Pester Lloyd, Mai 1869 (Jahrgang 16, nr. 101-124)

1869-05-04 / nr. 103

-27«sk-:spsksij.j-zgz.;k.-«ssss«.xk»’ Miet. Mai beginnt ein neues Abonne­­sment. Wir ertuchen unsere geehrten Po­st - Pränumeranten, deren Pränumeran­ten mit Ende April abläuft, ihr Abon­­nement je zeitiger erneuern zu wollen, indem sonst, wenn die Pränumerationen spät einlaufen, ohne unter Ber­­&ulden Unregelmäßigkeiten in der Expedition eintreten können. Die Prämumerationspreise sind mi BPofiver­wendung: Ganzjährig 22 fl., neunmonatlich AG (1. 50 fl., halbjährig LE fl., dreimonatlch 5 fl. 56 Tr, zweimonatlich A fl., monatlich 2 fl. mit separater Ber­ Tendung des Abendblattes pr Monat 830 fl. mehr. In £oco : Für Well-Ofen ins Haus gesandi: ganzjährig 20 fl., Halbjährig EB fl., vierteljährig 5 fl. seren­h KR fl. 86 Tr. . . Der staatsrechtliche Ausgleich Ungarns mit Oesterreich. ") 1­ 8.8. „Die Unabhängigkeit des Lan­des h­at die Majorität des Reichstages geopfert, Ungarn ist seiner konstitutio­nellen Rechte beraubt!" war der Schlachtruf der Linien Angesichts ver Wahlen, und wenn die Reformfragen zur Sprache kommen, da heißt es wieder, wir sind Riot in der Lage, das Wert der Refor­men in Angriff zu nehmen, das funde­­ment de8 Stanatbaues ist verfehlt,ceger Brootetenwensarsperen BEN Daß dies leere Ausflüchte seien, wissen wir so gut, als die Herren von der Tinten selbst und dennoch wollen wir für die Sache der Neichstagsimajorität eine ernste Lanze einfegen, geführt durch Die Geschichte mit einer Anzahl bisher nicht bek­­annter Daten. Der XII. Gefegartikel des Jahres 1867 wird von z­wei Seiten angegriffen ; erstens finden die Gegner die Anerkennung von gemeinsamen Angelegenheiten tavelnswerth , zweitens be­­haupten he, daß in Folge dieses Gefeßes eine Ueberbürdung Ungarns eingetreten sei. Die Hosen des Fortschrittes, welche in den 1848er Ge­­iegen enthalten sind, bilden die Früchte eines fünfundzwanzig­­jährigen Kampfes auf dem geistigen Gebiete der Regeneration Ungarns. Das Endziel der reformatorischen Bewegung lag klar vor und, aber bag­t wie wurde nicht erfaßt und Dies ist Die üde der 1848er Geseke. Wir hoffen, es dem Xefer in den nachfolgenden Zeilen rar zu machen, daß die 1848er Ge­fege einen Umbau nicht nur des Staatsgebäudes Ungarns, sondern der ganzen Monarchie involviren , daß diesem neuen Gebäude ohne dem XII. Gefegartikel des Jahres 1867 die Grundlage fehlte und bag, insolange ein­­ oder der andere Theil sich der Schaffung der 1867er Gesetze in den Weg stellte, Kollisionen und Neigungen der­ ernsterten Natur nicht zu vermeiden waren. Der Schwerpunkt der staatlichen Um­gestaltung von 1848 liegt in dem­ selbst­­ändigen Staatshaushalte Ungarns! D Versteht man unter einem konstitutionellen Staatshaushalte das Recht der Völker, bei der Bestimmung sowohl der Ein­­nahmen als auch der Ausgaben des Staatshaushaltes mitzu­­wirken, dann müssen wir befennen, daß der Reichstag Ungarns vor dem Jahre 1818 ein solches Recht in der Berfassung b­estandes Ti­ht. besah; es gab Leimen ’konstitutionellen Staat­saushalt nach unserer jegigen Auffas­­sung! Und der Weangel eines solchen Nechtes ist die Ur­quelle all jener Reibungen und Uebelstände, welche das positi­­ve Leben des Landes bewegten. Da, wir wagen es, zu behaupten, mat Ungarn seit 300 Jahren überhaupt nur auf dem Gebiete des Komitatslebens, nicht aber auf dem Felde des modernen Staates gelebt und gewirkt hat. Wir sind gewohnt, von dem v­ormärzlichen Ungarn als einem „freien” zu reden, in Wirklichkeit aber ermangelte un­sere Berfaffung all jener Attribute, welche den freien Staat charakterisiren. — Der Leser mag über Joldy eine­ Behauptung erstaunt sein und doch ist daran im Grunde gar nichts Stau­­nenstwürdiges. Der ungarischen­­ Berfaffung mangelte die konsti­­t­utionelle Macht zur Entwicklung des Staatslebens unter Einflußnahme des Landes. Nach unserer Anschauung löst sich eine Berfaffung, wenn wir darunter das