Oedenburger Zeitung, 1904. September (Jahrgang 37, nr. 199-223)

1904-09-01 / nr. 199

-Oedenburger Zeitung Preis: 6 Seller. »Politisches Tagblatt. Preis: $ Seller. Ei­nde­rd En Pränumerationd: Breite: Bär 2oes: Ganzjährig 20 Kr., Halbjährig 10 Kr., Vierteljährig , Monatlich 1 Kr. 70 91. $ür its: was 25 Kr., Halbjährig 12 Kr 50 Sr., Vierteljährig 6 Kr 25 Hl., Monatlich 2 Kr. 20 Hl. Aministration und Verlag: Buchbruderin Alfred ARommwalter, Grabeneunde 121. Telefon Air. 25.­ ­17"’— yw .­­­ ee un SEUBFENSEHEE SInferate nach Tarif. Derselbe wird auf Wunsch überau­f in gratis und franco versendet. Annoncenaufträge, Abonnements und Unfertiond » Ges­chührem sind an die Administration (Grabentunde 121) einzufendems Vermittlung durch alle Annoncen-Bureaug. 2 Errüte­vertrieb­ungen. Sopron, 31. August. Das Neichekriegsministerium hat eine hochwichtige Zirkular-Verordnung an das 1. Heer und Die Kriegsmarine er­­lassen, fratt welcher im dienstlichen Schrift­­verkehr der militärischen Behörden mit den ungarischen Zivilbehörden, Aemtern und Einzelpersonen sich unter allen Verhält­­nissen der ungarischen Sprache zu bedienen ist. Die Zurückweisung von Schriftfuüden aus Ungarn, sei es von Aemtern oder von Einzelpersonen, aus dem Grunde weil sie nicht deutsch verfaßt sind, ist unstatthaft. Fortan hat vielmehr der schriftliche Dienst­­verfehr des Heeres und der Marine mit den ungarischen Aemtern und solchen un­­garischen Staatsangehörigen, welche nicht dem Heeresverbande angehören, ungarisch bewirkt zu werden. Somit ist Vorsorge ge­­troffen, daß die ungarische Sprache volle Gleichberechtigung im Ver­eht genießen soll. So wichtig aber auch diese Verord­­nung in praktisch-administrativer Beziehung ist, so ist doch entschieden noch wichtiger die politische Seite derselben. Die Regierung hat damit einen wichtigen Schritt nach vorwärts gethan in der Ver­­wirklichung jenes militärischen Programmes, auf welches sie sich dem Parlamente und dem Lande gegenüber verpflichtet hat, und gleichzeitig die Ans Programm sei, glänzend widerlegt. Denn mit dieser Verordnung ist die verlangte Plarität der ungarischen mit der deutschen Sprache im Dienstverkehr völlig hergestelt — wenigstens praktiich durchführbar ist, und selbst jene Shape­­­rhuldigungen der Opposition, daß er dem Ministerpräsidenten Grafen Stefan Tipa Grafen Tipa gar nicht ernst mit jenem | ! ı | Eraltados, die eine sofortige Einführung der ungarischen Kommandosprache ver­­langen, werden zugeben müssen, daß mit dieser Neuregelung auch die Erwartungen der größten Optimisten übertroffen sind. Gleichzeitig beweist diese Erfüllung eine der unwichtigsten „nationalen Forderungen”, daß dem Neden und Gehalten jener noch immer im Zentralismus befangenen Kreise, die — mögen sie nun dem Zivil oder dem Militär angehören — Hinter allen poli­­tischen Vorgängen in Ungarn Rebellenthum riechen, vor dem sie als Höchst umner­­wünschte und unnothwendige Netzer Krone und Monarchie beihügen wollen, seine ernste Bedeutung beigelegt werden darf, sondern daß wir nach wie vor mit vollem Vertrauen zu unserem konstitutio­nellen H­errschher emporsehen dürfen, der Sich auch fest wieder alß der getreueste unserer Verfassung und unserer G Staatsidee be­fundet hat. Daß die nunmehr erfüllten Versprechungen der Regierung den­n nicht dazu verführen, sich daraus einen besondern Ruhmestitel zu fabriziren, sondern die Konzession ohne jede Bemerkung, gleich­­sam mie etwas Selbstverständliches der Nation übermittelt, gibt nur Zeugniß ab insoweit dies­­ für seinen politischen Ernst und seine staats­­männliche Reife. Wir glauben auch nun­ mehr erwarten zu dürfen, daß der hier in Rede stehende friegsministerielle Erlaß nicht ohne Heilsamen Einfluß auf die weitere Entwicklung unsrerer innerpolitischen Ver­­hältnisse sein wird. Der vernünftige, auf realer Basis stehende Theil unserer Opposition dürfte wohl nun ohnemweitere zugeben, daß neuer­­liche Kämpfe um nationale Konzessionen jegt gegenstandslos wären, da wir dieselben ja auch ohne Kampf bekommen, jenen Desperados aber, die auf eine Erneuerung der Obstruktion hinarbeiten, ist eines der Hauptmittel für die Agitation verloren gegangen. Nur Männer, die aus bloßem Widerspruchsgeist noch immer an ihren Zweifel an der Aufrichtigkeit der Regierung festhalten, werden den Kampf im Namen der „nationalen Forderungen“ fortlegen, obgleich sie denselben unwiderrufli ver­­lieren