Pester Lloyd, Juli 1910 (Jahrgang 57, nr. 168-181)

1910-07-16 / nr. 168

> «­­ TDMM«« , dem König unterbreiten. An diesen Faktoren liegt es sodann, ob die Demission angenommen wird oder nicht. Es sind ferner vor der Entscheidung der Koalition­­ Besprechungen zwischen dem Minister­präsidenten und dem Banusgar nicht in­­ Aussicht genommen. Es besteht im Augenblic­k also nun sein Konflikt zwischen den­ froatischen­ Abgeord­­­­neten und dem Banus v. Tomasi­s. Wohl aber ist die Konflikt und die Krisenfrage ge­­stellt, auf die eine rasche und bündige Antwort­ er­­wartet­ wird. ús 03. fie nr va LE 4 ő dr EGER VR he R LLOYD 5 IRTT ; / ú Aus dem Reichstage. Budapest, 15. Juli. Ein blutjunger Mann, der schon eine Brille trägt, mutet eigenartig an. Der Jüngling muß viel gelernt haben, da er sich so bald­ die Augen verdorben hat. Weider trägt der junge Abgeordnete Karl Dukár zwei Brillen. Er hat sie die Augen zweifach verdorben. Was­­ er gelernt und was er gesehen hat, ist unverfälscht voltal­parteiisch, er kann die Welt überhaupt nur doch die Brille der­ Volkspartei betrachten. Die anderthalbstündige Nede, mit der er sich heute vorgestellt hat,­­ ist daher­ nichts an­­deres als eine,mit manchmal zündenden, manchmal ver­­­­jagenden Raketen beleuchtete Paraphrase des Adreßent­­wurfes der Volkspartei: Ein einheitlicher Gedanke, der die Iofe aneinander gereihten politischen Sache zusammenhalten könnte, geht der Rede ab. Red und frisch war sie­­ aber vorgetragen und mit einem jeden Seitenhieb gegen das Mitglied der Partei der nationalen Arbeit Propst Alois­­ Rudnay erreichte­­ er, daß er­­ als­­ erster Sturmberaufbe­­schwörer des neuen Haus­es gilt. Denn. dieser rede. Seiten­­hieb hatte zur Folge, daß Propst Alois Rudnay, eben­­falls ein Neuling im Parlament, aber von ernsterer Sorte, in seiner fulminanten Rede die nicht eben christlich an­­mutenden Wahlagitationen der Volkspartei enthüllte. Diese Blütenlese, von den Lippen eines katholischen Geistlichen, eines ehr­würdigen Propstes vernommen, wirkte doppelt faszinierend. Nun sind es nicht die abscheulichen Liberalen, auch nicht die verfluchten Freimaurer, die da Klage führen, daß die cristliche Volkspartei selbst das Kreuz bejubelt, wenn es gilt, den Sieg der Agitatoren zu fördern. Propst Alois Rudnay führte aus der Geschichte seiner eigenen Wahl Zwischenfälle an,­­ die berechtigte­­­ Zweifel einweden können, ob die Bolfspartei, wie in der großartigen ez­gende Tostojewskis, nicht Christum, selbst vertreiben würde, sollte der Heiland einmal erscheinen und den argen Ums­­trieben der Volkspartei Einhalt tun wollen. Natürlich war der Sturm im Augenblick da. Abt­­ Johann Molnár, fest alleiniger Führer der Partei, diri­­gierte mit Bliden, die seinesfalls liebevoll und shristlich ,bewegt zu nennen sind, und der ganze Chor fiel sogleic ‚in­ die Rede des Propstes Alois Rudnay, ein. Alte und de, im geistlichen , Gewande und,.in . Zivilkleidern, schleuderten dem ruhigen ‚Abgeordneten von Privigye .