Pester Lloyd, September 1866 (Jahrgang 13, nr. 216-241)

1866-09-01 / nr. 216

-—W,«——..w—-—-...-—·-·.-.«-.-—.—----------.--».--s—---— BEN ESERBEBeeSESHERPEHERBESREESEREBEEREEE ERSTER EEE er ere SE SEE een Eine süddeutsche Volksvertretuung. Pest,31.August. Wenn es noch einem Zweifel unterläge,daß Oesterreich von Deutschland faktisch ausgeschlossen ist;so genügt das Vo­­tum der baierischen Kammer der Abgeordneten,um alle Illu­­sionen zu zerstören,die über diesen Punkt noch bestehen könnten. Verträge allein,—wir haben es in letzter Zeit nur zu oft er­­fahren—bestimmen keineswegs die Zukunft der Staaten.Die Stellung Oesterreichs ithalien sowohl wie in Deutschland war durch feierliche Verträge geschützt und doch bedurfte es nur eines kurzen Krieges,um die auf den Verträgen beruhenden Verhältnisse gänzlich aufzuheben.In gleicher Weise dürfte der Friedensvertrag immerhin die Ausscheidung Oesterreichs aus Deutschland stipuliren;die geschriebenen Worte würden sich sehr bald unwirksam erweisen,wenn eine lebendige natürliche Attrak­­tion zwischen den künstlich getrennten Ländern bestünde.Aber von schwerwiegender Bedeutung ist es denn die nächsten Nach­­barn Oesterreichs nur in dem»engen Anschluß an Preußen«« das Heil erblicken,wenn sie damit in direktemf die Verbindung mit Oesterreich Verzicht leisten und so den von der Di­­plomatie geschaffenen Bestimmungen des Friedensvertrags ein volksthümliches Gepräge verleihen.Hätten die deutschen Abge­­ordnetenkammern vor dem 14.Juni ähnliche Beschlüsse gefaßt, der ganze Krieg wäre überflüssig geworden.Denn das hätte Oesterreich nie in den Sinn kommen können,sich gegen den Willen des deutschen Volkes in Deutschland gewaltsam zu be­­haupten.Aber gerade die baierische Kammer der Abgeordneten war es,welche sich mit Begeisterung für den Krieg gegen Preu­­ßen aussprach Jetzt ist eine völlige Wandelung der Gesinnung über die Kammer gekommen,die,wenn sie sich auch erklären läßt,doch immer etwas Wunderbares und Ueberraschendes an sich hat. Ist es ja vielleicht ohne Beispiel in der Geschichte kon­­stitutioneller Vertretungen,daß ein Staat besiegt und auf die traurigste Weise gedemüthigt wird,daß ihm harte und drüc­kende Friedensbedingungen auferlegt werden,und daß der repräsenta­­tive Körper dieses Staates in einem Athem gleichsam die Frie­­densbedingungen anerkennt und dem Sieger ein Huldigungs­­und Vertrauensvotum widmet.Dreißig Millionen sind für Baiern eine große Summe und man muß der bairischen Volks­­vertretung den Vorzug lassen,daß sie sich schlecht aufs Schul­­den machen Versteht.Wegen einer Million Gulden Mehrausgabe wurden oft die erbittertsten Kämpfe in der Kammer ausgefoch­­ten.Dieselbe Kammer aber bewilligt nun das zur Befriedi­­gung Preußen­s nothwendige Ansehen und fügt dem betreffenden Gesetze den Antrag bei:»Ein enger Anschluß an Preußen sei allein der Weg zum Endziele,um Deutschland unter Mitwir­­kung eines frei gewählten,mit den erforderlichen Befugnissen ausgestatteten Parlaments zu einigen,die Nationalinteressen wirksam zu wahren und etwaige Angriffe des Aluslandes,"wenn erforderlich,abzuwehren.««Wir brauchen nicht hinzuzufügen, daß diese Erklärung nicht durch irgendeine Pression von preu­­ßischer Seite erzwungen.Baiern hat für die nächste Zeit von Preußen nichts zu fürchten und abgesehen von der Erhaltung des Zollvereinsvertrages,auch wenig zu hoffen.Eine Vertretung des Südens in einem deutschen Parlamente ist vorläufig eine Unmöglichkeit.Preußen selbst sträubt sich dagegen,weil es die Theilnahme des demokratischen Südens fürchtet.Ueberdies hat Frankreich eine Linie zwischen dem Süden und dem Norden ge­­zogen,die,ohne einen Krieg heraufzubeschwören,nicht über­­schritten werden kann.Es wäre auch wohl ein Irrthum,wenn man annehmen wollte,daß