Pester Lloyd, Oktober 1865 (Jahrgang 12, nr. 226-251)

1865-10-01 / nr. 226

Sräanumerationsburean, I­ Wirersuchen unsere geehrtherren Post-Pråm­umerankexi,bereits pränumeration mit Ende September abläuft,ihr Abotnement jezekkkger erneuern zu wollten,indemfortsi, wenn die Pränumerationen spät einlaufen,leicht ohne unser Verschulden Unregelmäßigkeiten in der Expedition eintreten können. Die Prånumerationspreise sind,mit Postvoksendung:ganzjähri920fc.,halbjährigs0fc.,vierteljährigsfc.,zweimonatlichsfc.ZI-0Ir»monatlich 1si.70kr. Die Beträge sind in transiscten Briefen einzusenden an das —­­ Eine politische Krisis. Meft, 30. September. Im dem Augenblice, wo „die Bahn frei” geworden ist für die Lösung der inneren Fragen der Monarchie, gehen wir in unseren Beziehungen nach Außen einer Krisis entgegen, über deren ernste Bedeutung eine Täuschung unmöglich ist. Berfuhen wir zuerst, um einen Inblid in die verwidelte Sachlage zu erhalten, ein Bild der gegenwärtigen Situation zu entwerfen. Der Zündstoff für einen europäischen S Krieg ist wirklich nicht in der auswärtigen Politik des österreichis­­chen Ministeriums zu suchen. Man kann betfelben gewiß manche Vorwürfe machen ; aber man kann nicht sagen, daß sie­ irgendwie aggressive Tendenzen verfolge. Die Gefahren wie den europäischen Frieden liegen in Italien, das sich Ve­nedig anzueignen fliebt ; liegen in Preußen, das eine Umge­­staltung Deutschlands herbeiführen will und endlich, aber augenblicklich nur in zweiter Ordnung, in der orientalischen Frage. Frankreich selbst wird nur insofern in Europa eine aggressive Politik treiben, als es die beiden kriegslustigen Mächte Italien und Preußen unterstütt, ihnen Bei Ausführung ihrer Anner­ensiveen behilflich ist und dabei auch einige Pri­­vatgeschäfte für sich macht. So lange nun Preußen von einem Bündnisse mit Frankreich nichts wissen will, so lange er viel­­mehr an der Allianz mit Oesterreich festhielt, so lange waren auch die französisch-italienischen Bestrebungen vollständig pa­­ralysirt. Diese Wahrheit ist von Niemandem bezweifelt wor­den; nur waren die Gegner der österreichisch preußischen Al­­lan; immer der Ansicht, daß die preußische Freundschaft nicht von Dauer sein werde; daß, sobald e8 Oesterreich genügend ausgenügt, e8 jene Wege verfolgen werde, welche ihm der Egoismus seiner P­olitik vorschreibt. An diesem Wendepunkt, den alle liberalen Blätter Längst angekündigt haben, scheint man die Allianz beider Großmächte­­ angekommen zu sein. Wir sehen Preußen Anstrengungen machen, um sich mit Frankreich auszusöhnen. Sournafartikel und Bros­­chüren, welche die Merkmale ihres offiziösen Ursprungs auf der Stirne tragen , streuen die­se einer französisch-preußis­­chen Allianz mit großer Ostentation in die Welt, er aber tritt Graf Bism­ard seine Neffe nach Paris an; derselbe Bismarc‘, der, was die Annem­onepolitis betrifft, in Cavour sein Vorbild sieht, der in Paris die Politis studirte und der nun zu seinem Lehrmeister zurückkehrt, um ihm zu zeigen, daß er — welch’ größeren Triumph könnte sich Napoleon wün­­fen — ihn übertroffen hat. Eine „E­rholungsreife", sagt man uns, ist die Reife des Grafen Bismard. It denn ge­rade die Luft von Paris so nothwendig, um sich zu erholen, und hätte der preußische Minister nicht Oesterreich zu Liebe einen anderen Erholungsort wählen können! Oper will Graf Bismard zeigen, daß er selbst die Cholera nicht fürch­­tet, welche­­s in Frankreich zu verbreiten beginnt ? Nach der Affaire Ott-Eulenburg und nach dem Drouin’schen Zirk­­lar “hätte Graf Bismard seiner „Erholungsreife“ nothwendig eine andere Richtung geben müssen. Ober geht Graf Bis­­mard Hlos nach Paris, um sich mit Frankreich auszusöhnen ? Würde er entschlossen sein das Bündniß mit Oesterreich in aller­ Treue aufrecht zu erhalten, ex würde sich dieser Demü­­thigung nicht ausfegen. Wie bis zu den leßten Tagen wür­­den auch fernerhin