Oedenburger Zeitung, 1920. Juli (Jahrgang 52, nr. 147-173)
1920-07-15 / nr. 159
JDWits-si,e-Es«s,2-iisisss«s -.««."«·-- I» Seit-L PAR N TELGTE vor einem Bürgerkrieg in China. (Drahtbericht der „Oedenburger Zeitung”.) -London, 14 Zul. In China ist ein Bürgerkrieg ausgebrochen und zuvar stehen auf der einen Seite die japanerfreundlichen, auf der anderen Seite Die japanerfeindlichen Chinesen. Ein Zusammenstoß vor der Hauptstadt ist die Frage von wenigen Tagen. Die japanerfreundlichen Chinesen verfügen über eine große Armee. Auch von den fünf Divisionen in Peking halten drei zu den Japanern. In Beling herrscht große Panik; viele Chinesen ver Lasfen fluchtartig die Stadt. Die Affäre Tellinek. (Drahtbericht der „Oedenburger Zeitung“.) Budapest, 14. Juli. Die königliche Tafel bestätigte heute den Beschluß des Anklagesenates, demgemäß die Bandirektoren Pr. Wilhelm Gerd und Gustan 2etay, die in die Betrugsaffäre Sellinets verwicelt sind, weiter in Haft bleiben, am Graiferin Eugenie T. Raris, 13. Juli. Eine Reutermeldung besagt, Daß die Witwe Napoleons des Dritten, des letten Kaisers der Franzosen, Eugenie in Spanien gestorben ist. (Siehe Zeitungslekifon.) .u Eine stürmische Bersammlung. (Drahtbericht der „Oedenburger Zettung”.) Wien, 14. Juli. Gestern kam es in einer Bersammmlung der sozialdemokratischen Angestelten der Stadt Wien zu Sturmszenen und Maufereien. Der eine Nedier war der Wiener Bürgermeister Reumann, der bezüglich der Lohnforderungen der Bediensteten sie auf einen schroff ablehnenden Standpunkt stillte. Die Bersammelten brachen in laute Protestrufe aus und plöglich stürmte durch die Mittel für ein Trupp Arbeiter herein, die den Recner und die ihn umgebende Gruppe angriffen. 3 kam zu einer Nauferei, wobei mehrere Versammlungsteilnehmer verlegt wurden. Schließlich gelang es, den Saal zu räumen. as TE, EEE TURTERTT Dedenburger Zeitung Attentat auf Hindenburg. Montag abends drang ein etwa“ 2jähriger junger Mann in die Wohnung des Feldmarschalls . Hindenburg ein und stürzte sich auf ihn. Der greise Feldmarschall nahm den Kampf mit dem Attentäter auf, der schließlich einen Revolver 309, ihn gegen Hindenburg abfeuerte und dann davonlief. Die Kugel traf nicht, der Attentäter ist entlommen. In Hannover, 14. Juli. Der Vorfall spielte fm Montag, 7 Uhr abends ab. Der Feldmarschal saß gerade in seinem Arbeitszimmer am Schreibtische, als er im Nebenzimmer ein Geräusch hörte. Als er si umödrehte, gab er einen etwa jährigen Mann in Militäruniform vor einem Schrank Stehen. Hindenburg trat ins Nebenzimmer, worauf der Maım flüchten wollte. Doch Hindenburg hielt ihn fest und rief nach seinem Diener. E 3 entspann sich nun zwischen dem 72jährigen Greife und dem 20jährigen Burichen ein heftige Ningen, wobei mehrere Möbelstücke umgeworfen wurden. Der Feldmarschall hielt den Ginbrecher mit der einen Hand fest, während er mit der anderen Hand die Klingel zu erreichen suchte. Der Einbrecher drohte daraufhin, von seiner Waffe Gebrauch zu machen und 309 g auc wirklich einen Browningrevolver aus seiner Tasche hervor. Der Feldmarschall ließ sich jedoch nicht einschüchtern und hielt den Manıt weiterhin fett. Darauf gab der Unbekannte einen Schuß auf Hindenburg ab, doch traf die Kugel nicht. Schließlich gelang es ihm Doch sichto2zureißen und flüchtete durchs Fenster, ohne daß er aufgehalten werden konnte. D ie Zerthener Frage. (Drahtbericht der „Oedenburger Zeitung“.) Prag, 14. Juli. Die Vertreter der alliierten Regierungen haben die Teschener Trage geprüft und mit NRüdsicht auf die Schwierigkeit denen eine Volksabstimmung begegnen würde, beschlossen, die Botschafterkonferenz mit der Aufgabe zu betrauen, diese Frage nach Anhörung beider Parteien nach möglichst kurzer Zeit zu lösen. Zu dieser Konferenz sol auch Amerika eingeladen werden. Deschanels Nachfolger. (Drahtbericht der „Oedenburger Zeitung“.) PBarid, 14. Juli. (Funtipruch).) 