Recht der Bevölkerung verstehen, auf das Staatsleben erfolgreichen Einfluß auszuü­ben,­­ gar nicht denken ohne dem Rechte der jährlichen Bewilligung des Staats­­haushaltes. Vor dem Jahre 1848 besaß verfassungsmäßig die Krone allein das Recht der Anordnungen über den Staatshaushalt. Die Krone konnte wohl ohne Zustimmung des Reichstages die bestehenden Steuern nicht erhöhen, neue Steuern nicht ausschreiben, aber d­ie laufenden Einnahmen Boltepregione zur neuen Beringung, dDie Regelung der Staatsausgaben war da­s ausschließliche Recht der Krone,ja, to Wat, diese Recht derfkrone allein nur an die Pflicht gebunden, die Erhal­­tungskosten des Heeres daraus zu best­streiten. — Daneben bestanden spezielle Landesausgaben, welche aus anderen Quellen beliebt wurden, ebenso wie das Erfordernis der Munizipalverwaltung in den Komitaten und königlichen Freistäaten. Diese Gliederung des eigentlichen ungarischen Staats­­haushaltes konnte nicht ohne Einfluß auf den Staatshaushalt der Monarchie bleiben und hatte zur Folge die Heranbildung eines gemeinsamen Staatshaushaltes. Das Recht der Krone zur Feststellung der Ausgaben im Staatshaushalte ist keineswegs eine Erscheinung, die allein nur in der ungarischen Verfassung sich vorgefunden hat. Die englische Verfassung zeigt uns dasselbe Bild, ja es ist selbst der Entwillungsprozeß gleich jenem, den wir bei uns vorfan­­den. Auch in England waren die Einnahmen der Krone von der Bewilligung des Parlaments abhängig, aus Kroneinkünf­­ten bebte die englische Krone ihre Ausgaben, für welche die Bewilligung des P­arlamentes nicht einzuholen und darüber Rechnung nicht zu legen war Auch in England hat die Krone, im Falle die Einnahmen nicht hinreichend waren, zu Darlehen, zur V­erpfindung von Einkommensquellen und Gütern Zuflucht genommen. Unter dem Schirme der Krone war es eigentlich eine mächtige Aristokratie und Youreaufratie, die den Staats­­haushalt absolut regierte, dem Einflusse des Parlamentes und des Volkes allein nur das Munizipalleben überlasfend. Erst bei der Thronbesteigung Anna’s, am Anfange des achtzehnten Jahrhunderts, erwirkte das Parlament sich das Recht, die Ausgaben des Staatshaushaltes festzustellen. Es fürde und zu weit führen, wollten wir unsere Zustände mit jenen, welche die Geschichte Englands im Berfaffungsleben aufreift, in Parallelen bringen, wir müssen uns hier begnü­­gen, hervorzuheben, daß das englische Parlament erst dann die Regelung des Staatshaushaltes als ein von der Krone abge­­tretenes Recht erhielt, als eine Zerrüttung der Finanzen und Beschuldung die Aufrechthaltung der Ordnung im Staats­­leben in Frage gestellt hatten. Im Jahre 1848 sahen wir in Ungarn die Krone ihr bishin inne gehabtes Recht mit dem Reichstage theilen. Es wurde damit ein für Ungarn hochwichtiges Gefäß geschaffen, dabei aber an die Regelung der seit Jahrhunderten bestehen­­den Verhältnisse nicht gedacht. Betrachten wir nun den Staatshaushalt der Monarchie vor dem Jahre 1848. Da finden wir, daß der Monarch als solcher in den Erbländern nicht nur die Ausgaben, sondern auch die Einnah­­men unabhängig bestimmen konnte. So sehen wir, daß die ab­­solute Macht des Monarchen ein Steuersystem geschaffen hat, zu dessen Durchführung Niemandens vorläufige Zustimmung einzuholen war. Die ungarischen Finanzen wurden von der unabhängig sein sollenden ungarischen Hofkammer administrirt. Für Wah­­rung der Selbstständigkeit dieser ungarischen Behörde bestimm­te das Gefeß 1741—14—1, daß die ungarische Hofkammer ihre Anträge diret an­te. Majestät den König zur stellen Habe, und deshalb auch alle Weisungen von der Krone erhalte. Dies wurde auch eingehalten, sehen wir aber, wozu der gemeinsame Staatshaushalt führte. In Wien bestand die allgemeine Hofkammer, eine Be­­hörde, welche den Staatshaushaltsdienst zu besorgen hatte. Der Staatshaushalt oblag der Sorge der Krone, dadurch wurde die allgemeine Hofkammer in Wirklichkeit eine