Tagblatt, 1923. Oktober (Jahrgang 1, nr. 223-248)
1923-10-02 / nr. 223
Seite 2. Dienstag Dieser Verhandlungen hat es ferner all aus dem Grunde bedurft, dab wir auf handelspolitischem Gebiet endlich zu Verträgen mit unseren Nachbarn gelangen. Unsere wirtschaftliche Konsalidierung hängt nämlich nir allein von der Auslandsanleihe und von der Sanierung unserer Finanzlage, sondern auch davon ab, daß Ungarn auch auf handelspolitischem Gebiet in normale Verhältnisse zu seinen Nachbarn und all jenen Staaten gelange, mit denen sein kommerzieller Kontakt vom wirtschaftlichen Gerichtspunst aus unabweislich notwendig ist. Das Verhandlungsmaterial der zweiten Gruppe war die Anleiheangelegenheit. Wie bekannt, war diese Angelegenheit nicht vom Fled gekommen, weil der Beibluk der Reparationskommission die Möglichkeit offen ließ, daß ein Teil der aufzunehmenden Anleihe zu Reparationszahlungen verwendet werde, undo weil die Kommisation die Mermittlung der Anleiheangelegenheit durch den Dölferbund nicht genehmigte, obzWwer letteres nach Auffassung des englischen und amerikanischen Geldmarktes als Bedingung der Flüssiggmachung der Anleihe sehen wag. Das Ziel, das wir verfolgen, richtet sich also auf drei Bunfte. Wi mußten zuerst erreichen, daß die aufzunehmende Anleihe von den Reparationszahlungen befreit werde, zweitens, dah sie von Mölferbunde vermwirflicht werde, und drittens, daß die Hauptetappen der Verzwirflichung der Anleihe, beziehungsweise die Termine, innerhalb deren die einzelnen Schritte unternommen werden müssen, schon fett fixiert werden. Die zustande genommene Vereinbarung entspricht in allen drei Richtungen den Erwartungen. Die reine Entente iird nämlich noch in dieser Session dem Wälserbundrat eine Unterbreitung machen, die beziedt, daß, sowie die Reparationsfommission ihre leere Entscheidung erbracht haben wird, die Mitglieder des Finanzkomitees zur Ausarbeitung des Anleiheplanes sofort nach Ungarn entsendet werden. Die Reparationskommission wird voraussichtlich in der ersten Hälfte des Monats Oktober einen entsprechenden Beschluß fassen, so daßs die Mitglieder des KRinanzkomitees des Nelferbundes wahrscheinlich Schon im Der zweiten Hälfte des Monats sollt oder in Budapest ihre Arbeit beginnen können. Er läßt sich mithin feststelen, daß es bezüglich der Einzelheiten wostgehender Beratungen bedarf, aber die Sache selbst sehe ich als gesichert an. genlond. Nationalrat. Der Postdienst im Burgenlande. — Die Angelegenheit der burgenländischen Sekretäre. — Verfassungsgefege über die Stellung des Burgenlandes. In der lechten Sikuna des Nationalrates hat Ufoter Ir Chärbauer an den Bundesminister für Handel und Gewerb, eine Anfrige bes treffend die unleidlichen Prostverhältnisse im Burgenlande gerichtet. In dieser wird Darauf hingewiesen, daß die Negieruung seinerzeit im Außergewöhnlichen Kabinettsrat auf Grund einer Rejolution des Abgeordneten Dr. Schaunbauer eine Verbesserung des Bostdienstes zusagte. Leider ist davon vorläufig nichts zu merken. Im Gegenteil! Der Zustellungsdienst it zum Beispiel beim Postamte in Strem erst in der letzen Zeit wieder eingeschränkt worden, obwohl der Sprengel dieses Postamtes viele Gemeinden umfaßt. In Riedlingasdart, einer Großgemeinde des Bezirkes Oberwart, ist die Dienstzeit mitwei Stunden festgefeßt worden. Die Großgemeinde Bunich im Bezirke Güffing hat bis heute überhaupt noch seinen Briefträger, obwohl sie bereits öfters um einen solchen anfachte. In Eberau sind eine Boftmeisterin und ein Briefträger stationiert, die Bafete müssen aber die Parteien von Deutsch-Shüten abholen. Solche Beispiele ließen fi aus allen Bezirken anführen, anzu Tagblatt