5 „Daily Erpreß“ meldet, daß der Nachfolger des Präsidenten der französischen Republik wahrscheinlich hod werden wird. ] 15. Juli. Ein Darteil des Boykotts ist es, daß infolge des Mangels an Wiener Zeitungen die „Oedenburger Zeitung“ eifriger al vorher gelesen wird. Dadurch Hat fs sowohl die Stadt, al auch die Landbevölkerung überzeugt, daß die „Dedenburger Zeitung” jede Wiener und Budapester Zeitung erregt und deshalb hat si unser Leserkreis in dieser Zeit verdoppelt. Die „Dedenburger Zeitung“ bringt die Nachrichten die Verhandlungen in Span, die Wiedergutmachung. __ Parid, 14. Juli. Der Korrespondent der „Agence Havas“ meldet aus Span: Nach geitern abends eingeholten Erfundigungen werden die deutschen Delegierten folgende Vorschläge über die Wiedergutmachung unterbreiten: Zahlung einer Pauschalsumme für die Wiedergutmachung von 50 Milliarden Soldmarn in 50 Jahresraten, wovon 20 Milliarden für den Wiederaufbau der verwilfteten Gebiete bstimmt sind und in natura zu leisten wären. a2 Die Kohlenirage. Span, 14. Jul. Sonntag 4 lhr nahm, wurde Richskanzler Fehrendbad und Minister des Reußers Dr. Simond zu einer Unterredung berufen, obwohl der Beginn der Konferenz erst für 5 Uhr angeregt war. Er wurde sogleich in die Beratung der Kohlenfrage eingegangen. Millerand teilte mit, daß ss die Alliierten vorläufig mit 2 Millionen Tonnen Kohle jährlich begnügen würden und daß später Lieferungen von 2, Millionen Tonnen erfolgen müßten. Dr. Simond erklärte, diese Forderungen seien zu Hoch. Die Lebendmittellieferungen für die Arbeiter im Ruhrgebiet seien so schlecht, daß in den folgenden Monaten eher ein Nachgang, als eine Zunahme der Kohlenförderung zu erwarten sei. Am Ergebnis der Beratungen der deutschen Sachverständigen teilte er mit, Deutschland sei in der Lage jährlich 14 Millionen Tonnen zu liefern und viele Lieferungen im Laufe der Zeit auf 18 Millionen Tonnen jährlich zu steigern. Er perwie darauf, daß die Bergarbeiter seine Nebenstunden mehr anfahren, da sich die Arbeitslosigkeit dadurch steigern würde. Auch hätten sie seine Neigung, den Ententeregierungen besondere Lieferungen zu machen. Millerand erklärte, daß er bei seiner Forderung bleiben müsse. Lloyd George ermahnte die deutschen Delegierten nachdrücklich, auf die Forderungen Millerands einzugehen, wobei er auf seine unparteiliche Stellung hinwies und im Interesse der Konferenz ersuchte, Diesenor Schlägen zuzustimmen. Die deutschen Delegierten erklärten, daß eine höhere Förderung, als die von ihnen angegebene, nicht möglich sei und beschlossen, sich zu einer Beratung zurüczuziehen. .. Abbruch der Verhandlungen? Berlin, 14. Juli. In der Montagsligung Der Konferenz teilte Minister des Yeußern, Simons, mit, daß die Sachverständigen für Die Kohlenfrage zu seiner Vereinbarung kommen konnten, da Deutschland die Forderungen der Entente nicht zu erfüllen imstande sei. Simons erhob auch schwerwiegende Einwendungen gegen die Haltung der Entente in der schlesischen