Hofbe­­hörde, wo die der Krone zur Verfügung gestellten Steverien zusammentlossen, somit auch jene, die der König von Ungarn als solcher bezog. Die Staatszentralkaffen wurden dadurch zu Kaffen der Krone, und waren somit weder österreichische, noch ungarische Kaffen. — ES Tag in der Natur der Sache, daß die Krone ihre allgemeine Hofkammer als Beirath betrachtete in allen Angelegenheiten, welche von der ungarischen Hoffam­­­mer in Ofen, dem Könige zur Entreidung vorgelegt wurden ; er konnte nicht anders geschehen. Einzig und allein durch die allgemeine Hofkammer, gewann der Megent einen Weberblic über alle Einkommensquellen, über alle durch die Krone zu bez­­treitenden Ausgaben, ist es dann zu wundern, daß in Fragen, welche die Einnahmen oder Ausgaben berührten, die Krone vorerst die Anschauungen, den Rath der allgemeinen Hoffams­mer abverlangte? Der Landtag suchte das Uebel immer nur durch for­­melle Mittel­ zu heilen, den Grund des Uebels berührte man nicht, an eine Ordnung und verfassungsmäßige Regelung des Staatshaushaltes dachte man nicht. Daß das Uebel nicht radi­­kal geheilt werden sollte, dafür sorgten die Anschauungen ü­ber die Rechte und Attribute der Krone. Der auf den Bar­rechten des Adels erbaute Staat hätte eine Verlegung der Prä­­rogative der Krone darin gefunden, die Sorgen für den Staats­­haushalt zum Theil auf die eigenen Schultern zu nehmen. War es noch so bequem zu sagen, diese und biese Quellen er­­öffnen wir der Krone, sie solle damit den Staatshaushalt be­­sorgen, wir aber die Adeligen zahlen nichts. — Konnte denn bei einem solchen Zustande die V­erfassung das Leisten, was mir heute von einer Berfafsung erwarten und fordern ? Erst als Szechenyi, der so oft vergötterte und wieder ge­­steinigte Patriot darauf hinwies, daß aus Ungarn insolange nichts werben könne, als wir uns nicht mit dem Begriffe des Steuerzahlens befreunden, bis wir nicht einsehen lernen, daß nur dort , geschaffen werden könne, wo der Staatsbürger in sich die Pflicht­ fühlt, für das Land zu arbeiten und zu sorgen; erst­­ als der 2djährige Kampf für die Regeneration des Landes geführt wurde, wurde es klar, daß die Frage der Regelung des Staatshaushaltes unter Einfluß­­nahme der Landesvertretung, für die staatliche Entwicklung des Landes ebenso, als für die Verwirklichung der reformato­­rischen Speen eine Lebensfrage sei. Das 1848er Gefe hat im III. Kapitel 37 §, dem Meldetage die gewünschte Einfluß­­nahme eriirft. War denn aber damit gesagt, daß die aus dem gemeins­chaftlichen, dur die Krone beformten Staatshaushalt ent­standenen Verhältnisse seiner Regelung unterzogen werden sollen ? Keineswegs. Um jedoch nicht auf das Gebiet der Phi­­losophie und zu verirren, wollen wir die Verhältnisse beleuch­­ten, unter welchen die 48er­ Gefee den Staatshaushalt der Monarchie trafen. Wir müssen weit ausholen. Wir gehen zurück bis zum Beginn des neunzehnten Jahrhundertes. Die in den Archiven vorfindlichen Rechnungsabschlüsse reichen bis zum Jahre 1803 zurück. Diese Rechnungsabschlüsse sind Ausweise über die Gebahrung der Kameral-, Kriegs-, Staatsschulden und Staatszentralwaffen. Die aus den Ländern der ungarischen Krone bezogenen Einkünfte der Krone erschei­­nen bei den verschiedensten Waffen verrechnet. So finden sich die Kontributionen zum größten Theile bei den Kriegswaffen, die Einkünfte aus dem Bergwerksregale und dem Münzgefälle unmittelbar bei der Gentral-Montanwaffe, mittelbar aber bei der Staatsschuldenkaffe verrechnet u. s. w. Die Gebarung des Jahres 1803 zeigt nun eine Gesammteinnahme der Mon­­archie von : DOrdentliche Einnahmen . 67,750.596 fl. 102.305.878 fl. Außerordenliche Einnahmen 55,386.462 . 123,137.058 fl. dazwischen sind jedoch auch die neu aufgenome­­nen Darlehen mit ....... 