die baierische Kammer unempfindlich gegen die Schmach der Niederlagen wäre,welche das baierische Heer erfahren,daß sie sich über den freiheitsfeindlichen Geist täuschte,der in Berlin verwaltet,daß sie die engherzige Annexionsleidenschaft des preußischen Volks mit der heiligen Flamme nationaler Begeisterung verwechselte.Die preußischen Bestrebungen liegen so klar zu Tage,daß die richtige Erkennt­­niß ihres Charakters sich gleichsam von selbst aufdrängt.Das Votum der baierischen Kammer beweist eben einzig und allein, daß der Zug nach Einheit in Deutschland bereits den Sieg über alle Rücksichten davongetragen.Man will zunächst kon­­statiren,daß man weder den du­rch den Friedensvertrag ge­­schaffenen Partikularismus noch die Mainlinie anerkenne.Man protestirt gegen jede Gestaltung Deutschlands,welche nicht die Einheit des Ganzen repräsentirt.Graf Bismarck hat Deutsch­­land sehr genau gefannt ; er rechnete auf die Einheitsbewegung für den Fall einer französischen Sintervention ; er beachtet weder Recht noch Herkommen, weil er weiß, daß, für bald nur der Einheitsstaat in Aussicht gestellt wird, die Nation ihre Absolution für alle Vergehen entheilt. Ob dabei die deutsche Nation sich auf dem richtigen Wege befindet, soll hier nicht entschieden werden. Aber das Faltum, selbst läßt sig nicht negiren. Deutschland wird in der That in der näch­­sten Zeit ein eigenthümliches Schauspiel bieten. Die Volfsver­­tretungen der verschiedenen Länder werden es sich zur Aufgabe machen, die Selbstständigkeit ihrer Staaten zu bekämpfen und der Herrschaft Preußens auf das Kräftigste vorarbeiten. Die Bewegung wird an Abwechslung auch den Widerspruch ge­­innen, der von den unteren Volksklaffen ausgeht, denn diese sind durchaus partikularistisch gesinnt und von lebhaften Haffe gegen Preußen befeelt. An leidenschaftlicher Diskussion und an verschienenartigen Konflikten kann es unter diesen Umständen nicht fehlen. Ein ähnlicher Zustand war in Deutschland da­­mals vorhanden , als die Liberalen Parteien die Anerkennung der Durch das deutsche Parlament geschaffenen Reichsgefege im Jahre 1849 betrieben. In jener Zeit forderte der Münchener „Z Volfsbote" unverblümt die Bauern auf, nach der Residenz zu ziehen und die "Rothen", die "grumbrechtlichen Hochverräther", todtzuschlagen. Freisinnige aus dem Wolfe, zumal Studenten, Künstler und selbst Militärs, Hatten sich damals in aller Stille verständigt, jeden einzelnen der am meisten für gefährdet erach­­teten Deputirten insgeheim zu bewachen und zu beseiligen. Seitdem hat sich allerdings Vieles geändert , namentlich was Preußen betrifft, das damals den größten Respekt vor der Le­­gitimität äußerte, während es sich jet mit den revolutionären Prinzipien befreundet hat. Ein Wort über das E. E. Patent vom Jahre 1859, zur Regelung der protestantischen Kirche in Ungarn. + Ofen, 28. August. Wir wollen gerne anerkennen, daß die Regierung vom Jahre 1859, der das Patent zur Regelung der protestantischen Kirche in Ungarn, den Protestan­­ten beider Bekenntnisse eine Konzession machen wollte; denn dies Patent war in der That im Vergleiche zu der von Hahnan eingelegten Ordnung, wo statt der legalen, gewählten Superin­­tendenten, ernannte Noministratoren an der Spike der Kirche standen, und die tägliche Rolle von Expeditoren der Re­gierungsverordnungen spielten, eine Konzession. Die Regierung aber hat zwei Dinge nicht berücksichtigt, nämlich, daß der Pro­­testant, wie jeder selbstständige und unabhängige Mann, vor allen Dingen die Herrschaft im eigenen Hause anstrebt und hierauf das größte Gewicht Iegt, und so wie Die­ter, selbst in dem Falle, wo ihm nicht die nöthigen Mittel zu Gebote stehen, seine Angelegenheiten zweckmäßig ordnen zu kön­­nen, oder wo es nicht in seiner Macht steht, das