Oedenburger Zeitung, 1909. Juni (Jahrgang 42, nr. 124-146)

1909-06-02 / nr. 124

2 programmed und wir künnen nicht glauben, daß die politische Moral in unserem Vater­­lande auf so tiefe Stufe gefunden sei, um der­­artiger zu produzieren. Nach dem genannten Blatte enthält das erwähnte Programm nur eine einzige For­­derung, die nach der Alleinhherschaft, wogegen die Partei bereit wäre, alle übrigen Fragen und Bestrebungen unbedingt und für immer fallen zu lassen. Nur möge der König gestatten, daß im Abgeordnetenhause eine V­or­­lage eingebracht, durchberaten und eventuell auch angenommen werde, die die­ Errichtung der selbständigen Bank ausspricht. Dann aber, und fest kommt das interessanteste, dann aber sol der König sein Veto einlegen und die Vorlage einfach nit sankti­onieren. Wie gesagt, wir künnen an eine solche Verworfenheit einer großen ungarischen Partei nicht glauben, denn es wäre doch himmel­­schreiend, auf solche Weise die ganze Bebül­­ferung, wir finden seinen gelinderen Ausdruch, zu betrügen. Dabei aber noch der Krone den Vorsschlag machen, als Mitschuldige zu fungieren, das­st schon nicht mehr Verwor­­fenheit, das ist [den ] Wahnsinn, der das ewige Streben nach der Macht verur­­sachter Größenwahn. Das erwähnte Blatt geht sogar noch weiter, er behauptet ganz offen, da führende Männer der Unabhängigkeitspartei wegen Durchführung dieses Planes mit­­ Kristoffy in Unterhandlung getreten seien und daß Franz Kosjuth fi um eine Audienz beim Thronfolger bewerbe. Wir haben in der letzen Zeit so manches erlebt, sodaß uns fast gar nichts mehr als unmöglich erscheint, aber eine derartige Verworfenheit künnen wir denn doch nicht vorangfegen, wir können und wollen es nicht. 3 ist schon traurig genug, daß ein österreichisches Blatt von dem Range der nr. 3: B.”, das fast auf der ganzen Welt gelesen wird, es­wagen dann, derartiges über eine ungarische Partei zu behaupten. Die Blätter läufeln nicht, wenn sein Wind weht und die Unabhängigkeitspartei in ihrem ziel- und maßlosen Streben nach der Macht, fängt ja nachgerade tatsächlich an, den­­ Kopf zu verlieren. Wir sind nur auf das eine begierig, was die Partei auf eine solch infame An= Tchuldigung für eine Antwort haben wird. " Communal-Reitung. Kundmachung. Auf Grund des Beischlusses der M­agi­­strates der fgl. Freistadt Sopron wird Diens­­tag, den 15. Juni I. $. vormittags 9 Uhr im Magistratssaale (Rathaus I. Stad) eine schrift­­liche Offertverhandlung bezüglich der für die Stadt Sopron nötigen Militär-Vorspannzfuhren abgehalten. Die Vertragsverbindlichkeiten füh­­ren im Magistratseinreichungsprotokolle ein­ gesehen werden. Die schriftlichen und mit einer Krone Stempelmarfe versehenen Offerte sind mit der Aufschrift „Offert bezüglich­ Militär- V­orspannzfuhren pro 1909 vom 1. Juli bis 30. Juni 1910” bis längstens 15. Juni vormittags 9 Uhr im Einreichungspr­otofol de Magistra­­te8 einzureichen. Das N­eugeld (20 Kronen) ist bei der städt. Kammerfafja zu erlegen und die­­ dies­­bezügliche Quittung dem Offerte beizuschließen. Für den Ersteher ist sein Anbot sogleich rechts­­verbindlich, für die Stadt aber erst nach Ge­­nehmigung desselben von Seite de Magistrates. Sopron, den 29. Mai 1909. Das lädt. Wirtschaftsamt. Bom M­useum. Schluß. Wären wir so glücklich, durch die Familen­­angehörigen in derselben mum­ifizenten Weise unterstüßt zu werden, wie dies bei den Ver­­wandten der Fanny Elkler3 geschah, so wäre die Errichtung der geplanten Ruhmeshalle in unserem neuen Museum schon gesichert. