Pester Lloyd - Abendblatt, März 1855 (Jahrgang 2, nr. 51-78)

1855-03-31 / nr. 78

on N­EST? So­ntEzeT.. SZÖNYV ÜDE Pest, 1855. Abendblatt des Samstag, 31. März, Niro. 78. elter Lloyp. Oien, 31. März. In Bezug auf die Feierlichkeiten bei Bestattung der Trau Erzherzogin Maria Dorothea ist no nichts Näheres bekannt, da dieselben erst Höchsten Orts in Wien bestimmt werden. Die Leiche der hohen Verblichenen wird in der Ef. Hofburg einige Tage in Parade ausgestellt bleiben, und dem Publikum der Zutritt freigestellt sein. * Met, 31. März Seit acht Tagen wird der dritte Garantiepunkt bes­tathen, und noch verlautet bis heute Nichts, das eine sichere Einsicht in die be­­treffenden Verhandlungen gestatten möchte. Die englische Post, die über die Konfe­­renzen­­ die verläßlichsten Berichte bringt, ist uns heute — zum dritten Male in dieser Woche — nebst der nordventschen und französischen nicht zugenommen ; wir müssen daher bis zum Abend zu warten, ob vielleicht Näheres in dieser Rich­­tung bereits bekannt geworden. Das „I. de Stanff." weist vor der Hand auf ven Linterfchten hin, der zwi­­schen dem 3. Punkt im Protofoll vom 8. August und der bezü­glichen Stelle in ver­legten Nesselrode’schen Zirkularnote besteht. Das Augustprotokoll bestimmt „die Revision des Vertrages vom Jahre 1841 In­nteresse des europäischen Gleichgewichts"; die Zirkularnote dagegen sagt, Rußland sei bemüht, „sich mit den Mächten über die Revision des Vertrages, in welchem sie das Prinzip der Schließung der Darv­anellen und des Bosporus anerkann­­ten, zu verständigen.‘ Wie es scheint, ist Rußland somit blos geneigt, bei der Revision des genannten Vertrages, die Eröffnung der Dardanellen und des Bos­­porus den Kriegerschiffen aller Nationen, unter gewissen Bedingungen, zu ge­statten , ist­ aber nicht gewillt, die eigene Flottenzahl zu vermindern. Was das andere, oft besprochene Zugeständung Nußlands betrifft, von West­­mächten die Anlegung eines Kriegshafens im Schwarzen Meere zu erlauben , so kommentirt er die "D. A. 3." vortrefflich in folgender Weise: „Würde Rußland sich Dazu verstehen , die sehr bedeutenden Kosten der Anlegung und Unterhaltung eines solchen Kriegshafens zu übernehmen ? Und wie bedeutend müßte die fortwährend dort flationirte Schiffemacht sein, um der ruffischen Flotte von Seba­­stopol , wenn diese in ihrer bisherigen Stärke unbeschränkt verbliebe , ein wirksames Ge­­gengewicht zu bieten! Endlich aber : wer sollte die Slottenstation unterhalten 2 wer sollte Eigenthümer des anzulegenden Hafens sein ? England ? oder Srankreich ? oder beide ge­meinschaftlich? In jedem Dieser beiden Tälle wäre der Keim zu einer Rivalität enthal­­ten , von der Rußland den Vortheil ziehen würde. Die Verbündeten müßten sehr kurtz fichtig sein, wenn sie dem gefürchteten Gegner von freien Stüden eine zu­günstige Ge­­legenheit , ihre dermalige Allianz in nicht ferner Zeit und ganz sicher zu trennen, an die Hand geben wollten." Kaiser Napoleon II. schreibt man dem „Fris. 3." aus Wien, wird jedenfall hieher reifen, und „unser Kaiser hat deshalb auch seinem Oberst> fämmereramte den Auftrag gegeben, die Appartements der ehemaligen Reichs­­kanzlei in ven geeigneten Stand zu fegen und auf das glänzendste herzurichten. Es sind dieselben Gemächer, welche in den legten Jahren ver Reihe nach Kaiser Nikolaus und ver König von Preußen alle Gäste des kaiserlichen