eine oder das andere Unglück von seinem Hause abzuwenden; — ja selbst dann, wenn unter seiner Verwaltung das Hausewesen ver­­fallen und der Auflösung entgegen gehen sollte, sich wohl zwei­­mal bedenfen wird, ehe er selbst zu seinem besten Freunde sagt: „fomm’ und macht Dronung in meinem Hause." — so auch der Protestant in der Kirche, denn diese ist ihm auch ein Haus, und zwar ein Haus, welches seine theuersten geistigen Güter birgt, Güter, die er auf das Sorgfältigste betrachen muß. Dem gebildeten Protestanten wenigstens ist es nicht unbekannt, daß diese Herrschaft im eigenen Hause, die Selbst­­regierung und Verwaltung der Kirche, kurz die Au­tono­­mie, oft der einzige Anfer war, der das Lebensschiff seiner Kirche in den gewaltigen Stürmen, die sie bestanden, vor dem Untergange gerettet hat. — Nicht berücsichtigt hat die Negie­­rung auch den H höchst wesentlichen Umstand, dak sie am Ende dur das Patent weniger bot, als der XXVI. Gefegar­­tikel vom Jahre 1790/1 gegeben. Dieser garantirt bekanntlich im 4. §. den Protestanten v­o­lle Autonomie, derart, dasf sie in firchlichen Dingen „einzig und allein von ihren selbstgewähl­­ten Vorgefegten abhängen, und daß ihre Shynobdal- und Kon­­ventsbeschlüsse, weder durch Negierungsbefehle, noch durch könig­­liche Reskripte abgeändert werden dürfen, während das Bar tent die Kirche der Aufsicht des Kultusministers unterordnet. Kein Wunder daher, daß das oftropirte und die Frei­­heit der avitischen Kirchenverfassung beschränkende Patent eine solche Opposition heraufbesch­woren hat, daß es, nachdem betr­auchte Intimidationen nichts Fruchteten, endlich als undich führ­­bar zurückgenommen werden mußte. Es gibt aber, wie überall so auch unter den Protestanten in Ungarn Menschen von wachen Organismus und erreg­­baren Nerven, deren der oft nur allge sehr polternde Gang einer autonomen V­erwaltungsmaschine Alterationen und Budungen verursacht , die folglich stets bereit waren, mit hohlen Argu­­menten , leeren B Verdächtigungen und pessimistischen Ansichten über Institutionen den Stab zu brechen, die in ihrem innnersten Wesen größer und heilsamer sind, als ihre Schulweisheit fiches träumen läßt. Diese waren stets bereit, unser repräsentatives Pressehaterialsystem, unsere debattigenden öffentlichen Konvente mit Konsistorien, wo nicht mit einer Hierarchie zu vertauf­en , um so mehr weil die Regierung der Kirche in einer Sprache gehandhabt wird, die ihnen von jeher nicht mundet. Sie nun nahmen das Patent mit Freuden auf und organisirten dort , wo sie freie Hand hatten, ihre Gemeinden darnach , waren indeß entweder ehrlich oder klug genug, sich zurü­ckzuziehen , als sie sahen , daß das Patent allgemein abge­­lehnt wurde. Nur eine Partei hielt fest daran, nämlich die Partei der em­agirierten Slaven unter der evangelischen Geist­­lichkeit, mit Yuzmányi an der Spike, angeblich „weil die autonome Kirche gottlos, zerfahren, desorganisirt , ihre Superintendenten Talvinisch gesinnt, Dreifaltigkeitsleugner sc. 9c. wären“, eigentlich aber um eine Kirchenspaltung hervorzubrin­­gen, wodurch sie, außer dem Bereiche der autonomen Kirchen­­organe , ihre politisch-nationalen Ziele ungehindert verfolgen können. Die Regierung begünstigte auf jede mögliche Art diese Spaltung, sie hat nicht nur das Patent, dort wo es bereits eingeführt war, erhalten und den etwa ein Dutend betragenden Gemeinden in der sogenannten Preßburger Superintendenz er­­laubt, Kuzmanyi zum Superintenden zu wählen, sondern er­­theilte später dieser Superintendenz auch die wesentliche Begün­­stigung , daß sich Gemeinden in allen Theilen des Landes ihr anschließen konnten. Diese legtere Begünstigung war für die autonome evangelische Kirche von den Heillofeten Folgen. Es wurde nämlich die durch den