Oedenburger Zeitung, 1905. November (Jahrgang 38, nr. 251-275)

1905-11-01 / nr. 251

U Wasaberden,,Schwindel«anbe­­­langt,den das Ministerium mit seinem Programm angeblich vorhat,so liegt­­ dafür schon ein recht handgreiflicher Beweis vor.Das Programm verspricht nämlich «A.«­Unter Anderem die Erleichterung der Zin­­senlasten nach den Hypothekarschulden des Klein-und Mittel-Realbesitzes.Bekanntlich Iz gibt es in vielem wohl in den meisten E"·-Gegenden des Landes noch immer einen hortenden Zinsfuß— 70­0,80X0 und Z«daher­ sogar bei sogenannten,,Spar­­kasen«,privater Wohlthäter ganz zu Lifgeschweigem Diese Darlehen sollen so jzweit als möglich kostenfrei konvertirt werden. Diese Arbeit nun hat die­­ Regierung |hom in An­­griff genommen. In einem Bezirk de Biharerer Komitate amtirt die Kom­­­mission schon, die aus den Vertretern der Regierung, denen der darleichenden Geld­­­institute und den Gemeindenotären besteht ——_ aud der Dank der Bevölkerung äußert sich in großer Freude. Und es ist sicher daß die Regierung Es ihren ehrlichen Reformwillen in allen Programmpunkten,die keine gesetzgeberische E Znstimmung erfordern,sehr bald durch die That dokumentiren wird.Wir werden ge­­­wiß bald auch von der Kolonisirung auf­­ Fundationalgütern hören,die als Be­­friedigungsmittel für den Bodenhunger ,"unseres Ackerbauproletariats von größter Wichtigkeit ist. Dr. Karl Arnhold. [ Vorbereitungen zur Flucht der Grafenfamilie. Sopron, 31. Oktober. Nachdem die Gewaltt­ätigkeiten der über ganz Rußland verbreiteten Revolutionäre immer drohendere Dimensionen annehmen, in Barshau und Moskau schon fast gar nicht mehr, in Petersburg nur schwer zu unterdrücen sind und selbst auf die Truppen kein sicherer Verlaß mehr ist, soll die A­r­­reise der Czarenfamilie bereits ernstlich ins Auge gefaßt worden sein. Wie nämlich aus Betersburg vom Gestrigen her­­lautet, hat der Ezar den Auftrag gegeben, die kaiserliche Yacht unter Dampf zu halten, damit sie, vom mehreren Kriegerschiffen geleitet, zur Fluct der Czarenfamilie nach Deutschland bereit sei. Der Czar habe bereit nachge­­­geben und eine freiheitliche­­ Verfassung vor­­bereiten wollen, aber die Militärpartei habe­­ opponirt und übersache noch immer, eine Diktatur zu errichten. Witte es jedoch festgeblieben und habe gedroht, Rußland sofort zu verlassen, wenn die Militärpartei wieder Recht behalte. Allerheiligen — Allerseelen. Sopron, 31. Oktober. Morgen Mittwoch feiert die katholische Kirche das fromme Gedenken an all’ jene ‚Heiligen, deren gemeihter Name nicht mehr Raum in der Spanne von 365 Tagen, die das Kalenderjahr bildet, finden konnte, und bebrer, tiefsinniger Brauch hat dem Aller­­heiligenfest, den Tag Allerseelen — Aller ohne Ausnahme — angegliedert. Dieser Gebrauch ist so poetisch, daß man sagen kann, die Lichter, welche schon am Abende Allerheiligen allüberall, in der Welt­­‚abgeschiedenheit entlegenster Ortschaften ebenso, ‚wie im drangvollen Lärmen der N­iesenstädte, auf den Gräbern unserer im Tode herange­­­gangenen Lieben entzündet werden, seien ein Abglarnz des ewigen Lieberlichtes, das Die ‚ganze Welt durchflammt, und seine Stürme zu berlöschen, nicht Beit noch Tod zu ver­­­nichten vermögen. Beide Tage — Mierheiligen und Adel­­‚seelen — gehören der Vergangenheit an, die­s aber wie mit ge­weißten Händen in unsere Dedenburger Beilung. Beit Hinein­ant. E&3 sind Gedenktage für ent­­schwundene, im Lichte der BVerklärung wan­­delnde Gestalten und man erinnert si an jedem 1. und 2. November an ihre Tugenden, ie Wirten und Leben zurück und wie viel der frommgläubige Mensch ihnen Liebes zu danfen und zu vergelten hat. Am