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, da­ auch Fern­­stehende sich im Besitz solcher Gegenstände befinden, die danach angetan sind, d­as Ge­­dächtnis an unsere Großen wach zu halten. Bedenburger Zeitung. Solche Zuwendungen würde die Museumleitung mit wärsten Dank entgegennehmen. Zum Schlusse sei noch für­ über die neuesten Einläufe für den „Ehrensaal heimischer Kunst” Mitteilung gemacht. Unter den Aug­­ewärtigen unserer SKünstler hat Herr afad. Maler Franz dr. Pouzsinsky in Wien ein Ge­­mälde zugesagt und Herr afad. Maler Alfred Steinader hat dem Museum neuerdings eine ganze Kollektion von Bildern übersandt: zwei Puppenbilder, die er selbst gemalt, dann zwei Heine Delbilder von der Hand seines Vaters Karl Steinader, außerdem nicht weniger als 34 Aquarellstudien seines Vaters, lauter land­­schaftliche Bilder au­s unserer Stadt und deren Umgebung. Diese Aquarelle bilden für unser Museum einen kleinen Schab. Wie viel davon, mwas der Einfel der funftgeübten Hand ung erhalten ist heute als Alt-Dedenburg schon verschwunden: der Brüderturm, die alte Bastei leben doch nur mehr in der Erinnerung der Alten, Meister Steinadher hat sie nng wenigstens im Bilde erhalten. Serner spendeten Frau Ladislaus Szauer- NRommalter ein Portrait des Grafen Georg Szechenyi, gemalt von Stefan Töth, Fräulein Anna Levingkyg ein Mädchenportrait, gemalt von Josef Wilfing (1850) und ein auf Kupfer gemaltes Ma­donnenbildnis ; Frau Louise Kummert, geb. Hadstod zwei große Frauen­­portrait, darstellend Frau Therese Bertel, geb. Kund und Frau Louie Jentsch, geb. Kund ver­­mutlich beide von Karl Steinacher gemalt. — Außerdem sagte Herr Karl Kroyherr dem Mus­­eum ein vom Wilfing gemaltes Familien­­portraits zu. Weitere Anmeldungen zu den anzu­gedeuten edlen Bemeden werden von der Leis­tung des Museums mit unwärmsten Dante ent­­gegengenommen. Dieselben wollen wie bisher an Herrn Bürgermeister Dr. Töpfer an den geschäftsführenden Vizepräsidenten der Archäologischen Gesellschaft, an Herren Archivar Kugler ans den Kustos de Museums oder an den Unterzeichneten gerichtet werden. 3­2. Bünker, Ehrenfustos, Grabenrunde 66. „Bitte, tun Sie meinem Hohne nichts!“ Die Liebe der Mutter zu ihrem Finde ist unüdermeßlich 5. — nebst dem Tode das ein­­zig Unmandelbare auf Erden. Sei das Kind ein Scheusal, eine Bestie ohne Erbarmen, die Mutter sieht in ihm nur das teuere Wesen, das sie unter ihrem Herzen getragen, für sie ist es das Schünste, das Beste, das Chelite unter Allen. Sie liebt e8 und es gibt feine Sünde, noch so abscheilich, die ihr Herz dem Kinde, dem undan­kbansten Geschöpfe Gottes, nicht verzeihen konnte. Seit Jahrtausenden singen es die Poeten, seit Jahrtausenden lehrt e3 das Leben. « « Ein erschütterndes Beispiel bietet dafür der Fall,der sich in Szeged zutrug. Der Taglöhner Michael Kovács kam angeheitert nachhause.Er forderte Geld,viel Geld,sein mütterliches Erbe im vorhinen.Die Mutter versuchte ihm ins Gewissen zu reden. Da faßte Michael Kovács die alte,gebrechliche Frau bei den Haaren schleifte sie auf den Hof hinaus,schlug sie mit einem Knüttel und trat ihr den Kopf mit seinen bestiefelten Füßen. Polizisten und Nachbarn befreiten die bluttriefende,bewußtlose Greisin aus den Händen des grausamen Sohnes und brachten sie sterbend ins Spital Geraume Zeit lag die zu Tode gewar­­terte Frau bewußtlos auf ihrem­ Krankenlager. Endlich kam sie für wenige Augenblicke zu sich und hauchte mit sterbender Stimme: ,,Bitte tun Sie meinem Sohne nichtB!