Pannonia, 1896 (Jahrgang 25, nr. 1-104)

1896-01-01 / nr. 1

CL) Seite ?, 1 | „Bannonia“ er "u­me 8; zeit schon überstanden und nun heißt es: Ostern! Fröhliche Offenbarung! Allerdings, ein wenig früh kommen sie. Der Frühling hat kaum no die Schwelle unserer Heimat überschritten und soll, erst wenige Tage alt, schon grüne­­ Ostern hervorzaubern. Das wird ihm schwer gelingen, um so schwerer, als für die Vorwoche, genauer für den 29. März, ein „fritischer Tag" allererster Ordnung angekün­­digt ist und beträchtliche meteorologische Verwirrung anzurichten droht, wenn er pünktlich und­­ über­­haupt erscheint. Jett aber geht's tiefer ins Jahr hinein und es ist einem, als ob man in einem Vergnügungs­­zuge­fäße und die bekannten, stets willkommenen Stationen ausrufen hörte, und als ob beim Klang dieser Namen all der Zauber wach würde, den Wälder und Berge, würzige Luft und heller Son­ nenschein auf den müden Städter ausüben. So jubelt auf der Kalender: Der erste Mai!” „Bfingsten !““ „Frohnleichnam !““ Und der Himmel wird so blau und die Luft so wohlig ; gepußte Menschen eilen durc­h die Straßen, Wagen an Wagen rollt dahin, in das Lachen und Kichern mengt sich der fromme Gesang geschmücter Kinder . Es duftet nach Heu und es klingt wie Musik. Die Welt wird schöner mit jedem Tag und mäctig zieht es die Menschen hinaus in die pran­­gende Natur; Bäder und Sommerfrischen füllen sich. Die Stadt wird allmählig leerer, immer tiefer senkt sich der Sommerschlaf herab, bis die ersten Blätter fallen, die ersten Nebel ihre Schleier zie­­hen, bis . . . doch, was ist das? Eintönig klatscht der Regen an die Scheiben, trübgrüne Wolken flüchten vor dem Winde, ein kühler Schauer weht vom Fenster her — es ist Herbst, melancholischer Spätherbst, und wir sind schließlich in dem Buche vor uns just dort angelangt, wo wir heute Wahrheit halten. Brrrr ! Da ist's doch angenehm, in kommendem Glüh vorahnend zu waschen, künftige Freuden zu träumen und in einer Viertelstunde alle Genüsse eines ganzen Jahres vorzuschauen und auszukosten — im neuen Kalender. Tagesneuigkeiten. — Hymen. Herr F­redrich Ehrmann, Mit. in der hiesigen Bau-Holzfirma Kraus und Ehr­­mann, hat sich mit Fräulein Antonie Spiegel hierselbst verlobt. — Verlobungen. Herr Arthux Kovacs aus Wien verlobte si mit Fräulein Celia Schwarz, der Tochter des hiesigen Möbelfabrikanten S. Schwarz jun. — Herr Andreas Nakuv­ányi, Kreism­otor und Matrikelführer in Sztara verlobte sich mit Fräu­­lein: Berta Csupak, Tochter des hiesigen Lehrers Josef Csnpak.­ = Dr. Rößler F. Der unerbittliche Tod hat einen unserer vorzüglichsten Männer, den gelehrten Professor der Kaschauer Rechtsakademie Dr. Stefan Rößler dahingerafft. Dr. Rößler litt an einer s<weren, langwierigen Krankheit und konnte trot der ärztlichen Wissenschaft und der aufopferndsten Pflege niit ges rettet werden. Die Nacht vom 29. auf den 30. De­­­­zember machte seinen schweren Leiden ein Ende und stürzte seine Familie in die tiefste, schmerzvollste Trauer. Dr. Stefan Rößler lbte 49 Jahre und war als Professor der Rechte an der Hermannstädter, Raaber und seit mehr als 20 Jahren an der Kaschauer Rechts­­akademie thätig, wo er durch ih­n tiefes, gründliches Wissen seine ausgebreiteten Kenntnisse, seine hohe Bil­­dung, Klarheit seinem liebenswürdigen Umgang und durch die seiner Beiträge sich die Achtung und Liebe seiner Collegen und seiner Hörer, sowie all seiner­­ Freunde und Bekannten im vollsten Maße erwarb. —­­ Und somit ist sein frühzeitiger Tod­ nicht nur ein un­­erreglicer Verlust für seine trostlose Familie, welche in ihm den zärtlichsten Gatten und Vater verloren­­ hat, sondern auch der Gelehrtenwelt und der Ges­­­­schaft, deren Zierde er war und zu deren Vervoll­­­­kommung und Bildung er in Wort und Serist das­­ Seinige mit der­ größten Gewissenhaftigkeit beige­­tragen hat. Sein Leichenbegängniß fand unter allgemeiner Trauer und der größten Theilnahme am 31. v. M. statt. — Der Kasc­hauer Arbeiterverein (A Kas- Sai­munkäsbetegsegelyzö­ egylet) wird zu Gunsten des eigenen Fondes am 1. Februar im Punksaale Shhalkbaz : seinen Ball abhalten, zu welchem Eintrittskarten per 1 Person 1 fl., Familienkarten für 4 Personen 3 fl.