die stolzen Worte ertönen, daß Desterreich und Preußen vereinigt, seine europäische Macht zu fürchten haben. Nein, Herr dr. Bismarc geht nach Paris, um gegen Oesterreich einen Coup auszuführen. Wir dürfen nur den Gang der preußischen Politik ver­­folgen, um darüber ins Klare zu kommen. Oesterreich ist für Preußen ein sehr unbequemer Alfsitter. Dennoch war die Allianz mit Oesterreich noth­wendig , weil es galt die deutsche Bolfsbewegung zum Stillstand zu bringen, den deutschen Bund moralisch zu Grunde zu richten und weil Preußen nicht allein die Gefahr eines europäischen Krieges riefigen konnte, die mit einem Angriffe auf Dänemark verbunden war. Nun Hat aber die­ Alliienz mit Desterreich ihre Schuldigkeit gethan. Die deutsche Bewegung ist in Atome aufgelöst , der deutsche Bund hat allen Halt verloren, Dänemark hat keinen Anspruch mehr auf die Herzogthü­mer und nur Desterreichs Mitbefug hindert no die Annexion, nur Desterreich hindert noch Größeres, die Verwandlung Deutschlands nämlich in einen preußischen Staat. Was Güte nicht vermag, dent Graf Bismarc, das sol auf anderem Wege erreicht werden. Die Drohung einer französisch-preußischen Allianz sol Desterreich zur vollständigen Nachgiebigkeit zwingen. Mean muß das Eisen schmie­den, fal­­fulirt Preußen, so lange es heiß ist. Sekr ist die Zeit für die Kösung der deutschen Trage in preußischem Sinne gekom­­men ; mer weiß, wann je so ein günstiger Moment wieder­­fehrt ?_ Gegenüber so großen Zielen darf man in der Wahl der Mittel nicht allzu zartfühlend sein. Und so versucht denn Graf Bismarc­k ein Doppelspiel durchzuführen, wobei er es­tweder mit Frankreich, noch mit Oesterreich aufrichtig meint. Preußen will eine Allianz mit Frankreich sicherlich vermeiden, denn es weiß, daß eine solche Allianz um Vieles höher zu stehen kommt, als diejenige mit Desterreich ; aber es will die Dinge so weit als möglich treiben, um Desterreich in Bezug auf Deutschland gänzlich ins Schlepptau nehmen zu können. Wird aber Preußen im Stande sein, die Dinge, wenn sie einmal in Bewegung gekommen, aufzuhalten ? Wie werden si die Dinge gestalten, wenn Oesterreich sich durch die Dro­­hungen Bismarck’s nicht fhreden Taffen wird ? Glaubt man, daß Napoleon nicht fo­rug ist, das Projekt zu durchschauen, ist 68 nicht möglich, daß Preußen sich zwischen zwei Stühle fett ? Alle diese Fragen dienen jedoch nur dazu, und die Zuk­­unft in einem ungewissen Lichte sehen zu lasfen. Bestimmt bleibt nur das Eine, daß Preußen großartige Projekte in Be­zug auf Deutschland hegt, und daß es deren Erfüllung näher gerückt ist, als jemals. Der Anblick , welchen das deutsche Bolt bietet, ist ein wirklich jammervoller ; die Volkspartei hat ihre Mitglieder nur noch unter Angehörigen der Mittelstaaten. Der deutsche Abgeordnetentag, welcher soeben in Frankfurt zu­­sammentritt, wird diesen Zustand recht deutlich veranschaulichen. Er wird weder von Preußen no­ von Oesterreich beschickt werden ; mit anderen Worten : der Abgem­ertetentag ist ohne weiteres Zuthun zerfallen , die öffentliche Meinung des deut­­schen Bolfes sieht die Vergeblichkeit eines längeren Kampfes gegen die preußische Politik ein. Werden die deutschen Mit­­telstaaten sich aufraffen, um sich gegenüber Preußen zu einigen, und den Beistand Oesterreichs in drohender Gefahr anzuru­­fen? Glauben wir nie an eine solche Möglichkeit , eher ver­einigen si fanmtliche Tribus Arabiens zu einem Heere, ehe die deutschen Staaten sich zu verständigen vermögen. &8 wütt nichts ; die österreichische Politik muß die Frage Mar ins Auge fassen, was zu wählen sei: ob Bruch mit Preußen, oder Dul­­dung der Bismarck’schen Politik ? In dieser Form stellt die gegenwärtige Krisis sich uns dar, und Desterreich bedarf wirklich der Entschlossenheit,­ um ohne Schaden aus dem gefährlichen Dilemma herauszukommen. Glüclicherweise sind noch immer Anhaltspunkte vorhanden, um eine glückliche