Tschechiens Militärlasten. Wien, 1. Ort. Wie der Prager Korrespondent der „Stunde“ von hervorragend informierter Seite erfährt, hat Minister Dr. Benesh ein dringendes Telegramm mit dem Wunsche nach seiner baldigen Rückkehr von den Genfer Völkerbundberatungen erhalten. In Prag weht wieder Krisenluft und man bedarf der Flugen Geschmeidigkeit Dr. Benesh, um die erregter gewordenen Wogen zu glätten. Diesmal hat die Aufsteluung des Budgets tiefgreifende Meinungsgegensäße entfesfelt. Der Finanzminister Dr. Berta wehrt sich gegen die von all seinen Kollegen verlangten Mehrforderungen, für die in den Einnahmen seine Defung vorhanden ist. Er heirscht sogar von allen Nefforts wesentliche Abstride Namentlich das Mehrbegehren des Landesverteidigungsministers Udrzal, das sich auf 105 Millionen tichechische Kronen beläuft, bildet den Gegenstand lebhafter Diskussion. 63 gibt wohl seinen vernichtigen Menschen, der bei der gegenwärtigen poitischen Konstellation der Tthrchuitowarei das moralische Recht abstritte, eine entsprecende Armee zu unterhalten. Grntte Militärfritifer haben aber darauf verwiesen, daß die Rekrutierung des alten Desterreich in den gegenwärtigen tichechoslowakischen Ländern nur 75.000 Mann ergab, während das Heer jechr 150.000 Mann umfaßt. Die pazifistischen, aufbauenden Kräfte in der Tschechoslowakei wollen Sie unproduktiven Ausgaben tunlichst herablegen und dur ein Fluges System von Larantieverträgen Bajonette ersparen. E83 ist zum Beispiel bekannt, dasss Marjarys mit aller Energie gegen eine Militärkonvention mit Sranfreich aussprach. Es stand bezeichnend, daß Klofac, der die konstruktive Politis Benejik' unterstüft, gegenwärtig in der Schweiz weilt, um die Schweizer Miliz zu studieren. In der Tichehosloware stehen nunmehr die militärischen und pazifistischen Tendenzen einander gegenüber. Da je= Doch die Tscherhoslowa sei die militaristische Bürde zu starr begrüht und Hat ihre besten Köpfe dem Gedanken der Abrüstung näherrüden, darf als Charakteristikum der gegenwärtigen politischen Lage nit unterschägt werden. +0 2. Oktober 1922. Nr. 223. Aus diesem Grunde wurde die Arfrage gestellt:st der Bundesminister geneigt, sofort einzugreifen und zu herz anlassen, daß das Burgenland betreffend den Mostdienst nicht schlechter behandelt wird, wie die übrigen Bundesländer? va Ahgeordneter Dr. Schönbauer hat mweiters eine Anfrage eingebracht, in der angeführt wird, daß nach Lebernahme des Burgenlandes in die österreichische Verhaltung neben dem alten Kojaren eine bedeutende Anzahl Sekretäre angestellt wurde, die meist die Mittelschule absolviert hatten oder Offiziere des Ruhestandes waren. Die rechtliche Stellung dieser Beamten ist nan ganz merkwürdigerweise heute nach 115 Ichren wo immer nicht festgelegt. Sie haben fein Beamten defrei und beziehen sein Gehalt, s sondern nur Gehaltsvorschüffe. Diese Verhältnisse drängen auf eine rasche Lösung der Frage. Wenn die Regierung auf die Aufnahmssperre infolge des Ganzerungsprogramms Eins mweist, so ist dies nicht zutreffend. Denn hier handelt es sich um die Beneingliederung einer bestimmten Beammtenkates gorie in den Verwaltungsdienst. E 8 wird daher gefragt, gedenkt die Bundesregierung die rechtliche Stellung der burgenländischen Kreis und Gemeindesekretäre sofortbefriedigend zur regeln? * Eine amtliche Uebersicht über die Tätigkeit des aufgelösten Nationalrates seit seinem am 10. November 1920 erfolgten Zusammentritt betont, daß der Nationalrat umfangreiche Arbeiten auf allen Gebieten der Geietgebung erleistet hat. Unter anderem sind im Bereich des Verfassungsrechtes die Bundesverfassungsgesee über Die Stellung des Burgenlandes an