Pester Lloyd - Abendblatt, Januar 1855 (Jahrgang 2, nr. 1-27)

1855-01-15 / nr. 14

m Abendblatt des Peiter op. Montag, 15. Jänner. — No. 14. 2) . eft, 1855. * Met, 15. Jänner. Das Zwielicht schwindet, die Situation helft sich immer mehr auf; Europa darf nicht besorgt sein, daß ein fauler Srhere das Re­sultat des Dreimächtevertrages sein werde. Die halboffiziellen Enthüllungen des „Konstitutionnel“ über die Wiener Konferenzen , die vollkommen übereinstimmen­­den Angaben desselben Blattes, beg „Journal des Debats" und der „Ind­eßend. beige" über die Forderungen der drei Aliirten an Rußland, — sie genügten an und für sich schon, jenen Zweifel zu heben , doch bringt uns die heutige Post noch andere Belege dafür. So erzählt ein, von einer amtlichen Person ausgehendes Schreiben aus London, daß der englische Kriegsminister als bestimmt versicherte, er werde bei der am 23. Jänner Statt­findenden Eröffnung des Parlements verselben die Nachricht von der Erstürmung und Eroberung Sebastopols bringen ; der „Indep, belge" wird ge­schrieben, die gegenwärtigen Verhandlungen der breit allierten Mächte in Wien hatten rein militärische Anordnungen zum Gegenstande, wie sie der Dezembervertrag für den Fall festlegte, als ver Frieden mit dem Beginn des Jahres nicht eingetreten , — vom 14. b. angefangen, werde die „offensive" Bedeutung des Vertrages auch für Oesterreich zur Geltung kommen; das nun auch offiziell bestätigte V­orrüden der Rufen in die Dobrutscha kann wohl nur zur Beschleunigung Diesed Vorgehens dienen. An dem gegenüber dürfte dem Friedenathmenven Briefe des Czaren an den König von Belgien, den dieser sowohl der Königin von England als dem Kaiser der Franzosen mitgetheilt, kaum eine große Rolle zu fallen , ebenso wie die ameri­­kanische Vermittlung von der englischen Presse abgewiesen wird. Und Preußen! Freiherr von Manteuffel hat vorgestern Wien vers­taffen. Nachdem die diplomatischen Züge in London und Paris mitgläht , stellte, wie unser R-Korrespondent und heute aus Wien berichtet, Preußen­ ges­ciffe Bedingungen für seinen Eintritt in die Alb­anz, die aber nicht an­nehmbar befunden wurden. Wie der „Neuen Zeil" geschrieben wird, beharrt Oesterreich gleichwohl bei seiner Forderung betreffs der Mobilisirung und Auf­stellung der preußischen Heerestheile an der russischen Grenze. Hat wohl unter solchen Auspizien die Reise Useno­ms nach Paris noch irgend eine Bedeutung ? Der "Moniteur" vom 12. b. bringt folgende Mittheilung aus Braun­­schweig vom 6. Jänner : „Hannover und Braunschweig sind entschlossen, ver­­eint zu bleiben, und dem Gesehide Oesterreich8 in der orientalischen Stage bis ans Ende zu folgen. Die sekundären Staaten sprechen sich immer mehr in gleiche Sinne aus." ,­­Der fremdartige Artikel der»Times,«den n­ur unter London geben,dürfte kaum Anderes bezwecken,als eine Ehrenzeitung Lord Redeliffe’s,dessen Zirkular an die englischen Konsulen in Paris herbe Angriffe erfahren­,insofern es den Rechten der Pforte zu nahegetreten und ohne Beraihung m­it dem französischen Gesandten verfaßt wurde. Was fordern die Alliirten von Rußland Wir schicken dieser Zusammenstellung die Bemerkung voraus,daß ihnen ein Leitartikel de Sach’sinden«­Däbats«,ein Wiener Brief des»Konstitutio­n­­nes«und ein Pariser Korrespondent der»Independancebeige«zieGrundeIik um die sämmtlich—besonders aber die erste und dritte oft