Oedenburger Zeitung, November 1933 (Jahrgang 66, nr. 249-272)
1933-11-03 / nr. 249
- IIlIIIIIIIIIIllIIlIIIlIIIIlllllllllsistllll Unabhängluuuoliultllez Tualllultilllnllkståullk Verwaltung:Oedenburg,Deåkplatz56,Anruf:19. AnzeigensunlebonnementSsUnnahme.Bezugspreis: xllonatlich2.80Pengö(sathustellunginSHau5). pJei > 3 Uhr (15 Uhr) zur Ausgabe. Schriftleitung: Oedenburg, Deäfplat 56, Anruf: 19. von Sonn: und Feiertagen 66. Sahrg. Folge 249. Steitag, 3. November 1933. Ginzelblatt: 12 Heller. Belangat mit Ausnahme täglich nachmittags Stantstommunismus in Amerita? Yus Waihingtom wird gemeldet: In hiefigen Finanzkreifen Hat ein Artikel des „‚MWirtichaitsiuchverjtändigen Perle“, eines der Ratgeber des Präfidenten Roojevelt, größtes Auffehen und Beitürzung hervorgerufen. In diefem Artifel wird angekündigt, dag Präfident Ronjevelt, jalls die gegenwärtigen Maknahmen zur MWiederaufrichtung der amerifaniichen MWirtihaft nicht die erhofften Ergebnille zeitigen jollten, eine Art Staatstommunismus einführen werde. Das Unternehmertum werde verjchwinden, und jedem amerifaniihen Bürger werde ein feites jährliches Einfommen von etwa 5000 Dollar fiher jein. In. beionnenen Kreijen glaubt man feineswegs an die Verwirklihung joldher Pläne und hält es auch für unwahrjeheinlich, daB Rräfivent Rowjevelt derartige Maknahmen beabjichtige. Nichtsdeitoniger hat der Artifel den augenblidlichen ' Zujtand der Unrube noch weiter verjtärft. private ı Hohe ölterreihiiche Auszeichnung für Kardinal Bacelli. Stadt des Vatifans 2 Nov. „Ollervatore Romano“ meldet, Daß der ölterreihiihe Gejandte beim Heiligen Stuhl Dr. Rudolfi| Kohlruk dem Kar: dinal-Staatsjefretär PBacelli das Diplom und die Infignien des großen golnenen Chrenzeihens am Bande, das ihm vom Bundespräfidenten Miklas verliehen wurde, perjönlich überreicht hat. %* die enaliich-amerifaniichen Wührungberhandlungen. London, 2 Nov. Der Gouverneur der Central Rejerve Bank von New-Norf tt, wie verlautet, an die Bank von Engfand mit der Bitte herangetreten, als in London zw fungieren. Aus den hier vorliegenden Meldungen geht deutlich hervor, Ddak die Vereinigten Staaten noch immer bemüht find, zw einer Einigung mit England in der Währungsfrage zu gelangen. ' der fozine Staat. Mir haben bereits berichtet, Da der aus dem Süden heimgefehrte Minijterpräfident vom Staatsjefretän Rornis mit einer Aniprahe begrüßt wurde, in’ der er u. a. behauptete, das Ideal des Minifterptäfidenten Gömbös jei nicht der bloße Madhtitaat, jondern der jozimale Stant. Gtaatsjefretär Kornis ijt ein Gelehrter von Ruf, Wenn er vom jozialen Staat jpricht, jo gebraucht er diejen Ausdrud nicht als bloges Schlagwort, um darunter nichts weiter zw verjtehen. Unter jozialem Staat fan er nur einen Staat veritehen, in welchem jeziale Gerechtigkeit bericht. Was ijt aber joziale Geredhtigkeit? Man jagt — au Kornis Hat fi jo ausgedrücft — die Interefien ver einzelnen gejellichaftlihen Klafjen müfjen in Einklang gebracht werden. Das darf aber nicht ja veritanden werden, dak die beitehenden Geellihajtstlaffen in ihrer gegenwärtigen politilchen und wörtihaftlihen Macht erhalten werden müflen. Dies würde dem Prinzip der fozialen Gererhtigfeit feineswegs entipre= hen. Eim und diejelbe gejellichaftliche Struftur fann nicht ewige Zeiten Hindurd ‚ aufrechterhalten bleiben. ‘Jede Zeit Hat ihre eigene gejelliihaitlihe Struktur. Ein: itens bat das feudale Mdelsiyitem wichtige itaatlihe und geiellihaftliche Funktionen erfüllt. - Sn jener Zeit, als der Model dieje ihm zugedachte Funktion auf wirkt fid. erfüfltte, Hat das MWdelsiyjitem dem Grundiat der Tjozialen Gerechtigkeit au entiprohen. In einer anderen Zeit hatte wieder der Kapitalismus wichtige Aufgaben zw erfüllen. Worin beiteht aber Heute das Wrinzip der fozialen Gerechtigfeit? Meder in der Borherrichaft des fjeudalen Großgrundbefites, noch in der Des Finanz und Induitriefapitalismus. &s ijt nicht nur unjere Meinung, londern die Meinung all jener, die das Vroblem kennen: dak das Ideal