Agitationen der Patentalisten das weiteste Feld eröffnet. Die Protokolle der Distrikts- und Gene­­ralversammlungen der autonomen evangelischen Kirche liefern unzählige Beweise, daß bei dieser Fraktion der Ziwedi die Mittel stets geheiligt. Der Kürze wegen wollen wir nur zwei Fälle erwähnen : Im II. Komitate Hatte bei einer rasanten Pfarrerstelle der autonome Senior und später auch der Senioratkonvent einen Mann aus der Kanbikation gestrichen, weil er in einem anderen Seniorate eines kanonischen Vergehens wegen nicht nur notirt war , sondern auch einen slandaldhen Prozeß hatte und verurtheilt wurde. Die Gemeinde aber wollte den Mann, den Erben des früheren Pfarrers , dessen Schuldner se­wohl die Ortschaft, als auch viele Einzelne waren, durchaus zum Pfar­­rer berufen. Weil dies nun bei der autonomen Kirche nicht zugelassen­ wurde, wandte sie sich an Ruzmányi, welcher den Mann um den Preis, daß er sammt der Gemeinde das Patent angenommen und sich ihm unterordnet, ohne Weiteres wählen und solern installiren ließ. — Im B. Komitate wurden die Bauern der Ortschaft P. dadurch für das Patent gewonnen, daß ihnen in Aussicht gestellt wurde, sie würden nach Annahme desselben feine Subsidien an die Senioralschule Leisten müssen ; — in der Ortschaft­­­ desselben Komitates aber hat man die Bauern dadurch beh­ört und gek­onnen, daß man behauptete, sie wären bei der stattgehabten Kommafsation an der Weide best­halb verkürzt worden, weil sie das Patent nicht angenommen, „der Kaiser deshalb ihnen zü­rne". Äh­nliche Vorkommnisse haben die Verwaltung der auto­­nomen Kirche , namentlich die Handhabung der Disziplin, in der legten Zeit nicht nur erschwert , sondern sie auch mit der gänzlichen Auflösung bedroht. Erzessive Pfarrer nämlich suchten zu Rugmandi Überzugehen wenn man die verdiente Strafe über sie verhängen wollte ; die Dorfgemeinden aber versuchten bereits, die DBofators auf die Hälfte zu reduziren, behauptend, Ruzmányi werde ihnen billigere Pfarrer geben. Die frühere Regierung duldete nicht nur dies Alles, son­­dern begünstigte auch, wie gesagt , alle diese Agitationen. — Warum ? Wir können nicht glauben, daß sie dies einfach aus Liebe zum Patent that, noch weniger aber aus Liebe zu den Männern, die diese Fraktion bildeten. Wir sind der Meinung, die Männer des gestürzten Shitems hatten gehofft, mit Hilfe t­onalitätsfrage fortfahren werden , die Rolle von Goethe’s „Zauberlehrling“ zu spielen ; denn ist dies für irgend­einen Staat gefährlich, so ist es gewiß für Oesterreich, und es dürfte eine Zeit kommen,, wo sich die Zauberer ängstlich um einen Meister umsehen werden, die befehl vornen Geister zu bannen ! Thatsache ist es, daß in dem Shiteme der österreichischen Re­gierungsmänner bis in die jüngste Zeit ein großer Widerspruch lag. Während sie nämlich einerseits ein großes einiges Dester­­reich wollten, hörten sie andererseits nicht auf, den Antagonis­­mus der verschiedenen Nationalitäten zu nähren! — Möge sie Doesterreichs guter Genius eines Befjern belehren ! Die alte „Pfeffe” ist noch immer die alte geblieben. Sept hat sie wieder aus der Rumpelkammer, in welcher ihre verschie­­denen Kostü­me neben­einander Hängen , die alte zentralistische Z­wangsjade hervorgeholt, und sie predigt wieder den Zentra­­lismus mit dem Eifer jener seligen Tage, wo noch Ritter v. Schmerling rechtsverwirkenden Angebensens das Szepter des Staates schwang. An ihrem heutigen Leader zieht die Alte „ge­­gen die Furcht vor dem Webergewichte der Deutschen in Dester­­reich" vom Leber. Sie nennt diese Furcht eine „eingebildete­­oder heuchlerische", als wenn das Bach’sche Dezennium nur eine "eigebildete" und feine wirkliche Epoche in der Geschichte Desterreichs wäre. Dab eine Nationalität — sagt sie — die solcher Selbstverleug­­nung