Oedenburger Zeitung, 1909. Mai (Jahrgang 42, nr. 100-123)

1909-05-01 / nr. 99-100

».·f , « L XLlI.Jahxgang. Samötag, 1. Mai 1909. On PWreis: 7 Seller. (OREESEEEEEEEEEEEEEEEE ‚EEE ABI. GES SSÄNEEEETEETEEEEEEEE GE Prännumerationspreiie: Für Lofo: Ganzjährig 22 h, halbjährig 11 K, vierteljährig 5 K 50 h, monatlich 1 K 90 h. . Für Anstwärtsk GanzjährigsK,halbjährig 1sl­.vierteljährig 6 K 50 h, monatlich 2 K 30 h, burger ei­n Politisches Tagblatt. Administration und Verlag: Buchh­ukerei Alfred NRomtalter, Drachenrunde 121. Annonzenaufträge, Asonnemenid: und Infertiondges Selephon Nr. 25. . Nr. 99— 100, ung Preis: 7 Seller Inierate nach Tarif. Derselbe wird auf Wunsch; überallhin gratis und franto versendet bren sind an die Administration (Grabenrunde 121) einzusenden. Vermittlung durch alle Annr­nzenbureau z.­­­ um 1. Mai. Sopron, 30. April. Arbeiterfeiertag! Millionen Hände ruhen am heutigen Tage, in tausenden Versammlungen wird die Be­­deutung desselben erörtert. Dieser eine Tag im Jahre gehört voll und ganz der Arbeiterschaft. Das Datum ist gut gewählt und hat, vielleicht bewußt, vielleicht unbewußt, eine gemisse symbolische Bedeutung. Der 1. Mai wurde seit urdenklichen Zeiten als der eigentliche Beginn des Frühlings gefeiert. Vielleicht wollte die Arbeiterschaft damit, daß sie gerade diesen Tag wählte, demonstrieren, daß es auch in ihren Kreisen zu dämmern beginnt, daß auch sie für sie den Anbruch einer schöneren, besseren Zeit, eine Auferstehung aus winterlichen Banden erhofft und er­­wartet. „De erste Mai war früher ein aristokratischer Festtag, der Mai­­forjo entniwk­elte die Pracht der neuen Frühjahrstoiletten, die Gesellschaft traf sich nach den eitlichkeiten, den Luftbar­­feiten der Wintersaison zum ersten Male im Freien. Dem ist anders geworden. Heute gehört dieser Tag den großen Masjen, die neuen Toiletten sind die Kattunkleider der Arbeiterfrauen, die sonst zur Schau getragene üppige Farbenpracht hat sich in eine einzige Farbe konzentriert. Roth ist heute Das Losungswort. — — Konnte die Arbeiterschaft den Reichen, den DVornehmen auch nichts von ihrem Ueberflusse wegnehmen, diesen einen Tag hat sie Doch usurpiert, ein symbolischer Sieg des Proletariats über Die soge­­nannten herrschenden Klassen. Diese aber schliegen sich am heutigen Tage hermetisch­ von der Außenwelt ab, das Wort „Sozialdemokratie” allein macht sie nervös, läßt ein gewisses Angstgefühl in ihnen aufkommen. OD, wenn sie müßten, wie unbe­­gründet dasselbe ist! Die Sozialdemokratie an und für sich ist eine Parteiströmung wie jede andere und gerade die Furcht vor ihr ist es, die sie so mächtig gemacht hat. Schließlich hat ja jede Parteien­­bildung den Zweck, die Aspirationen der ihr Angehörenden zu fördern und zu unterjrügen und sind Die Ziele der Sozial­­demokratie, Groß aller gegenteiligen Be­­hauptungen, nicht die schlechtesten. Will man es verdammen, daß die Arbeiterschaft nach einer­ Besseiung ihrer Lage strebt? Sie hat sich diesbezüglich, man kann ihr­­dieses Zeugnis nicht ver­­wehren, bis nun stets in den geweglichen Grenzen gehalten. Dadurch aber, daß man ihre Bestrebungen mit allen Mitteln unterdrückt, erreicht man Das gerade Gegenteil von dem, was man erreichen will, denn Druck erzeugt immer Gegen­­druck und durch Verfolgungen hat man noch nie, seitdem die Welt besteht, eine Bewegung zu unterdrücen vermocht. Im Gegenteil, man schafft dadurch nur Märtyrer, ein gefährliches Gravamen, das geeignet erscheint, einer jeden Bewe­­gung nur umso breitere Basis zu ver­schaffen. Dafür bietet uns die Geschichte unzählige Beispiele. Nicht durch Unterdrückung sollte man der Sozialdemokratie, wenn man sie für gefährlich hält, entgegenarbeiten, sondern durch liebevolles Entgegenkommen, durch gerechtes Prüfen ihrer Forderungen. Schliegen wir uns nicht ab an diesem Tage, sondern gehen wir hinaus unter die Millionen, feiern wir mit ihnen diesen schönen Festtag und mir werden uns mit Gestaunen inne werden, daß die gefürchteten Wölfe gar nicht so gefährlich sind, als man uns heißmachen wollte, daß sie gefügig und d­enkbar sind wie Lämmer, wenn man ihnen mit Güte und Liebe entgegenkommt. « Nichtaristokratischer,nichtdemokra­­tischer Feiertag soll der 1.Mai sein, sondern ein Verbrüderungstag für alle,die mit der Natur auch ihre Auferstehung feiern. Mehr Liebe und weniger Egoismus, das