Pester Lloyd, Februar 1907 (Jahrgang 54, nr. 28-51)

1907-02-01 / 28. szám

­ re? — Aus Dem Klub der Unabhängigkeits-Partei. Im Klub der Unabhängigkeits- Partei, wo heute ein äußerst reges Leben­ Herrschte,­­erschienen auch Minister- Präsident Weierle, Handelsminister Franz Rosfuth und Staatssekretär Anton Günther, der zahlreiche Gra­­tulationen zu seiner bevorstehenden Ernennung zum Suftize­minister empfing. Handelsminister Kossuth und später Minister-Präsident Welerle Ton f eh­rten längere Zeit mit dem Abgeordneten Ladislaus Mestó, der später auch mit dem Staatssekretär Günther eine Unterredung pflog. Im Bartel- Hub wurden diese Berathungen mit der Kandidation Mesto’s für den Bosten eines Staatssekretärs im Justiz­­ministerium in Zusammenhang gebracht. Parteikonferenzen. Die Unabhängigkeitz- und Achtundpvier­­ziger- Partei wird morgen, grettag, 19 Feber, Abends 6 Uhr eine Konferenz halten, in welcher die Rekrutenvorlagen zur Verhand­­lung gelangen. Die reichstägige Verfassungspartei hält am Samstag, 2. Yeber, Abends 7 Uhr eine Konferenz. Gegenstand : Die Vorlagen des Landesvertheidigungs-Ministers. Verfolgte Somitatsbeamte. Eine größere Deputation­ der Beamten des Maros-Tordaer Komitat sprach heute Vormittags im Abgeordnetenhause beim Minister des Innern Grafen Julius Andrassy vor. Der Redner der Deputation, Obernotar Aladár Balla, überreichte dem Minister ein Memorandum, in welchem die Beamten um Schuß gegen jene Ver­folgungen bitten, denen sie deshalb ausgeregt sind, weil sie an den nationalen Kampfe teilgenommen und sich dem Fön. Kommissär nicht unterworfen haben. Minister Graf Julius Andrásfy erklärte in seiner Antwort, daß er sich gern der Sutereifen Sener annehme, welche dem Baterlande während des nationalen Kampfes treu gedient haben. Er gab der Deputation die Versicherung, er werde Darauf achten, daß der Patriotismus, Niemandem zum Schaden gereiche. — Die Deputation wurde dann auch­ vom S Handelsminister Franz Rossuth als dem Präsidenten der reichstägigen Unabhängigkeits- Partei empfangen, der den Beamten ebenfalls den weitestgehenden Schuß versprach. Die Deputation nahm­ die Enunziation der beiden Minister mit großer Befriedigung auf. Serbifier Kirhenfongrep. Karlocze, 31. Jänner. In der heutigen Gitung des serbi­­schen Kirchenkongresses präsidirte wegen Unmäßlichkeit des Patriarchen der Vizepräsident Gyurgyevich. Auf der Tagesordnung stand die Wahl der Mitglieder des nationalen Schulrathes und des Metropolitan Kirchenrathes. Dr. Belobrik verwahrte sich im Namen der Selbst­­ständigen dagegen, daß nur Radikale gemählt werden sollen, und verließ mit seinen P­arteigenossen den Saal. Sodann wurde die Wahl vorgenommen, worauf die Selbstständigen wieder im Saale erschienen. Dr Belobrit erklärte, der Kongreß sei nach dem Erodus seiner Partei nicht beschlubfähig­­ gewesen, was von mehreren Rennern vorderlegt wurde. Schließlich­­ wurden mehrere, das Unterricht- und das Fandationalwesen betreffende Gegenstände erledigt. Die Verpflegung der Kriegsm­arine, von 1. Feber d. 3. an wird die Verfestigung der nicht eingeschifften Mannschaft der Kriegsmarine eine wesentlic­he Berbefferung erfahren, indem b derselben von diesem Tage anstatt des bisherigen Menagegeldes eine der Schiffsverpflegung mög­­lchst angepaßte Naturalloft verabfolgt werden wird, welche aus Frühftüd, Mittagmahl und warmem Nahht­mahl beliebt. In Folge der mißlichen Standesverhältnisse­­ der Kriegsmarine war der Präsenzstand der nicht eingeschifften Matrosen­­ oft so gering, daß es nicht möglich war, mit dem ihnen zur Ber­fügung gestandenen Menagegeld eine ausreichende Kost herzustellen. Durch die Einführung der Naturalverpflegung wird diesen Möbel­­stande nunmehr gründlich­ abgeholfen