­­ gelöst werden können bei den Herren: Apotheker : Leopold Molnár, Maschinenniederlage des. Josef­­ Mayer und Vereinskassier Alex­ander Nagy (Werfers | Offizin). Ueberzahlungen werden dankend öffentlich ı quittiet, Caet: — Todesfälle. Frau Barbara Bellon geb. ist am 29. Dezember im Alter von 72 Jahren gestorben. — Am 30. De­zember verschied zu Budapest der hiesige Ingenieur Arpad Alib, der sich seit dem 20. desselben Monats aus Anlaß einer Gei­stesstörung in der Schwarzer'schen Heilanstalt zur Behandlung befand. Der sHnelle Tod verfgte wohl seine hochverehrte Familie in die tiefste Trauer, erlöste jedoch den, an einer unheilbaren Geisteskrankheit leidenden zärtlichen Gatten und Vater von einem trostlosen Dasein. — Der Gesangsverein „Kassai dalkör" veranstaltet am 5. Jäuner eine reichhaltige Lieder­tafel. & Vité, zu wilder Karten bei Adolf Maurer, Koczänyi zu haben sind. — Eröffnung der Kinderbewahranstalt. Die Kinderbewahrenstalt am Tavor an der alten Szepsi- Straße wird am 2. Februar feierlichst eröffnet. Die Einschreibungen beginnen am 15. Jänner. Bisher sind 80 schulpflichtige Kinder von 3—6 Jahre ermittelt worden. Die Gvoda­ dürfte demnach stark besucht wer­­den. Die Lokalitäten werden bereits geheizt, damit sie bis dahin vollkommen austrocknen. Offizial — Irsinnig geworden Artilerie-Rechnungs- Lilienberg, von dem es hieß, daß er einen Vergiftungsversuch macht, ist dieser Tage im Gare­nnfonsspital, wo er gepflegt wurde, irsinnig geworden. — Jebelstä­nde am Bahnhofe. Es muß als ein großer M:belstand bezeichnet werden, daß bei der Ankunft der Züge der Ausgang nur immer halb ge­­öffnet ist. Handgepäc­ks steigen eine Menge Reisende mit ihrem aus und alles ei­n, um je eher hinauszus kommen. Nachdem nun von den­­ Ausgangesthüren nur der eine Flügel geöffnet wird, entsteht daselbst ein­­ heilloses Gedränge, was für die Reisenden wahrlich höchst unangenehm ist.Daß die Verspätungen der Züge an der Tafel nicht verzeichnet werden, ist ebenfalls ein Uebelstand, da sich das Publikum nicht zu richten weiß und oft umsonst in der Kälte am Perron stehen muß. Um Abhilfe wird gebeten. Wippen. Einige n­iere Apergus von Stettenheim : Die Zeit flieht, weil sie sich fürchtet todtgeschlagen zu werden. — Es gibt Menschen, welche einem Andern Rosen auf die Wege streuen, damit er sich an den Dornen verlege. — Die schönen Züge einer Frau sind sehr oft Courierzüge zum Verderben. — Wie kann ein Mensch so grausam sein, si dur« Lange» weile tödten zu wollen? — Ein Sonntags­jäger, der Pech hat, findet nicht selten in dem Wildpretthändler einen Freund in der Noth. — Jedem paßt sein Ge­­wissen, wenn es auch viel zu weit ist. == Es gibt Kritiker, die in allen Sätteln ungerecht sind. — Der Vormund eines schönen Mädchens wird nie geküßt. — Der Storch sollte ich doH auch verpflichtet fühlen, mit manchem Kinde auch den Vater zu bringen. — Wenn die Spiritisten Geist hätten, brauchten sie keinen zu zith­en. — E38 ist anzunehmen, daß das lenkbare Luft­­schiff Weib. leichter erfunden werden wird, als das lenkbare — Bei der Kaschauer Handels- und Gewerbekammer liegen zur allgemeinen Einsicht verschiedene Lieferungs-Offerte vor.