Lösung der Krisis zu ermöglichen. Noch können wir uns nicht zu dem Glauben Hinneigen, daß Frank­­reich, England und an Rußland ein Großpreußen mit gün­­stigen Augen ansehen. Sie künnen es vielleicht dulden, daß Preußen die deutschen Staaten annestirt, aber sie würden auch das Adrige thun, um es zu hindern. als nächstbetheiligter Staat seine Miiene macht sich den preußi­­schen Projekten zu widerfegen , so lange würde eine andere Deacht Höchst unklug handeln, sich in vie­l deutschen Angelegen­­heiten zu mischen. Wüßte es ja die intervenirende Meacht nicht einmal, ob sie es nur mit Preußen allein oder auch mit Oesterreich und Preußen zu thun hätte. Lange genug warten wir auf die Vortheile der öster­­reichisch-preußischen Allianz , suchen wir uns von einer Freund­­schaft frei zu machen, die wie ein morscher Stab zerbricht, sobald man sich darauf fügen will. Laffen wir die europäischen Mächte über”­ die schleswig-holsteinische Frage entscheiden , geben wir dem deutschen Wolfe das Recht und von Meuth der Selbstbe­­stimmung zurück. Machen wir uns die Bahn auch auf aus­­wärtigem Gebiete frei und wenn wir habe auch manche Schwierigkeiten zu überwinden haben, so ist es noch besser, wir sehen der Gefahr muthig ins Gesicht, als daß wir uns von Preußen üiberlisten lassen. So Tange Oesterreich | | Zur Berfaffungsfrage- Zu der heute Nachmittags um 4 hr im großen Ei­­gungssaale des Rathhauses stattgehabten vertraulichen Konferenz der im Jahre 1861 aus der allgemeinen Wahl h­ervorgegangenen Reprässentanten der Stadt Beft waren von den hiezu eingeladenen 248 Mitgliedern fast alle erschienen. Die Stimmung unter den Vertretern der Stadt war eine Auferst­animitte, und als der Oberbürgermeister, Herr Leopold Rottenbil­er, prä­­zise 4 Uhr in den Rathssaal trat, um den V­orfik der Ber­­summlung einzunehmen, wurde er mit langanhaltenden leb­­haftesten Eifenrufen begrüßt. Nachdem Herr Nottenbiller her­­vorhob, daß der Zmweg der heutigen vertraulichen Berathung dahin gerichtet sei, die Wahlmeinung der Stadtrepräsentanz bezüglich der demnächst abzuhaltenden Gen­eralver­­sammlung und der Bildung der Wahlbezirk­e und des Zentralwahlausschusses für die vor­­zunehmenden Abgeordnetenwahlen zu vernehmen, hielt Herr Superintendent Joseph Szetäncs eine längere schwung­­volle Rede, welche einerseits in der Erklärung fulminirte, daß die Repräsentanz der Stadt Veit­es als ihre patriotische Pflicht anerkenne, die gegenwärtig an der Sorge der ungaris­­chen Regierungsgeschäfte stehenden Staatsmänner in ihren Bestrebungen nach der Herstellung der vollen Gesetlichkeit im Vaterlande auf das Kräftigste zu unterfrügen ; andererseits betonte der Redner,, daß die Stadtrepräsentantg zu ihrem Oberbürgermeister volles und umbedingtes Vertrauen habe. Dieser Erklärung stimmte die Versammlung durch die lebhaf­­testen V­eifallsbezeugungen bei. Ueber den weitern Verlauf der Konferenz beschränken wir uns heute auf die Weittheilung, daß zu der bdemnnächst stattfindenden Generalver­san­mlung sämmtliche im Jahre 1861 gewählte Magistratsbeamte, welche derzeit im Amte stehen , eingeladen werden. Bezüglich der Bildung der Wahlbezirke wird die Eintheilung nach den Stadt­­theilen, wie im Jahre 1861, beobachtet werden. Die Reprä­­sentanten werden sich nach den einzelnen Stadttheilen versam­­meln und die für die Bildung des Zentralwahlausschusses er­­forderliche Anzahl von Mitgliedern wählen und entfernen. Wie wir hören, versammeln sich zu diesem Zweckk die Reprä­­sentanten der innern Stadt bereits morgen im Rath­­hause, jene der Theresienstadt um 5 Uhr Nachmit­­tags im Blindeninstitute. Was wir sonst über die Wahlbe­wegung ver­nehmen, steffen wir in Folgendem zusammen : Herr Melchior v.2öonyan hat, wie wir aus sicherer Quelle vernehmen, einer Deputation Oiner Bürger, die ihn zur Annahme der Kandidatur bewegen wollte, die Antwort ertheilt, daß er auch auf dem