und wahrhaft evangelischer Demuth fähig ist (wie die deutsche), den­en Völkern und Stämmen Oesterreich auch nicht vie­ler festen Besorgnisse für deren Selbstständigkeit einflößen kann, und daß den dualistischen oder föderalistischen Bestrebungen ganz andere Motive zu Grunde liegen, muß der Regierung doch endlich selber einleuchten. , Zur Verfassungsfrage. Nachdem sich die Alte gegen das ungarische Ministerium und das Prinzip der Parität der Reichsdelegationen lattsam er­­eifert, findet sie es für gut, Bis zur sittlichen Tiefe folgender Denunziation hinabzusteigen : Die Ungarn — das sind ihre Worte — werden, so lange die Ruhe von Außen nicht ernstlicher bedroht erscheint, sich vielleicht in dem einen und anderen Punkte sehr nachgiebig zeigen ; aber die Sache des Einheitstaates wird damit seine Triumphe erzielen. Die Trennung, vor­­erst im Prinzipe anerkannt und auch nur theilweise durchgeführt , ist dann blos noch eine Frage der Zeit. Am Schluffe ihres Artikels Tapt die Alte ihren wohlbe­­kannten Sirenenruf im Interesse des Reichsrathes ertönen und raunt dem widerspenstigen Maghyarenlande das Droh­wort der Kontumazirung ins Ohr. Die Partei des parlamentarischen Einheitsstaates — beruhigt sich die , Breffe" — hat daher noch seinen Grund, ihre Sache als ver­­loren zu betrachten. Sie darf im Gegentheil, was auch in dieser epi­­sodenreichen Zeit noch Alles dazwischen kommen mag, die Berufung des Neichtrathes als eine möglicherweise nahe bevorstehende betrachten. Es gibt auch in den höchsten N Regierungskreisen eine Bartei, welche auf das Gelingen des jenigen Experimentes wenig Hoffnung fegt und daher leicht zu der Ansicht zu befehren wäre, daß er sich un­­ter den gegenwärtigen, seit dem Ausbruche des Krieges so sehr verän­­derten Umständen weit mehr empfehlen dürfte, in einer feierlichen, an die hochherzigen Gesinnungen des ungarischen Landtages gerichteten Ansprache denselben von dem Ernst der Lage, von der ganzen Gefahr, melche in dem längeren Einziehen der Unterhandlungen läge, zu un­­terrichten und daran die Aufforderung a fnüpfen, daß die kommissio­­nell bereits festgestellten Postulate dem Monarchen unvermweilt überreicht und sodann der in kürzester Frist nach Wien zu berufende Meidsrath zur Austragung des großen Verfassun­gkonfliktes von den ungarischen Deputirten beschidt werden solle. Schlänge dieser Appell an den Edelmuth und Patriotismus der Deputirten, so bliebe das, aller Wahr­­scheinlichkeit nicht sehr Schwer durchführbare Mittel der direkten Reichs­­tab­swahlen in allen ungarischen Ländern, und würde wider alles Ber­­muthen selbst diese Maßregel scheitern, so wäre der Reichsrab­ auch in Garibaldi­ und sein Stab. Der erste Soldat der U­nabhängigkeit Italiens,König Viktor Emanuel,hat zwei Leidenschaften.Die eine derselben ist bekannt-sie besteht in lustigem Leben;die andere hat sich bisher zum großen Theil der Wahrnehmung durch die Organe der Oeffentlichkeit zu entziehen gewußt-sie besteht in einer unbezwinglichen Lust zum Konspiriren.Schon als Kronprinz kon­­spirirte Viktor Em­anuel im strengsten Geheimnisse gegen seinen Vater­,wie er später mit Cavour gegen Oesterreich,mit Mazzini (?)gegen Cavour,mit diesem für und gegen Garibaldi u.s.w. konspirirte.Zu seinem irdischen Glück erscheint eine kleine Ver­­schwörung oder doch mindestens eine geheimnißvolleJutrigue, deren Fäden er selbst leiten darf,zugehören.Gibt es doch Leute genug,welche,mit dieser Schwäche vertraut,allen Ernstes fürchten,erwerbe nach vollendeter Konsolidirung der Italiania anfangen,gegen sich selbst Miniatur-Verschwörungen anzuzetteln, und seine ehemalige,übrigens eingestandene Verbindung mit Mazzini dürfte ihm möglicherweise dabei trefflich zu Statten kommen. So war es auf diesmal Viktor Emanuel, der, wenn