Tage des Gräberkultus fühlt Jeder den Berlust, den ihm der H­imgang seiner Lieben verursacht und der Verlassene weint sie an deren blumengeschmücken Hügeln aus und bittet den Himmel um Bereinigung mit Denen, die ihm im Leben jo mwerth gemeten, mit denen er Uner jegliches verloren ! Ja selbst dem gemwejenen Gegner im Leben wird vom überlebenden Feinde der Zoll der Pietät ab­­gestattet. Denn hier an den Hügeln der Gräber unserer V­orangegangenen kommt ed und zu, der Worte zu gedenken: „Aus Staub bist Du, Mensch geworden, zu Staub wirst Du werden ; richte nicht, so wirst Du nicht ge­­sichtet werden !” Auch wir werden sterben, so lange wir aber leben, sollen wir unser kurzes Erdenwallen so einrichten, damit man and­ing nach unserem Sterben eine Thräne und ein Gebet­sweihe an der Stätte unseres Gra­­bes, am Schluße unserer irdischen Laufbahn, während welcher wir vor Allem die Rächsten­­liebe bethätigen und milde Nachsicht mit den Serthümern unserer Rebenmenschen walten lassen lollen. Mebrigen, was ist denn Recht und was ist Irethbum? Die beiden Begriffe sind die relativsten unter allen Vorstellungen, die der Mensch sich bildet. Wir zweifeln nicht daran, daß all die bethörten Gegner des Li­­beralismus von der Lauterkeit ihrer Gesinnung, von der edlen Humanität ihrer Absichten durchdrungen sind; ebenso wie der echte Liberale gewiß auch nur da wahre Interesse seiner Mitbürger zu verwirk­­lichen strebt. Sie beide wollen — jedoch auf einander entgegengelegten Bahnen — das hu­­manistische Ioleal, das entschwundene Gefühl der Zusammengehörigkeit neu erweden. Die Gesellschaft aber trennt troß dieser mohlmeinenden Intentionen: ihrer besser ge­­eng­­herziger Haß, sinnloses Vorurtheil, Arm von­­­arteten Yührer, Kleinliches Gezänfe, Reich, Vornehm von Geringe. In der Politik schaffen Neid, Eifersucht, Machtgelüste und Ambition tieferbitterte Gegnerschaften zwischen den er­leuchtetsten Patri­oten und doch soll aller Hochdenkelder Menschen Streben nur auf den Frieden, die­­ Brüderlichkeit und Hu­­manität gerichtet sein. An den Pforten der Friedhöfe winkt den Pilgern zu den Gräbern die Mahnung: „Seid einig, einig, einig !“, denn sobald Euer Körper zu Staub zerfällt, was früher oder später jeden Sterblichen be­­schieden ist, gehört Ihr doch Ale nur einer Bartei an, der der Gewesenen.­­ 1. November 1905. Politische Nachrichten.­ ­ Die Entfeßung des IBM. fürften Lobkomwip. Der gegenwärtig im 65. Lebens­­jahre stehende Kommandant des IV. Korps und Kommandirende General in Buddapest FM. Prinz Rudolf v. Lobtomwip ist schwer erkrank­ und Hat deshalb, um seine Enthebung vom Kommando des 4. Korps an­­gesucht. Dieselbe wurde ihm vom allerhöchsten Kriegsherrn mittelst eines in den Huldvollsten Ausdrücken abgefachten Handschreibens gewährt, dessen Schlupfworte lauten: „Ich sehe mit Ihnen einen Meiner bemährtesten Generale von der Stelle scheiden, an welcher Sie in eingebungsvoller Lösung ihrer Aufgaben sich hervorragende W­erdienste erworben haben. Vorsorglich und warmfühlend für das Wohl der Truppe, dürfen Sie si­­che ehren­­vollsten Andenk­ens erfreuen, welches Sie bei al Ihren Ihmen wahrhaft anhäng­­lichen Untergebenen und in weiten, Sie hoch­­irägenden Kreisen zurüclaffen, mögen Sie aber insbesondere Meine herzlic­hften Dantes und Meiner wärmsten An­­erkennung Ihrer im Kriege und im Frieden ausgezeichneten Zei­tungen immerdar gewiß sein. Meine allerbeiten Wünsche für Ihr Wohlergehen begleiten Sie, wie auch Meine dauernde Zunei­­gung Ihnen gewahrt bleibt. Ich verleihe Ihnen die Brillanten zum Militär derdienstb­euge.” O Deporirter Pfarrer. Auf Vorschlag des Ministerpräsidenten hat Se. Majestät dem röm kath. Pfarrer in Mezöpeth­, Johann Bräzay, an Anerkennung für seine Ber­­dienste auf humanitärem Gebiete, daß Ritter­­freu­­de8 Franz Josef Ordend ver­liehen. O Obergespans-Ernennung. In Buda­­peter Abgeordnetentreffen verlautet, daß Abg. Sul Werner zum OObergespan des BeEksjer Komitates ernannt werden wird.