Fünfzigen Reichstage seinen früheren Wahlbezirk zu vertreten gebenfe. — Die Kommission des Somogyer Komitats ist von dem Herrn Obergespan v. Merey für den 9. d. M. nach Kaposvár einberufen worden. — Wie man uns aus Stuhlweißenburg schreibt, wird unter den dortigen Reichstagskandidaten der junge Gelehrte Herr Shwarcz Gyula genannt , dessen Kompetenz in Tragen des öffentli­­chen Unterrichtes von unserem Korrespondenten besonders her­­vorgehoben wird. Wie mehrere Wiener Journale gleichlautend berichten, beabsichtigt die Negierung während des konstitutionellen Inter­­regnums offizielle Nachweise über den Staatshaus­­halt zu veröffentlichen und soll damit bereits in den näch­­sten Tagen begonnen werden. Der erste erscheinende Ausweis wird, wie verlautet, barthun, daß die Negierung mit dem be­kanntlich um 27 Millionen reduzirten Budget fb­ 1865 , ob­­gleich dasselbe erst sieben Monate nach Beginn des Rechnungs­­jahres festgestellt werden konnte, nicht nur auskommen, sondern höchst­wahrscheinlich noch einen Weberschuß erzielen wird. &8 bestätigt ich, daß gegen die „Debatte ein Pre­is­prozeß eingeleitet wurde. Der Anklageart ist diesem Blatte zugenommen , ımb ist die Schlußverhandlung für den 10. Ok­tober anberaumt. Die Anklage ist gegen den Artikel „Die sieben Todsünden der Regierung" gerichtet und lautet auf die beiden Vergehen der Aufwiegelung und der Gutheißung um­­gebetlicher Zahlungen, strafbar nach ven $$. 300 und 305 St. ©. _— ı TEL SE ein­en nun vdas müssen wir wollen.“ Indem Herr Morz v. Szentfirálpyi den zweiten gegen die Rechtsverwirkung gerichteten Punkt sei­­nes an die Wähler der Sosephstadt gerichteten Wahlprogrammes erörtert, äußert er sich folgendermaßen : „Jener Mann, wel er diese Lehre von seinem hohen Sitz mit größter S Feierlichkeit proflamirte, — und zwar ziemlich unritterlich zu einer Zeit, wo der 1861er Reichstag aufgelöst die Presse durch das Militärprovisorium und die Militärgerichte gefesselt und jede Stimme, die hätte antworten können, verstummt war ! — mas einer Infulte so ziemlich ähnlich sieht — jener Mann, ist, Dank dem entschiedenen Wil­­len des Monarchen , nicht mehr am Ruder ! Doch man darf deshalb nicht glauben, daß die Fraktion, an deren Spise Ritter v. Schmerling steht oder gestanden ist, oder deren Werkzeug er war, nicht mehr besteht ! Ja, ic werde kaum irren, wenn ich behaupte, daß die größten Sch­wie­­rigkeiten , welchen die Männer der neuen Regierung begegnen werden, eben von dieser Fraktion ausgehen werden. C3 liegt daher auch in unserem Interesse, Brotest zu erheven , nicht zwar auf dem Neichätage, wo biezu, Dank der hochherzigen Entschließung des Monarchen, eben seine Ursache ist, sondern vor dem Forum der öffentlichen Meinung, — und den Anhängern desselben geradezu ein für allemal mit Entschie­­denheit ins Angesicht zu erklären, daß mit der Lehre der Nechtöber­­wirkung ein Ausgleic unter seiner Bedingung nie und nimmermehr zu denken sei. 63 ist wirklich wunderbar wie es geschehen konnte, daß das Prinzip der Rechtsverwirrung, in welches doc identisic ist mit­­ dem Prinzipe der „Fairs accomplis“, der Herrschaft der Thatfahen, — eben die Regierung des legitimsten Monarchen der Welt fi aneignen konnte, — wo doc dasselbe dem Prinzipe der Legitimität schnurftrada zuwiderläuft Noch wunderbarer wäre es ge­wesen, wenn die Regierung beim­selben Monarchen, sich auf das Prinzip der Thatjahen fräsend, eine Gattung des „vote universel“ zu dem Zwecke versuc­ht hätte, um den ungarischen König aus seinem Lande durch die eigenen Unterthanen hinaussiammen zu lassen, um aus seinen Ländern Provinzen, österreic­hische Pr­ovinzen bilden zu können. — Ja­ denn dazu, daß es­­ einen „ungarischen König“ und ein „Ungarn“ gebe, ist außer der bloßen Benennung noch viel Anderes erforderlich. Der Weg hiezu war durch die Berfaffung vom 26. Feber gegeben , daß die Regierung vonselben nach Schluß des 