- garstige, Investiven zu. Der Abgeordnete Georg v. Gye­­csányi mußte zweimal zur Ordnung gerufen werden. Sein jüngerer Kollege Stefan Haller konnte auch kaum gezügelt werden. "Und der Halbneuling Abgeordneter Jo­­hann Zelenyak, einst die erste Schwalbe im Parlament, die das Nahen der Volkspartei anzeigte, war auch ehrlich bestrebt, zu beweisen, daß er in den Jahren des Erils nicht weniger grob ge­worden ist. Da wurde gejammert und auf­ die Bänke gehämmert, gejohlt und erkimpft, ‚und wäre, just ein Fremder in das Haus gefommen, hätte man ihm zeigen und jagen können: — a, diese Liebe, ehrwü­rdige, friedliche Gruppe, das ist die christliche Volkspartei. Propst Alois Nudnay hielt aber dem Fünstlichen Sturm ruhig Stand und hatte mit seinen Ausführungen auch außerhalb der Majorität Erfolg. Denn allzu großer Bollstümlichkeit kann sich Die Bollspartei bei seiner Partei des ungarischen Parlaments berühmen. Und die Tiebebolle, er istliche "in ihrer Agitationen genugsam bekannt. In die z­­eite Hälfte der Citung teilten sich zwei jüngere Mitglieder der Justizpartei. Der Abgeordnete Desider Abraham sprac, länger, sein Kollege Martin Lovaßy Fürzer und­ eleganter. Er wählte das einzige Thema der Wahlreform, das beleuchtete er aber: von allen Seiten. An der Form elegant, im Wesen sachlic­­hd, gründlich, fand er in der Munde aufmerksame Zu­ Örer. Morgen wird die Debatte fortgelegt. Wie lange noch? Es gibt Optimisten, die da hoffen, daß es nun rasch zu Ende geht. Wie es heißt, kündigt die s­chwarze Tafel kaum noch einige Namen an. Aber das will nicht viel bedeuten. s­n „Die heutige Situng des Ab­folgers den weiteren Verlauf::­­­­Nach der Pause übernimmt Vizepräsident Ludwig Navay den­ Vorsitz, Bi · . AbgeordnetetDesiderÅbrahåm:" Nach fünfjährigem Exil,führt dechdi1eraus,sin­d die Anhän­­gest­»der früheren liberalen Partei m­it allen Attributen dieser­ Partei wieder auf­ dem Plan erschienen und—haben unter dem N­amen«der Partei der nationalen Arbeit eine scheinbar neue Partei gebildet.Der Name ist wohl Sache der­ gutes.­Was sie jedoch für nationale Arbeit hält,da gibt schon einne nationale Angelegenheit­»Die nationale Arbeit begann mit den unerhörtesten Wahlmißbräucherk,welche in­ der NatioIt jedes­ Schamgefühl zu ver töten geeignet sind.Angesichts­ dieser Mißbräuche muß der Vorwurf zurückgewiesen werden, daß die Opposition, die Abredebatte ,auslos Hinziehe. Von allen dringenden­ Fragen, den administrativen und militärischen,­­ sucht Graf Stefan Tipa die­­ Auf­­merksamkeit durch das Aufwerfen­ der Großmachtfrage abzulenken. . Die Thronrede sowohl wie auch die Adresse der Majorität betonen ,beson­­ders die wirtschaftlichen Fragen, welche zum Falle der Koalition führ­­ten. Hier ist die wichtigste die Bankfrage. Die Adresse der­ Majorität verlangt die Errichtung der Nationalbank nicht. Sie will in die Ver­­längerung des Privilegiums der gemeinsamen Bank willigen, wenn das mit Wahrung aller berechtigten Ansprüche Ungarns geschehen kann, und verlangt energisch die Aufnahme der Barzahlungen. Wie es aber mit dieser Energie besteh­t ist, wissen wir ganz gut. Sie, Hält vor, solange ihr sein Königliches Veto entgegentritt. Die Adresse­­ geht überhaupt über die Frage der wirtschaftlichen Selbständigkeit leicht­­mütig Hinweg. Sie tut diese so große, diese entscheidende Frage mit der Phrase ab, die Regierung werde sozialpolitische Institutionen schaf­­fen. Doch­ mit sozialpolitischen Institutionen allein kann man die wirt­­scaftliche Selbständigkeit nicht erreichen. Das will aber die Mehrheit