selbständiges Bundeslandbmd über die einstweilige Landesordnung und Landtagswahlordnung, sowie die Durchführung der ersten Nationalratswahl im Burgenland hervorzuheben. Bei der rechten Landtagssikung wurde von der Landesregierung ein Gefeßentwurf betreffend die Gemeindeordnung für das Burgenland eingebracht. Zur Beratung dieses Gefegntwwurfes wurde der Rechtsausschur des Landtages für den 26. September nach Sauerbrunn einberufen. Der Gefäßentwurf wurde aber den Mitgliedern des Nehtzaus Schusses so verspätet übermittelt, da die meisten erst am Tage der Sigung die Vorlage erhielten. Abgeordneter Burgmann stellte darum den Antrag, den Gegenstand mit Rücksicht auf seine Wichtigkeit von der Tagesordnung abzulegen und die Beratung dem neuen Landtage vorzubehalten. Dieser Antrag werde mit Stimmenmehrheit angenommen, worauf die Sißung des Ausschusses vertagt wurde. Infolge dieser Vertagung des Rechtsausschusses entfällt auch voraussichtlich die Tagung des Landtages, die eigens zu dem Zivedfe vorgesehen war, umm die Gemeindeordnung zu beschließen. Da sonst seine Verhandlungsgegenstände vorliegen, ist sein Anlaß zur Einberufung des Landtages vorhanden. Keine Landtansfikung! Ein Spechtehel in der Ausshupffnung. Die Gemeindeordnung im neuen Randtag. Das Jngdrecht in Raisersteinbrunn. Wir berichteten hersits über die Anfrage der Abgeordneten des Nationalrates Sailer, Moraewig und Schön, die sich auf das Staatliche Nagtgebiet in Kaisersteinprudg— Bruch-Neudorf beziehen. Am folgenden Tage nach der letten Situng des Nationalrates, in der die Anfrage Gailers überreicht wurde, erschien eine amtliche Erklärung betreffs dieser Frage, die auch als Antwort zu betrachten , und die wir unseren Lesern in der Sonntagsnummer bereits mitteilten. Der Worteder überreichten Anfrage ist folgen: Der: „In der Presse wrrde fürzir mitgeteilt, daß für die Ausübung des Jagdrechtes auf dem staatlichen Besiß in Kaisersteinbruch im Burgenwald ein Angebot bis zu 60 Millionen Kronen vorlag, daß man sich aber noch imer nicht entschlossen habe, die Jagd zu verpachten. Es wurde daran die Vermutung geknüpft, daß die Bundesverwaltung deshalb auf die ökonomische Ausnüßung der Jagd in Kaisersteinbruch verzichte, weil einige höhere Offiziere auf ein billiges Jagdrecht nicht verzichten wollen. Wenn auch die vorliegenden Angebote nicht bis zum Betrage von 60 Millionen Kronen gingen, toäre doch die Ausschlagung eines Geschäftes nicht zu rechtfertigen, das den Bund mit unbeträchtliche Geldeinnahmen verschafft, deren er um so mehr bedarf, als er zur Erzielung weit kleinerer Sparmaßnahmen im S Hochschulbetrieb nit zurückscheut. Die Gefertigten richten daher an die Bundesregierung eine Anfrage: 1. SIE die Bundasregierung bereit, ehestens darüber Mitteilung zu machen, warum die Jagd in Saifersteinbruch im Burgenlande nicht verpachtet wird. 2. Sst die Bundesregierung bereit, darüber Mitteilung zu machen, die diese Jagd bisher ausgeübt wurde und welche Erträgnisse sie lieferte?“ +0 RhRE, +0 eo. Gnomtunitäten aus dem Burgenland. Oberwart gegen Weintafelo 1:1. Am 16. September fand zwischen dem Oberwarter und dem Binkefelder Sportverein ein Fußballwettspiel am Obermwarter Spielplaß statt, das mit 1:1 endete. Mord aus Rache. Adleman Series zu 12 Jahren verurteilt. Wir berichteten bereits über den Beginn der Verhandlung, welche Ende poriger Woche vor den Geschwornen des Landesgerichtes ZH in Wien stattfand und bei welcher sich der 22jährige Vesitzerssohn Koloman Herics aus Winterwart wegen des Verbrechens des Mordes zu verantworten hatte, da er den 21jährigen Eisenbahnarbeiter Andreas Ko8 zuerst schwer verlegte, den flüchtenden Schwerverletzen