« Es waren ihre letzten Worte. Die mächtigste Hymne auf das Mutter­­herz dieser erhabene Ausruf Und auch wohl die härteste Strafe für das ungeratene Kind, das dazu Anlaß bot. 2 Juni 1909. Tagesberich aus Sopron und Westungern, Sopron, 1. Juni. * Schulinspektor Dr. Vacsek­ inspizirte dieser Tage die hiesige ir. Volksschule, wo er vom Lehrkörper mit dem Oberrabbi Dr. Bol­­täf und dem Schulstuhlprässes Dr. Weiß an der Soige empfangen wurde. Dr. Paccieri weilte einen ganzen Vormittag an dieser dort trefflich geleiteten Schule und sprachy fi­­jomoH hinsichtlich des erzielten Erfolges in allen Gegenständen, als auch der vollkommenen Beherrschung der ungarischen Sprache besonders anerkennend auß. * Dr. Szongott, Oberphysicus der Stadt Wien, weilte zum Besuche seines Obtheims, des Betriebsdirektords der Győr-Sopron-Ebenfurter Eisenbahn, Herren Theodor v. Simay, während der Pfingtfeiertage in unserer Stadt. * Berlehungen. Der in hiesigen Gesell­­schaftsfreifen sehr beliebte Konzipist vor R.-De.-E. Eisenbahn, Herr Dr. Eugen Hartmann hat sich Pfingstsonntag mit Frl. Dora Neumann, der reizenden Tochter der Vermwalterwitmwe Frau Anton Neumann verlobt. Das liebenswürdige Fräulein Susanna Zeberer, Tochter des geachteten Bürgers Herrn Michael Zeberer, hat ss mit Heren Karl Steiner verlobt. * ‚Oesterreichische Politik.“ „Nemzeter“ in seiner unendlichen Allerweltsweisheit gibt und wieder einmal gute Lehren. Alles, was ihm nicht in den Kram paßt, ist — öster­­reichisch. Wenn man den politischen Leit­artikel eines Abgeordneten der Unabhängigkeits­­partei, der von Sophismen streßt, sachgemäß fritisiert und widerlegt, so ist dies — iter= reichisch, wenn man sich dem zielbem­ußten Willen des greisen Monarchen, des gesalbten Jägers der Stephangstone in Anerkennung seines väterlich-guten Willens unter­wirft, so ist dieg — österreichisch. Mit einem Worte, dies ist das einzige Argument, mit dem »N.« Logische Kritik widerlegen kann, was nicht gerade auf besonderen Geistesreichtum schließen läßt. Dabei schadet das genannte Blatt damit selbst am meisten den nationalen Interessen, indem «8 jedes vernünftige Wort als öster­­reichisch bezeichnet. Im MUedrigen danfen wir „N.“ besteng für seine guten Ratschläge und haben unseren „Spezialösterreicher“ angewiesen, bei den nächsten Wahlen in ausgiebigster Weise — Herrn von Haller zu unterstügen. L. * Der Noise greift in seiner festen Nummer dv. 30. v. M. die „Dedenburger Zeitung“ wiederholt an, weil sie den Zeitp­artikel des Abgeordneten Dr. Chizmazia einer Kritik unterzogen, erteilt ihr damit tatfrei den Titel eines Vaterlandsverräters und macht mich, Unterzeichneten, für diese „österreichische” P­olitik verantwortlich. Da ich nun mit diesen abgedroschenen und jeder Zugkraft entblößten Phrasen ein für allemal fertig werden will, erkläre ich das Folgende : Das öffentliche Wirken des Herrn Ab­­geordneten, die Politik der 48er Partei, sowie der Regierung und des Parlaments,­­wird die „Oedenburger Zeitung“ nach wie vor beur­­teilen, natürlich nicht im Sinne des „Nemzeter“, sondern ganz objektiv. Das ist die Auf­­gabe eines unparteiischen Blattes. Die „Dedenburger Zeitung“ wird seit 42 Jahren in ungarisch nationalem Geiste redigiert, also viel früher als der „Nemzeter“. Während dieser Jahrzehnte hat die „Deden­­burger Zeitung“ stets die unwirtschaftliche Stär­­kung des Landes angestrebt und dann getrost auf so manchen Erfolg hinweisen. Wenn aber der Patriotismus darin besteht, das ohnehin arg mitgenommene Land einem endgültigen Ruin zuzuführen, so über­­läßt die „Oedenburger Zeitung” diese traurige Rolle dem „Nemzeter“ und hält tapfer mit der gesamten ungarisch-sprachigen Presse — ausgenommen einige Leibjournale der nach Macht Hafchenden 48er Führer — um diese gefährlichen Bestrebungen aufs Schärfste zu verurteilen. Sopron, am ı. Juni 1909. Ladislaus Szaner.­­* Die Anhänger Tipa’s im Wahlen. Das nach dem Freudentaumel, von dem die Nation vor drei Jahren erfaßt wurde, alsbald die furchtbare Ernüchterung folgen werde, daß mußte jeder mit den politischen Verhältnissen Vertraute, ebenso wie man mußte, daß man den Namen des Grafen Stefan Tipa, D­ieser hervorragenden Zierde der Nation, nie und .

Next