der jozialen Gerechtigteit unjerer Tage Darin beiteht, zahlreiche Heine und gejicherte Erijtenzen zu jchaffen. Aljfo weder wirt- Ihartlich-pofitiihe Worherrichaft des Großgrundbeiites, noch des Großfapitals. ALT gemeinverjtändlih ausgedrüdt heikt das jeviel: wer bei uns der jozialen Gerentigfeit zum Durchbruch verhelfen will, bat in eriter Linie die Intereffen der Heinen Leute zu fördern. Wenn allo das, was Staatsjefretär Kornis vom Minilterpräfidenten behiauptet hat, jtihhältig it, jo müffen wir annehmen, dok es in der Linie der Gümbös-Rolitif liegt, die einen Leute zu ‚unterjtügen. Tatjächlich Haben wir au wiederholt aus jeinem Munde vernommen, daß er der Minifterpräfident der fleinen Leute jein wolle. Nun fann es nieht genügen, für ein beitimmtes Ideal bio zu Ihwärmen. Die Aufgabe eines Staatsmiannes liegt in der PVerwirflihung jeines Jdeals. Und da drängt fich einem unwillfürlih die Frage auf: mit welchem Mittel, mit weldhen Machtfaktoren will Gömbös jein Ideal verwirklichen. Ohne im philojophiiche Tiefen Herabiteigen su müfjen, wird Man die Feititellung mahen fünnen, dag man die Intereffen der fleinen Leute fördern fann. wenn man ich bei diefer Politif allem der Gro- Ben und Mächtigen bedient, Wenn es unter ihnen aud) eingelme geben wird, die zur Unterjtügung einer folhen Politik, jo find die Großen und, su haben find, gewillt jein, ihren las, ihre wirticdait| gewählt, jo wollen wir Hoffen, daß er lid, lichen und politifchen Vorteile den fleinen Leuten abzutreten. Will aljo der Miniiterpräfident mit jeinem politischen Ideal ernjt machen, jo fann er fi dem eijernen Zwang nicht entziehen, jeine Rolitif nicht nur für die Fleinen Leute, jondern auch mit den Fleinem Leuten zw machen. Auf Mächtigen naturgemäß doch daran interef| einem anderen Wege ift diejes Ziel eintah ftert, daß fie auch weiterhin groß und richt zu erreichen. Hat ich der’ Miniftermädtig bleiben. Sie werden keineswegs präfident den jozialen Staat als Ideal in logiiher Verfolgung diejes Gedanfenganges, auch jener Mittel bedienen wird, die allein zum Ziele führen. Da dies bisher in nur jehr ungureichendem Make geihehen it, wollen wir damit erflären, da wir noch immer tief im bloken Machtitmat jteden und es jelbit dem jo mächtigen Minijterpräfidenten nicht jo Teicht it, fich der Hemmungen, die im Machtitmat Tiegen, a % die Dentiche Wirtichaitsbolitif, Yus Berlin wird gemeldet: In der Cröffnungsiigung des Merberates der deuthen MWirtichaft hielt Reihswirtihaftsminilter Dr. Shmitt eine Rede, worin er w. a, erklärte, daß Deutichland gezwungen jei, in erjter Linie feine eigene nationale Wirtihaft zu pflegen, fünne nicht heiken, dah es fih in dem Make von der Melt abichliepo wie andere Staaten, die über eine ausgedehntere Rohjtoffbafis und den notwendigen Lebenstaum verfügen. Deutijhlands Wirtihaft Tönne auf die Pflege des Erpottes nicht verzichten. — Deutichlands nationale und wittihaitspolitifche Ziele jeien nicht gegen das Musland gerichtet; fie dienten der Wiederhertellung Der erforderlihen natioralwirtihaftlihen Wustaufchbeziehungen zum Ausland. E -.J.s-:»-EOMfoM««-·-—"««"-:-t:s-« I LE 9 — Pr Eine patriotiiche demonitration oenenüber dem Ausland in Paris. Paris, 2. Nov. In der Situng der franzöfiihen Rammer am Freitag wird zunädit die Trauerfeier für den verjtorbenen ehemaligen Minijterpräfidenten PBainleve _ftattfinden. - Nah: einer furzen Unterbredhung . der Sigung wird ih dann die Regierung Sarraut mit ihrer Programmerflärung der Kammer eorjtellen. Die große außenpolitiiche Interpelfationsdebatte, die eigentlih am Freitag Hätte beginnen follen, ift um adt Tage vertagt worden. Die verjchiedenen Niittel- und NRechtsgruppen der Kammer unter Führung von Tardieu und Marin Iheinen die Abficht zu haben, dem. KRabinett Sarraut eine längere Bewährungsfrijt zu bewilligen. Gelbit der Abgeordnete Marin hat gejtern erffärt, da er und jeine Freunde nur im äußerjten Notfall gegen die Regierung jtimmen würden. Den nationalen Parteien fommt es nämlich