1861er Reichstages nicht sogleich betreten konnte, dieß haben wir d­em direkten Wi­derstande des Monarchen zu verdanken, Warum wir Ungarn so sehr die Rechtsverwirkungstheorie­ be­­kämpfen und bis aufs äußerste bekämpfen müssen, dies stam­mt vom staatsrechtlichen Standpunkte ausgehend daher, weil unser gesammtes nationales und öffentliches Leben , ja die Verfassung selbst, nach dem Beugnisse der Geschichte, aus den Wurzeln der Legitimität empormagegt. Diese Wurzeln sind folgende : Die erste ist die Volfssouver­tänetät, zufolge welcher die Monarchie in Ungarn dur die Wahl Arpays zum Fürsten unter jenen fünf Bedingungen inaugurirt wurde, welche auch­ dermalen noch die Grundprinzipien unserer Verfassung in sich enthalten. Die zweite ist jene feierlich religiöse Salbung, welcher jener Fürst anläßlich der Krönung vor dem Altare unter der Bedingung theilhaftig wird, daß er das Inauguraldiplom ausstellt und die Gelege des Landes beschwört. — Die Berson unserer, gewählten Fürsten ist doch die Krönung heilig und unverleglich geworden ; er wurde König „von Gottes Gnaden“ betitelt. — Seit Feststellung der Erbfolge sind zwar unsere Fürsten auch vor der Krönung Herrscher, mit der Fülle der geieglichen königlichen Macht aber werden sie an dermalen erst durch die Krönung befleitet. Die dritte dieser Wur­­zeln bilden die in von G..M. 1687: 1, 2, dann 1723 ; 1, 2 und­ 8 enthaltenen Staatsverträge , wodurch anstatt des Rechtes der Königs­­wahl die Thronerbfolge festgestellt, zugleich aber an die Gelbn­ständig«­keit des Landes, dann die Berfassung und die Gelege desselben von Seite der herrschenden Dynastie garantirt wurden. Hieraus ist ersichtlich , da d­­ie königliche Macht und die konsti­­tutionellen Volksrechte aus dersellten Wurzel abstammen, als idens­tische untheilbare Stämme des Staatslebens. Die Nation übertrug ihre eigene Souveränetät, die sie unstreitig befeilen, bevor sie si zu einem Reiche Tonstituirte, an den Monarchen, der Monarch aber machte die Gefege der Nation auch für si selbst giftig und verpflichtend. Dies ist unzweifelhaft nicht jene L­egitimität, melche den Monarchen mit dem Volke in Gegenfas bringt, und welche sorann mit der Vorid­­­­­­ee Aus Dien SS. 29. September. Geflügelte Worte der Staatsmänner durchschmirren fehaarenweise die Lüfte — ob als Frühlingsschwal­­ben, ob als Herbstschwalben, wer mag’s heute noch bestimmen ! — so sei denn auch einem geflügelten Worte eines dunklen Ehren­­mannes Raum gegeben, wer, wiewohl vom Geschide nur auf einen bescheidenen Posten in der Gesellschaft hingestelt , doch in seinem Berufe mannigfache Gelegenheit gefunden hat, die Herzen der Menschen mit philosophischen Blide zu prüfen und ber eben das Resultat solcher jahrelanger Forschungen in das formschlichte, aber inhaltsschwere Wort zusammengefaßt hat, welches ich zitiren will. Ein Kellner ist’s, der jüngst in einem Prozesse den denk­ü­rdigen Sag aussprach : „Es gibt in der M­enschheit verschiedene Charak­­tere." Die Tendenz, welche er dem Worte gab, war zwar eine sehr düstere denn er wollte daraus nur die Folgerung ziehen, daß nicht alle Menschen im Wirthshause zahlen, sondern daß es auch deren­ gibt, welche vach­gehen — doch verliert der Sat da­­duch nichts an seinem prinzipiellen Werth, sowohl für die allge­­meine Menschenkenntniß als für die spezielle Bezeichnung der augenbrieflichen Situ­ation. Fragen Sie mich, was denn die Wiener eigentlich seit dem 20. September sagen , so antworte ich Ihnen mit dem philosophischen Kellner: „In der Menschheit gibt es verschieene Charaktere.