und kann es nicht mehr wie bisher vorkommen, daß der Matrose während einer dem überaus anstrengenden Schiffsdienste­ folgenden Landdienstleistung in seiner Ernährung leidet. Die erwähnte Neuerung: bezeichnet somit einen beachtensnwerthen Fortschritt. DieQbsl­utetion im k­roatisch­en Landtaga Diepplittfobe Situation in Kroatien. Der hier weilende Banus von Kroatien Graf Theodor­­ Pejacsevich hatte heute abermals eine längere Besprechtun­g mit dem Minister-Präsidenten Dr.Wekerle,in welcher die durch die Obstruktion der Starosevics-Partei geschaffen­e Situation in Kroatien einer sehr ernsten Erwägung unter­­zogen wurde.Der Banus,der nicht aus­ politischen Motiven, sondern in Begleitung seiner«leidenden Gemahlin hier an­­gekommen war,kehrt morgens nach Agram zurück und wird dort zunächst Umschau­ halten,ob der Kon­flikt z­­ischen den Parteien auf gütliche 111 Wege beigelegt werden­ könne oder nicht.Wenn das Ergebnis seiner Umschau ein negatives bleiben sollte,so wird nach dem mit der ungarischen Regierung hergestellten Einvernehm­­en zunächst die Ver­­tagung und eventuell in einem späteren Zeitpunkte die Auflösung des krontischen Landtages eintreten. Es hängt lediglich von den Parteien in Agramı ab, ob man die Regierung zu der einen oder der anderen Mairegel nöthigen wird. [d ME! PESTER LLOYD Aus den Couloirs des Frontischen Landtages. Myram, 31. Jänner. In den Couloirs des Lande­tages Turfirte in den Vormittagsstunden das Gerücht, daß heute oder morgen die Auflösung des Landtages erfolgen solle. Seitens der Koalition wurde diesem Gerich­te mit Entschiedenheit entgegengetreten. Da beide Theile auf ihrem Standpunkte verharren, ist von seiner Geste Nachgiebigkeit zu erwarten. Es heißt, man wolle weder bei Hofe, noch in Budapest auf die Auflösungs­­vorschläge eingehen. Wahrscheinlich wird man angesichts der vollständigen Aussichtslosigkeit, Die Staregepicgenner zum Auflasfen der Obstruktion zu bewegen, die Geschäfts­­ordnung straffer als bisher handhaben, um den Willen der Majorität jenem der Minorität gegenüber zu verschaffen. Ar­ftares eine geanischen Kreisen wurde jedoch erklärt, daß die Partei darauf beharren werde, daß der serbische Name aus der Adresse unbedingt entfernt werden müsse. Sigung des Landtages. Agramı, 31. Sänner. Landtag.­ Nach Wiederaufnahme der Sigung bittet Vizepräsident Dr. Grahonac die Opposition, sie möge die Würde des Hauses wahren. Abgeordneter Dr. Betricsics sagt, man habe den Star­­csevicseanern den Fehdehandschuh eingeworfen, sie nehmen ihn auf. Er verliert einen sozialistischen Flugzettel, wobei er wiederholt vom Borfigenden ermahnt wird, sich an den Gegenstand " zu halten. 63 sprechen dann feitend der Opposition Die Abgeordneten Dr. Ki und Dr. Wladimir Frank, wobei es wiederholt zu Z­u­sammenstiößen zwisc­hen den Staresevid­eanern und der N kommt. Der Präsident unterbricht abermals Die Sigung. BER Nach Wiederaufnahme der Situng spricht Wladimir Frank über die Serbenfrage und fordert die Eliminirung des serbischen Namens aus der Wotreffe. Abgeordneter Dr. Sorksonics: Die Gtarcsevicseaner wollen mit Gewalt einen Bruch der Geschäftsordnung forntenk­en, um vor dem Volke ihrer Obstruktion ein Mäntelchen umzuhängen. Das Bolt it aber dieser Komödien satt. Medner weist sodann auf die Libe­­ralität des Präsidenten Medarovics hin. Nach unserer Geschäfts­­ordnung hat der Präsident die Stunde des Gigungsbeginnes fest­­zulegen, aber von der Sigungsdauer steht nichts in der Geschäfts­­ordnung. Es liege gar sein­e Hinderniß­ vor, in warum diese Sikung nicht auch bis 8 NH. Früh­ dauern sollte. (Die Otarcsevicseaner lärmen.) Jad­ufa ruft dem Dr. $orfovics zu: Sie sind der Troatische Nobespierre ! (Stürmische Heiterkeit.) Im weiteren Verlaufe seiner Nede beleuchtet Nedner das Vorgehen der Staregevicscaner; er weist eine rothe Broschüre und ein rothes Plakat vor und ruft den Starcsevicscanern zu. Das habt er druden lassen, m­ eg unter die Arbeiter zu Schmuggeln. Ihr habt er hier eingestanden, daß Eure Dringlichkeitsanträge nur einen ob­­stenftionistischen Zmeed haben. Er Hindert die Freiheit und mordet ve­n ESZE ést bin mit Euren Sandalen.