darauf an, eine patriotifche Demonjtration gegenüber dem Ausland zu veranitalten. Gegenüber Deutichland, das jeßt für Hitler "die große Volksabitimmung vorbereitet, und gegenüber Ametifa, das mit jeiner Finanzpolitit neue Unruhe in der Welt jtiftet, muß die motaliiche und materielle Stellung der franzöfiihen Regierung möglihit geitärft werden. %* Re er ED RENTE VEREINTEN NEL ER ER Sn % . . . -, öiei Grmordete in Schtweielfäure aufgelöft. tern Schmid zu je zehn Iahren Zuchthaus verurteilt. ‚ Chwurgeriht von Wirzen-Prowence zu entledigen. Arpad Töröf. Yus PBaris wird gemeldet: Das hat in dem Jenjationellen Mordprogeg gegen Carret das Urteil gefällt. Diejer Hatte befanntlich mehrere Perjonen nach Abihlug von Lebensverfiherungsverträgen ermordet und die Leichen von zwei der Getöteten in Chwefeljäure aufgelöft. Bei jeinen Untaten waren ihm die Schweitern Chmid behilflich gewejen. Sarret wurde zum Tode, die Schwe Slofien. Der jozjiale Staat. Der vom Gübden heimfehrende Miniiterpräfident wurde vom Staatsjefretär Rornis begrüßt. Rornis jagte zum Minifterpräfidenten u a. folgendes: „Du erblidit die zielbewußte ungariihe Zutunft nicht im bloßen Madt- Itaat, jondern in einem jozialen Staat, der die Intereflen aller gejellichaftlihen Schichten berüdjichtigt.“ Das find flare und deutliche Morte, die die Zuitimmung jedes gerechten Menichen finden müjjen. Sie find eine fnappe und willenichaftliche Faflung deiien, was die breiten Malen des Volkes Herbeilehnen. Auch wenn jie ih nicht jo eraft ausdrüden fünnen. — Allerdings jcheint es Doch notwendig, dieje frappe IThefe- ein wenig zu erläutern: Mir wünjcdhenm einen Staat, der nicht die Interejien jeder Gejellichaftsklajje glei jchüßt, jondern zuerjt jerrem Gejellichaftstflajlen zur politiihen Geltung verhilft, Die vom Standpunft der nationalen Gemeinjchaft die wichtigjten und wertvolliten find. Dazu ijt aber notwendig, vorderhand die Intereiien gemilier Gefellihaitsklaffen auf ein bejiheideneres Maß hberabzjujegen, als wie fie gegenwärtig zur Geltung gelangen. Wlio- nicht die beitehende foziale Struftur im Gleichgewicht erhalten, Ton: dern ein neues geredhteres Gleichgewicht Ihaffen. Der Sinn des „jozgialen“ iit niht anders zu verftehen. Wir haben feinen Grund, daran zu zweifeln, da er jowohl von Kornis, wie auch von Gömbös Fo verjtanden wird. at, Der Falhismus für die Wirtihaft, Anläplid des elften Iahrestages der fa- Ihiltiihen Revolution erklärte Mufiolini, der Yalıhismus wird neue Snititutionen Ihafien, um die Kraft des Wirtichaftslebens zu zügeln und den nationalen Notwendigfeiten anzupajien. Bei uns, wo man jo jehr für den Yalchismus ihwärmt, fönnte man auch dieje Worte Mufiolinis beberzigen. "Wenn bei uns gewilje Mirt- Ihaftsfräfte zu zügeln find, jo find es weder die Landwirtihait nah das Kleingewerbe. Hier gibt es faum noch Kräfte und was an Kräften noch vorhanden it, it Ihonungsbedürftig: zum zügeln ijt da faum noch etwas übrig geblieben. Dafür gibt es umjo mehr auf der Gegenfeite zw zügeln, bei der Sndujtrie, die einen Hodichuß genießt, bei den Kartellen, für die das Wirtjchaftsleben fait freie Beute ijt. Hier find nicht nur eigene Kräfte vorhanden, die man gügeln fann, aber das, was die Bandiwirt- Ihaft und das Kleingewerbe an eigenen Kräften eingebüßt Hat, ift zum Teil ebenfalls hieher gewandert. Die jtarfe FHauft der Regierung, deren Vorbild der. Salhismus ift, joll nun zeigen, da fie nicht nur auf politifhe Gegner nie derjaufen kann, jondern daß ihre Kraft auch ausreicht, um die wirtichaftlichen Gegner des ganzen Landes nit nv zu zügeln, jondern — joweit fie eben Ihädlich find — zu vernidten at, Rataftrophale Heberichtwen: mung in Albanien. Tirana, 2.Nov. Durd die heftigen Regengüjfe der legten Tage find in Südalbanien große Weberjchwemmungen ver: vrjacht worden. In der Ortjchaft Permeti jtürzten 22 Häujer ein, 26 Perjonen wurden getötet und vier verleft. Der Schaden beträgt über 100.000 Goldfrancs. Für die Bevölkerung find Hilfismaknahmen ergriffen worden.