Oedenburger Arbeiterrat, 1919. Mai (Jahrgang 1, nr. 27-46)

1919-05-01 / nr. 27

1. Mai 1919. Er zu a x Gede ER ea nburger Arheiterrat “ Geite 3. 15. Juli. Was die Arbeiterschaft Europas an hervorragenden Geistern aufzuweisen hatte, war in dem Heinen Theater versammelt: Deutsche, Oesterreicher, Ungarn, Neffen, Polen, Belgier, Holländer, Italiener, Engländer, Bulgaren, Griechen und auch zwei Amerikaner. A­n Kräfivententifchh Guesbe, neben ihm Schrifts führer Dr. L­afargue und dessen Gattin, die älteste Tochter Marıd, dann die jüngere Tochter des Violetarierapostels Miftreß Aveline und Liebknecht. An deutscher Dolmetsch fun­­tierte der Münchner Deputierte V­ollmar, eine Hünengestalt auf Krücken, als französischer Dolnetsc­h Gemeinderat Longuet. Rußland war durch den bekannten Nihilisten, den Grandart Lawıoff, Wien durch Dr. Adler (Vater), Rom durch Gofta und einen Flüchtling Cipriani vertreten. Ungarn hatte Leo Frankel entsendet, der bekamntlich Arbeitminister der französischen­­ Kommune (Delegue pour les traveaux publics) gewesen. Besonders stark waren die Frauen vertreten. Außer den beiden Töchtern Marrd­ah man die Berlinerin Frau Zetkin, die Bolin Sankowofa, Herausgeberin der in Genf erschei­­nenden Zeitschrift Bredwit (Morgenrdte), die durch­ das Duell auf dem­­ Schlachtfelde von Waterloo bekannte Frau Lafteyrie und mehrere Französi­nnen. Die E­röffnungsrede hielt Dr. Lafargue, der Schwiegersohn de Marr. Er führte aus: Die große Zahl der erschienenen Vertreter der Arbeiter aller Länder liefere den besten Beweis von der Solidarität, die unter den Arbeitern der gesamten zivilisierten Welt herrsche. Dieser Band der Solidarität sei um so schwerwiegender, wenn man erwäge, daß eine eigentliche inter­­nationale Arbeitervereinigung schon seit vielen Jahren nicht mehr bestehe. Allein die Arbeiter haben überall unter dem gleichen Drud zu leiden. Die Erkenntnis, daß dieser Drud nicht beseitigt werden könne, wenn die Arbeiter der ganzen zivilisierten­ Welt brüderlich zusammen­­halten, sei das geistige Band, das die P­role­­tarier aller Länder, an ohne eine bestimmte Organisation umschlingt. Diesed Band zu beseiti­­gen und den Druck, der überall auf den Ar­­beitern lastet, wenn auch no nicht vollends zu beseitigen, so Doch zu beraten, wie derselbe zu mildern wäre, sei der Zived des Kongresses. Mögen diese Verhandlungen zum Wohle der Arbeiter aller Länder beitragen. Im Namen der fremden Delegierten ants tan­tete Liebknecht. Er betonte, daß auf dem Kongreß Deutschland und Frankreich in ihrer Arbeiterschaft einander die Hände reichen. Der deutsche Arbeiter sieht in dem französischen nur feinen brüderlichen L­eidensgefährten ; die Deuts­chen Arbeiter, die sich mit den Arbeitern der ganzen zivilisierten Erde solidarisch fühlen, siehen jedem National, Naffen und Glauben? haß fern. Der Nationale, Raffens und Glaus­benhaß jei ein Sport der herrschenden Klaffen, der allerdings auch unter den Arbeitern geschürt werde, um sie zu Handlarn= gern der Reaktion zu gewinnen. Die So­­zialdemokratie habe aber dafür gesorgt, daß diese Bemühungen der h­errschenden Sklaffen gänzlich erfolglos waren. Den besten Beweis hierfür liefere die zahlreiche Vertretung der deutschen Arbeiter auf dem gegenwärtigen Kongreß. Die Beratungen währten fünf Tage. &o wurden hochwichtige Beischlüsse gefaßt: Regelung der Arbeitszeit: acht Stunden täglich für Er­­wachsene, ein Nähetag wöchentlich; Verbot der Nachtarbeit, jedoch mit gewissen Ausnahmen; Verbot der Arbeit von Kindern unter 14 Jahren und Festlegung der Arbeitszeit Halbwüchsiger von 14 bi 18 Jahren auf sechs Stunden; Bestimmung eines internationalen Minimal­­lohnes, desgleichen für beide Geschlechter; Cr­­nennung von nationalen und internationalen Inspeftoren, in welche auf Staatstosten zu be­ felden wären. In der Schlupfigung, am 21. Juli, erfolgte die Beschlußfassung über den internationalen Arbeiterfeiertag: Am 1. Mai 1900 sol in allen Staaten, diesseits und jenseits des Ozeans, an demselben Tage und in derselben Stunde die W Arbeit ruhen, womit die Welt-Solidarität des arbeitenden Proletariates zum Ausdruck gebracht werden sol. Ein Antrag de Marseiller Delegierten, statt des Arbeitsruhetages den Weltstreit zu proklan­mieren, wurde, nachdem Liebk­echt dagegen gesprochen hatte, abgelehnt. 