“ Die ganze Skala politischer Negungen und Empfindungen ist in den wenigen Tagen durchgemacht wor­­den und wird noch duchgemacht. Ich kann Ihnen zum­­ Beispiel aus sehr guter und sehr zuverlässiger Quelle die nicht uninteres­­sante Notiz geben, daß an einige Gemeingeräthe, freilich in eti­as anonymer, sonst aber sehr umverhüllter Weise, die naive Zumu­­thung gestellt wurde, sie sollten si zu einem Antrag auf Steuer­ver­weigerung zusammenthun. Sie mögen si­ wennen, mit welcher Heiterkeit die merkwürdige dee aufgenommen wurde. Aber bezeichnend ist sie doc für das Saufen und Braufen , wel­­ch bei der Plöglichkeit des Ereignisses manche Köpfe duchfuhr, daß ihnen fürmlich Sehen und Hören verging. Andere freilich wieder hätten es gerne dem Pariser Stadtrathe vorgemacht und augenblichlich illuminirt, nicht dem 20. Oktober und auch, nicht dem 21. September zu Liebe und noch weniger dem 26. Feber zu Troß, sondern einfach und einzig und allein darum , weil die guten Leute von jeher gewöhnt waren, zu illumin­iren, so oft sie auf de Wortes „Manifet“ ansichtig wurden. Aber es blieb ohne Illumination und ohne Steuerverweigerung. reubenfeuer sind in den Jahren her schon so viele und bei so mannigfach, ver­­schiedenen Anlässen gezü­ndet worden , daß vorläufig das Holz ein Bischen ausgegangen und man erst neues schichten muß — dies­­wie jenseits — und. Steuern weigern b[o8 die, welche sein Geld haben, sie zu zahlen. Es sind bei unfreiwilligen Steu­ern ermwei­­gerer ohmedieg genug und zuviel — Die­ wie jenseits. Was mögen Alles die Wellen der Donau an jenen Don­­nerstag-Nachmittag murmelnd zu Ihnen hinabgetragen haben, am Hachmittage des ersten jüdischen Neujahrstages, da die Gläubigen Hinausgehen an die Ufer des Stromes und ihre Sünden hinein­­werfen! Wie viel Börsensünden vor Allem mögen da­mit hinein­­gewandert sein in dem Strom ! hatte man bo jd­en seit lange feine fo­rk­temisch bewegte Börse gehabt, als an diesem Neujahrs­­tage, wo selbst die herzergreifende Stimme eines gefeierten QTem­­pelfängers in sehmerzlichen Banden lag. Die Tempelszene, welche ich Ihnen jüngst erzählte, und das Aergerniß, welches die Leiden­­schaftlichkeit des greifen Sulzer provizirte, war nämlich doch nicht f ohne Folgen geblieben. Der Gemeindevorstand hatte fi veranlagt gesehen, seinen Gesang zu „fiftiren“ und eine dreimonatliche Amts­­uspension über den exzentrischen Mann auszusprechen. Das war ein furchtbarer Schlag für die glühende Künstlerseele des „Säns gers vor dem Heren“, deren­­ Feuerglanz sich sogar verklärend Kiber die Eitelkeit des Mannes breitet. Im der That, wenn Sulzer zu jemandem sagt: „Jeder Ton, den ich gestern gesungen habe, war P­oesie", so fällt es dem Anderen gewiß nicht ein barlicher zu lächeln, denn es ist die simple Wahrheit. Und mit diesem Gluthen­­drang der Seele und der Kehle zum Stummsein verurtheilt wer­­den und einen Anderen am Neujahrstage an den Altar Hintreten sehen müssen ! Es war etwas Balladenhaftes darin. Zum Glüde ist der Bann rasch gelöst worden e Dne Petition, von Hunderten von Unterschriften beweert, gab dem Kultusvorstande die erwünschte Veranlassung, das nicht gerne ausgesprochene Berich­t aufzuheben und den gefangenen Gesang der Freiheit zurückzugeben. Wenn hier aber dem Künstler die perinoliste Strafe auf­­erlegt wurde , so hat die „neue Wera" einem Journalisten die gemäthlichste Verurtheilung gebracht, die seit anno Preßgereg wohl vorgekommen ist. Hausarrest , süßes Wort, Freiheitsschall, Erlösungsklang fir ven meißen Sklaven de Redaktionshhreaus, für das ruhelose Zugthier in der ewig greifenden Tretmühle der Tagesgeschichte, für den in pausenlose Nequisition gefegten Auf­­wärter Seiner Gnaden des hofverehrlichen Publitums ! Haus­­arrest mit dem traulich winfenden Xehnstuhle, mit der anheimelnd pidenden Wanduhr, mit den freundlich, lächelnden Genien beglüc­­ter Häuslichkeit, die den Eingang, nimmer aber den Ausgang ge­­hatten, Cherubim mit den flammenden Cefegesparagraphen, welche nicht den Zugang, sondern den Ausgang des Paradieses bewa­­chen. Wenn ich richtig gehört habe, will der verurtheilte Rebat­­teure der „Neuen Freien Presse" im seiner Berufungstak­t um eine Verlängerung seiner Strafe nachsuchen. Unter vielen seiner