­­ Das Bleigießen. Das Bleigießen in der Sylvesternacht wird nun immer als ein Orakel verehrt und gepflegt und namentlich verliebte junge Leute halten große Stücke darauf, da sie es als eine Pro­­phezeiung der nächsten Zukunft betrachten.­­ Es geschah in einer hiesigen Familie in der Spiel­reiternacht des vorigen Jahres, = den Erfolg der jüngsten kann man ja noc nicht wissen — daß sich die Tochter des Hauses eine Gestalt goß, welche haarklein einem Offizier ähnlich sah, indem sie nämlich ein An=­hängs­l hatte, das wie ein Säbel aussah. — Das ist ja ein Offizier ! schrie jung und alt und die Elsa wird heuer noch ein Offizier heh­auchen! — Ja, was ist denn das ? rief die Mutter, hier liegt noch im Wasser extra ein Pagerl. Das sieht ja , aus, wie ein kleines Wicelkind ? — Nu, nu, brummte der Vater, vielleicht ist er ein Witwer, der schon ein Kind hat. — Oder, meinte die alte Tante, wird die H­<­­zeit sobald stattfinden, daß bis zur Jahresfrist auch ein kleines Baby zum Vorschein kommt. Elsa erreichhte und protestirte gewaltig gegen die legte Borausfegung, was bei den älteren Gliedern der Familie Und­ mit großem­ Gelächter aufgenommen wurde, die Zeit verstrich, der Offizier kam jedoch nicht, dafür kam aber das Baby. Man möge jedoch nichts Urbles denken. Die Tochter hatte damit nichts zu schaffen. Es war dies Sache der Mama, die um Weihnachten herum ihren geliebten Gatten mit einem gesunden Buben beschenkte. Man sagt nur, daß das schöne Fräulein über diesen unverhofften Zuwachs ihrer­­ Gesc­hwister sehr ungehalten gewesen sein sol. — Das Weihnachsfest in Hejeze. Dank­­ der Munificenz b:8 Kaschauer Bischof8, Dr. Sigmund Bubics haben die Kleinen der Hejezeer Kinder= bewahranstalt, welche ihr Bestehen der Freigebigkeit des edlen Kirchenfürsten zu danken hat, einen recht freudigen Weihnachtsabend gehabt. Die 54 Kinder der Bewahranstalt wurden nämlich mit Kleidungsstüden, Bruderwert und verschiedenen Spielereien reichlich beschenkt.­­ — Genfisch­te Brochüre. Im Verlage Pallas erschien unter dem (Elfenbeineiner Thurm) ein Roman, in welchem die Frauenehre eines bekannten lassen, ist eburnea“ Mitgliedes der kön. Oper angegriffen wird. Der Gerichtshof ordnete die Confis­­cirung des Buches im ganzen Lande an. Der Verfasser des Buches ist der Journalist Arpad Czigany (Zerda­­h­lyi) der Name der jugendlichen Opernsängerin Etelka Schiff verehelichte Józsa. — Der Winter hat lange auf sie warten aber doch zu Weihnachten eingetroffen, so daß wir weiße Weihnachten hatten und vielleicht sowarze Ostern erleben werden. Am 29. Dezember zeigte das Thermometer Früh 7 Uhr 10 Grad unter Null, Tags == Titel „Turris ber idon figen die beiden Aeli­sten, Knabe und Mädchen, dicht an mir geschmiegt, während das dreijährige Felix<en, als füg. Not.8 Engelein, sogleich an den Falten meines Kleides wie an einer Himmelsleiter emporklettert und sich auf meinem Schoße zusammen­­schmiegt wie ein Käßchen, das unbdllig das richtige warme Pläßchen gefunden hat Gibt's heute Abend Kastanien Mama ?“ Gret<en die Unterhaltung. Die Frage bezieht beginnt sich auf die eingebürgerte Sitte, den Silvesterabend am Fach­ Lientische mit Maroni zu feiern. Aber leider hatte ich den freundlichen G­­rauf heute vergessen und empfand etwas wie einen Nadelstich darum in meinem Gewisse jen. Daran war nur das Ballkleid schuld, dem ich den nöthigen Chic geben mußte. Die Maroni-Unter­­­lassungssünde erschien mir prögli­che ein Verbrechen zumal sie wie die meisten Unterlassungssünden, schwer, wenigstens nicht rechtzeitig gut zu machen war. „Die Kastanien habe ich leider vergessen !