selbst in·den­ einzelnen Wendungen­ und Worten—­so Vollständig übereinstimmen,daß wir offizissicch Ursprung nicht dem leisesten Zweifel unterliegen kann. — Erstens:Beseitigung des russischensprotektorates über die Walachei,die Moldau und Serbien.Hier drückt sich schon das Augustprogramm so klar und bestim­mt aus,daß dass protokoll vom­ 28.Dezember nichts mehr hin­­zuzufügen hatte-dies Protektorat muß eben aufhören-das Kollek­tvprotek­orat an seine Stelle treten,un­d eine Diskussion ist nur zulässig ü­ber die Form,welche dem letzteren ertheilt werden soll. » Zweitens­ Befreiung der Donaumündungen zur Sicherung einer freien Schifffahrt aus diesem Flusse,wie sie den, in der Schlußarte des Wiener Kongresses festgestellten Prinzipien entspricht. Zu diesem Behufe soll ein aus Ber­vollmächtigten der Großmächte und der Pforte­n bestehendes Synodifat eingerichtet werden, dem es obliegen würde, die gegenwärtigen Zustände zu untersuchen, die Arbeiten in Anregung zu bringen, die an den Donaumündungen vorzunehmen wären, und die Ausführung und Unterhaltung der vorgeschlagenen Regulirungen zu kontrollren und zu überwachen. Normen, Bollmachten und Obliegenheiten dieses Syndikates würden auf dem Kongresse näher zu regeln sein.­­ Das ist die Minimalforderung in Betreff des zweiten Punktes­ nur giltig, wenn Rußland das Memorandum vom 28. Dezember so­fort acceptirt und selbst für vielen Sal wurde in der lebhaften Diskussion, welche der Verlesung des Protokolles folgte, die Möglichkeit und Auge gefaßt, daß die russische Position bei Samael sich als absolut unverträglich mit der freien Donaufaufffahrt erweise, wo jener Plaß geschleift und pur­ eine neutrale, von fünf Mächten gehörige und von einer Kollektivgarnison befegte Festung erregt werden müsse. Die Martimalforderung, welche in Kraft tritt, wenn die Evolution des Dezemberprotokolles durch Waffengewalt herbeigeführt werden muß, stellt dar­gegen, zur Sicherung der freien Donauschifffahrt, Rußland von Ber­uft der Do­­naumrandungen und selbst Beffarabiend in Augsicht. In legterer Beziehung it nämlich, zum dritten Punkte übergehend, zu bes­merken, daß man zwar gelegentlich­ desselben die Absicht, die Integrität beg­riffifchen Reiches anzugreifen in Abreve gestellt hat, aber nur mit dem ansprüchigen Vorbehalte, von allen Kriegsereignissen zu profitiren, die bis zur Unterzeichnung der Friedenspräliminarien und im Laufe der Verhandlungen nach möglicher­weise eintreten können. Drittens : Gänzliche Befeitigung des russischen Uebergewichtes im schwarzen Meere. Hier sagt das Protokoll, das europäische Gleichgewicht in diesen Gegenden sei keineswegs bloß durch den Vertrag von 1841, sondern no­ch dur) eine ganze Reihe früherer Traktate bedroht: sie sämmtlich müssen annullirt werden. Und damit tiefe Annäh­rung eine wirfsame sei, werden alle zukünfti­­gen Bestimmungen über den Pontus von dem Grundlage ausgehen, was die ver­­schiedenen Mächte hinfort daselbst absolut in gleicher Stärke vertreten sein müssen. Der R­evenskongreß wird die, für alle gleich große Zahl von Kriegsschiffen be­­stimmen, welche jede der fünf Mächte fortan höchstens im schmarnen Meere halten darf. Auch bei diesem Punkte wurde in der mündlichen Debatte über den Inhalt des Protokolles mit dürren Worten darauf verwiesen, daß der Kongreß von allen, ihm durch die bis dahin eingetretenen kriegerischen