Frage. — Darauf erklärte Der Vorlegende De la Croir, das er infolge dieser Stellungnahme der Deutschen nicht sagen könne, wann die Konferenz wieder zu einer Beratung zusammentreten werde und schlef die Sagung, die wahrscheinlich die Tette der Spaner Konferenz war. Die Minister der Entente baten die Marshälle Fo und Wilson, sofort nach Span zu kommen, was eine deutliche Drohung gegen Deutschland ist, da Dies nur eine Bewegung Ddeutscher Gebiete bedeuten kann. — | | | früher als jedes andere Blatt und befaßt sich außerdem ohne Küdsicht auf Parteiinteressen nu mit den Interessen der Bevölkerung Deutschweltungarn z, i volkommen unabhängig von jedermann und unter sämtlichen Tageszeitungen das beste und beliebtere Organ! Geschäftsstele : Grabenrunde 72 Verwaltung: Denkplak Nr. 56 Preis monatlich; 20 K mit freier Zustellung! | Ontenburger Sachrichten LIT Gin Flieger über der Stadt. Heute um 10 Uhr vormittags freiste ein Flugzeug in einer Höhe von rund 1400 Metern und warf einen länglichen Papierstreifen aus. Schneeberger jun., der wie viele andere Die Bewegungen des Flugzeuges, und zwar von der Schlachtbrüde aus beobachtete, sah den Papierstreifen unweit von seinem Beobachtungsorte niederfallen. Er beeilte ih, ihn aufzulesen und fand an dem Streifen einen Brief angeheftet, welcher an den Kian der Raaberbahn adressiert war. Yudh war am Umschlag dem Ueberbringer 20 " Ueberbringerprämie "zugesichert. Der Finder, welcher auf diesen Betrag nit ansteht, überbrachte den Brief gratis und erfuhr dafür seinen Inhalt, wonach der Pilot Neogradow, ein Verwandter des AWdressaten, diesem die Mitteilung macht,dak er heute früh in Steinamanger zu seinem ersten Weberlandflug aufgestiegen sei und bei dieser Gelegenheit Dedenburg überflog und die Dedenburger grüßen Todesfälle.Der hier orts allgemein bekannte und hochgeschätzte Advoksats Dr. Adalbert Szigethy starb nach langem Leiden im Alter von 78 Jahren. Die irdische Hülle Des Verblichenen wurde am 13. d.M. im hiesigen evangelischen Friedhöfe zur ewigen Ruhe geseßt. — Heute erlag Helene Hotwagner im jugendlichen Alter von 15 Jahren einem jüdischen Leiden. — Heute früh starb im Elisabethspital der 63 jährige Sylvester Hamar, leitenden Direktor 0. Nachdruf verboten „Bergib!“ Originalroman von HS. Emrichs-Mahler. 21. Fortlegung. „Dafür kann sie doch nichts, Traute. Auf mich macht sie Durchaus nit den Eindruck einer Kofette.“ „Du bist nur immer einige Wochen hier und kannst das nicht so beurteilen. tag nur Mama, Je it au empört über ihre Kofetterien. Mama jagt ja auch, ein so armes Mädchen werde nur umschwärmt, wenn sie den Herren Avancen macht. Und diese Lori rafettiert ja unglaublich.“ Lena zuckte die Achselin »Das tun schließlich alle jungen Damen.Durcheinst ja schrecklich erschaft zu sein auf die arme Lori. Hat sie dir mal einen Verehrer abspenstig gemacht?“ Traute wurde dunkelrot und Lena ahnte, daß sie ins Schwarze getroffen habe. So war es auch. Traute hatte si starf für Heinz Ronneburg interessiert. Er war ein Kamerad ihres Bruders Leo, mit dem er oft nach Lanfwit kam. Auch in Hohenstein verkehrte er viel. Obgleich Ronneburg Durchaus seine Partie war, wie Tyraute sie ich wünschte, hatte es sie doc gelüftet, ihn an ihren Triumphwagen zu Manöver nicht einging, war sie bei dem Spiel selbst wärmer geworden, als es sonst in ihrer fairen Natur lag. Außerdem war sie maßlos eitel und wollte überall die Elite sein. Daß ihr in diesem Falle Lori vorgezogen wurde, erfüllte sie mit Haß gegen dieselbe. Gerade Ronneburgs Aufmerksamkeiten neidete sie Lori, und sie redete sich ein, diese Habe sich mit KRofetterien sein Interesse erobert. Was sie sie ohne weiters gestattete, verurteilte sie bei anderen sehr hart. Nun war sie wütend, daß Lena sie durcschaut hatte. Sie machte ein sehr hochmütiges Gesicht. „Du wirt doch nicht im Ernst denken, daß ich mit einer Lori Crbad Konfurriere?