auch gar nicht, sie will auch weiter, die wirtschaftliche Einheit, obwohl diese Einheit seit dem XVI. Jahrhundert uns Desterreich ausliefert. Sind wir doch exit in der jüngsten Vergangenheit darü­ber belehrt wor­­den, daß diese Einheit nur Desterreich frommt. AlS wir gegen den­­ Zollvertrag kämpften und die österreichischen­­ Fabrikanten nicht wußten, ob der Zollvertrag zustande kommen­­ werde, kamen aus Oesterreich zahlreiche Anbote, in Ungarn Fabriken zu errichten. Kaum war aber der Zollvertrag geschlossen, wurden diese Offerte zurückgezogen. Auch mit der Frage der Wehrmacht, wird ein mutwilliges Spiel getrieben. Am Jahre. 1906 äußerte sich die Krone dahin, sie werde in der Wehr­­frage einen Waffenstillstand eintreten lassen, bis das wahre, das Volts­­parlament in den Reichstag einziehen wird, Wo ist jebt das Molfs­­parlament ? Und doc sagt die Thronrede, daß die Ent­wicklung­­ der Wehrmacht eine unabweisbare, brennende Notwendigkeit geworden ist. Doch über alle­ diese Fragen schweigt sie Graf Tia aus und­ schiebt die Nationalitätenfrage in den Vordergrund, die er durch polizeiliche Präventivmaßregeln lösen will. So steht es um den Liberalismus: der ganzen Negierungspolitik. Der Redner unterfragt den Adreßentwurf der Luftpartei. (Zustimmung links.) Abgeordneter Martin Lovary verwahrt sich gegen den Vorwurf, die Achtundvierziger-Partei habe es unterlassen, die Massen des Volkes über die Bedeutung der Bankfrage aufzuklären. Denn die Partei des Renners agitiert schon seit vielen Jahren im Volke für die Errichtung der selbständigen Bank und be­lehrt das Volk in Volksversammlungen über die Notwendigkeit der Banktrennung. (Bwijdjenruf rechts: E3 glaubt nit daran!) E3 glaubt daran, und wenn sein Wille bei den Wahlen frei zum­­ Aus­­druck gelangt wäre, würden jecht im Abgeordnetenhause mindestens ebensoviele Anhänger als Gegner der selbständigen Bank fiten. (Wider­­spruch rechts.) Diese Wahlen waren eine schredliche Fälsschung " des Boltswillens, eine Fortlegung des früheren liberalen Systems, "des Systems, welches glauben machen will, daß wir das Rekrutententin­­Er nicht der Dynastie, sondern uns selbst bewilligen. Wäre das ber­­all, wie kommt es dann, daß wir auf die auswärtige Polität seiner­ Einfluß nehmen können, daß uns, wenn wir unser Necht auf Vers­­weigerung der Mefruten in Anwendung bringen wollen, mit unend­­­lichen Elend und Leid gedroht wird? Dasselbe System macht auch di Ministerverantwortlichkeit illusorisch, indem es zu geeigneter Zeit das­ Parlament vertagt oder auflöst. Er vertraut, die Handhabung des Vereinsrechtes dem Minister des Immern an, das Versammlungsrechtl dem Gntdünfen der Polizei. Welchen Sinn, welche Bedeutung hat also dieser Liberalismus ? Er vergeht sie gegen die öffentliche Freiheit, und richtet im Verfassungsleben nur Verwüstungen an. Das Haben­ wir jeßt bei den Wahlen gesehen, die einen Schandfled in der Ges­chichte des XX. Jahrhunderts bilden. (Lebhafte Zustimmung unte. Widerspruch rechts.) Die Nation wird nicht ruhen, bis sie ein Wahl­gejäß erhält, welches die Mittel zu solchen Wahlen nicht bietet. Kommt eine Majorität durch solche Wahlen zustande, so hört die Krise nich auf. Derartige Wahlen bergen den Keim zu einer ganzen Reihe von Krisen in sich. Den Verfechtern