20,831.180 fl. enthalten, w Ihe abgezogen, eine wirkliche Ein­­wee­nahme von . .. sich ergibt. Zu diesen Einnahmen haben man die Länder der ungarischen Krone 30,259.344 fl. beigetragen. Es sind dies jedoch nur Brutto-Einnahmen und kommen noch abzuziehen die Ausgaben der Verwaltung, welche sich bei den Ländern der ungarischen Krone mit 4.493.344 fl. bezifferten, wonach sich der reine Ueberschuß, der Betrag, welcher in die Staatszentralfaffe­lle, mit welchem Ungarn im Staatshaushalte der Monarchie mit­­wirkte, auf 25,766.000 fl. beläuft. Nun sehen wir einmal die Staats-Ausgaben desselben Jahres : 1) Die Ausgaben des allerhöchsten Sofstaates beliefen sich auf 2,876.031 fl. ; 2) der Gesandtschaften auf 780.177 fl.; 3) das Militärz­itat zeigt 47,731.641 fl. ; 4) der allgemeine Benfions:Ctat 2,001.445 fl. Nimmt man von der ersten Post die Hälfte, bei den Posten (2—4) aber 30 Berzent zu Lasten Ungarns, so hätte Ungarn nur 16,591.993 fl. beizutragen gehabt, ja wenn man nimmt, bei unter den Titeln 1, 2 und 4 die ungarischen Waffen selbst 323.425 fl. bezahlt haben, ohne diesen Betrag jemanden zuzurechnen, so hätte sich der Beitrag auf 16,268.568 fl. vermindern sollen. Nun aber hat Ungarn 25,766.000 fl., for­mit um 9,497.432 fl. mehr abgeführt, als die 1867er-Gesete uns auferlegen, und dies Plus konnte die Krone zur Behedung des Erfordernisses der Staatsf­uld veriwenden. Im Jahre 1803 wurden für Zinsen und Tilgung der Staatsschuld 33 Millionen Gulden ausgegeben, es hat somit Ungarn durch den Ueberschuß von 9%­, Millionen Gulden, 28%, Verzent dieses Erfordernisses gedeckt, während die im Gefege XV. des Jahres 1867 enthaltene Annuität nur 23"/2 Perzent der österreichis­­chen Staatsschuld repräsentirt, ja selbst nach der im AYrnt berigen Jahres erfolgten Reduktion beträgt unsere Annuität nur 25"­. Perzent. Zieht man jedoch von dem Staatsschuldenerforderniß per 33 Millionen die durch Kreditoperationen erzielte gemeinsame Beredung mit 20,831.1 ° Cfl. ab, indem im Falle, als ein Theil der Staatsschule zu Lasten Ungarns gefallen ist, doch auch die auf diesem Wege erzielten Einnahmen vorerst zur Deckung der allgemeinen, und nicht speziellen Ausgaben verwendet werden mußten,­­ so ergibt sich folgende Rechnung : Ueberschüffe aus Ungarn . Ab die Hälfte der Civilliste 25,766.000 fl. 1,438.015 „ Bleiben rein 24,327.985 fl. . . . . . 2,001,445,, Staatsschu­ld. . . . . . 33,000.000 ,, —­­­88518.263 fl. Hievon ab obige . 20,831.180 „ Allgemeine reelle Ausgaben . “... 62,682.083 fl. Hiezu hat Ungarn rein 24,327.985 fl. beigesteuert, das macht 38 Perzent! Das ist das Ergebnis des Staatshaus­­haltes, wie er aus dem vorigen Jahrhundert auf das laufende überging. Ueber die Einzelheiten dieses Staatshaushaltes werden wir im Laufe dieser Artikelreihe noch zu sprechen haben. Belt, 3. Mai. Die Thronrede hat unter jenen inneren Reformen, mit denen sich der gegenwärtige Reichstag zu befassen haben wird, auch der Nothb­endigkeit der Reorganisirung des Oberhauses gedacht. Diese Nothiwendigkeit ergibt sich von selbst aus dem im Jahre 1848 aufgestellten Grundlage der politischen Gleich­­berechtigung. Das Oberhaus, so wie es heute beschaffen ist, war vollkommen am Platz, so lange das Abgeordnetenhaus aus den durch den Adel vertretenen Komitaten bestand und freilich der Gleichberechtigung durchaus nicht entsprechenden­­ Einfluß am Reichstage befahen. Heute aber, wo das Abgeordnetenhaus aus den auf­ Grundlage der allgemeinen Nationalvertretung gewählten Deputirten besteht, kann das Oberhaus nicht länger so bleiben, wie eg it. b. hb. e8 kann nicht länger eine aus den Magnaten, Bischöfen und Oberbeamten bestehende Korpo­­ration sein.