verfolge und ihm das Messer in Herz stieß. Die Verhandlung wurde am Mittwoch und Donnerstag fortgesegt. Zur Verantwortung gezogen, leugnete HE&rics anfangs in der Untersuchungshaft, den KRo3 geftohen zu haben. Später gab er an und sagte auch so vor den Geschwornen aus, daß er seinem Gegner nur einen Sti in das Hinterhaupt versett habe. Aus den Angaben von Tatzeugen ist jedoch zu bemeisen, daß Heriis schon vorher das offene Messer in der Tasche bereitgehalten und sich geäußert habe, das bekomme heute noch der Kos in den Leib. Die Zeugen haben auch gesehen, wie er den Kos das Meier in die Brust stieß. Die Geschmornen beantworteten die auf das Verbrechen des gemeinen Mordes lautende Hauptfrage mit 12 Stimmen „Ja“. Hiedurch entfiel die Beantwortung der Eventualfragen auf Todschlag, schwere Körperbeschädigung, sehrläsfige Tötung und Notwehrüberschreitung. Der Gerichtshof verurteilte sodann auf Grund dieses Verdiftes Kolamann Herics zu zwölf Stabhren schweren Keffern, verschärft durch einsame Absperrung in dunkler Zelle an jedem Jahrestage der Bluttat. Herics meldete gegen das Urteil Die Nichtigkeitsbeschtwerde an. Die Dienstbezüge der burgenländischen Beamten. Auf seinerzeit mitgeteilte Anfrage der Abgeordneten Dr.Straffner, Elejsin und Bauly im Nationalrate betreffend Die Dienstbezüge der burgenländischen Beamten antwortete der Finanzminister, daß Beamte, die in ihrem neuen Dienstort seine Wohnung erhalten, also ihre Familien nicht nachkommen lassen können, auf eine besondere Gebühr im Musmaße der Hälfte der jeweils geltenden Tiäten (Grundtagesgebühr, Ortszuschlag und Webernachtungsgebühr), jedoch höchstens auf drei Monate Anspruuch haben. Eine Fristerstrefung kann auf Ansuchen fallweise von drei zu Drei Monaten eintreten. Webersiedlung schulpflictiger Kinder. Während des Schuljahres dürfen Kinder, nach einer Verordnung der Landesregierung, nur bei Nebersiedlung der Eltern, solt aber nur auf Grund einer besonderen schulbehördlichen Bemwilligung in einen fremden Schulsprengel übersiedeln. Jede Webersiedlung eines Schulfindes it von der betreffenden Schulleitung dem zu= ständigen Bürgermeister, fowig, jener Schulleitung mitzuteilen, in deren Sprengel das Kind übersiedelt. Dieser Webersiedlungsmitteilung ist die rechte Schulnachricht, wenn notwendig, in Abschrift anzuschliegen. Außerverfehrjegung einiger Briefmarkenwerte. Amtlich wird verlautbart: Mit 1. Oktober werden folgende Briefmarfen der laufenden Ausgaben außer Verkehr gesegt: zu 20, 25, 30, 45, 50 (beide Arten, Buchdruck und Kupferdruc), 60, 75, 80, 120, 150, 160, 180 und 240 K, zu 100, 200 und 500 K mit dem Marienbilde „Kunst und Willenschaft” in Kupferdrud. Sie fanden in der Zeit vom 1. bis einschließlich 31. Oktober 1923 bei jedem Boftamte kostenlos gegen andere gültige Briefmarken vom gleichen Gesamtbetrage umgetauscht werden. Die auf amtlich ausgegebenen Wortkarten und Kartenbriefen als Ergänzung der Boftgebühr aufgeflebten Briefmarken dieser Art sind noch bis Ende Dezember 1923 im Proftverkehr als gültig zu behandeln. Freie Lehrerstellen. In der Mattersdorfer bierftassigen Staatsbürgerschule, deren Aufbau dem einer österreichischen Mittelschule entspricht, sind zwei Lehrerstellen frei. Eine für Deutsch und Französisch, eine für Naturwissenschaften und Mathematik. Gesuche sofort im Wege der Direktion an die Landesregierung. — In Ulbersdorf bei Güffing it an der röm.lath. Volfsschule die Kantorlehrerstelle zu beseßen. Gesuche sofort an das röm.=lath. Pfarramt in Güffing. — In Hornstein bei der röm.stath. Volfsschule ist eine Lehrerstelle frei. Unterrichtssprache froatisch und deutsch. Gesuche sofort an den Schulstuhl.