­­Langanhaltender­eifall. Um 344 Uhr ordnet der Vorfigende eine einstündige Baufe an. Um 6 Uhr nimmt WBräsident Medarovicz die Situng wieder auf und betont vom Bräsidententische aus, daß im Präsidium bezüglich der Geschäftsführung seinerlei Meinungsdifferenzen bestehen. Nedner Tommi auf die Aus­führungen der Stare sevnc seaner über den Charakter der Permanenze­­itungen zu sprechen und widerlegt deren Auffassung, wobei er sich auf das vom ersten P Vizepräsidenten des Landtages Mile Starcgevics in der vorzeitigen Nachwirkung , geschaffene­­ Präjudiz beruft, wo derselbe nach Mitternacht die Gitung fortgelegt hat. Nedner betont, daß die Tagesordnung in richtiger Auffassung­­ des Meiens des Parlamentarismus entschieden das M Wichtigk­e­it und demnach vor allem Anderen eingehalten werden müsse. Um 6 Uhr Abends nimmt Dr. Hof Grant zur Geschäfts­­ordnung das Wort und spricht mit Unterbrechungen bis 10 Uhr Abends. Seine Ausführungen gipfeln in einer Warnung an die Mehrheit, die m­omentane Weberzahl zu einem Mißbrauch und zur Unterdrückung der parlamentarischen Freiheit zu gebrauchen, da der Moment eintreten kann, wo eine andere Majorität kommt und­ den Spieß umdreht. Inzwischen fanden zwischen den Parteien Befpregungen über einen Ausgleich statt und beide Gegner wählten einen aus je drei Mitgliedern bestehenden Ausschuß, welcher bis morgen einen modus vivendi zu vereinbaren hat. Die Sigung wurde dann bis morgen unterbrochen. en. See, 02, EEE > Die Vorgänge in Ruhland. Die Negierung und die Dumawahlen. Petersburg, 30. Jänner, Der Präsident des Ministerrathes sandte an Die Generalgouverneure, Gouver­­neure, P­räfekten und Kaiserlichen Statthalter im Kaukasus ein telegraphisches Nimdschreiben, worin Darauf Hingewiesen wird, daß seit Beginn der Wahlen gewisse politische Parteien die Propaganda für ihre Fadcen mit Hilfe der Breffe übertreiben, indem sie bemüht seien, Die Handlungen und Absichten der Regierung falsch zu interpretiven, um so den Erfolg ihrer Kandidaten zu sichern. Der Präsident des Ministerrathes stellt fest, daß die Vertreter der Regierung gewaltsam sich in den Kampf der Parteien nit einmischen und die Wahlen nit beeinflussen dürfen und es wird wiederholt, daß Generalgouverneure, Gouverneure und andere Negierungsvertreter Die volle Freiheit bei den Wahlen sichernd, stets nur gegen Die revolutionäre Propaganda einschreiten und alle Falschen Gerüchte über die Handlungen und Pläne der Mer­gierung dementiren sollen. Obgleich das Programm der Regierung bekannt ist, sei es immer nöthig. Darauf hinzuweisen, hat ihre Politäk nicht durch zufällige vorüber­­gehende Umstände beeinflußt werden kann Die Regierung gibt die Versicherung, daß die Neidsduma der Hauptfaltor der Defonstruktion der Staatsordnung sei, die Initiative auf dem Gebiete der Geietgebung habe und in der Regierung einen aufrichtigen Neitarbeiter im ihrer früchte­bringenden schöpferischen Arbeit finden wird. Petersburg, 30. Jänner: In dem Rundschreiben des Präsidenten des Ministerrathes heißt es weiter: Die Regierung tr­­ig der ungeheuren Schwierigkeit bemußt, die die Lösung der mit der Umwandlung der politischen und sozialen Ordnung verbundenen Fragen unter den gegenwärtigen ungemöhn­­lien Umständen bietet. Deshalb ist die Regierung sicher, daß die Umwandlung des Reiches nur gelingen wird, wenn