­­ Ich glaube aber, daß jede Reform die dem Leitgeiste angemessene, stutenweise Umgestaltung der Traditionen der Ver­­gangenheit sein sol, wie wir dies in England täglich sehen ; daher wäre es nicht näm­lich das gegenwärtige Oberhaus mit einem Federstriche abzuschaffen es wäre Dies auch nicht lo­­­gisch, nachdem der niedere Adel auch in der allgemeinen Na­tionalvertretung sein politisches Recht behielt. Vielleicht könnte man bei diesem Gegenstande das im englischen Oberhause befolgte Spftem zum Ausgangspunkte wählen, wonach der schottische und irländische hohe Adel eine gewisse Anzahl von Mitgliedern aus seiner Mitte wählt, welche im Oberhause figen. Natürlich müßte bei uns daneben auch jene E­lementen ein weites Gebiet eingeräumt werden, welche die Intelligenz, die Wissenschaft und die hervorragender ven Verdienste repräsentiren. Die italienische Verfassung hat die Frage des Oberhaus­­es, oder, wie man es dort nennt, des Senates auf einer sehr demokratischen Basis gelöst, weil, während im Repräsentan­­tenhause das volksthümliche Clement, mit einem Worte die Mafse der Nation vertreten ist, bei den Senatoren auf das persönliche Verdienst, auf die geleisteten Dienste das Hauptge­­wicht gelegt wird.­­ Daher fände ich es zweckmäßig, jene fünf Abschnitte der italienischen Verfassung, in denen die Organisation des Se­nates umschrieben ist, zur Orientirung hier in Ueberreiung mitzutheilen. 33. Abs­chnitt: Der Senat besteht aus Mitgliedern, welche durch den König auf Lebensdauer ernannt werden. Die Anzahl der Mitglieder ist nicht bestimmt. Die Senatoren werden aus der Reihe der Männer folgender Kategorien ernannt, nachdem dieselben ihr vier­­zigstes Lebensjahr erfüllt haben :­­ 1. Aus den Erzbischöfen und Bischöfen des Staates. 2. Aus den Präsidenten des Abgeordnetenhauses. 3. Aus den Abgeordneten, nach der Ausübung des legislato­­rischen Berufes durch drei Geffionen, d. i. durch sechs Jahre. 4. Aus den Staatsministern. 5. Aus den Ministern. 6. Aus Gesandten. 7. Aus außerordentlichen Gesandten, nachdem sie in dieser Eigen­­schaft bei fremden Höfen drei Jahre hindurch gewirkt haben. 8. Aus den Oberpräsidenten und P­räsidenten des Kafsationss­hofes und den Präsidenten des obersten Staatsrechnungshofes. 9. Aus den ersten Präsidenten des Appellhofes. 10. Aus den Generalanwälten des Kassationshofes, aus den Oberstaatsan­wälten, nachdem dieselben in dieser Eigenschaft fünf Jahre hindurch Dienste geleistet. 11. Aus den Präsidenten des Apellhofes Dienstleistung in vieser Eigenschaft. 12. Aus den M Räthen des Kassationshofes und des Staatsrechnungshofes nach fünfjährigem Dienste.­­ 13. Aus den Oberstaatsanwälten bei den Appellationsgerichten nach fünfjährigem Dienste. 14. Aus Generälen und Admirälen. Die Generalmajore und Kontre-Admiräle können aber nur nach fünfjährigem aktiven Dienste ernannt werden. BR 15. Aus Staatsräthen, nach fünfjähriger Dienstleistung in dieser Eigenschaft. En . 16.Aus den Mitgliedern des conseil des Divisions,nach drei­­jährigem Dienste. » 17.Aus Oberintendanten,nach siebenjäh­rigen­ DieIrste. 18.Aus den Mitgliedern der­ Akademie der Wissenschaften­, sieben Jahre nach deren Ernennung. 19.Aus den Mitliedern ds Unterrichtsrathes nach sieben1ä is­­­rigem Dienste in dieser Eigenschaft. 20.Aus Männern,die durch ausgezeichnete Dienste und Be­dienste den Glanz und den Ruhm des Vaterb­undes erhöhen. 21.Aus­ Individuen,welche drei Jah­re hindurch eine direkte Stelle­­ von drei Tausend Francs zahlen,sei es votr ihrem Vermögen, sei es von­ einem Geschäfte. 22.Die Prinzen des königlichen Hauses sind von Rechts wegen Mitglieder des Senates.Sie sitzen unmittelbar nach dem Präsidenten des Senates;sie treten in den Senat in ihrem zwanzigsten Jahre; Stimmrecht besitzen sie nur vom 25.Jahre angefangen. 34.Abschnitt:Der Präsident und der Vizepräsident des Senates wird vom Könige ernann­t.Seine Sekretärej wählt derenat selber aus seiner Mitte. 35. Abs­chnitt: Der Senat verwandelt sich in einen Obersten Gerichtshof in Folge eines königlichen Dekretes, behufs Untersuchung und Urtheilfällung über Baterlandsverrath und über Verbrechen, welche die Sicherheit des Staates bedrohen, so wie auch zur Fällung eines Urtheils über die Minister, wenn diese dur das Abgeordnetenhaus in Anklagestand verlegt werden. In diesem Vale ist der Senat kein politischer Körper und ann sid blos mit gerichtlichen Angelegenheiten befalsen. Im nidrigen Falle wäre seine gerichtliche Funktion ungültig. 