des allgemeinen, gleichen, geheimen­ Wahlrechtes wird entgegengehalten, daß sie durch ein solches Wahlrecht­ die Staatseinheit und die Suprematie des Ungartums aufs Spiel’ regen. Und jene, die diesen Vorwurf erheben, planen ein Wahlrecht, bei welchem sie sich gerade auf jene Voltsshichten fragen, in welchen­ die Nationalitäten übertriegen. Der Redner ist überzeugt, das allge­meine Wahlrecht würde in seinem Falle die Suprematie der ungarischen­ Nation gefährden, was er durch statistische Daten über die Verteilung­ der Nationalitäten in den Wahlbezirken beweisen will. Das dreibige­ jährige liberale Shitem hat dem Ungartum viel mehr geschadet, den es hat einen großen Teil des Wolfes zu Broletariern gemacht und zwei Millionen gute” ungarische " Batriotem zum Auswandern gezwungen. (Lebhafte Zustimmung. links.) Die Demokratisierung Ungarns Tanır nur doch das allgemeine, gleiche und­ geheime Wahlrecht erfolgensi (Zustimmung Tinta.) Der Renner‘ nimmt den Entwurf des Grafen­ Theodor Batthyány an. (Lebhafte Zustimmung und Elfenrufe Tinta.) Präsident bricht mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Zeit Die Debatte ab. 2. Ministerpräsident Graf Karl Khuen-Hedervary unter­breitet die Berichte des Staatsrechnungshofes über die Abrechnung mit Staatien für das­ Jahr 1909, über die Kreditüberschreitungen und unpräliminierten Ausgaben im vierten und im Nachtragsquartal des Jahres 1909, und im ersten Quartal des Jahres 1910. Die Berichte werden­ dem Finanz-,beziehungsweise dem Schluss­rechnungsausschusse zugewiesen,worauf die Sitzung nach­ Feststellung«g», der Tagesordnung für die nächste Sitzun­g um 2 Uhr geschlossen wird. Nächste Sitzung morgen um 10 Uhr vormittags.Tagesordnung: Anmeldung«der Einläufe,Verlesung des Antrags und des Inters­pellationsbuches,Fortsetzung der Adreßdebatte,­­ in dern­s« geordnetenhauses nahm ·­­ Der­ Gesetzentwurf über die Anleihe.« Budapest,15.»Juli.s Der Finanzaussau des Abgeordnetenhauses verhandelte und akzeptierte in einer heute abends 6 Uhr abgehaltenen Situng den­ vom Finanzminister Ladislaus v. Zufacs vor wenigen Tagen im Parlament unterbreis­teten ©efegentwurf über die Investitionen, über die Eins­tösung der Scha­bons und über die Stärkung der Kastens bestände, wie endlich über die Bededung aller dieser Aus­­gaben. Die Beratung wurde von dem Präsidenten des Ausschusses Abgeordneten Ludwig Lang geleitet und­ nahm, den nachstehend sfizzierten Verlauf, Berichterstatter Graf Widenbluth: Das Ansehen von 560 Millionen, das der Herr Finanzminister in Anspruch nehmen will, verteilt sich nach­ den vorgeschlagenen Dispositionen fol­gendermaßen :" In erster Reihe werden für neue Investi­­tionen in Anspruch genommen, und zwar für die Beschaffung von 1960 Lastwagen und 50 Lastrondusteurwagen 9,315.185 Kronen, ferner für Die auf das Jahr 1910 entfallende Rate des im Skvefitionsgeld votierten Simvestitionsprogramms 71,571.117 Kronen, zur Einlösung der auf Grund des G.A­LIV . 