ihre Absichten in der Duma einer Kritik unterzogen und ihre Vorlagen dort eine eingehende praktische Erörterung erfahren. Unter voller Berück­­sichtigung der­ Nehte der Neidsduma bezüglich der Gejeggebung, der Budgetbe­willigung und der Interpellationen wird sich die Negierung bei allen ihren Handlungen unmandelbar an die bestehenden Geiete halten. Die strenge Beobachtung der Geiege bietet die einzige Möglichkeit, das Vertrauen des Monarchen in die Regierung sowohl wie in Die Reichsduma zu bewahren; sie ist, daher die einzige Bedingung gemeinsamer Arbeit. Es it nothunwendig, auf die Unwichtigkeit der Gerüchte hinzuweisen, nach denen Die Regierung beabsichtige, die­­ Reichsduma zusammenzuberufen, nur, um sie aufzulösen und um zu dem vom Kaiser verworfenen Regierungssystem zurüczukühren. Die Regierung verfolgt das Ziel, die Selbtregierung der Semjtinos zu entwickeln und die Mittel der Senftinos und Gemeinmiesen mittelst finanzieller Reformen zu vermehren. Ihr Hauptziel ist die Befseiung der Lage der Bauern, nicht nur dur Schaffung von Bodenfonds, sondern aug dadurch, daß sie für jeden energischen und fleißigen Arbeiter die Möglichkeit einer eigenen Wirthschaftsführung schafft, ohne daß das Hecht Anderer dadurch verlegt wird. Die Negierung bereitet ferner Gelegenumwürfe zur Lösung der Arbeiterfragen, sowie zur Regelung der Schul­­verhältnisse und der 2otalvernwaltung vor. Hieraus ist ersichtlich, welch ein großes Werk der Neichsäume, dem Reichsrath und der Negierung bevorsteht. Die Umgestaltung des Reiches wird sich auf der Grundlage der Sicherung der Prinzipien der wahren Freiheit vollziehen, wie sie vom Monarchen verheißen ist. Deshalb wird die Regierung Alle verfolgen, welche das Recht antasten, wird streng Unruhen unterbrücken und über die Nähe des Landes machen. Sie wird zur diesem Zweckk bis zur vollkommenen Beruhigung alle gefeglichen Mittel anwenden, die ihr zu Gebote stehen. Die Dumawa­dlen, Petersburg, 31. Jänner. („Petersburger Telegraphen- Agentur.) Nach den bis zum 30. Jänner eingegangenen telegraphischen Berichten über die Dumamahlen ersten Grades ist das Ergebniß folgendes: In den Kommunen sind 7835 Wahl­männer gewählt, darunter 2292 Monarchisten und bieten Nahestehende und 4024 Gemäßigte. Unter den Uebuigen befinden sic 99 Kadeten. Unter den 3301 Wahl­­­männern der Kleingrundbesiger sind 1516 Priester. Die Lidval- Affaire. Berlin, 31. Jänner (Dörig-Telegr) Dem "Zageblatt" wird aus Petersburg gemeldet: Der Senat fällte gestern gegen Baron Frederiks, Gouver­­neur von Nischni-Noriwgorod, in Angelegenheit der Getreide­­lieferungen der Firma Lidval einstimmig das Urtheil auf Ueberschreitung der Amtsgewalt, Nacläffigkeit im Amte und Beziehung, da die Thatsache, daß der Baron 25.000 Frances von Lidval erhalten hat, erwiesen ist. Der Senat gab Sreberifz zwei Wochen Zeit,­ diese Anklage zu­ widerlegen und Gegenbeweise herbeizuschaffen. Ein vereiteltes Bombenattentat. London, 31. Jänner. Korrespondent der "Zimes" in Odessa telegraphist, daß ein Komplot entdeckt wurde, das beabsichtigte, die Handelsschule in Odessa in die Luft zu sprengen. Man fand eine Bombe mit einem Uhrwerk; wenige Minuten später wäre die Bombe erplodirt. 700 Studenten waren zur Zeit im Gebäude anwesend. Die Polizei verhaftete fünfund­­zwanzig Studenten, die im Verdacht stehen, dem SKomplot anzugehören. M­­aub: und Mordattentate, Warschau, 31. Jänner, (Drig.