Hofes bewohnt haben." Der Besuch des Kaisers ver Franzosen in Lonven sol, wie aus Paris ver­­lautet, durch einen Besuch der Königin Viktoria, anläßlich der Industrieausstel­­lung erwiedert werden. Kriegsschauplan. Schwarzes Meer. Nachrichten aus der Krimm vom 20. b. bezeichnen die Affaire vom 17. b­­ald eine forch­te Nesognoszirung , bei deren Ausführung man anfänglich seineswegs die Absicht hatte, in die Beteiligungen des Feindes vor­­zudringen, da die Vorbereitungen zu einem allgemeinen Angriff auf den Malasoff­­thurm und die ihn bedenden Werte ihrem Ende nahen. Die refognoszirenden Tranzofen nahmen die Herausforderung an, schlugen den Feind in die Flucht und drangen mit ihm in die Werke ein, konnten jedoch nur einen Theil der aufgeführten Kanonen vernageln, da das Feuer vom Malafoffthurme sie abermals mit beträcht­­lichem Berluste bedrohte. Auf beiden Seiten war die Einbuße ziemlich gleich ; man kämpfte mit größter Erbitterung. . Auch am andern Ende der Lager gab es vom 15.—20. wiederholte Borpo­­stengefechte, welche ziemlich blutig ausfielen. Ueberhaupt fottet das unbedeutendste Scharmügel unverhältnismäßig große Opfer, da die Stimmung in beiden Heeren eine im höchsten Grave gereizte ist. In den Häfen von K­amiesch und B­alaflava, so wie in dem von Eu­­­­patoria, herrscht fortwährend die große Regsamfeit und fast jener Tag sieht frische Truppen aus Frankreich­ und England die Küsten der Krimm betreten. Aus Konstantinopel schreibt man vor „Nr. 3.": Die Ankunft des Kaisers der Franzosen wird noch immer mit Bestimmtheit erwartet, da biß jegt seine Gegenbefehle eingetroffen sind. Außer dem Palaste von Beglerbeg wird auch­ das schöne Palais von Baltal­man, welches früher Reichiv Pascha gehörte und im vorigen Jahre vom Großherrn für seine Tochter, Reshivs Schwiegertochter, gekauft und eingerichtet wurde, zum Empfang des Kaiserpaares vorbereitet. In der Nähe, auf den Höhen hinter Baltaliman, wird ein Lager von 40.000 Mann Franzofen und Zürfen bezogen werden. Aus Anla­ger glücklichen Niedernunft Ihrer Majestät der Kaiserin Elisabeth wurde gestern um 10 Uhr Morgens ein feierliches Teveum von der F. Internunz tiatur veranstaltet, welchem die Vertreter der befreundeten Mächte, die Engländer und Franzosen in besonders reicher Anzahl beiwohnten. Wenn es aufgefallen ist, daß Preußen bei vieser Leterlichkeit nicht vertreten war, so glaube ich versichern zu können, daß der einzige Grund ver Abhaltung darin bestand , daß eine besondere kirchliche Seter in der preußischen Gesandtschaftskapelle Damit zusammentraf. Nach dem Tedenm empfing Baron Koller die Glühwünsche des Sultans und des diplo­­matischen Korps. Das bei Eupatoria vereinigte russische Korps des Generals Panjutin wurde in der legten Zeit wieder durch Zuzüge verstärkt, so daß es fest 50.000 Mann zählen dürfte. Da jedoch die Garnison von Eupatoria starr genug ist, um viele Truppenmassen in Schach zu halten, so meint das „I. b. E.", bag man dort ruhig schlafen Tann. An Bord des „Staat“ sind in Konstantinopel 41 Engländerinnen angekom­­men , welche sich in den dortigen Spitälern dem Krankendienste widmen wollen. Almälig hört man­ von der großen Ausdehnung, welche das Erdbeben am 28. 