nicht gegen den Willen, doch gegen das Wissen seines ersten und ver­­antwortlichen konstitutionellen Ministers, mit Garibaldi und den Seinen in vertraute Verhandlungen trat, deren Resultat die Ostrovirung der Freiwilligen war, gegen deren Aufrufen sich die Vertreter des schroff monarchisch-bureaufratischen Systems im Mi­­nisterium vergebens dann offen auflehnten. Garibaldi, der nur in Hoffnung auf eine unabhängige Thätigkeit in Dalmatien oder Istrien sich auf die Werbungen eingelassen, hatte gleichzeitig noch, indem er das Patent eines „Generale d’armata“ (Marschalls von Italien) annahm, das Versprechen erhalten, dag die in den nördlichen Depots versam­­melten Freiwilligen nur dazu bestimmt sein sollten, sich in Tir­rol, resp. an bessen Grenzen zu zeigen, um die Aufmerksamkeit der Desterreicher von den anderen zu bedrohenden Punkten we­nigstens theilweise abzulenken. Garibaldi hatte es sich seinen Au­­genblick verhehlt, daß er mit seinen nur im Bajonnettensturme verläglichen Freiwilligen unmöglich Wirksames in den tiroler Bergen leisten könne. Und als der neue „Generale d’armata“ dem Oberbefehle des Königlichen Hauptquartier unterstellt, als ihm Tirol zum Operationsfeld angewiesen worden, da bedurfte es Angesichts der Ungelibtheit seiner Truppen und der schauder­­haften Bewaffnung derselben des ganzen opferfähigen Patriotis­­mus des seltenen Mannes und der fanguinischen Gemüthsart, mit der ihn die Natur ausgestatte, um ihn davon abzuhalten, wie er einen Moment lang Willens gerieten, die Büchfe einfach­ ins Korn zu werfen. So stand denn Garibaldi Anfangs Juni mit einem Theile seiner Scharen, nahezu an 15.000 Mann, im Norden der Roms da­bei mit der Aufgabe, zunächst nur den oberen Mincio zu beden und sich Tirol zu nähern, als die Schlacht bei Custozza Ales änderte. Yamarmora, der, nachdem er krastlos gehandelt, auch den Muth verloren hatte, sandte die famose Deperdhe ins Lager der Freiwilligen mit der dringenden Bitte, da „Alles ver­­loren“ sei, body wo möglich, Brescia zu beden. Die Organisirung der Freiwilligen war inzwiscen beendet worden. Man hatte sie in 10 Regimenter eingetheilt, deren jedes 4 Bataillone zählte. Als Chef des Generalstabes fungirte der General §­az brici, ein Mann, ber­­iet in der Mitte der 50er Jahre stehend, in Beschwörungen groß geworden war. Sehr gut unter­richtet und talentvol , war er doch vielleicht alles Andere eher, als Militär. Hierzu kam, daß er von den diesmal überwiegen­­den jüngeren Elementen unter den Freiwilligen fast gar nicht gelannt war , woher es rührte,­ dag er, beinahe ohne Autorität in weiteren Kreisen, nicht vermochte, Garibaldi in irgend­einer Weise zu erregen, — eine Beobachtung, die man leider zu mac­hen die Gelegenheit hatte, als die Verwundung des Oberfeld­­beren am Schenkel biesen veranlaßte, auf einige Zeit die Reihen der in erster Linie Kämpfenden zu verlassen. Dem Leiter des Generalstabes zur Seite stand der Chef du camp, Cairoli, bekannt als inniger Freund Garibaldi’8. Von einer fast weib­­lichen Geistes- und Herzenskonstenftion, bezeugte er dem General während des ganzen Feldzuges eine rührende Anhängiic­eit. Er ließ ihn nie aus den Augen und folgte ihm überall hin, sei es zu Wagen oder zu Pferde, um stets­ flüten­d oder helfend bei der Hand fein zu künnen. ALs Souschef des Generalstabes war dem Hauptquartier Garibaldi’8 der ehemalige Republikaner Guastalla vom Kriegsministerium aus oftrovirt worden. Dieser ehrgeizige Mann, von dessen militärischen Fähigkeiten man heute nicht mehr viel­ Aufheben macht, hatte mit der Negierung Frieden geschlossen, als dieselbe ihn den Schmud der fünf Gold­­treffen (Oberstlieutenants-Nang) zugewiesen, und Garibaldi, der seine Bestrebungen recht zu wü­rdigen wußte, sagte oft lacjend von ihm : „Da er seinen Namen seiner Stadt geben konnte, so hat er si dafür den Namen einer Stadt beigelegt !" ALs tüch­­tigstes Mitglied des Generalstabes galt noch der­­ Schwiegersohn des Generals, der Major Canzio, der, von wirklich mili­­tärischem Geiste erfüllt, seine Stellung nicht nur der Eigenschaft verdankte, der liebenswürdige Gatte Theresia’s zu sein. Wenn es natürlich war, daß diese Mitglieder des Gene­­ralstabes sich stets möglichst in der Nähe Garibaldi’8 aufhielten, so läßt er die bekannte, der Freundschaft so zugängliche Natur desselben nur durchaus erklärlich erscheinen, das sich gleichzeitig um ihn ein Heer von Trabanten und Nichtkombattanten scharte, welche persönliche Zuneigung an die Werfen des Boltshelden veran­­laßte, die Mühen und­­ Beschwerden des Feldzuges mit ihm zu teilen. Da war zunächst der treue Baffo, der vertraute Ge­fretär und intime Freund Garibaldi’s, ein sanfter, gebildeter Mann, der den General nie verließ. Ihn unterstüte der im­­provisirte Sekretär, Plantuli, ein junger, 24jähriger Mann, der eben so viel Prätentionen auf den Marshallestab des Kriegers, als auf die Berberfront des P­oeten im Geheimen mit großer Zärtlichkeit hegte. Er führte, obgleich er nie im Feter gewesen, einen langen, Hlircenden Schleppsäbel und ein altersschwaches Pistol mit sich, als Symbol seiner militärischen Neigungen, während er gleichzeitig den unglücklichen neuen An­­sömmlingen seine Beife rezitirte, um ihnen so seine Ansprüche auf einen Git neben Dante höflichit ad oculos zu demonstriren. Seine Taschen waren stets mit einem halben Dugend fir und fertiger Proklamationen gefüllt, die seiner Ansicht nach denjeni­­gen des Generals bei Weitem vorzuziehen waren, und seine mer­taphernreiche, sich in epischen Wendungen gefallende Prosa zeigte nicht selten die fühnften Innisschen Aspekten, wenn er davon sprach, das Tirol mit dem Bajonette zu nehmen sei, Triest und Wien offupirt werden müsse, worauf dann die Rothhemden gen Pa­ri zu märschiren hätten, um dort die Rückgabe des geraubten Nizza und Savoyen mit Waffengewalt zu erzwingen. Glücklicher Schwärmer ! Eine ernstere Persönlicheit war der englische Oberst Chambers, der als treuer Freund des Generals mit sei­­ner Gattin im Hauptquartier erschienen war. Die legtere lieg­en sie natürlich nicht nehmen, den General persönlich zu pfle­­gen, und die zarte Sorgfalt, melde sie dabei stets an den Tag gelegt, mag wohl mehr als einmal dem diesmal oft seiner na­­türlichen Heiterkeit beraubten Feldherrn ein wohlthuender Trost gewesen sein. Mehr den Du­s minorum gentium angehörig war der alte Hausmeister, der „Hirt von Caprera“, Ferd­inando, aus Neapel gebürtig. Die treue Seele hatte das Necht, stets ohne anzuflopfen bei Garibaldi einzutreten, und begleitete zu Pferde den Generalstab überall dahin, wohin er seinen Sit ver­­legte. „Wie der Sterne Chor um die Sonne sich stellt­, ums gaben diese Bevorzugten so gewisse andere Persönlichkeiten,­­ die, ohne ihren Aufenthalt zu firiren, dennoch ab- und zugingen und in mehr oder weniger vertrauten Verhältnissen zum Gene­ral fanden. Die ge­wichtigste Verson unter allen Tiefen war ohne Zweifel der breitschulterige, blonde Bäder von Florenz, Dolfi. Dieser Mann, dessen gutmüthige Physiognomie, dessen gemächliche Natur und angemessenes Schmeerbänchlein, sicherlich Vorliebe für Bier­­genuß andeutend, auf alles Andere eher, als auf einen einfluß­­reichen Rolfsführer schliegen läßt, war und ist wo dessen unge­­achtet seit Yahren der Rosal­önig von Florenz, den selbst Viktor Emanuel nicht übersehen darf. Mit Stolz trägt er­ den Titel „capo del populo“, den ihm seine Mitbürger mit seinem Bes­zug auf frühere geschichtliche Vorgänge beigelegt und auch der künftige Geschichtsschreiber wird nicht mit Stillschweigen