Pester Lloyd - Abendblatt, März 1861 (Jahrgang 8, nr. 50-71)

1861-03-01 / nr. 50

Der zweite Artikel schließt mit folgenden Worten: Glücklicherweise werden die Mitglieder des Reichsrathes gewählt,zu einer Wahl kann aber­ Niemand gezwungen werden,folglich auch der ungarische Landtag nicht,wenn die Majorität desselben mit der Institution des Reichsrathes nicht übereinstimmt.Dies würde dann eine ganz einfache Folge ha­­ben,nachdem bei uns die Bewilligung von Steuern und­ Rekruten vom Votum der Nationalvertretung abhängig ge­­­macht wird,und ein solches Votum,wenn Ungarn auf dem Reichsrath nicht vertreten­ wäre,nicht zu Stande kommen könnte-so bliebe kaum eine andere Wahl,als die erwähnten Rechte dem ungarischen Landtage zu übertragen,Rechte,welche er Jahrhunderte hindurch besaß und—nach einer kurzen Un­­terbrechung—mit Gottes Hilfe auch fernere Jahrhunderte hindurch besetzen wird. Aus Wien vom 28.Feber wird uns geschrieben: Der­ bisherige ständige Reichsrath wird seine Funktionen,dem Vernehmen nach,mit dem morgigen Tage einstellen. Ueber die Zusammenlegung des Staatsrathes veilautet nur soviel, Daß von den derzeitigen Reichsräthen nur drei in den Staatsrath eintreten solen.. — Am Mitwoch Abends, nachdem ein großer Theil der arbeitenden Benöffe­­rung bereits zur Ruhe gegangen war, füührzte der Gemeinde­­diener in der Borstadt Sprephstadt in die Häuser der selbst ganz abgelegenen Gafsen, um die Silumination über Anordnung des Gemeindevorstehers offiziell anzusügen. Es wäre endlich allerhöchste Zeit, solchen Bevormundungen des Publikums und illegalen Einflußnahmen auf die öffentliche Meinung, abgesehen von dem Parteistandpunkte ein Ende zu machen. Wohin derlei unberufener Eifer führt, hat sich aber auch­ gestern gezeigt ; denn nicht nur einzelne Läufer, ja ganze Straßen und halbe Vorstädte, ein großer Theil der Inneren Stadt sind unbeleuchtet geblieben. Politische Rundschau, 1. März. Cialdin i­st am 26. Leber in Messina eingetroffen. In M­­e­az­pel forderte der Prinz-Statthalter den Kardinal auf, seinen Beitritt zur legitimen Regierung Viktor Ema­­nuels zu erklären; im Tale der Verweigerung werde ihn die Ausübung seines nicht legalen Berufes untersagt. Die gestrige „Perseveranza” berichtet: Das­ Kriegsmi­­nisterium habe unterm 15. Leber erklärt, daß jene welche zu den bourbons- fremden Soldaten, den Truppen gehören oder den päpstlichen noch ange­­hören und an den, die Gebirgsgegenden Süditaliens nach immer beunruhigenden Kämpfen theilnehmen, für den Fall ihrer Gefangenschaft nicht als Soldaten zu betrachten, sondern Dieselben nach der Strenge des Ge­­fethes zu behandeln sind. Piemontesische Journale berich­­ten, daß die italienische Regierung beim päpstlichen Hofe energische Einsprüche gegen den Aufent­­halt Königs Franz II. in Rom gemacht hätte und daß diese Einsprache, von Frank­reich und England unterstübt, auf energische Entfehlünfe hindeute. Sonst wird aus Italien gemeldet : Die in der vorgefrigen Lagung des italienischen Senates angenommene Adresse an den König sprich das Vertrauen aus, das Kaiser Napoleon seine großmütigen Beträge nicht aufgeben werde, wilde ihm eine Duelle des RRuhmes, Stalten eine kräftige Hilfe waren, mag England auch ferner Staliens freies Bolt unteritügen, und daß Deutschland das, Vertrauen und die Sympathie. (!) Staliens erwiebern merde, Ganz Stalien ist bereit, alle Maßregeln freudig au­ßem­üßen, welche zur Verstärkung des Heeres und der Flotte in­ s Werk gefegt werden. Der kriegerische Geist der Italieni­­schen Belfer, der sich in ihrer kräftigen Jugend unter der Füh­­rung Baribalbi’s so ungeflüm entw­icelte, zeigt an, daß Italien Ah nur mit eigenen Kräften die Elemente der inneren Disziplin und der­ äußeren Vertheidigung verschaffen werde. Herr von Binde hat an die Redaktion der „Verseveranga“ ein Säret­­chen­­ gerichtet, worin­ er erklärt, es sei ihm zu seinem leibhaftesten Bedauern unmöglich, ein­ Zeigen der Dankbarkeit anzunehm­en, das ihm aus Italien für einen von ihm in seiner Eigenschaft als preußischer Abgeordneter