9. M. in der Türkei genommen hatte. In sehr vielen Ortschaften sind Häu­­ser zusammengestürzt,, und fast alle haben mehr oder weniger gelitten. Am meisten­ hat die Katastrophe jedoch Bruffa mitgenommen, von wo nachträglich folgende Einzelheiten berichtet werden. Die Zahl der Topten wird auf ungefähr 900 ange­­schlagen. Bon von Moscheen­ sind vier völlig zusammengefunden,, zwanzig andere sind derart beschädigt,, daß kaum an deren Ausbesserung gedacht werden kann. Bon 280 Minarets ist auch nicht eines stehen geblieben. Die meisten steinernen Khans bilden einen Steinhaufen, und diejenigen, welche nicht eingestürzt, sind doch nicht mehr bewohnbar. Fünfzig Häuser sind zerstört. Die Seidenfabrik des Hapscht Anas­­tasie hat unter ihren Trümmern 40 Personen , darunter 18 Arbeiterinnen, begra­­ben Die Mühlen des Kaufmanns Herrn Halphen, deren Bau mehr als 500.000 Piaster kostete , sind völlig vernichtet ; Die Zitadelle ist zur Hälfte eingeflürgt, mon bei auch viele Menschen das Leben verloren. Abends brach ein Feuer aus, welches sieben Häuser in Arche verwandelte. Die Brüden Set-Batschi und Irganiy-Keupru, welche die beiden durch ein Thal getrennten Theile Bruffas vereinigen, haben sehr gelitten und bewürfen wesentli­­cher Ausbesserungen. Im der Umgegend haben sich zwei bis drei Fuß tiefe Spal­­ten in die Erde gebildet. Am Fuße des Olymp ist ein kleiner Balkan entstanden, aus dem ein loser Rand­ steigt , welcher Abends einen röthlichen Schein annimmt. Die gesammte Besölkerung hat si auf die Felder und in die Gärten geflüchtet, wo sie unter Zelten und in hölzernen Baraten vorläufig Schuß fürchten. Am 12. März Abends wurden diese gebrechlichen Wohnungen von einem heftigen Sturm fortgerissen, und die armen Menschen mußten die Nacht im furchtbaríten Regen­­und Hagelwetter zubringen. Der Gesammtschaden wird, abgesehen von den Ge­schäftsstörungen und der dadurch entstandenen Erwerbölofig fert , auf 40 Millionen Piafter berechnet. Seit dem 28. Feber bis zum 14. März ist fast kein Tag ohne 6 bita­r Erpftöße vergangen, und nun kann sich mithin von der Angst , in der die Bevölkerung fortwährend schwebt , einen Begriff machen. Wir berührten gestern,, nach einem englischen Lagerberichte, die Unterrei­chung Sefer Paskas (Graf Koctelsfti) mit dem russischen Fürsten Rapdzimwill, zur Zeit da die Kunde vom Tore des Czaren nach Eupatoria kam. Das „I. de Eonft." theilt aus deren erstem Gespräche am 7. Folgendes mit : „Meine Herrn, ich muß Ihnen eine Trauernachricht verfangen. Der Kaiser ist todt." — „Welcher Kaiser “" — „Der Ihrige, der­ Kaiser Nikolaus." — ‚Bon wann datirt Ihre Nachricht “" — Bom 2. d. M. — „Es ist wahrscheinlich, aber nicht bestimmt. Vor einigen Tagen erfuhr ich freilich in­ Sebastopol, daß­ der Katz fer schwer erfranst." Hierauf fragte Sefer­ Pascha, mit wem er die Ehre habe zu sprechen. „Mit dem General Fürsten Radziwill” lautete die Antwort. Und auf­ eine gleiche Frage beg­leiteten nannte Sefer Pascha seinen Namen: „Mein Gott! Pascha, da sehen Sie die Wirrungen des Krieges. Wir bekämpfen uns heute und vor drei Jahren speisten wir mit­einander beim Grafen Branich in Paris. Wir sind ja Freunde." — ,Freunde? Entschuldigen Sie, General, wir waren dort nur­ aló Säfte." — „Du mein Gott, das bleibt sich gleich." · In demselben Augenblicke mischte sich ein hochgewachsener blonder junger Mann-dem Anscheine nach ein höherer Offizier,in die Unterhaltung.»Die Dich­­ter, die gewöhnlich alles übertreiben," sagte er, „haben uns die Schönheiten und Freuden in der Krimm besungen, während wir seit Monaten bis über die Ohren im Kothe stehen." „Stauben Sie in Eupatoria, daß wir uns in Wonne wiegen, wir leben einmal im Kriege. “ „A propos ," fiel Sefer Pascha ein, „wer hat den Säbelstreich auf Islenver Bee Kopf geführt? Ifender Bey behauptet, er müsse ein Evelmann gewesen sein.” „Wie?