barliber hinweggehen dürfen, daß er der Bäder Dolfi ist, der die Annerion Toscana’8 vom Jahre 1859 Hauptsächlich als sein Werk ber­traten kann. Der ehrenwerthe Patriot benennt figh aufrichtig zu demokratischen Grundlagen, und als ihn der dankbare Viktor Emanuel mit der billigen Dekoration des Moriz- und Pazarus­­ordens ablehnen wollte, fand er nicht an , dem Könige zu ant­­worten : „Ich Habe ja nichts für mich, verlangt — aber ist das ein Grund, mir mit solchen Bettel zu belästigen ? !" Es war teits dem nie mehr die Rede davon , Heren Dolfi zum Ritter irgend eines Ordens zu machen. Neben dieser imponirenden Persönlichkeit versch­wanden fast Männer, wie der bekannte Turiner Aprofat Sineo, welcher der Linken des Parlamentes angehört, der Oberst Frappoli, ehemaliger Kriegsminister der „Emilia“, so wie der greife Ge­­neral Avezzano, ein alter Waffengefährte Garibaldi’s von Rom und Südamerika. Da dieser bejahrte Militär durchaus noch nüglic sein wollte, gab man ihm schließlich das Amt eines Divisionärs in Salo, in welchem er ei wenigstens dem Glauben hingeben konnte, irgend melde Dienste zu leisten. Außerhalb dieser Kreise stand noch der General Haug, ein geborener Steier­­m­ärger, der aber, nachdem er 1848 unter Meffenhauser Plat­­kommandant von Wien gewesen, während des Jahres 1849 und der Vertheidigung Noms burcy Garibaldi naturalisirter Bürger von Rom geworden war. Dan hatte ihn zum Chef der 4. Bri­­gade ernannt, und von allen Garibaldi’schen Oberoffizieren hatte er vielleicht die meiste wirklich, militärische Haltung. Ein shhwarzer Bart umrahmte sein wettergebräuntes Gesicht, und Die ganze Art und Weise seines Auftretens zeigte etwas Distinguirtes, das nicht allen feinen Kampfgenossen gegeben war. Von den übrigen Brigades, resp. Regimentskommandeuren will ich nur noch die­­jenigen erwähnen, die in irgend­einer Beziehung einen bekann­­teren Namen tragen. Daft Corti, der Chef des ersten V­olontärregiments, ist in fast allen Ländern Soldat gewesen. In Sizilien (1860) und bei Aspromonte hatte er fi Garibaldi angeschlossen, und au­­ßet wieder war er zu den Yahnen geeilt, obwohl er den Ruf genießt, ein eifriger Mazzinist zu sein und somit im Grunde den gegenwärtigen Krieg nicht zu billigen. Es war ihm Dieses Jahr nicht beschieden, die Hoffnungen die Garibaldi auf ihn gereizt, zu erfüllen, und auch, bei seinen Truppen hatte er nicht verstanden, sich nur einigermaßen beliebt zu machen. Der Roms­mandant des 5. Regiments, der brave Caffi, hat am 21. Juli den Heldentod gefunden. Nicotera, der bekannte alte Gefährte Garibaldi’s, führte das 6. Regiment. Seine zu große Lebhaftigkeit — er ist Neapolitaner — mag ihn wohl zumeilen zu unüberlegten Handlungen hingerisfen haben ; wenigstens ist seiner Führung tadelnde Kritik nicht immer fern geblieben. Der schöne, etwas eitle Paporto kommandirte die 7er. Von ihm ist in­­deg nur bekannt, da­ er von Pettinengo die Versicherung auf Treu und Glauben hinnahm, da­ die Armirung bei Freifchaaren ganz vortrefflich sei, bis er sich zu seinem nicht geringen Erstau­­nen im Kampfe vom Gegentheil überzeugte. Menotti Ga­­ribaldi bat das 9. Regiment geführt. Der jugendliche Oberst, ein angehender Dreißiger, ist ein guter Soldat und von den Truppen sehr geliebt, ohne im Miedrigen Hervorragende mi­­itärische Talente zu besigen. Der Kommandant des 10. Regi­­ments endlich, Spinazzi, hat eine traurigere Berühmtheit erlangt, als die Anderen, da er wegen angeblicher Nichterfüllung Garibaldi’scher Befehle, in der Affaire vom 21., vor ein Kriegs­­gericht gestellt worden ist, welches über seine Schuld oder Un­­schuld noch zu entscheiden hat. Jedenfalls ist bis heute sein Name und militärischer Ruf stark kompromittirt. K.Z.

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