6% war der Iekte Beichluß des inter­­nationalen Arbeiterkongresses Paris 1889. Vor dreißig Jahren wurde dieser Beichluß in dem kleinen Theatersaale am Montmartre gefaßt und er ist in dem darauffolgenden Jahre „in allen Staaten, diesseits und jenseits Des Ozeans’ zur Tat gew­orden. Neunund­­zwanzig Jahre Hindurch war der erste Mai der internationale Festtag der P­roletarier. Heuer hat er seine besondere Bedeutung: er­st die erste Maifeier im Zeichen des­ fliegenden Kommunismus. Die Reoletarierin und die neue Weltordnung. Der erste Mai ist seit vielen Jahren ein Fest der Arbeiterschaft. Big­num zeigten wir an diesen Tage der kapitalistischen Gesellschaft die Macht und die Kraft des Proletariates. Der erste Mai dieses Jahres aber ist nun ein besonders Heiliger Tag. So gilt die Befreiung der Arbeiterschaft aus der Hiterbrüdung und Ausbeutung von Jahrhunderten zu feiern. Ein ganz besonderes Fest ist dies aber für die Violetarierinnen, die noch mehr unterdrückt und noch an­gebeuteter waren als die Männer. Boll führte auch die Frau dieselbe Arbeit als der Mann, sie bekam dennoch weniger Lohn als er. Die Proletarierin war ein ständiges Mittel in der Hand der Kapitalisten, um die Lohnbe­wegungen und Lehrkämpfe der Arbeiter­­schaft zu brechen. Und dies hatte zur Folge, daß Proletarierin und P­roletarier sich alle Feinde gegenüberstanden. · Die Ursache dieser Zustände lag in der traurigen Tatsache,daß die Arbeiterin wirt­­schaftlich unorganisiert war.Die Arbeitgeber wußten es mit allen Mitteln zu verhindern, daß sich die Arbeiterin wirtschaftlich organisiere­­denn sie waren sich dessen bewußt,daß sie dann die billigen Arbeitskräfte verlieren und der Ausbeutung gewisse Schranken auferlegt werden. Aber nicht nur in der Fabrik war die Pro­­letarierin ausgebeutet,sondern auch zuhause, um ihren eigenen Haushalte. Denn während der Mann nach seiner Arbeit frei über seine Zeit verfügte, harrte der Frau tausenderlei und abermals taufenderlei frische Arbeit. Wenn sie von der Arbeit nachhaufe kam, konnte sie das farge Nachtmahl kZochen, waschen, bügeln und fliefen. Und oft fand die mitternächtliche Stunde die Violetarierin noch bei der Arbeit. Am nächsten Tage hieß es dann ermüdet, mit dem geplagten Körper vom neuemn den Robot zu beginnen. Die Proletarierin foınnte aber auch des Tages Arbeit nicht in Nähe verrichten. Denn wenn sie früh morgens zur Arbeit ging, mußte sie ihre Kinder entweder in die Wohnung sperren, oder sie dem Leben und Treiben der Straße überlassen. Sie wußte den ganzen Tag über nicht, was mit ihren Kindern geschah. Bisher war also die Lage der Proletarierin die, daß sie von Morgen bis spät in die Nacht arbeiten mußte. Sie hatte kaum das trockene Brot für sich und ihre Kinder. Keinerlei poli­­tische Rechte standen ihr zu, sie durfte nicht mitreden, wenn man über sie verfügte und Besschlüsse über die Proletarierin erbrachter Sekt­if­ried alles anders geworden. Die Arbeiterschaft hat das Zoch des Kapitalismus abgeschüttelt ımd Mann und Weib sind nun vollständig gleichberechtigt auf politischem und wirtschaftlichem Gebiete. Die Frau erhält den­­selben Lohn wie der Mann, wenn sie Dieselbe Arbeit leistet und sie darf ihr Votum abgeben, wenn man Gejebe schafft. Der Kommunisten­­staat sichert der Frau einen ausgiebigen Mutter­­schuß, er erhält die im Modienbett liegende Frau. Der Kindererziehung wird der neue Staat ein besonderes Augenmerk scheinen und die in Bälde entstehenden Gemeinschaftslücken werden der Frau einen großen Teil ihrer häuß­­lichen Sorgen abnehmen. Der glückliche Home­munistenstaat wird glückliche Proletarierinnen schaffen.... Und deshalb haben die Arbeiterin­­nen allen Grund mit besonderer Freude den 1. Mai dieses Jahres zu begrüßen. Denn er ist der Tag ihrer Befreiung. Szerene