Ereignissen­­ gebotenen Borz­theilen Gebrauch machen werde, wenn es sich um eine definitive Füh­rung der militärischen und maritimen Etablissements handle, die Rußland überhaupt in Zukunft um den Gestaden des Scharzen Meeres gestattet werden durften. Im Laufe der Diskussion erhielt Dieter Pafjus eine solche Ausdehnung , das man wohl zu der Annahme gezwungen ist, die Verbündeten werden nicht nur auf der Zerstörung Sebastopols, der Schleifung feiner Forts und Abtragung feiner Arfes­tale bestehen und ihren Wiederaufbau für ewige Zeiten untersagen, son­dern auch­ die Einrichtung jeder neuen Kriegshafens, der seiner Lage nach gegen die Unab­­hängigkeit der Türkei gerichtet sein könnte, verbieten. Das sind die gemä­ßigteren Angaben über die Deutung des dritten Punktes, wie Die „Debats" und die „Ind. b." sie bringen. Der „Konstitutionnel“ erläutert ihn berber dahin, daß er „die Zerstörung der Marine-Etablissements Rußlande am schwarzen Meere, die Nebuzirung der russischen Seemacht in tiesen Gewässern, die beständige An­wesenheit eines­ Kollektivgeschwaters zur Leberwa­­gung der ruffiigen Projekte bezüglich der Levante" in sich begreife. Legteres sei bag P­rinzip, daß man bei der Regulirung unter allen Umständen festhhal­­ten werde, welche Ausdehnung demselben in der Anwendung zu geben sei, dod hänge von den Erfolgen ver englische französischen Expepition und von dem größeren oder geringeren Entgegenkommen Nuflanos bei dem Srievens Schluffe ab — denn die ersten beiden der drei genannten Dinge entschieden fich vor Sebas­­topol und gehörten vorläufig noch nicht vor das Forum der Diplomatie. Biertens: Abschaffung der speziell rufsischen Schulherrschaft über die der griechiischen Religion angehörenden Untertribanen des Sultans. Alle Verträge, auf welche Rußland viese Prätention gründet, müssen fafjtrt werden ; an die Stelle der ausschließlich rufsischen Protestion hat die ge­­meinsame Protestion der fünf Mächte zu treten; viele verpflichten sie bei Aus­­übung derselben die größten Nachsichten und die größte Delikatefse gegen die Pforte zu beobachten, um weder die Empfindlichkeit der leiteren zu reizen, noch ihre Un­­abhängigkeit anzutasten. Das Protokoll beruft sie hier auf die jüngsten, ver­gleichmäßigen Emanzipation aller christlichen Konfessio­nen geltenden Alte des Sultans, für deren loyale Ausführung und Aufrechts haltung die unterzeichnenden Mächte sich verbürgen. Um der Stage ihren reich größ-nationalen Charakter zu nehmen, thut das Protokoll hier Alles, die Reven­­ten des Czaren zu beruhigen, als" könne ein solches K­ollektivprotestorat die Selbstständigkeit der Türkei gefährden, oder eine folge Gleichstellung der chriflichen Konfessionen die Lage der orthodoxen Griechen vers­chlimmern. Der „Konstitutionnel“ sagt auch hier wieder am Betroffíten : „Alle cristlichen Konfessionen werden gleichgestellt ; aie Sonverprivilegien der griechis­­chen Kirche beseitigt ; alle, die Souverainetät bei Papischah beeinträchtigenden Zugeständnisse aufgehoben." Halboffizielle Enthüllungen des „Konstitutionnel“. Wir finden im Pariser „Konstitutionnel" folgenden, offenbar aus offizieller Duelle mitgetheilten Artikel über die gegenwärtigen, in Wien im Gang begriffe­­nen Unterhandlungen. Der Artikel lautet: Hat der Frieden Europa in dem Augenblicke überrascht, wo alles ankündigte, daß der Krieg sie verallgemeinern