36. Abschnitt: Die Fälle des Ergriffen wer­dend auf der That ausgenommen, kann ein Senator­ nur auf Anordnung des Se­­nates verhaftet werden. Nur der Senat ist berechtigt, über die Verbre­­chen, welche von seinen Mitgliedern etwa verübt werden sollten, ein Urtheil zu fällen. 37. Abschnitt: Die in der königlichen Familie vorkommen­­den Geburten, Heirathen und Todesfälle werden dem Senate schriftlic mitgetheilt, welcher dann diese Schriftfuüde in seinem Archive aufbe­­wahren läßt. Das ist die Organisation des italienischen Senates ; wie wir sehen, ist derselbe eine auf sehr demokratischer Basis beruhende Körperschaft. Er ist aus den Repräsentanten der persönlichen Verdienste, der geleiteten Dienste und der Wissen­­schaft und aus den hervorragenden Persönlichkeiten der Ge­richte gebildet. Die Geburtsaristokratie kann, nur wenn sie in eine jener Kategorien eingereiht werden kann, in den Senat eintreten. Natürlich halte ich es nicht fü­r heilsam — wie bereits bemerkt — mit den Traditionen der Vergangenheit gewaltsam zu brechen ; sowie ich es auch für­­widersinnig erachten wü­rde, wollte man eine in dem einen oder dem andern Staate be­­ . nach dreijähriger obersten Allgemeine Auslagen : Militär­ btat . 47,731.641 fl. Gesandtschaften £ 780.177,, Pensionen *) Wir empfehlen diese treffliche Studie eines hervorragenden Staatsmannes zu besonderer Beachtung. OR­­en ee Ahasverus. Original: Feuilleton) Sedermann rennt die Sage von Ahasverus, dem ewigen Juden. Als unser Herr mit dem Kreuze auf den Schultern zum Tode ging, wurde er von einem Juden, welcher vor seinem Hause saß, verhöhnt. Darauf verfluchte ihn der Herr, nicht sterben zu können bis auf den jüngsten Tag und ruhelos umherirren zu müsen bis an das Ende aller Dinge. Dieser Sage haben sich namentlich in unserem Jahrhundert viele Dichter benachtigt, so von den Deutschen Goethe, Hauff, Lenau, Zepsis, von den Franzosen Sue. Sie wurde fast von allen im Sinne des Lebensüberdrusfes, der Menschenfeindlichkeit aufgefaßt und fortgebildet; und ebenfalls nur eine Fortbildung auf bdieser Grundlage wäre es, wenn ein Dichter von Kath befolgen würde, welchen Ferdinand Ahürn­­berger unlängst in einem Feuilleton der , Breffe" für die künstlerische Neugestaltung des Ahasverus gab: man möge ihn einmal auffassen als einen, dem allerdings das Treiben der Menschheit zum tel ge­­worden, nicht aber auf die ewig junge und neue Natur, von welcher er daher so ungerne schiede, als gerne von jenem. — Ob dem Menschen das Immer-Menschlice, das unermürdete Ringen nach den­ Lichte, zu einem Gegenstande des fels, ob ein solcher Zug Grundge­­danke eines Kunstwertes werden könne, bleibe hier unerörtert ; im Algemeinen jedoch muß hervorgehoben werden, daß durch die moderne Ausbildung der in das Mittelalter zurücveichenden Ahasverussage ihr eigentlicher Kern ganz unterbrüht und der tiefen Idee, welche ihr zu Grunde liegt, Gewalt angethau­t werde, indem man eine historisch nicht überlieferte unterschob. Wenn nur die Kunst dabei gewonnen hätte ! Aber man möge mir die Frage erlauben, ob es von richtiger Erkennt­­niß der Adee der Kunst zeugt, ob die legtere gewinnt, wenn man in Ahasverus den Lebensüberdruß personifizirt und verhimmelt, der das Zeichen mit ihrem Wirken fertiger Greife und mattherziger Schwächs­linge it? Nach meiner unmaßgeblichen Meinung wäre besser gethan, auf den eigentlichen Kern der Lage zurückzugreifen und der Entwick­­lung desselben ein Kulturbild zu Schaffen, tiefsinniger, poetischer, ge­­waltiger als alle Berherrlichung der Lebenssattigkeit und der schwar­­zen Galle. Wenn ich nun in den folgenden Zeilen auf den Kern der Ahasverussage zurückgreife, so gedenke ich doch weder das erwähnte Kulturbild zu schaffen, noch aug Materialien für ein solches, zur bel­­iebigen Benüsung Sol­er, die