­­ Der Jub der neuen Regierungs­­partei soll in der ersten Hälfte der kommen­­den Woche gegründet werden. Bisher zählt derselbe etwa 100 M­itglieder. Schon im Laufe der nächsten Woche wird im ganzen Lande die Agitation eingeleitet werden. Im­ allen Provinzstädten und Bezirken wird die Fortschrittepartei separirte Klubs ins Leben rufen. Die Mitglieder des Kabi­­net werden das Land bereisen und Programmreden halten, kurz, es wird nicht nur der Koalition allein das Ter­­rain überlassen bleiben. Die Minister werden bald Gelegenheit dazu haben, da sie in den befonten Bezirken auftreten werden. Diese Er­­fogswahlen werden bereits eine Erprobung der Streitkräfte bieten. O Kundgebungen für die Regierung. Die Gruppe der sächsishhen Abgevordne­­ten hielt gestern eine Konferenz, im welcher sie zum Programm der Regierung Stellung nahmen. So wurde der Beschluß gefaßt, daß die Gruppe im Verbande der Liberalen Partei verbleibt, da sein Grund zur Aufgebung der gegenwärtigem Haltung Die Abgeordneten erschienen vorhanden sei. . daher am Abend bereit in der Konferenz der Liberalen Partei, deren Mitglieder sie ferner­­hin bleiben. Die tädtische General­­vbersammlung von Temedpär be­schloß mit allen gegen 7 Stimmen, die Er­­nennung de neuen Ministerium?ß zur Kenntniß zu nehmen. O Enthüllung des Denkmals der Grä­­fin Dionys Andräsy. Unter großen­ Treier­­l­leiten und in Anwesenheit eines viel tausend­­köpfigen Bublitums wurde Sonntag zu RozEnys, das Denkmal der Gräfin Dionys Andrssjy enthält. Der Enthüllungsfeier wohnten zahlreiche Deputationen, Berein e­tc. bei, ferner die Mitglieder der gräflich And­­räffyichen Familie. Obergespan Ladislaus HämovEs, Bizegespan Ladislaus Borne­­missßa und zahlreiche andere Notabilitäten. Nach einem kurzem Zeitgesang, vorgetragen von den Böglingen de Seminars, hielt der Präsident des Denkmallomitse, Tün. Rath Alexander MesE­os die Festrede, worauf die Hülle von dem Denkmal fiel. Gymnasialpro­­fesssor Nikolaus Komoroczy deklamirte sodann eine selbstverfaßte Gelegenheitsode, worauf die verschiedenen Deputationen und Vereine das Denkmal begränzten. Um 1 Uhr fand ein glänzendes Ballett statt. Abends war­ die Stadt festlich illuminirt. O K­onflittiirung. Aus Belescsaba wird unterm 29. d. geschrieben: Der Ober Ausschuß des Bekejer Komitats hat sich konstituirt und zu seinem Präsidenten des Abgeordneten Daniel Hapisz gewählt. Zur Führung der Angelegenheiten wurde ein engerer Komits entsendet.­­ Die Yechenschaftsberigte in Debre­­zen. Die drei Abgeordnete Debreczend, Kolo­­man Thaly, Samu Bakonyi und Kolo­­man Szabó hielten Sonntag vor einer vieltausendköpfigen Menge ihre Rechenschafts­­berichte. Sofort nach Eröffnung der Versamm­­lung erklärte der Führer der dortigen Sozial­­demokraten Johann Törös, daß sie die Bermnwirklichung des allgemeinen Wahlrechtes erwarten. Hierauf hielt Koloman Thaly seinen Rechenschaftsbericht. Nach einer kurzen Darlegung der politischen Lage bekannte er fi als Anhänger des allgemeinen Wa­hl­­rechtes, da er nur an die Kenntniß der un­­garischen Sprache in Wort und Schrift knüpfen will. Abgeordneter Samu Balonyi sprach sich in denselben Sinne aus, wofür ihm die Sozialdemokraten Opationen berei­­teten. Al­legter sprach Koloman Szabs

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