“ sagte sie verächtlich. Lena spielte mit ihrer Stidjhere. „Hint du scheinst dir im Vergleich zu ihr sehr erhaben vorzukommen.“ „Aber, Lena, soll ich mich vielleicht mit ihr auf eine Stufe stellen? Sie ist Doch weiter nichts als die Tochter einer Haushälterin! Sie ist in Hohenstein das Gnadenbrot!“ Lena sah die Schwester vorwurfsvoll an. „Du Fannst furchtbar erbarmungslos sein, Traute.“ „Ach, ich ärgere mich, weil alle Welt von Dieter Lori shmwärmt. Mir tt sie Tejfeln. Und weil er auf ihre fofetten unsympathisch, und du famst mir wohl nachfühlen, daß ich nicht mit ihr unter einem Dache leben möchte.“ fielen. Ia, wenn sie Herrin von Hohenstein würde, dann war Lori von ihr abhängig dann konnte sie die Verhakte demütigen. In ihren Augen flimmerte es grausam. Die Schwestern schwiegen. Jede hing ihren eigenen Gedanken nach. Lena dachte Darüber nach, wie sehr stets im Laufe der Jahre dem Baterhause entfremdet, wenigstens der Mutter und der Schwerter. Mit Leo und dem Vater fand sie jet eigentlich auf vertrauterem Fuße als früher. Als sie noch unter dem Einfluß der Mutter lebte, da waren auch in ihrer Seele alle wärmeren Regungen verfümmert geiwesen — so verfümmert, Daß sie selbst von dem Vorhandensein derselben kaum eine Ahnung gehabt. Das erstemal Hatte sie gespürt, Daß ein warmes Gefühl in ihr lebte, als Hans-Georg „Mein Gott “ Hohensteim ist geräumig genug, Daß du ihr aus dem Wege gehen kannst. Außerdem muß es dir doch ein Hochgefühl sein, wenn du als Herrin in ein Haus einziehst, in dem deine Feindin das Gnadenbrot ist.“ . Mieder lag ein feiner Spott in Lenas Worten, Den Traute jedoch entweder nicht bemerkte oder ignorierte. Jedenfalls ahnte Lena nicht, Daß ihre lekten Morte wie ein Bliß in Trautes Seele Hohenstein sie im Buchengrund gesüht hatte. Aber das war nur wie ein flüchtiger Sonnenstrahl in ihrer Seele gefallen. Dann kam die wirkliche Liebe — die zu ihrem Gatten. An seinem Herzen, in seinen Armen hatten alle Quellen ihres Lebens zum Lichte gedrängt. Unter seinem Einfluß war nach und nach alles von ihr abgefallen, was eine engherzige, streng äußerliche Erziehung aufgebaut hatte. Lena hatte, wie Les, das weiche Herz des Vaters; als sie erst aus dem Bannkreis der faiten, trengen Mutteraugen waren, hatten sie beide dieses warme Herz entdeckt und waren nun nicht mehr in die leere, faire Form au preisen. ' Lena hatte oft versucht, auf Traute einzuwirten, sie glaubte, Daß auch Diele nur gezwungen in der gefühlsarmen Atmosphäre verharrte. Aber sie mußte einsehen, Daß Traute die eante Tochter ihrer Mutter war und sich in dem fairen Element heimlsch fühlte. Lena wäre nur so oft besuchsweise nach Lantwiß gekommen, wenn sie es nicht dem Vater zuliebe getan hätte, der iihtlich auflebte, wenn sie mit ihren Rindern kam. Und dann war au) der Aufenthalt in der reinen Luft ihren Rindern zuträglich. Sie konnten si in dem großen Park und auf den Wieser ausrollen, wie es ihnen in Berlin uit moglich war. (Fortlegung folgt.)