Kollegen wegt si der Neid, sie möchten­­ dem Verurtheilten nachmachen. Fürwahr,, die Richter , welche ihn wegen Aufforde­­rung zu ungefeglichen Handlungen in so verlobende Strafe b­aten, kommen in Gefahr, sich des gleichen Vergehens [chuldig zu machen und die Donner bed 8.305 des Strafgefegbuches auf sich heranzubeschwören. Gemüthlich überhaupt geht es bei diesen Pref­­progessen zu, bei welchen sich in den Buirchenpausen Bertheidiger und Staatsanwalt zärtlich die Hände drüden und der Staatsan­­walt — mie dies bei dem erwähnten P­rogefje geschah — von so ü­berwältigender und wahrhaft rührender Zuvorfommenheit für den­­ Vertheidiger ist, daß, wenn dieser bedauert, ein anderes Blatt nicht angeklagt zu sehen, der Vertreter der Staatsbehörde ihn mit der angenehmen Nachricht ü­berrascht, die Anklage sei bereits ein paar Tage früher erhoben worden. „Schlagst du meinen Juden — meinte Dr. Gisfra — so sehlage ich von deinen“, worauf jedoch Herr Oberlandesgerichtsrath Lienbacher mit freundlichster Seelen­­ruhe zu erwidern vermochte : „Meinen Suben habe ich schon selber geschlagen," Kurz, geschlagen sind sie beide, Eine peinliche Geschichte mit herbsten Kriminalgeschwad birgt sich, wie man mir erzählt, in zwei kurzen Zeilen einer heutigen Rosalnotiz, eine sehr traurige Geschichte aus der Kauf­­mannswelt. Eine der elegantesten Villen im einer der reizend­­sten Umgebungen Wiens gehört einem Manne, der in dem geier­­lichsten Phaeton führt — er im eigenen, feine Gattin im eigenen — die theuersten Weine trifft und bei dem ersten Steinerfünft­­ler arbeiten läßt. Wenn er bei den Praterforfo­ 3 mit seiner Equipage sich in die glänzenden Neiden mengt, hat er noch immer Aufsehen, aber ein Aufsehen, welches hie und da mit eini­­gem Kopfschütteln verbunden is. Denn so reell der Reichthum des Mannes ist, für so wenig reell wollen Eingeweihte die Basis vesserben halten. Dean erzählt seltseme Dinge von einem großen Konkurs, dessen Folgen der Dawn merkwürdig rasch überwunden­­ haben und aus dem er phönichaft als reicher Villenbesiger em­­porgestiegen sein sol. Unter den Opfern besagten Konkurses be­­fand sich auch ein Kaufmann, der den größten Theil seines Ver­­mögens dabei einbüßte ; doch war der zum reichen Mann gewor­­dene Kridatar später großmüthig genug, seinen zum armen Winnn gewordenen ehemaligen Gläubiger mit Geldworschüffen zu unter­­fügen , welche demselben so viel an Zinsen und Zinseszinsen ko­­steten, daß er vom Nande des Abgrundes, Danf der hilfreichen Hand, in den Abgrund selbst gerieth. Rum erzählt eine kleine Rolalnotiz in wenigen trockenen Worten, der arme Mensch sei „wegen Geschäftsverluste wahnsinnig geworden.” In diesem Wahn­­sinn drang er in die Wohnung des reichen Erkrndatars mit dem Schrei, daß er ihm ermorden müsse, weil durch ihn Weib und Kinder umgebracht worden seier. Der Bedrohte rief Hilfe her­­bei, der unglückiche Irre wurde nach dem Narrenhaus gebracht, und der Krivatar fuhr des Abends zur Erholung von dem aus­­gestandenen Schredfen hinaus auf seine Vila. „Wie man Häu­­ser baut", heißt ein bekanntes Stück der Kirchpfeiffer : „Wie man Villen baut" wollen wir das gegenwärtige Stüdchen über­­schreiben, dessen ganze Kaulissengeschichte sich nicht gut erzählen läßt, die aber jedenfalls einen der merkmürdigsten Beiträge zu der neuesten Gedichte der Konkurse gibt. Wie gefällt es Ihnen zum Beispiel, wenn ein Kaufmann zu dem anderen sagt : „Du, ich möchte gern Konkurs ansagen, aber ich möchte nicht gerne ins Kriminal, ich be­­sorge, die Luft da Draußen nicht vertragen zu Finnen. Du bist an diese Luft schon mehr gewöhnt, denn du hast sie bereits dre Jahre ertragen. Machen wir also ein Geschäft mit­einander! Ic verschaffe bh­ durch meinen Einfluß Kredit, du eröffnest ein Geschäft und fagst darauf derart Konkurs an, das du mich mitreißt. Ich will an die 80.000 fl. verloren haben — dafür gebe ich bh­, wenn dcu wieder