“ ent­­schuldigte ich mir, „wir wollen sie morgen nachholen. Heute­ gehe ich ohnehin mit Papa in Gesellschaft . . .* Schon wieder ?* fragte Gretchen aus dem Kin­­­derstühlchen weinerlich. "D es ist jen, ins Theater zu gehen und auf den Ball" erklärt die neunjährige Gertrud altklug. „Wirst Du auch eine Schi­ppe tragen, Mama ?" „Weshalb ?“ frage ich lächelnd. § „Rath' einmal, Mama! Wie kann man die Schleppe mit einem Blumennamen benennen 2“ TERN­ es „I? länger je lieber !* „Manchmal allerdings !" gebe ich lächelnd zu. Ich weiß auch ein N Räthsel, ein neues! Darf ich's jagen ?“ sagt mein Aeltester. „Freilich !* In welchem See schwimmen die Krebse roth ?“ läßt er sich wichtig und pfiffig vernehmen. Deine Ruß ist nicht zu beißen, und meine Zähne sind heute nicht scharf. Im rothen Meere !“ schi­ße ich gründlich vorbei. „Falsch! Im aufgest:ht. „Was ist aber Essen für ein Kasus ?* als neues Räthsel auf, Das möt' ich gern von Dir wissen. Nun ?" „Ein Kau­­kasus !" belehrt mich der hoffnungs­volle Familienstreber. „Wann essen wir wieder Braten und Pudding, Mama?" fragt eins der Kinder. . . Morgen Mittag gibt's Kalbsbrat­ n !" verkün­­dige ich als Neuigkeit. “ Zuweilen wird meine Ofenbank sogar zum Beichtstuhl. An den Vater, als die höchste, gleichsam schi&salsähnliche Autorität, wenden sich die Kinder in­­ allen wichtigsten Fällen. Unwillkürlich wird dazu ein gewisser Anlauf genommen, der Knabe sch­­eid durch ein ernsteres, strafferes Auftreten dazu in Positur, während das Töchter­en dabei gewöhnlich ganz instinte­tiv zum Schmeichelkäßchen wird.­­ Mit dem so wac­hen Mutterherz'n aber verfährt „man einfacher, müheloser. Man weiß ja längst, daß daselbst jede Saite wiederklingt ! Darum umfassen die Bitten und Anliegen an die Mutter die ganze kleine Welt der Kindesinteressen. Hier muß sie mit den Klei­­nen lachen, dort mit ihnen weinen, in diesem Augen­­blickk über die gesp machvollste Puppentoilette Auskunft geben und fünf Minuten später eine von dem neuns­­­jährigen wissensdurstigen Sohne angeregte weltgeschicht­­liche Frage nachdenken, z. B. warum die Römer in diesem oder jenem Kriege nicht gleichfalls gesiegt haben. In diesem Augenblick tritt das Mädchen ein, um die Lampe zu bringen, und sagt : „Der Herr Doktor ist soeben nach Hause gekom­­men. Er hat den Wagen um acht­er zum Wegfahren bestellt. Soll ich das Ballkleid ins Schlafzimmer wechs* men? Frau Doktorin werden wohl bald Toilette machen müssen ?' Das Wort trifft mich wie die Erwecung aus einem schönen Traume. Dazu muß ich an meinen abgespannten Gatten denken, für welchem die Ruhe nach anstrengendem Tagewerke so erwünscht wäre. Nur selten genießt er das Glüh eines ungestörten Abends inmitten der Seinen, oft ruft ihn die Praxis aus unserm Kreise hinweg. Dennon dürften wir ihm vielleicht heute Abend bei uns behalten, da er, der Gesellschaft wegen, seine ärztlichen Besuche bis zum Abend ausgedehnt hat. sein, wenn wir absagten. Er würde sicherlich zufrieden ? 4 Aber das reizende, selbst garnirte Kleid == ? Weg damit in den Schrank! „I< lasse den Herrn Doktor bitter, ins gamiliene zimmer zu kommen,“ gebe ich Bescheid. „Wir erwar­­tem ihn alle sehnsüchtig zum Maroni ihmaufe ! Das jubelnde Freudengeschrei meiner kleinen Trabanten­­schaar lohnt meinen Opfermuth, und mehr noch beglüht 'mich der freuvigrbantbare Kuß, mit dem mein Einziger "mich begrüßt. Die harmlos friedliche­ Dämmerflunke aber ward ein Wendepunkt in meinem bis dahin etwas 'vergnügungssüchtigen­ Leben, und von Stund an ge­hörte ich. für alle Z­it meiner trauten, glück ichen Händlichkeit'! . Fricassee !* wird mir ein Licht gibt er ; 7 2X

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