Oedenburger Zeitung, 1905. September (Jahrgang 38, nr. 200-224)

1905-09-01 / nr. 200

a - .« . « - y FTIR ET Br Fe ER AXXVII. Sahrgang. Freitag, 1. September 1905. Nr. 200, Oedenburger Zeitung Yolitifhes Tagblatt. Preis: 6 Seller. Kreis: 6 Keller. Pränumeration d- Breise: i 2oes: Sanzjährig 20 FKr., Halbjährig 10 Kr., Vierteljährig Br 2 ne clan Kr. 70 HI Bür is: a 25 Kr., Halbjährig 2 Kr 50H, vierteljährig 6 Kr 25 Hl., Monatlich 2 Kr. 20 Hl. Adminiftration und Verlag: Buhdenkerei Alfred MNomstwalter, Grabenrunde 121, Belefon Nr. 25. AInferate nach Tarif. Derselbe wird auf Wunsch überall in gratis und franco versendet. Binnuneenanitrgen: 2honnem­entd- und Insertiond­ @es­bühren sind an die Administration (Grabenrunde 121) einzufendems Vermittlung durch alle Annoncen-Bureaus. Politische Streiflichter. XVII. Sopron, 31. August. Graf Apponyi hat jüngst in einem Artikel eine ganz räthselhafte Bemerkung gemacht. Er, der schärfste Nefistenzler, meinte, es fünne speziele Fälle, Verhält­­nisse, Rücksichten geben, in welchen man mit dem Zahlungsstreit einhalten muß und der Regierung Geld in die Hand kommen lassen sol. Die Bemerkung ist — mie gejagt — räthselhaft, aber desto interessanter. Was fünnen das für Um­stände 2c. sein, da8a — bekanntlich — konsequenteste „Ideal der Nation” schon wieder zwingt, „mit Aufrechterhaltung seiner Prinzipien” dieselben an den Nagel zu hängen?... Uns scheint, der Schlüssel zur Räthjelösung liegt nahe. Die Re­­gierung läßt nämlich neuerer Zeit ver­­lauten, daß ihr das Geld nunmehr wirklich knapp werde. Sie müsse sparen und die Ausgaben reduziren. Den Anfang aber müße sie bei den Munizipien machen, denen sie die für die Versehung staatlicher Agenden bisher gezahlten Beiträge streichen wird, speziell jenen, die die Leistung des Gegenwertes (Steuereinhebung, mili­­tärische Agenden) verweigern. Wr nicht arbeitet, soll auch nicht essen! Nun aber fiten dann die Munizipien — besonders die Komitate — total auf den Trockenen und können einfach ihre Beamten nicht bezahlen. Und dann? Ja dann muß eben Graf Apponyi mit seinen großmäuligen Mitpatrioten die große Brieftasche auf­­machen oder aber benennen: „Schmeißt’s mi außi, i bin a Schneider!" Wir wetten den Sejuitiamud Apponyi gegen Die Geriebenheit eines Noßlammes, daß da der Hund begraben liegt. Denn der idealste Patriotismus liegt doch nur im großen Wort; die That ist zu poran­g).. * Es ist unzweifelhaft, daß Koffuth heute nur mehr nominell der Führer der Achtundvierzigerpartei ist. Die Macht hat dort Graf Apponyi in der Hand. Das ist natürlich. K­offfuth ist nicht der Mann, dem Grafen widerstehen zu können. Er ist ein Konzilianter, im Grunde sehr mäßig denkender Mann — ein wahrhafter Intelligenz-Spießbürger. Wäre nicht der große historische Name, den er geerbt hat und politisch zu repräsentiren sich verpflich­­tet fühlt, er wäre gewiß sein Politiker, am allerwenigsten Politiker einer radikal­­oppositionellen Richtung geworden. Auch seine geistigen Fähigkeiten sind nichts te­­niger­al glänzend. Sein Styl ist farblos, uninteressant, ohne tief zu sein; sein po­­­­litischer Gedankenkreis geradezu eng. Wie solte der Mann gegen den genial veran­­langten, gewaltthätigen Schaumschläger der Nation aufkommen — den Fabulisten mit der dröhnenden Kabulisten-Rede und dem Oli­­garchen-Sinn? Sobald er mit Apponyi in Konkurrenz treten mußte, war er auch schon unterlegen und — dessen folgsamer „Bührer“. Er ist der Einfluß des Dämons, der Roffuth dafür treibt, nach jedem gecheidten friedsamen Artikel (und er­­hürtet Artikel!) geschwind einen gehar­­nischten zu trompeten. So ist Rosfuth seinem Konkurrenten m wenigstens insoferne näher gefommen daß er auch­­ konsequent geworden ist. * Denn man muß willen, daß Graf Apponyi der „Konsequenteste Politiker” im Lande ist... Das fan Jedermann, der si dafür interessirt, von jedem echten Koalitionisten in volem Ernst behaupten hören. E&3 ist wohl richtig, daß Apponyi al Ordonnanz Paul Senndyey’s am rech­testen Flügel unserer politischen Partei­­front begonnen hat und dann in mehe­­mentesten Parforceritt durch die Nationalz-, die Liberale Partei und durch das Ziwi­­schenstadium der Parteilosigkeit in die