soll_aber nicht nur ein Ge- . ———— Feuilleton, Die verhängnißvolle Infarift. Kriminal-Roman von W. W. Kahle. (Sortregung.) „Du Steht, soviel ich weiß, in „Ich werde mich Deiner erinnern !“ sagte Sanieka bitter­ des Königs Dienst. Königliche Beamte dürfen seine Wuchergeschäfte treiben. Nimm Dich in Acht !* „Der Herr Graf werden mir nicht Unrecht thun, weil ich ein gefälliger Mann ge­weifen,“ sagte Wolf mit einem sauren Lächeln, aber das Auge mit einem bösen Blid zur Erde senfend. „Mein Gemwisjen ist rein, mie die Sonne.” „Mach’ daß Du fortkommst, Schurke!“­­ rief der Graf hastig. „Der Herr Graf werden an mich zurüc­­denken all an einen billigen und gerechten Mann, wenn Sie einst zu thun haben mit Anderen !" sagte Wolf mit demselben Blick und ging aus der Thüre. „Altenberg, ich danke Ihnen,” rief der Graf jei Herzlich. „Morgen entledigte ich mich meiner Schuld. Sie haben eine neue Erfahrung in Berlin gemacht — daß unsere Juden nicht besser sind, als ander&mp.“ „Ich kenne genug christliche Wucherer, um tolerant gegen die­­ Juden zu sein,“ sagte ‚Wltenberg gleichmüthig. „Daß man verhältniß­­mäßig mehr Wucherer unter den Juden als unter den Schristen findet, liegt eben nur darin, daß die Juden in Folge ihrer Stellung fich |’ , gemissen, II. Sie drang in die Zimmer und in Der Morgen des folgenden Tages begann nebelig, falt und feucht. Schon war es zehn Uhr und noch immer schien die Dämmerung mit dem Tage zu ringen. Die graue Luft raftete auf den Heiteren, schwerer noch auf den Traurigen, die Herzen. E&& war einer jener Tage, an welchem auch in dem immer lachenden Gemüth die unbehagliche V­orahnung aufsteigt, daß es unangenehme und widerwärtige Dinge in der Welt gebe — einer jener Tage, an denen der berdüsterte Geist fragt, wozu diese Welt von Schmug, Nebel und Kälte eigentlich da und ob es nothunwendig oder vernünftig sei, sie zu ertragen. Auch auf den Maler-Saal der Borzellan- Manufaktur drückte der Nebel. Sonst pflegte er hier laut und luftig zu sein, semweit die Hausordnung und Herr Krauß, der Miniatur- Maler, dem die Leitung dieser Arbeiten über­­tragen war, er erlaubte. Aber heut hatte jeder genug mit seiner Arbeit zu thun. In dem um­­schwebenden Licht war es sch­wer, die Farben Nuancen zu unterscheiden und die Wirkung der Farben zu erkennen. Jeder stand oder saß emsig vor seiner Arbeit, Mikmuth und Unzufriedenheit im Bild. Wo da Auge des Künstlers zu sehr­ beschäftigt ist und zweifelnd prüfen muß, da verst­ummt der Mund. Nur‘ Verwünschungen hörte man über das „infame Licht" und den „gottlosen Nebel“" .(Bortregung folgt.) Vs AN: RES

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