“ fragte Radziwil, Iskenver Bey ist nicht todt ." — Er wird es bald durch seine Wiedervergeltung beweisen. „So sagen Sie ihm, daß der Oberstlieutenant Winner ihn verwundet.“ — Unter solchen Gesprä­­chen, während welcher die türkischen Offiziere ihre Degen in der Scheive hielten, die rufsischen aber gezogen hatten, endete die Zusammenkunft, die noch an den folgenden Tagen viermal wiederholt wurde, und wobei es sich um die Auswechse­lung der Gefangenen handelte, nie aber noch nicht erfolgt ist. . Bon der Cider, 26. März, wird dem "Hamb. Eorr." geschrieben : „Es ist seiner Zeit in den öffentlichen Blättern viel die Rede von den Grausamfet­­ten gewesen, welche sich russische Soldaten in der Schlacht bei Interman gegen verwundete Feinde gegen den K­riegsgebrauch erlaubt haben sollen. Es haben amtliche Zeugenvernehmungen stattgefunden , um dies zu konsta­­tiren und die englische Regierung nahm darauf Veranlassung, unter Mittheilung der vor Sebastopol aufgenommenen Verhandlungen durch Vermittlung des irani­schen Gesandten bei dem russischen Gouvernement V­orstellungen machen zu lassen. Es wird nicht uninteressant sein, die Antwort auf diese Aufragen kennen zu lernen, weil sie nicht allein zeugt, daß die Schule nicht auf einer Seite ist, sondern daß Rusland auch diese Gelegenheit nicht unbenugt gelassen hat, um seinem Wunsch, dem Kriege ein Ende gefegt zu sehen, einen Anspruch zu geben.“ « Diese Depesche an den dänischen Gesandten in St.Petersburg,eine der letzten aus der Regierungszeit des verstorbenen«Kaisers,lautet also: ’ St.Petersburg,9.(21.)Feber. Herr Baron ! Vor dem Empfange des Briefes,mit dessen Zafendung am 4.Jänner Sie mich beehrten, hatte der Fürst Menzikoff schon den von Lord Raglan und General Canrobert nach der Schlacht vonnkerman gemeinsam gethanen Schritt zur Kenntniß des kaiserlichen Kabinets gebracht. Als Antwort auf diese Mittheilung hatte der General en Chef, Fürst Menzikoff, die Erklärung gegeben, daß ein wehrloser Feind unter dem Schuge der russischen Fahne geschüßt sei und immer sein werde. Dieses Prinzip bedarf weder eines Kommentars, noch einer Bestätigung. Indem ich, mich darauf berufe , Herr Baron, glaube ich jedoch bemerken zu müssen, daß, wenn unglücklicher Weise feindliche Soldaten auf dem Schlachtfelde das Opfer einiger alleinstehenden Gewaltthätigkeiten werden konnten, uns seitdem zugenommene Nachrichten einen ernsten Umstand enthüllt haben, den zu beurfunden von Berentung ist. Wir haben in der That erfahren, daß am Tage von Suferman englische Soldaten, welche man verwundet und kampfunfähig­ glaubte, sich erhoben haben , um Leuer auf unsere Truppen zu geben, als­­ diese innen während des Angriffs zur Verfolgung des Feindes vorübergegangen waren. Unsere Soldaten, getroffen von den Kugeln, welche von einer Hand, die man entwaffnet glaubte, kamen, konnten si daher im der Hie des Kampfes zu einer blutigen Vergeltung hinreißen lassen. Die Humanität tavelt sie laut, aber sind sie nit gewissesmappen von einem Beinde gereist, den man fies nicht als uwehrlos :

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