Timor. Die Verbreitung 88 Bel- Ichewismngs in Am­erika. Während Präsident Wilson in Paris gegen die Sicheber des europäischen Bolschewismus mit allen Kräften ankämpft, greift in Amerika­­ die Propaganda für die bolschemistischen Seen immer mehr um fc. Der Netwyorker Surres­­pondent des „Matin veröffentlicht zur Erbauung feiner Leser, die beim Frühstück gerne etwad „Orufeliged” seien, folgenden interessanten Bericht über die Verbreitung des Bolschewismus in Amerika. Die Behörden der Vereinigten Staaten Amerikas haben gegen den Bolschewismus einen wahren Vernichtungsfeldzug eröffnet. Es wurde eine Kommission zur Bekämpfung des Bolichewismus gebildet, die in allen Städten Nazzien gegen die Bolichemwisten veranstaltet. Interessant ist, daß der amerikanische Bolfches­wistenbund sich mit der seit langer Zeit be­­stehenden anarchistischen Organisation „In­­dustrial Workers of the Woxed‘‘, bekannt unter der Abkürzung „I. W. W.“, vereinigte und deren Namen anmahen. Als Tropff vor der russischen Revolution in Amerika weilte, fand er in dieser Organisation ein geeignetes Propagandamittel. Er ließ, als er Amerika verließ, zahlreiche Schüler zurück, die aus dem ursprünglich anarchistischen „IL. W. W.“ einen Kommmunistenbund machten. Heute ist der „I W. W.“ einer der verbreitetsten und am besten organisierte Verband Amerikas. 12.901 Filialen sind in den verschiedenen Städten. Der Werbetätigkeit wird ein besonderes Augett=­merk zugewendet. Ein Drittel der Filialen beschäftigt sich ausschließlich mit Werben, während die restlichen zwei Drittel Syndikate­ der Arbeiterschaft bilden. In Newwyork befinden sie allein 599 Werbebureaus. Der Bund arbeitet seit einiger Zeit im Geheimen, da die amerikanischen Behörden mit allen Mitteln ihn befümpfen. Seit den großen „Bolschewiften­­jagden“ der legten Wochen ist die Mit­­glied­eranzahl auf das Doppelte gestiegen. Das legte Auftreten des „I. W. W.“ vor der Deffentlichkeit war vor einigen Wochen im Staate Buffalo. In einer von Tausenden von Arbeitern besuchten Wolfsversammlung wurde beschlossen, einen Arbeiter, Soldaten und Matrosenrat zu mählen, dessen­ Haupt­aufgabe die Propaganda der belschemistischen Speen bilde. Es wurde auch ein Beschluß­­antrag angenommen, im welchem die For­­derungen der Arbeiterschaft in folgende fünf Punkte gefaßt wurden: 1. Sehen der Arbeit sucht, muß Arbeit gegeben werde­t. 2. Die Steuern sind sofort abzuschaffen. 3. Abschaffung der Zinsen für Gelddarlehen.. 4. Einführung des vierstündigen Arbeits­­tages mit denselben Verdienstmöglichkeiten wie früher bei acht Stunden Arbeit. 5. Freiheit de Morte3 und der Ber­­rang zu jeder Stunde und an jedem Ite. Die Buffaloer Behörden lösten aber dem Bund auf und die Arbeit mußte im Geheimen fortgefegt werden. Der „I. W. W.“ verfügt über eine mächtige Breite. Generalpostmeister­ Lama legte der Kommission zur Bekämpfung­ des Bolschewismus eine Liste der fommus­­istischen Blätter vor, in der allein im Staate Newport fünfzehn Tagesblätter ange­führt sind, die in allen Kultursprachen erscheinen. Eine einzige Sprache ist nicht vertreten (so schreibt der Matin!), das ist die Französische, was der Matin mit der geringen Anzahl des fran­­­zösischen Proletariates erklärt.­­ Zur Beruhigung seiner Leser teilt der Matin­ auch gleich mit, daß der bekannte amerikanische Arbeiterführer Deb3, der bereits viermal Präsidentschaftskandidat der Union war, wegen bolscheiwistischer Propaganda zu zehn Jahren: Zuchthaus c­) verteilt wurde. In Chikagoi hat die Kommisstion sein Glück gehabt. Dem­ Führer der dortigen Bolschewisten, Viktor­ Berger, konnten die Spürhunde der Polizei nicht finden. «3 gelang nur die Verhaftung­ von 200 Agitatoren. Matin schließt seinem­ Bericht mit der besorgten Bemerkung, daß er Amerika, wenn nicht bald die Demobilisierung kommen werde, der Kommunismus immer­ mehr Anhänger gewinnen werde. . 5. Li3 Er «er ee ee Ne A­ran 3 Allen TEN” BE NE . Ben ne . » ke Mar RR kin Se­en F Eh aa RE EN fie Sarg Te ER

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