Un­­abhängigkeitspartei und in derselben gleich an den Äußersten Linken Flügel gejagt ist, während die politischen Verhältnisse sich im Grunde gleich geblieben sind; aber daran ist­ deshalb nicht ® weniger als Ju= Konsequenz — beim Grafen Apponyi. So wenig, wie ein Mord, begangen durch einen Narren, ein Verbrechen ist. Denn Appon­gi fehlte ii vor Kurzem die nöthige Einsicht, um den richtigen Weg zu erkennen Er ist ihm, — wie er selbst hervorhebt, — erst mit sechzig Jahren der Knopf aufgegangen. (Damit hat er jedenfalls einen sensationellen Rekord gegen die Schwaben geschlagen, denen der Knopf bekanntlich „Schon”“ mit vierzig­­ Jahren aufgeht!) In Zukunft nun, nach­­dem er sich politisch großjährig gesprochen hat, wird doch er unerschütterlich dort bleiben, wo er recht ist!... Wir erwarten be­­stimmt, den „Ewigen Juden“ unserer Volitis in zehn Jahren (Hundert Jahr’ alt sol er werden!) richtig unter den —— RS ER at Feuilleton, Das verhängnißvolle Vortrait. Humoristischer Roman. (Fortlegung.) es Leptere hatte sich in’s zeniter gestellt, ihren Dam­e, wenn er unten vorüberging, noch eine Rußhand zuzumerfen Sie wartete ziemlich lange — wo blieb Nudolf wenn ? Sollte er sich wieder einmal ein wenig mit Henriette unterhalten, wobei sie ihn in der legten Zeit bereit verschiedene Male ertappt hatte? Sie begab si­e hinaus, um sich zu überzeugen ob ihre Verdacht gerechtfertigt sei, und entdeckte ihren Mann vom Korridorfenster aus, unten auf dem Hofe, wie er eben aus dem Holzschuppen­­ heraustat und Henriette dumm grinsend — so nannte Frau Böhmer e8 — hinter ihm ber jchautr. Was Hatte er bei Henriette zu thun gehabt ? Sie nahm er vor, ihm desmrgn zu­­ befragen und ihm zugleich dabei zu bedeuten,­­ das Aufträge an die Köchin einzig und allein unter Vermittlung der Hausfrau zu geschehen hätten, wie es in jeder anständigen Familie der Brauch sei. DOnnwohl Rudolf den gewohnten Gruß vom Tenster aus heute gar nicht verdiente, so kehrt­ sie doch rasch racy dem verlassenen Plate zurück. Darüber an der Ehe war inzwischen der Liderhändler Wollrabe aufgetaucht, welcher in der ganzen Stadt im schlechtesten Rufe stand als arger Kneipenläufer, vor dem jede Ehefrau ihren Ehemann warnte Er war Frau Böhmer längst ein Dorn im Auge, daß ihr Nudolf mit diesem unverrufenen Individium Verkehr pflegte und troß aller Vorstellungen, seinen Umgang mit demselben nicht abbrechen wollte. Der Mann sei zwar­ ein Lederhändler, entgegnete ihr Gatte ihr gemühnlich, wenn sie die Rede auf dieses T­ema lenkte, jedoch,­ was seine Person anbiträf­, nichts weniger als ledern; ja, er wäre im Gegentheil sogar ordentlich erfriscend, alle vierzehn Tage einmal Abends ein paar Stunden mit ihm zusammen zu sein. Was hatte dieser Mensch jegt driben an der, Ehe herumzu­chleigen und immer nach ihrem Haufe hinüberzuschielen..? Wartete er etwa gar auf ihren Wann?... Da kam Rudolf aus dir Haust­är zum Vorikein und er und Wollrabe steuerten sofort auf­einander zu. Die beiden Herren begrüßten sich freund­­schaftlich, schüttelten einander die Hände und schlugen dann gemeinsam die Richtung nach der Promenade ein. Rudolf sah nicht einmal zu seiner Frau­ hinauf, und er wußte doch, daß sie am F­enster war, wenn er das Haus verlieh. Doch jegt beliebte es ihm, sich dessen zu erinnern; er drehte si um, mwinfte mit der Hand und nichte. Wollrabe wandte sich gleichfalls zurück und grüßte Frau Wöhmer ehrerbietig; sie aber hielt den Kopf so steif wie ein Hauben­­stof und warf ihrem Manne an keine Kuhtband zu.­­ Es war Herrn Böhmer sehr unangenehm, da Wollrabe ihn abgeholt hatte, aber er­ durfte nichts darüber sagen, wenn er seine malitiösen Bemerkungen hören wollte über Ehemänner, die unter dem Pantoffel standen. Die beiden Herren wandelten langsam zusammen die Promenade entlang. Der Leder­­händler erzählte etwas, worüber sein Begleiter verschiedene Male laut auflachte. „Rus, berehrter Freund,“ hob er dann bei einer andern Sache an, „find Sie zum Entschluß gelangt? Ich bächte, Sie fullten auf, meinen Borichlag eingehen. Die Gelegenheit zu einem so günstigen @efchot finden Sie 0 Licht nicht wieder." (Fortseßung folgt.)

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