werde, oder hat der Telegraph abermals Die Gemüther mit täufgenden und ephemeren Ilusionen erfüll? In Frankreich und England sollte man leicht an den Frieden glauben, weil jeverman ihn wünscht. Die Westmächte küm­­pfen in der That für sein materielles Interesse, für keine Befriedigung ihrer Eitelkeit. Sie griffen zu den Waffen, um ihres Alliirten Rechte und das europäische Gleichgewicht zu vertheidigen. Ist dieser 3wed erreicht, so Haben sie es sich versagt, etwas für sich selbst zu verlangen. Underseits, fordert Alles Mißtrauen: die ungeheuren Rüstun­­gen des Czaren, die wiederholte Sprache seiner Gesandten und erst die neulichen Er­­öffnungen seines Repräsentanten in Wien. Ist es wahr, ist es möglich, daß Fürst Gort­­schakoff die Bedingungen ohne Reserve angenommen, welche er am 28. Dezember Abends für „unvernünftig“ erklärte ? Wir glauben daß die Dinge folgendermaßen stehen : Am 28. Dezember wurde die Auslegung der vier Punkte, so wie sie gegenwärtig von Frankreich, England und Oesterreich aufgefaßt worden, dem Fürsten Gorishaloff vom Grafen Buol offiziös und als Mittheilung vorgelesen. Fürst Gorishaloff machte weitläufige Noten über den Inhalt dieses ihm mitgetheilten und nicht überreichten Alten­­stüdes: er verlangte und erhielt 15 Tage Zeit, um seine Regierung davon zu benachbe­richtigen. Man verständigte sich natürlich genau, daß er am 14. Jänner mit Ja oder Nein zu Wissen machen solle, ob Naßland die 4 Punkte mit ihrer Auslegung an­ nehme oder nicht. Diese Auslegung sollte Oegensland seiner Diskussion sein, und im Falle einer negativen Antwort verwandelte sich die Allti­­rung der W­estmächte mit Oesterreich vom 14. Jänner an in einen Offensivbund. Für Gortschatoff theilte Diese Auslegung seiner Regierung mit, obgleich er sie, wie wir gesagt, "unvernünftig" nannte. Acht Tage später,, und ale die Hälfte des bewilligten Termins abgelaufen war, kündigte Hürst Gortschatoff dem Grafen Duol an, deg er zur Annahme der 4 Punkte ermächtigt sei, wenn man die Ausler­gung eines und vielleicht ziver derselben etwas modifiziren wollte. Er fügte hinzu, daß, wenn die Vertreter der verbündeten Mächte dafür hielten, auf diesen Grundlagen in Bezie­­hung treten zu künnen, er die nöthigen Bollmachten habe, um wirklige definitive Unter­handlungen zu beginnen. Mad­­hem, was am 28. Dezember abgemacht wurde, sonnten die wetlichen Gesandten dem Grafen Buol, ab­­er ihnen die Eröffnung des russischen Gesandten meldete, einfach mit einer Weigerung antworten. So hatten ein Recht, eine Annahme, welche nicht uneingeschränzt und ohne Vorbehalt war, als eine Weigerung Rußlands zu betrachten und zu behandeln. Wir glauben, daß Oesterreich sie ersuchte, nicht sofort von diesem Rechte Gebrauch zu machen. Einerseits hätte man geltend gemacht, daß die Auslegung der 4 Punkte von Seiten Rußlands sich wesentlic­h von der Auslegung der 3 Verbündeten nicht unter­­scheide, anderseits war die Rußland bewilligte Frist wo immer nicht abgelaufen, es hatte noch eine Woche Zeit, einen definitiven Ausspruch zu tun. Es fohlen also nicht unzuläßig zu sein, daß die Gesandten, anstatt mit einer unmittelbaren und unwider­­ruflichen Weigerung zu antworten, bei ihren Höfen bezüglich der Anerbietungen Rup- Lands anfragten. Dieses wurde beschlossen. Unsere Korrespondenzen melden uns, Daß -

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