etwa von ihnen Gebrauch machen wollten, zu liefern, möchte erinnern, wie die feindselige Gesinnung des Mittelalters, welche die Ahasverusfrage sehnf, von der Gegenwart Lügen gestraft worden; hervorheben möchte ich, wie der alte Ahasverus nun endlic sein Haupt zur Ruhe legen kann, wohl in ein Grab, aber in das selige Grab, in welchem der Kummer und das alte Weh bestattet sind — in der Heiz­math, der verfühnten Menschheit, im Menschlich Hohen, Allgemeinen. Ahasverus it das Judenthum selbst, sein Gefhhd das feines Nicht Christus, der vergebende Dulver, hat den Flucht auf das Judenthum geschleudert, sondern das, dessen erhabenste Erscheinung Christus war: jene erhabene Nothunwendigkeit, welche das Weltgericht ist, die wir als Vernunft in ihren Gefegen erkennen, verwöge welcher sich alle Schuld auf Erden rät. Die Juden haben ihn, welcher der größte Mensch gebesen, der Menschheit größter Mohlthäter geworben, da er sie von der Unmenschlichkeit erlöste; sie haben ihn, welcher zuerst den Geist freisprachh und ihn wurch das eigene Beispiel Iehrte, mit Freudigt feit für die Joee in den Tod zu gehen, gefreuziget und gemordet. Nicht nur nicht haben sie dadurch die Wahrheit unterorüct — denn es gibt sein sicheres Mittel, ihr zum Siege zu verhelfen, al dab man sie unterbrüht, — sondern sie haben damit nothwendig zugleich den Zorn der nach Wahrheit ringenden, in das tiefste Herz getroffenen Menschheit auf sich geladen und ihn tragen müssen achtzehn­hundert Jahre Lang. Dies ist der Fluch, der auf Ahasverus gelastet hat. Die Römer zer­ förten Jerusalem und in alle Theile der Welt zerstreute sich das jünis­­che Bolt und irrte, heimatl., erbs, recht­, Schußlos von Land zu Land, de 8 Ahasverus, und einen der tiefsten Züge der Sage nenne­nd, hab sie in dieser äußeren Unstätigkeit die innere Unruhe und Gewissensangst dorgebildet und dargestellt. Reue und Leid ließ sie das jüdische Bolt empfinden über seine Miffethat, und die Zeiten, welche die Sage schufen und einander überlieferten, ließen das jüdische Volk wader entgeh­en und geißelten es mit Skorpionen. Und gleichsam im Bewußtsein seiner schmeren Schuld beugte es seinen Namen den grim­­men Streichen dar, „öffnete seinen Mund nicht, verstummte wie das Sanım, so zur Schlachtbank geführt wird.” 63 konnte nicht leben — denn Angst war seine Luft und Marter seine Nahrung ; für alles Un­­heil, das die Menschheit traf, wurde er verantwortlich gemacht. Brach die Weit aus, so hatten die Juden die Brunnen vergiftet, sie fehlachteten Christenkinder und trauten ihr Blut, sie entmeihten die Hostie, damit der Christenzorn stets als ein gerechtfertigter über dem Berbredervolte walte und nimmer erlöshe. 68 konnte aber an nicht sterben — unter allen Beinen hat er mit einer unbeschreiblichen Zähigkeit und Verschlagenheit an feinem Wesen, feinem zürnenden Sehova, feiner Weberlieferung, feiner Hoffnung auf den Meffias, feinen Sitten und Gebräuchen festgehalten und dadurch fi erhalten; es hat sich, obwohl nach allen M­indesicchtungen zerstreut und zerweht, ununterbrochen fortgepflanzt und jedes neugeborene Judenfind war ein neuer Träger des schredlichen Fluches, welcher über dem ganzen Stamme hing als tödtliches­­ Schwert. Darum ließ das phantasiereiche Mittelalter den ewigen Juden nicht sterben und vergeblich den erlösenden Top herbei­­sehnen, der den Bann von ihm nähme und ihn versühnte. Darum war andererseits des Ahasverus eben ein ewiges Sterben und der Tod das vergebens begehrte, einzige Leben. Das Mittelalter verging und trat der Neuzeit seine Errungens­chaften und deren Weiterführung ab. Waren die Juden früher einfach von Christen verfolgt worden, so wurden sie nunmehr zweifach von Katholiken und Protestanten gehöst und geplagt. Damals wurden die vom Teufel Besessenen, die Zauberer und Heren erfunden, und die Juden standen unter diesen Qualitäten obenan. Bis an das Ende des­­ Jahrhundertes der Aufklärung, des