und im wehlverstandenen Interesse­n der preußischen Nation befürworteten Antrag zusomme. Er bittet fälterlich den Ertrag, der Substription den Familien der Soldaten zusommen zu lassen, die Gaeta eroberten. Das Munizipium von Brescia Hat der Mutter des Tito Speri, der vor einigen Jahren in Mantua gehängt wurde, eine Pension von 1000 Brancs bewilligt. — Eine Korrespondenz der , Merlé- Veranza‘ aus Gaeta vom 13. Weber entwirft eine Son­­­derung der Mahnung, die das königliche Paar in den Kase­­matten inne­hatte. Im Zimmer der Königin bildeten ein mit Baumwollenzeug bebedter Divan, eine Konsole aus Rosendah und ein par Schränke das ganze Mobilar. In einer Ehe lag ein Stück von einer Kavallibombe. Im Zimmer des Königs fand noch ein Divan, der mit rothem Leder beliebt war : umher­­gefreut lagen viele Zeitungsblätter und Stückk von diffrirten Depescen. Die Leichen der in unmittelbarer Nähe der königl. Familie am Typhus gefuundenen Generale Duca di Sangro und Ferrari lagen noch in den Kasematten. Unsere gestrige Depesche über die V­orgänge in War­­­ham ergänzen wir, heute durch folgenden vom 25. Gebet batirten Brief, meldet der „Schlef, 3. aus­ der polnischen Hauptstadt zugegangen : Es war zwar schon seit längerer Zeit das Gerücht verbreitet das der heutige Jahrestag der unglücklichen Schlacht bei Brodhow (1831) mit einer Demonstra­­tion begangen werden sollte , allein nach den Eretgnissen der besten Wochen , von denen ich Ihnen gestern schrieb , glaubte man die Durchführung dieses Vorhabens füglich bezweifeln zu dürfen. Da tauchten gestern auf's Neue die Anzeichen auf, daß der Plan keineswegs aufgegeben sei, und die Regierung ergriff sofort ihre Maßregeln. Das lnyale Mittel, durch öf­­fentliche Bekanntmachungen zur Beobachtung der Ruhe und Ordnung aufzufordern, ist hier nicht im Gebrauch. Doc­ es mag wenigstens die Gewerbsmeister und Geschäftsleute wissen, daß sie ihre jungen Leute zu Hause halten und vor Betheili­­gung an Unruhen warnen sollten. Heute früh fand man an den Straßeneden gebrachte Proflamationen angeliebt, worin die polnischen Brüder aufgefordert wurden, fi Beute Abend beim Einbrechen der Dämmerung auf dem Altmarkt einzufin­­den, um das Andenken an die gefallenen Kämpfer von Org» con durch eine feierliche Prozession zu begehen. Bald nach fünf Uhr fanden ich wirklich namentlich viele junge Leute auf dem bezeichneten Plate ein. Sie waren zum Theil mit Fabeln verfehdten und Einer entfaltete eine Fahne mit dem weißen pol­­nischen Adler. Zugleich aber war auch die Polizei und Gen­­darmerie in starren Abtheilungen erschienen. Der Oberpolizei­­meister, Herr von Trepoff , forderte selbst zum Auseinander­­gehen auf, und als man dieser Aufforderung nicht überall schleunig genug Folge leistete, im Gegentheil Pfeifen und feind­­liche Rufe vernehmbar wurden, rüdte die Gendarmerie mit gezogenen Säbeln ein und säuberte den Plan gewaltsam. Aehnlich geschah es in den umliegenden Straßen, die sodann dar Militär abgesperrt wurden. Boi dem Schloffe und auf dem Wege zur Brüde,, jenseit welcher der Weg auf das Schlachtfeld von Grochorm führt, fanden Infanterie und Ko­­jaten. Lestere und die Gendarmerie zu Pferde bildeten ge­meinsam die Patronillen, welche die Straßen im Stabe auf und ab durchsprengten. Die Läden, die öffentlichen Rofale, die Aomter — sonst bis spät in die Nacht geöffnet — wurden, in der inneren Stadt größtentheils sofort getroffen und an mehreren Stellen Militärwachen, sowie an den Straßeneden Polizeiwachen aufgestellt. Die Abendfigung des land­wirth­­schaftlichen Zentralvereins, fant täglich bis nach 10 Uhr in Thätigkeit, wurde schon um 8 Uhr geschlossen. Big jett , — 9 Hr —, wo ich Ihnen schreibe, it Keine weitere Ruhehö­­rung vorgenommen, und wir hoffen auch in der Nacht weiter seine Vorfälle zu erleben. Doc­h­ die Stimmung unverfenn­­bar aufgeregt, und zahlreiche Verhaftungen sind die unaus­­bleibliche Folge dieser Unruhen. Unsere­­ sonffigen Nachrichten resumiren wir dahin : Der gestrige „Moniteur“ meet : Der Bischof von Hou­ters hat eine