müßten. Dieses Kapitel unserer Geschichte muß fest für geraume Zeit abgeschlossen werden, umso mehr, da wir in nächafter Zukunft all unserer nationalen Kraft benöt­igen werden, um dem engeren wie dem weiteren Auslande gegenüber, bei Hüter Fennileton. Aus früheren Tagen. T &3 war in vormärzlicher Zeit. In der Zeit, in der die Patentanten seine Bürger, sondern nur Unterthanen wollten, in der Zeit, in welcher die Theorie vom be­­schränkten Unterthanenverstande in der Schünften Blüthe stand. In Oesterreich stand der Hof- und Staats­­kanzler Fürst Metternich an der Sorge der Geschäfte und machte mit Hilfe des Polizei­­ministers Grafen Sedinigly und seiner Scher­­gen darüber, daß nicht zu viel Licht in das Land käme, der Bürger ruhig seine Steuern zahle, der Bauer fleißig Robot leiste und BZehent gebe und beide zusjammen die Herren vom Adel und der Weistlichkeit als höhere, von Gott ausdrücklich privilegirte Wesen be­­­trachteten. In Deutschland regierten etliche dreißig Botentaten und Potentätchen in dulci jubilo, und wenn bie und da die Masse störig wurde, da sandten die geängstigten hohen Herren nach BWien zum Fürsten Metternich, der bereitwillig Geld und Schergen sandte, um die Ordnung wieder herzustellen. In Frankreich Herrschte der Bürgerkönig Louis Philipp ; er ging, stete den Regenschirm unter dem Arme, fleißig spazieren, plauderte mit den Handwerkern, drücke ihnen die Hände und edfamou­rte dabei, eine nach der andern, die durch die Charte verbürgten ‘Freiheiten, Adel und Hierarchie aller Länder waren im Bunde miteinander gegen das Dorf, die Herren erwiesen sie gegenseitig gerne kleine Gefälligkeiten, wenn sie sein Geld kosteten, oder zum mindesten nicht ihr Geld. Das war die gute alte Zeit, in welcher das Rindfleisch acht Kreuzer oder Pfennige rojtete und das Gemüse so gut wie gar nicht? , in welcher der nächstbeste Polizeisoldat den angesehensten Bürger arretiren konnte, weil er nicht schnell genug den Hut vor dem Wagen des Landesvaters (wenn dieser auch gar nicht darin saß) zog und der adelige Offizier den bürgerlichen Rekruten todtprügeln lassen durfte, freilich auf die Gefahr hin, auf zwei, vielleicht gar drei Tage zum Brofoßen geschickt zu werden, wo er im Kreise theilnehmender Be­­sucher meist ziemlich hoch erging. Auch in dem seiner Gemütlichkeit halber bekannten Sach­en standen die Sachen nicht viel besser ; auch dort sorgte man, daß der Blebs, zu dem man Alles zählte, was nicht adelig geboren war, den Kopf nicht zu Hoch trüge; auch dort wachten die gottbegnadeten blaublütigen Sterblichen sorgsam über ihren Prärogativen und hielten gegen Denjenigen, ob Mann, ob Weib, der sich, ihrer Ansicht nach unberechtigt, in die Gesellschaft drängte, jedes Mittel erlaubt, welches die Entfernung der Parasiten am edlen Stolze wieder be­­werfstelligte. Wir führen den Leser nach Dresden, in die freundliche Elbestadt. Dort betreten wir an seiner Seite ein mit plumpem Lurus ausgestattetes Schreib­­­­kabinet. Die dunkelrothen Sammtvorhänge an Thüren und T Fenstern, mit golddurchwirkten Schnüren aufgezogen, die dunkelrothen Tapeten mit breiten goldenen Leisten, die verschnüf­­felten Möbel, der plumpe Kronleuchter. Alles das ist reich und prächtig, doch ohne Grazie und macht das Zimmer düster und unbehaglich. Ein Mann von vielleicht sechzig Jahren, groß, Hager, mit steifer Haltung und boch­­müthiger harter Stirne durchmißt, die Hände auf dem Rüden, mit unruhigen Schritten das Gemach. Er trägt einen goldgest­chten, mit Or­­denssternen überladenen Galarod, Schuhe und Strümpfe. Auf dem ZTische liegt ein kleiner Degen und ein hoher goldbordirter Zweispik. Der Graf von Köffing zählte zu dem ältesten Adel des Landes. Er war K­ammerherr des Königs, Großkreuz oder Kommandeur einer Unzahl von Orden, Beriter eines staat­­lichen Vermögens und der hochmüthigste, ein­­gefleischerte Aristokrat, bei welchem der Mensch erst beim „Baron“ anfing. Der Graf hatte einen Sohn, einen ein­­zigen Sohn, auf dessen beiden Augen der Kame Köffeig rubte, aber seit Langem schon lebte er mit demselben nicht im besten Ein­­verständnisse, obwohl Egon, so Hieß der junge, achtundzwanzigjährige Mann, es dem gegenüber nie an der schuldigen Ehrfurcht hatte fehlen lassen und — er diente als Ritt­­meister bei der Garde — des besten, tadel­­losesten Rufes genoß. (Bortiegung folgt.) Vater r­. A i 4

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