achtzehnten, waren sie in den Städten in gewisse Viertel­ oder Straßen gebannt, welche nicht selten allnähllich dur­­chere versperrt gehalten wurden, wie die z. B. in Frankfurt a. M. der Fall war. Erst die erste französische Revolution, in ihrer Zeit eine der erhabensten Thaten des Menschengeistes, wenn au) leider in der Ausführung mit Mord und Gräuel befleht, begann den Fluch vom armen Ahasverus zu nehmen. Sie, eine Frucht des vom Throne herab geschändeten Menschenbewußtseind und der rationa­­listisischen Philosophie des achtzehnten Jahrhundes, sprach zum zweiten Male die Menschen frei und gleich im Geiste der Wahrheit und der Liebe, wie vorlängst zum ersten Male der Heiland gethan. So spät erst ging das M­eizenforn, da dieser in den feinkräftigen Boden des menschlichen Geistes gelegt, in ährenvolle Halme auf! So lange war sein Tod für die Menschheit vergebens gewesen ! So lange auf mußte Ahasverus unität und verdammt durch die Welt irren ! Sie hätte ihm früher verziehen, wenn sie früher befähigt gewesen wäre, zu verzeihen. Erst als sie so weit gelangt war, auszusprechen, alle Menschen seien Brüder, berufen zu demselben Werke, Kinder des einen Geistes, den die Menschheit in sich darzustellen habe, und als sie es wirklich aussprach, — erst da begann die überschwere Bürde vom ewigen Juden sich zu lösen und die Zeit war nahe, wo er sein müdes Haupt zur Ruhe legen seit der Zerstörung Jerusalems eingerief, und zwar nach Paris, hat als einer der Ersten den von der französischen Revolution gelegten guten Grund nnsbar bearbeitet. Dieser Sanhevrin durfte verfünden ohne Scheu und Angst, daß Christen und Juden unter einander giftige Ehen eingehen können, da sie Brüder seien, und daß der Israelite das Land, in welchem er ge­­boren und erzogen sei oder si niedergelassen habe und den Schuß der Gefege genieße, als sein Vaterland zu betrauten habe, dem er dienen, das er vertheidigen müsse. Damit waren die Juden der Menschheit zu­­rücgegeben als tüchtige, andere Mitarbeiter, damit hatten sie wieder Heimath und Ruhe gewonnen. Die Menschheit hatte dem jüdischen Volke seine schwere Schuld, die es durch so viele Jahrhunderte fehler gebüßt, verziehen und ihm die brüderliche Rechte zum Ginfchlage hin­ gestrebt. Damit war auch der Fluch von Ahasverus genommen,­­ der Gewissensangst und des bleiben Schrecens erledigt, darf er sich für der nie verlassen am häuslichen Herde, mit voller Liebe zum mieverermordel­nen, immer jungen Leben und mit voller Freudigkeit in ihm zu mir­­ten und zu ringen um die höchsten Güter. Aber exit die neueste Zeit hat dies seit 70 Jahren inaugurirte Verführungswerk allerwärts durdjz geführt und verwirklicht. Die Befreiung der ungarischen Israeliten zu ungarischen Bürgern und ihre Konkituirung auf dem israelitischen Songreffe, der jüngst in Belt abgehalten worden, it­gl.ihlam der Schlußstein in diesem langen Ausgleiche. Be­rtan wird Ahasverus nicht mehr umherirren. Wie Nüdert die Geliebte anspricht­ ,­ du mein Grab, in das hinab id) ewig mei­­nen Kummer gab !" — so darf auch Ahasverus die allliebende, allge­liebte Menschheit ansprechen, wie wir schon im Eingange erwähnt hat­ben. Er ist gestorben den Tod der Liebe, der ja erst­ recht lebendig macht. Aber wenn so die Menschheit die häsliche Maler der rähenden Vergeltung von sich genommen, indem sie verzieh, so erwächst dar­­aus dem Judenthume die Pflicht einer anderen, Schönen Vergeltung. 68 möge auf seinen Messias mehr warten, denn es wird feiner kom­­men. Die Befreiung von der langen Knechtschaft, vom Ausgeschlosfen, fein aus dem allgemeinen Kämpfen nach Wahrheit, die ertheilte Freih­heit, vollkräftig daran theilzunehmen : dies ist der Messias, welcher der Judenschaft gekommen it, der einzige, der ihr fommen gefonnt ! Richard Müller. . . ! | | | Volkes. von Jahrhundert zu Jahrhundert. Dies it das ruhelose Schweifen ich diese Mifjet hat \

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