1908 emittierten viereinhalbprozentigen­­ Staatsrasjen­­scheine 215 Millionen, zur Refundierung und Ergänzung der Kaffenbestände 264.113.698 Kronen, insgesamt 560 Millionen Kronen. Die an zweiter Stelle aufgenommene Investitionsrate hätte auch ursprünglich durch eine Rentenemission gedecht werden sollen. Die zur Refundierung des Kaffenbestände angesprochene­ Summe ist folgendermaßen kalkuliert: Zur Ergänzung der Kaffenbestände auf den Status im Jahre 1903 dienen 95.259.627 Kronen, zur Deckung der von der gegenwärtigen Regierung aufgenommenen schwebenden Anleihe 100 Millionen fichen Menzel fieft man dann ‚beide Maler, den wild bildenden ‚Schrobenhausener Maurerssohn und dem fein fultivierten Wiener mit feinem, blonden­ Ban-Dyd-Kopf, sich in einer Goilee beim Kronprinzen Friedrich begra­­­bend. Auch Bismarc ist auf dem Bilde und noch viele Unsterbliche aus jener großen Zeit. Uebrigens ist Angeli nicht bei den Erfolgen der Sieb­­ziger- und Achtzigerjahre stehen geblieben. Wenn er auch seine Wurzelfertigkeit­ aus den Tagen des sogenannten Menaissancismus nie verleugnete und­ die gewagten Expe­­rimente der modernen Franzosen nie mitmachte, so hat er doch allmählich­ eine moderne Einfachheit der Auffassung­­ und der Farbenskale an die Stelle der­ früher beliebten rötlich Khimmernden Namenspalette gejebt. Am trefflichsten "gelang ihm das vor fünf Jahren in dem viel bewunderten Porträt eines mageren, glattrasierten älteren Herrn. Im folgen Werfen sett Angeli die­ besten Wiener Traditionen eines Waldmüller fort, und wie­ d­ieser erinnert er in der sachlichen Klarheit und der virtuosen Zeichnung an den großen Vorläufer Holbein. Muß man erst sagen, daß, nicht jedes der vielen Bildnisse, auf dieser Höhe steht, daß der „vielbegehrte Meister auch nüchterne­­ Momente hat? Dann darf man’ aber auch Hinzufügen, daß er niemals dem­ ‘singenden Lohn’ zuliebe (und der ist oft sehr verlobend, denn Angeli hat neben den Fürstlichkeiten auch Finanz­­leute wie Schoeller und Bollat samt werter Familie zu “Zonterfeien) eine mindertwertige oder­ flüchtige Arbeit, aus der Hand gibt. Daher kommt es, daß Angeli, troßdem er Präs­ent der „Genossenschaft” ist, auch von den jungen Radikalen mit Merpert, wenn auch­ nicht mit Begeisterung genannt wird. Die jungen Künstler seiner Partei aber verehrten ihn als väterlichen Freund und Förderer. Mem­ möchte glauben,­daß die Wirksamkeit solcher Demehmes Autoritäten—die gesamte Kunstauffassung der Stadt und die Behandlungsweise künstlerischer Fragen auf zeins höriges Niveau zu heben geeignet wäre.Dem ist aber »uGt-xfo.zleicht·nur die Anwilkungen­­ eigenartiger Kunst- MCH«.P.UYme«ngemang die periodiiglilixhs wiederholenden Zusammenstöße von Künstlern und Be­hörden zeigen jedesmal recht deutlich die weite Kluft in den Anschauungen. Kürzlich ist es wieder zweimal passiert, daß Funktionäre der Gemeinde sich gegen die Aufstellung von Denkmälern ausgesprochen haben, weil nadte Figuren darauf zu­ sehen­ sind! Im­ schönen Türfenschanzpart draußen, beim Währinger Sottage sollte ein Denkmal für den­ Wasserheilbringer Prieking errichtet werden, mit Be­mußung eines vorhandenen Entwurfs von Fernkorn. Von dem Komitee war Bildhauer Sschwerdtner mit der­ Aus­­führung betraut worden, und er hatte in Anwendung­­ be­­­währter Denkmaltypen­­ seitlich eine Wassernire angebracht, die ein Lorbeerreis zur Büste emporhält. Ich betone gleich, daß mir die Stellung und Duchführung dieser nackten unweiblichen Figure auch nicht ‚gefällt, aus fünstlerischen Schwerdtner it ein sehr­ geschickter Medailleur und