Verordnung veröffentlicht, welche Anspielungen enthält, die für die Regierung des Kaisers­ belei­digend und ‚geeignet sind die Gehilsen der Staatsbürger, zu verwirren. Die Verordnung ist dem Richtersperude des Staatsrathes unterzogen worden , welcher über alle Fälle von Mitbräuchen zu entscheiden berufen is. — Ein , lar Persigny’s an den Präfekten von Brenite Verordnung bemerkt­­ . Der Minister habe geglaubt dem Spätereffe der Regierung entgegen, eine derartige Jung dem Richterspruche der öffentlichen Meinung zu er­ wollte daher seine Mafregel ergreifen, um die Bei Hung eines Affenfindes zu verhindern, welches mitforhe Kühnheit die geheimen"Gedanken einer Partei entschleiert , Die unter dem Dechmantel der Religion nur die Absicht hat, den Ermwählten des französischen D­olkes anzugreifen,’ Der Füngsten Levantep oft entnehmen‘ wir machte beide Degeb­ens .„Konstantimop­el, 23. Feber. Die legte Einberufung. der Rechhts, umfaßt 48 Bataillons­­ zu 800 Mann. Izmail Vajda, Militärkommandant von Widdin, und andere Offiziere unternehmen eine I­nspektionsreise an die Donauufer bis Turifa und Sulina Ein Gefeg wegen Ab­schaffung des Bedentpaktes wurde „publizirt.. Der Telegraph bis Bagdad ist vollendet. Nach dem „Journal de Constanti­­nople“ sind die Unterhandlungen mit einem Pariser Haufe wegen Medernahme der Anleihe dem Abschlusse nahe. Meh­­rere Chefs hiesiger Bankhäuser sind­ nach Paris gereist. Ange­­stellte des auswärtigen Ministeriums. sind mit­ wichtigen Deper­teren für Qavalette eingetroffen. Es zirkulirt das Gerücht von der bevorstehenden Ankunft Orloff’s und Erregung Kavalettes dr­eiel. Die Pforte Defihloß gegen die län­gere­ Decupation Syriens zu protestiren. — Jerusalem, 29, Sänner, Der Raimafam vor Rap I u 8 wurde sammt allen Beamten, wegen Bestechung und Unterschleifs verhaftet. Bette­n (Eingesendet.) Dfner £ofe, Ziehung 2. März, Haupttreffer 30.000 fl. sind billigst zu Haben bei AH.Morgenstern, Komp, Wechselstube, gr. Brüdgaffe Nr. 11. Zelegr. Depeschen des „Peiter Lloyd.“ London, 1. März. In der gestrigen Unterhaus­­fichung erhlärte Ruffertz, vag der Vorschlag Oester­­reichs, die­ Offupation Syriens bis zum 1. Mai zu ver­­längern, von der Pariser Konferenz angenommen wurde . Enalan­ wird an der Offupation nicht theilnehmen. Maris, 1. März. In der Diskussion des Senats sprachen Rarpheingwelin und Hederen für die unweltliche Macht des Papstes. Dagegen "sagt Pietris die weltliche Macht es bereits verloren, mir müßten und darauf beschranfen, die geistliche Macht zu retten; die Reaktion erhebe wieder ihr Haupt, das müsse unsere Haltung entscheiden; Italien habe fest 300.000 Mann, die es, und. zur Seite stellen wird, im Kampfe, der ung bedroßt. ” Wien, 28..Zwier.. Heutige Anfangskurse im D­or­­Geschäfte waren : Kreditaktien 167.20, Nordbahn 2157. Die fortwährend unbefriedigenden Nachrichten aus Ungarn konnten nicht verfehlen, auf den Gang des Börsengeschäftes einen bes­primirenden Einfluß auszuüben. Die Börse war daher umbe­­lebt und durch den NRüdgang bei leitenden Effekten flauer ge­­stimmt. Doch blieben Nationalansehen, Sperz, Metalliques und Nordbahnaktien­ begehrt­ und gut behauptet. Lose von 1860, waren häufiger am Markt und­­ 4—­1% p&t. billiger , andere Lotterieeffekten unverändert fest. Von jungen Bahnen waren Westbahnaktien beliebt und um 3 fl. höher; gal. Karl-tud­­riwigeisenbahn dagegen in Folge der beschlossenen neuen Aktien­­emission um 3 fl. biffiger. Baluten haben sich um 1/2 pCt. vertheuert, die Umläge blieben bescränzt. Silber blieb zur Notiz angeboten, Geld heute wieder­ abondant und waren na­­mentlich Effekten wegen der für 3 Tage gut kommenden Zins­­vergütung gesucht. Schlußkurse: Kreditaktien 166,30, Nord­­bahn 2153, Staatsbahn 284,50, National 76.70, ungarische Grundentlastungen 66,75, Augsburg 124.50, London 146.70, Verantwortlicher Redakteur : Karl Weisskircher.­­ Schnellprefendruch von Emil Müller, Dorsthengaffe Nr. 12. 1861: Pete­r Berlag bei Peter Loydgesellschaft. ,

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