ins Kriminal wandern mußt, 20,000 fl." Vermuthlich wurde mir die Geschichte nur als Wit erzählt — ob als Bloger Wortwig oder als wirklich ausgeführter Wi, wollte man mir nicht sagen. Neben der trüben Wahnsinn­szene läuft eine ganz erhei­­ternde Duellgeschichte in den Blättern, die zwar ohne Namen er­zählt wird, aber nur, weil es der Nennung einer Hauptperson nicht bedarf. Ein dilettirender Journalist hat sich in jeder harm­­loser und wenig blutiger Weise mit dem Gatten einer Dame ge­­schlagen, welche vor mehreren Jahren die Veranlassung eines viel ernsteren und verhängnißvolleren Duelles war, durch melchen sie eine solche Lokalberü­hmtheit wurde, daß sie es vorzog, den Schau­­‚­plag der mörderischen Siege ihrer Schönheit für eine Zeit lang “zu verlassen. Sie ist seither zurücgekührt und figt mit dem glei­­c­hen unbefangenen Lächeln in der Theaterloge, wie damals, da­­ noch sein bleicher Schatten sie umschwebte und neben ihr figt der­­ Satte, dessen unbegrenzte und unerschütterliche Zärtlichkeit für seine Frau albesannt ist. Diese Zärtlichkeit nun treibt nin zu mancher, vielleicht sehr verzeihlichen Unbewachtsamkeit. So hat er denn auch in verschiedenen Feuilletons hiesiger Blätter über das Sommerleben in dem Kurort, in dem er sich befindet, Anflol; ges nommen, weil er eine in brenselben übereinstimmennd befindliche Anspielung auf seine Gattin bezog, und er ließ sich zu der Un­­vorsichtigkeit Hinreißen, es nicht blos merken zu lassen, sondern 8 ganz laut zu sagen, daß er seine Gemahlin für die Dame halte, auf welche jene Feuilletons zielten, und daß er von den Berfaffern derselben Nedhenschaft zu fordern gesonnen se. An einen derselben fonnte er nicht gut an, denn derselbe ist nebenbei Gemeinderath in dem betreffenden Kurorte und das hätte body zu viel Lärm gemacht. Der Zweite park­te die Herausforderung ganz­artig, indem er ei zu einer anderen, ihm vorgeschlagenen Satisfaktion bereit erklärte, zu einer öffentlichen Berichtigung des Inhalts nämlich, daß er „nach Aufforderung des Gatten der Dame X. erkläre, e8 se nicht die Dame X. gewesen, welche er mit seinen Bemerkungen gemeint habe”. Erst nachdem diese sons­terbare Berichtigung vereinbart war, sah der beleiingte Gatte doch ein, daß der Effekt derselben seinen Absichten kaum entsprechen dürfte. Der dritte Feuilletonist aber mußte vran — in sehr harm­­loser Weise, wie gesagt, die eigentlich den Namen Duell kaum verdient und über eine gewöhnliche Fechtübung gemüthlich mitein­­an­der lebender Fechtbrüder nicht hinausging. Es war eine Art Hauspuell nach der gemüthlichen Art des dem Redakteur der „N. dr. Br." biktirten Hausarrestes. Dagegen hat Eris, die Göttin Hadem­ber Zmwietradht, eine ihrer eifrigsten Priesterinen aus dem Tempel entfernt, in welchem sie bis jegt mit ausgezeichnetem Eifer im Dienste der Göttin ge­­wirft. Die Schwenktung von Dies: nacy jenseits it im Sinne des Friedens, des Ausgleichs und zur Festigung der Ruhe Euro­­pa’s geschehen — Fräulein Gallmeyher hat ihrem „inti­­men Feinde“, dem Direktor des Wienner Theaters, lebewohl ge­­sagt, und ist Mitglied des Karltheaters geworden, wo sie zum Zeichen ihrer aufrichtigsten Neue und Beferung die erste Probe wegen Unmohlsein absagen ließ, hafliv aber in dem ersten Gründ­­chen, in welchen sie auftrat, eine wohlgereiste Nede gegen den Materialis­mus zu halten hatte. Das Publikum em­­pfing sie nach Publikumart wie eine Triumphatorin. E 8 war drei Tage nach dem 20. September — am Morgen darauf sprach Wien nur mehr vom 23. September und frg man : „Wie war die Aufnahme ?*, so galt die Frage nicht von Ent­ [hliegungen der Regierung, sondern den Kouplets der Gallmeyer. Das ist die Macht des Lebens, daß das winzigste Hente das­­ größte Gestern aus dem Geiste der Menschen wegzudrängen vers­mag. Ber ums zu Lande besonders, | Ben BR: "RR bene RI­OTETURTHEE sea — werseessensssen 2] Biere beten EN ET

Next