-Telegr.) Bei dem Direktor der hiesigen Kommerzbant erschien gestern ein bewaffneter Mann und verlangte im Namen der Sozia­ Listenpartei 1000 Rubel. Unmittelbar darauf erschienen drei andere Männer, erklärten den ersten fr­einen Betrüger, führten ihn in ein entlegenes Zimmer und erschossen ihn. Warfchen, 31. Jänner. Der Inhaber einer hiesigen P­apier­­fabrik Sp­stein wurde heute in seinem Komptoir erschaffen. Warseehan, 31. Jänner. Der Referent der Geheimpolizei Bib­or Grün wurde von Terroristen getö­tet und sein Kutscher verwundet. Die Thäter entlamen. (Orig.:Telegr.) Der An dieser Rücksicht dürfen wir auch Hoffen, daß­­ dieses Ereigniß nieder und noch der Stadt zum Vorwurf oder Nachtheil gereichen werde, und zwar umso weniger, als­ Feine Stadt dieser Provinz die Lasten des Krieges bisher mit mehr Nähe und Ordnung getragen hat, als die Stadt Rhyrich. Wir empfehlen uns ihrem ferneren Wohlwollen,und habett die Ehre mit der ausgezeichnetsten Hochachtungsz beharrexr · des Herrn Com­mandanten ganz gehorsamster Magistrat.“ Kyris, den 4. April 1807. Auszug.­ Die Kommissionäre Winung und Hirsch wandten sich in Berlin an den Divisions-General Clarke, der sofort eine Militärkommisstion (130 Dragoner und 36 Mann Infanterie vom Regiment Nassau-Usingen) nach Kyrig sandte mit dem geheimen Befehl, ein Magistratsmitglied und den Haus­besiger, bei dem das französische Geld geraubt worden war, erschiegen zut laffen. Auch der französische General hielt den Schwindler demnach für einen echten Wachtmeister. Die Exekutionstruppen langten am 5. April in Kyrik an. Die Stadt wurde beseßt, Kersten und die Magistrats­­mitglieder, darunter der Kämmerer Schulze, wurden im arretirt. Der Adjutant general Le Breur, der die Eremutionstruppen kommandirte, ließ die Thore sperren ‚amd bejegen, so daß Niemand­­ die Stadt verlassen konnte. Kriegsgerichtlich verhört wurden nur Schrader, Schulze und Kersten. Es wurde ihnen der Vorwurf gemacht, gegen die preußischen Truppen nicht ernst genug aufgetreten zu­­ sein, und 2400 Thaler der Entschädigung für Hirsch und die Gerichtsfosten gefordert. Darauf wurde ihnen der Befehl Clarke’s vorgelesen, „nach welchem die Militärkommission hieher geschickt war, um die an der Beraubung des 2c. Hirsch schuldigen Magistratspersonen und Bürger mit dem Tode zu bestrafen”. Die ganze Verhandlung erweckte den Anschein, das nicht über Schuld oder Unschuld entschieden werden sollte, sondern unter der Form einer Gerichtsverhandlung sollte der Urtheilsspruc gegen Kersten und ein Magistratsmitglied gerechtfertigt werden. Die drei Männer sahen gefaßt ihrem Schidjalen ent­gegen. HBiwischen dem Bürgermeister Schrader und dem Kämmerer Schulze kam es zu einem edlen Wettstreite über die Verantwortlichkeit. Schrader wollte als Dirigent des Magistrats die oigen auf sich nehmen, wogegen Schulze protestirte, da alle Einquartierungsangelegenheiten zu seinen Pflichten gehörten. So wurde Schrader­ freigelassen und Kersten und Schulze wurden für die Schuldigen befunden. Das war altes preußisches Beamtenthum ! Noch in der Nacht wurde den städtischen Macht­­wächtern Möhring und Kluth, die zugleich Xodtengräber waren, befohlen, sich zu jeder Stunde bereit zu halten. Die­­ Verurtheilten mußten zwischen Soldaten auf einem Wagen Plag nehmen, der zum Hamburger Thor Hinaus­­fuhr und zwischen den Scheunen hindurch auf freies Beto gelangte. Hier wurde den unschuldigen Opfern noch einmal kurz ihr Urtheil (vielleicht sogar in französischer Sprache) vor­gelesen. Keiner der beiden märkischen Männer erniedrigte sich zu einer Bitte an seine Henker. Beide verbanden sich auf den Befehl der Franzosen mit ihrem eigenen Taschentiuch die Augen. Kersten rntete auf einem kleinen Sandhügel nieder, der Kämmerer Schulze erwartete stehend mit ent­­blößter Brust seinen Tod. Beide starben als Helden! Erft die rollenden Schiffe gaben den ahnungslosen Kyrigern die Gewißheit von dem Tode ihrer Mitbürger. Die französischen Truppen verliefen unmittelbar darauf noch vor Tages­­grauen die Stadt. . Zum Schluffe führe ich in