Steinplastiker, besonders­­ feine Sportstatuetten haben recht viel CHid, aber gerade diese Aufgabe liegt ihm nicht recht. Nun, diese Mängel wären vielleicht ‚an dem­ ent­­legenen Aufstellungsplan, am Wiesenrand jenseits einer Heinen Brüde, nicht m­ehr aufgefallen. ‘Der Gemeinderat Brettengel aber fand, daß die Anbringung einer nacten Mädchenfigur indezent und für Die Bittlichkeit der um­schuldigen Jugend in den Varorten gefahrbringend sei. Er beantragte die Ablehnung der Arbeit, und er scheint, daß er mit seiner Ansicht durchdringen wird. Saum­ haben sich Die­ Gemüter der Gemeinderäte über dieses unsittliche Attentat beruhigt, so folgt — nach dem Geseße Der Serie — der zweite Fall, diesmal im ersten Bezirk. . Und fest gilt die Entrüstung­­ der männlichen Körperform. Ein Kunstfreund hatte im Vorjahre Die in der Sezession ausgestellte Plastiz von dem mäßig be­­gabten Hellmershofer Sofer Müllner angefauft und der Stadt Wien gewidmet: ein nacter, kräftiger, Jüngling fit ‚auf einem gedrungenen­ Pferd,­­beschattet mit einer Hand die Augen und späht in die Ferne. Auch in Die­sem. Falle: muß­­ ich leider bekennen, Daß die Arbeit künst­­lerisch nicht einwandfrei­ ist. Vor­ allem ist die­ Idee nicht­ originell: der besonders als Tierdarsteller­ische tüchtige Bildhauer Ferdinand Gornik hatte schon vor fünf Jahren denselben Gedanken viel realistischer behandelt und im vorgeführt: einer Landesausstellung zu Klagenfurt Damals war er ein derber Bauernbursche, blog mit Hosen befleidet, der bei einem Nitt übers Land seinen derben Gaul anhält und auslugt.­ Müllner. Hatte das Thema verallgemeinert, wohl mit der Absicht, es zu idealisieren, hat die Sache aber dadurch nicht verbessert.­ Auf­ den Sobel schrieb er die falsch zitierten Worte Goethes: „Sorgenlos (statt „sorglos“) über die Fläche weg, Wo von seinem Wager die Bahn Du noch vor gegraben siehst, Mache dir selber Bahn!“ Der junge Goethe hatte das Bild des fühnen Schlittschuhläufers vor Augen, der über unberührte glibernde Eisflächen vorwärts­ stürmt. „Kracht es gleich, bricht’S Do nicht ein, Bricht es auch, bricht’s nicht mit die!” Tautet der jede Schluß des Gedichtes. Mo für eine Reiterfigur ist das Motto nicht recht passend, und überhaupt ist das An­bringen von Gedichten auf Kunstwerten eine echt beta­ altete Schöngeistige Sitte. Das alles hätten die Gemeindevertreter des Bezirkes Innere Stadt vorbringen können, wenn sie es gewußt und verstanden hätten. Aber sie schrecte nur die gefähr­­liche Nactheit des Jünglings. An den Lothringerstraße, 10 nahe beim Akademischen Gymnasium und dem Sport­plat für die Schlittschuhlaufende und tennisspielende Ju­gend durfte man eine solche Figur nicht aufstellen Und der Gemeinderat lehnte die Schenkung ab. Also ganz „ergenlos“ ist der nacte Süngling fest nicht mehr. Ueber glatte Eisflächen mag er reiten, ohne zu rutschen und ein­­zubrechen, Dog über die Harttöpfe der Bürger ins Weich­bild der Stadt einzudringen, geht nicht so leicht. Der Bildhauer wird ihm wieder die Hosen anziehen müssen, die er in dem Entwurf von Gornit Schon anhatte. Und wie immer, wenn zwei sich streiten, lacht sich ein dritter: ins Fäustchen: die Witblätter haben wieder Stoff! Gründen. § § Biss A. T $ ai A Pr

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