ist das große Zaubermittel zur Lösung der sozialen Frage. L. Politische Nachrichten. Inland. Die Sinie. Feuilleton. Türkische Revolutionen. Bon Dr. Heinrich Borglen. [Nahdruch verboten ] Die Märchenstadt am Bosporus versorgt wieder einmal die staunende Welt mit Sensa­­tionen. Eine Umwälzung auf politischem Ge­­biet löst die andere ab. Was der Morgen brachte,­st vom Abend bereits überholt. Die Ereignisse jagen einander. Aber in diesem Wirrwarr des Werden glänzt eine helle Ktern­­linie, die Entwiclung eines starren, absolut regierten Staatswesens zum beweglichen mo­­dernen Staat, der sich eine demokratische Basis zu schaffen bestrebt ist. Derartige Umwälzungen sind im europäischen Orient nicht neu. Seit Jahrzehnten schütteln revolutionäre Krämpfe den franken Mann am Bosporus. Von den geschichtlichen Zusammenhängen dieser Nebo­­einiges erzählen. Die ganze Geschichte des türkischen Rei­­ches seit Beginn des 17.. Jahrhunderts ist eine P­alastrevolutionen. So tscharen ermordet Sultan Ibrahim — 1648 — wurde gleichfalls von den Janitscharen er­­droffelt. Sultan Mohamed — 1687 — wurde entthront. Achmed III. — 1730 — wurde vom Thron gestürzt. Mustafa IV. — 1808 — wurde "lutionenfollen die folgenden Zeilen As Geschichtseständigers "wurde Osman II.­­—1622——von den Janis hingerichtet Die neueste Zeit der Stambuler Palast- und Militärintriguen beginnt aber erst — 1861 — mit der Thronbesteigung Abdul Ajip. Nachdem Abdul Ajıs eine Reihe von Jahren mit größerem oder geringerem Erfolg regiert hatte, hatte die Art seines Auftretens schließlich doch einen allgemeinen Unmillen unter seinen Untertanten hervorgerufen. Im Mai des Jahres 1876 war es zu stürmischen Tumulten vor dem Sultanzpalaste gekommen. Wie gegen­­wärtig, so waren es auch damals die Sofias, die Theologiestudenten gewesen, die sich bewaffnet hatten und energische Aenderungen wünschten. Der Aufstand endigte damit, daß am 29. Mai 1876 Abdul Afis abgesegt wurde; die Ermordung des abgelegten Sultans fand am 4. Juni statt. Den türk­schen Thron bestieg jeit Murad V. Seine Regierungszeit währte jedoch nur bis zum 31 August, denn er wurde unwahnsinnig. Sein Nachfolger war sein Bruder, der sich als Sultan Abdul Hamid II. nannte. Gleich im ersten Regierungsjahr Abdul Hamids kam es zu revolutionären Strömungen, in denen eine früh­ere Verfassung des türkischen Staatswesens verlangt wurde. Eine solche Ver­­fassung wurde auch am 22. Dezember 1876 zugesagt, ohne daß sie jedoch recht in Tätigkeit trat. Zahlreiche unglück­che Kriege in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts trugen zu diesem allmähligen Einschlafen des türkischen Konstitutionalismus wesentlich bei, ohne jedoch den Gedanken an seine Berwirt­­­­ung gestrige Amtsblatt veröffentlicht folgende Verlautbarung: „Seine Wajetat haben mit Allerhöchster Entschliegung chung endgültig ertöten zu können, wie es die legten Ereignisse zur Genüge gezeigt haben, se mehr durch alle diese außenpolitische Mikerfolge das Abendland Einfluß im Orient bekam, desto Erafter und unwuchtiger prallten im Morgenlande die religiösen Gegenjäte aufein­­ander. Die blutigen Zusammenstöße zwischen den Christen und Muhammedanern in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hörten gar nicht mehr auf. Wenn der Telegraph etwas aus der Türferei zu berichten hatte, so waren es fast immer Greueltaten, wie sie sein anderes Land Europas aufzu­weisen hatte. Und so schreclich auch jedesmal die Schilderungen waren, er währte nicht lange und man hatte sie an die Einzelheiten derselben mit einer gewissen Kaltblütigkeit gewöhnt. Man hatte sich aber auch daran gewöhnt, die Türkei als einen „asiatischen Pfahl‘ innerhalb des „euro­­päischen Fleisches‘‘ zu betrachten. Besonders sind die Armeniergreuel noch in aller Erinnerung ; von ihnen erzählt der Historiker folgendes: „Im August 1896 erfolgte dann in K­onstantinopel selbst die Katastrophe, welche den ganzen Westen mit Entrüstung und Schauder erfüllte. Die Armenier allerdings, von einem geheimen Komitee geleitet, scheinen begonnen zu haben: eine bewaffnete Schar ‚derselben überfiel am 12. August die ottoma­­nische Bank und machte die bewachenden Be­­amten nieder, nun aber wüteten Truppen, fa­­natisiertes­ Wolf und Polizei von Stambul RT > a Br EA AFeR ee Da a N TEA a

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