Deutscher Nederregung den von Napoleon bestätigten Urtheilsspruch auszugsweis an­ Urtheil, abgefaltet durch die laut den Kaiserlichen Decreten vom 3. November und 23. December 1806 errichtete Special-Militair-Commission, Auf Befehl des Kaisers und Könige, Napoleon, durd Gottes Gnade und durd die Conftitution der Republik, Kaiser der Franzosen und König von Italien, Unsern gnädigen Gruß zuvor. ... Die Commission versammelt sich auf dem Nathause der Stadt Kyrig, um nachbenannte Angeklagte zu richten: 1. Karl Friedvik Kersten, 25 Jahre alt, zu Neu-Ruppin geboren und etablirter Kaufmann zu sorig, beschuldigt, mit den Räubern, welche den 31. März in die­ Stadt gedrungen waren, im Einverständniß gewesen zu sein, und den Diebstahl von 1500 Rtblen­, welcher an dem in seinem Hause im Quartier gelegenen Herrn Hirsch, Lieferant der großen Armee, verübt worden ist, begünstigt zu haben. 2. Karl Friedrich Schulze, Kämmerer der Stadt Kyzig, 36 Jahre alt, geboren und wohnhaft zu Kyris, beschuldigt, mit denen am 31­sten März dort eingedrungenen Räubern im Hinverständniß ge­wesen zu sein, und nicht alle Maaßregeln, welche seine Pflicht ihm vorschrieb, ergriffen zu haben, um sich dem Eindringen der Räuber zu widerlegen und den von Selbigen begangenen Diebstahl zu hinter­­treiben, Bufolge der Stimmensammlung, melche in der Ordnung geschahe, daß die untersten Grade die ihrigen zuerst und der Präsident ,die seine anlegt gab, erklärte die Militair-Commission den Karl Friedrich Kersten und den vorgenannten Karl Friedrich Schulze einstimmig für schuldig. Die Militair-Commission ernennet einstimmig den Vorgenann­­ten: 1. Karl Friedrich Kersten, 2. Karl Friedrich Schulze die Todes­­strafe zu, zufolge des 5. Artikels des Gesäßes vom 29. Nivofe Jahr 6. Geschehen, beschlossen und geurtheilt ohne von der Stelle zu weichen in der öffentlichen Sitzung zu Kyrig, den 8. April des Morgens um 2 Uhr im Jahr 1807, und haben die Mitglieder der Commission mit dem Napporteur und Gerichtsschreiber das Protokoll des Urtheils unterzeichnet. (Unterzeichnet) . Ach. Laudevoisin. _ Rognard. Le Preux, president. Létu, greffier. Pour expedition conforme: Le Fröre, paisant fonetion de rapporteur. Le Fröre. Le Olere. + = Létu, greffier. *x Wilhelm Voigt hat Gott sei Dant nur nöthig gehabt, den ersten Theil dieses­ historischen Ereignisses zu wieder­holen. Dadurch ist es bei der Komödie geblieben. Wie leicht hätte auch in Köpenick die blutige Tragödie ent­­stehen künnen, nicht etwa Duck­ die Blutgier Des „Haupts­manns", sondern durch den starren Gehorsam der preußischen Soldaten. Wir danken es foigt, daß er sich mit der Nolle des Komödianten begnügt hat, und — — Dr. Langerhang, daß er durch willige Fügsamkeit den Ernst der Situation nicht heraufbeschworen hat.­­ j Eins aber geht aus diesem Historischen Dokument unleugbar hervor: Wilhelm Boigt’s That ist nur ein Abenteurerstücken, wie z. B. die Fahrt eines halbwüchsigen Bilihehens ins Indianergebiet. Denn auch Wilhelm Voigt verdankt Die s­chöpferische Inspiration zu seinem Handstreich der Lektüre — seine That ist ein Blagiat. Damit verliert Wilhelm Voigt aber­ viel von dem Nimbus, der ihn bisher umgab. Man zollte nicht nur seinem physischen Muthe Anerkennung, sondern stellte auch seinen Handstreich als die Schöpfung eines geistig bedeutenden Mentschen Hin. An der „Genialität” des Schusters zweifelte Niemand. Demgegenüber Halten wir Wilhelm Voigt für einen Mann, der dichhaus als Verbrecher gearbeitet hat, der jeit nicht einmal den Ruhm des genialen Verbrechers beanspruchen darf, weil er die " Idee" gestohlen hat. Aus der Kyrigiade hat er eine Kopeniciade gemacht. Er liegt im A­nteresse der Kriminalpsychologie, authen­­tisch Festzustellen, ob Bolgt die Druckchrift des Oberpredigers Bauer aus dem Jahre 1845 gelesen hat oder nicht. Ob der Gegendienst­­ mit dem berühmten Hauptmann von Köpenid Durch diese Heine „Ausgrabung" etwas zurück­­gehen wird ? Vene ERERIERIT­Ten -Rathh­ mfe A . Breitag, 1. Leber 1907 Berurtheilung eine­­ Sohnes des Barond Möller * Satomelsti. · Berlini31.Jänner·(Orig.-Telegr.)Dem.,Verline:' Tageblat wird gemeldet.Vor den Schranken des Moskauer Militärbezirksgerichtes gelangte heute ein die hohen­ Kreise außerordentlich interessirender Prozeß gegen den Sohn des bekannten Unterwerfers von Sibirien,Barons Möller-Sakomelski, gegenwärtig Generalgouverneur in den Ostseeprovinzen,zum Abschlusse. Gegen Möller jun.lagen nicht wenige bls zehn Anklagen wegen gröblicher A­uchreit­ungen gegen Zivilpersonen an öffentlichen Orten vor,welche das Militärgericht für so schmerkwiegend erachtete,daß es den Baron zum Ber­uste des Adels,Ausstoßung aus dem Heere und Einreihung in die Arrestantens Kompagnie auf vier Jahre verurtheilte. Der Verurtheilte hatte in seiner militärischen Carriere es nur bis zum Unteroffizier eines Dragoner-Regiments gebracht. Japanischeruffiige Verhandlungen. Petersburg, 31. Jänner. Wie verlautet, ist Die japanische ruffische Kommission zu einer Einigung in­ den strittigen Fragen gelangt. Die offiziellen Ver­­handlungen dürften vermutlich bald in versöhrlichem Geiste fortgeführt werden. Die Räumung der Mandschurei. Petersburg, 31. Jänner. Die Räumung der Mandschurei beginnt mit der Abfertigung des 65. Moskauer Infanterie-­Regiments,­­ Gelegraume des „Bester Te“. Die Minister Burián und Wehrenthal beim Monarchen. Wien, 31. Jänner. (Drig.-Telegr.) Heute um 17­ Uhr Nachmittags wurde der gemeinsame Finanz­­minister Baron Burián in länger als Halbsüündiger besonderer Audienz in der Hofburg empfangen. Uns mittelbar nachdem Baron Burián die Hofburg verlassen hatte, wurde der Minister des Reußern Freiherr v. Aehren­­thal gleichfalls in besonderer Audienz von Sr. Majestät empfangen. Freiherr v. Aehrenthal weilte eine Stunde beim Monarchen. Ausgestaltung des Ministerrathspräsidiums. Wien, 31. Jänner. (Orig.-Telegr.) Dem Sektionschef im Ministerrathspräsidium Dr. Rudolf Sieghart wide die Würde eines unwirklichen Geheimen Rathes verliehen. Bei diesem Anlasse hat das Ministerrathspräsidium eine Ausgestaltung erfahren. Bisher bestand es aus dem eigentlichen Präsidialbureau, dem Preßbireau und dem Rechnungsdepartement. N­unmehr kommt eine neue Geschäftsabtheilung hinzu, der die Bearbeitung aller das Verhältniß zu Ungarn betreffenden Agenden, insofern sie in den unmittel­­baren Wirkungskreis des Minister-präsidenten fallen, ob­­liegen wird. Mit der Führung­­­ieses neuen Departements wurde der Ministerialsekretär Dr. Ivan Zolger betraut. Gleichzeitig wurde der Bisherige Vorstand des Präsidial­­bureaus Sektionschef Dr. Sieghart dieser Funktion ent­­hoben und die Leitung dieses Bureaus dem Sektionsrath Sosef Klimjcha übertragen. Die erwähnten vier Ab­­theilungen­­ des Ministerrathspräsidiums wurden dem Sektionschef Sieghart unterstellt. Die Neuwahlen in Oesterreich. Prag, 31. Jänner. (Orig.-Telegr.) Der „Bolit­f“ wird aus Wien berichtet: Wie in eingeweihten Kreisen verlautet, werden die Reichsrath­swahlen am 14. Mai stattfinden und das Parlament zum Aufnahme seiner Thätigkeit für den 5. Juni einberufen werden. Demselben Delatte zufolge steht es fest, daß der böhmische Land­­tag am 8. Feber zusammentreten und bis Palmsonntag, das im­ 23. März versammelt bleiben wird. Ebenso gilt es als sicher, daß in dieser Session die neue Landtags» wahlordnung nicht zur Verhandlung ge­langen soll. « Wien,31.Jänner.(Orig.-Telegr.)Heute Vormittags versam­­elte sich der Wiener Gemeinde­­rath zu einer außerordentlichen Sitzung,um eine Kunds­gebung anläßlich der Sanktionierung der Wahl­­reform­ zu veranstalten­.Die Sitzung war nur schwach besucht, die Sozialdemokraten fehlten vollständig, von den Liberalen waren nur fünf erschienen und auch die Majorität wies große Lücken auf. Vizebürgermeister Neumayer hielt eine Rede, in der er auf die Bedeutung der Tat­reform hin­wies und stellte namens des Stadtrathes den Antrag, der Gemeinderat möge aus Anlaß der Sanktioni­­rung der Wahlreform Sr. Majestät den Dant aus­sprechen Der Antrag wurde einstimmig angenommen und die Situng dann geschlossen. i Inhaber-Jubiläum des Großherzogs von Baden, Karlsruhe, 31. Jänner. Die „Karlsruher Zeitung“ veröffentlicht Folgendes Telegramm Sr. Majestät des Kaisers und Königs Franz Fojer an den Großherzog von Baden: „Seit einem halben Jahrhundert führt nunmehr mein Infanterie-Regiment Deinen erlauchten Namen und freudig nimmt es Diesen denkwürdigen Anlaß wahr, um durch Abgesandte seines Offizierskorps Dir als dem Muster soldatischer Tugenden zu Huldigen, Dich seiner innigen Dank­­barkeit fix, die ihm vielfach zugewendeten Gnadenbeweise zu versichern und Dir in treuer Ergebenheit das Deinen fünfzig­­jährigen Beziehungen zu meiner Armee sichtbaren Ausbruch verleihende Militärdienstzeichen File Offiziere darzubringen. Den Glühwinschen der Regimentsdeputation zu Deinem heute von Dir gefeierten Jubiläum schließe Ich aus ganzem­­ Herzen auch die Meinen an, welche in der zuversichtlichen Hoffnung gipfeln, daß Mir von der Beziehung in Dir recht lange ,ein Tiebwerther Freund und Meinem­nfanterie- Regiment Nr. 50 der verehrte Inhaber erhalten bleiben möge, lang Fojer." Der Großherzog von Baden hat hierauf Sr. Majestät seinen wärmsten Dant telegraphisch ausgesprochen. Karlsruhe, 31. Jänner. (Dorig.-Telegr) Bei der Hoftafel zu Ehren der Offiziere des 50. österreichisch­­ungarischen Infanterie-Regiments hielt der Großherzog eine Nede, welche folgendermaßen lantet: Meine verehrten Gäste! Da Sie mich aufstehen sehen, so kann sein Zweifel sein, daß ich unseres theueren, verehrten Kaisers von Oesterreich gedenke. Die Dankbarkeit dafür, daß er zum Jubiläum, das ich begehen durfte, eine Abordnung des 50. Infanterie­regiments­ beordert hat, bieder zu­sommen, ich sage, die Dank­­barkeit meinerjeit m it sehr groß und ig. habe versucht, einstweilen Sr. Majestät diese Dankbarkeit Fund zu geben. Ich darf aber wohl noch wenige Worte anschließen, um Ihnen­ zu sagen, wie ich zu Sr. Majestät stehe. Wir haben uns kennen gelernt im Jahre 1842. Da war Sr. Majestät noch ein seder junger Herr, aber ich hatte die schöne Gelegenheit, das Familienleben des Kaisers und der Seinen kennen zu lernen und habe bei diesen Anlässen wiederholt die Wahrnehmung machen können, weldh liebevolle Fürsorge Erzherzogin Sophie der Familie gewidmet hat. 63 vergingen dann viele Jahre, bis ich wieder Gelegenheit fand, Se. Majestät zu sehen. Es war das bei seinem Regierungsantritt, wie der Kaiser die Residenz in Olmüg beziehen mußte. Sie willen Alle, unter mel shweren Verhältnissen der Kaiser Diese Regierung antrat. Aber auch dann war es erfreulich zu sehen, mit welcher Hingebung, Pflichttreue und auch großer Entschiedenheit er sich seiner Aufgabe gewidm­et hat. Ihn damals beobachten zu dürfen, war es großer Vorzug für mich, der ich von meinem Vater gesandt war, ihn zu bewillk­mmmen in dieser neuen Stellung. Wenige Jahre nachher Hatte­ der Kaiser die große Gnade, mich zu den Mandvern in Italien, in der Lombardei einzue­­nden. 683 war zu der Zeit, da Madepky das Oberkommando hatte und Ge. Majestät, ich darf mehr sagen, unter Nadegky. selbst Die Führung leitete Mährend ungefähr act PV

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