Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1931. május (78. évfolyam, 98-121. szám)

1931-05-01 / 98. szám

3PTESTER LLOYD #4» Abgeordnetenhaus. Auch in der fortgesetzten Sitzung des Abgeordneten­hauses __ siehe unseren Bericht im Abendblatt stand noch der Volkswohlfahrtetat zur Verhandlung. Die De­batte dauerte bis etwa abends 6 Uhr, um welche Zeit ’Volkswohlfahrtminister Dr. Ernszt sein Schlußwort be­ginnen konnte. Seine großzügige Rede, die wir weiter ■unten ausführlich reproduzieren, hat auf allen Seiten des Hauses großen Eindruck gemacht und Anlaß zu stürmi­schen Ovationen für den Minister gegeben. Nach der Rede des Abgeordneten Pegcr, über die wir schon berichtet, sprach zunächst Abg. PIN'IÉR (Einheit), der unter anderem ausfii Irrte, daß er mit dem geist­lichem Gewände wohl nicht in Widerspruch gerate, wenn ■ er feststellc, daß besonders konservative Kreise von einer gewissen Nervosität erfaßt wer­den, wenn man. behauptet, daß das1 kapitalisti­sche System vor dem Bankerott stehe. Der Fehler liege darin, daß man den Kapitalismus oftmals mit dem Privateigentum verwechsle, und wenn man die Auswüchse des Kapitalismus kritisiere, dann wird diese Kritik so aufgefaßt, als würde sie sich gegen das Privat­eigentum richten. Das Privateigentum ist wohl ein Heiligtum, aber auch Heiligtümer haben soziale Pflichten. Anläßlich der Jahreswende hat ein ungarischer Kirchen­fürst einen Hirtenbrief erlassen, der ganz offen gegen den Egoismus des Kapitalismus Stellung genommen hat, in Born aber ist dieser Hirtenbrief mit einer gewissen Be-. friedigung aufgenommen worden. In Ungarn sind die sozialen Übelstände zuerst von der Kirche erkannt wor­den, die nichts anderes wünscht, als daß das Kapital, das sich in den Händen einzelner befindet, zum Wolile der Menschheit fruktifiziert werde. Man dürfe nicht vergessen, daß der wirtschaftliche Egoismus den Boden für den Bolschewismus vorbereitet, daß der Bolschewis­mus von jenen hartherzigen Menschen gefördert wird, die das Massenelend nicht wahrnehmen wollen. In der Nachmittagssitzung sprach als erster Abgeord­neter LÁZÁR (parteilos-opp.), der konzedierte, daß seit dem Amtsantritt des Votkswolvlfahrtnihiisters Dr. Ernszt in der Versorgung der Kriegsinvaliden eine entschiedene Besserung eingetreten sei, und daß die Kriegs!invaliden, die zehn Jahre hindurch für ihre Rechte kämpfen mußten, in den verflossenen Monaten endlich die paar Heller erhal­ten haben, die ihnen gebühren. Auch dieser Redner befaßte sich mit mehreren aktuellen Problemen der Sozialver­sicherungsanstalt und trat mit großem Nachdruck für die freie Ärztewahl hei dieser Körperschaft ein, für die auch der vor einigen Wochen in Miskolc abgehaltene Ärztetag eine Lanze gebrochen hat. Den Etat lehnte dieser Redner, wie er sagte, ausschließlich aus politischen Gründen ab. Abgeordneter Baron KRAY (parteilos) trat sehr ent­schieden der Auffassung entgegen, als müßte das Volks­­wohlfahrlministerium wegen der seinerzeit aufgedeckten Mißbräuche aufgelassen werden. Diese Mißbräuche sind glücklicherweise sporadische Erscheinungen und der über­wiegende Teil des Beamtenkörpers erfüllt restlos seine Pflichten. Das größte Übel besteht unzweifelhaft darin, daß der Kapitalismus den schwierigen Problemen der Ge­genwart nur geringes Verständnis enlgegenlbringt. Die Sa­nierung der immer mehr in den Vordergrund tretenden sozialen Übel ist Christenpflicht und man kann sagen, daß in der christlichen Religion alle jene Prinzipien und Wahrheiten niedergelegt wurden, die zur Lösung der so­zialen Probleme geeignet sind. Abg. Dr. IIEGYMEGl-KISS (Lib.-Opp.) urgierte die Inangriffnahme der öffentlichen Arbeiten, die infolge des bnreankratischen Systems nur langsam vonstatten gehen. Zu den wichtigsten .Aufgaben des Volkswohlfahrtministe­­riums, sagte er dann, gehört unstreitig der Kinderschiitz, ein Problem, das bislang durch die Landes-Kindcrschutz­­liga gelöst worden ist, deren Tätigkeit vom Volkswohl­fahrtministerium und vom Ministerium des Innern kon­trolliert wird. Diese beiden Ministerien haben aber ihre Kon trollpflicht nur sehr oberflächlich und verspätet er­füllt. Es hat sich bei der Liga ein Defizit von 240.000 Pe-ngö ergeben, so daß die Leitung bemüßigt war, sich behufs Sanierung an das Volkswohlfahrtministerium zu wenden. Man ist aber auch noch anderen Dingen auf die Spur gekommen. Eine Persönlichkeit schuldet der Liga auch heute noch 28.000 Pengő, während eine an­dere eine Schuld von 50.000 Pengő zurückbezahlt hat. Außerdem sind bei der Liga seinerzeit 20 Millionen Papierkronen unterschlagen worden. Die Sache ist aber im Sande verlaufen. Ein Beamter hat 48.000 Pengő defrandiért; er befindet sich heute in einer Irrenanstalt, während ein anderer Beamter, der ebenfalls eine , hohe Summe unterschlagen hat, in den Ruhestand versetzt wurde. Gegenwärtig wird die Liga neu organisiert, in die Direktion sind neue Männer gewählt worden und hof­fentlich wird sie jetzt eine segensreichere Tätigkeit ent­wickeln. Die Schuldtragenden aber, sowie auch jene, denen die Kontrolle oblag, müssen zur Verantwortung gezogen werden. Abgeordneter Dr. Andreas GÄL (Einheit) befaßte sich fast ausschließlich mit der Lage der Apotheker, die er in den düstersten Farben schilderte. Diese Lage ist seiner Überzeugung nach hauptsächlich darauf zurückzu­führen, daß in den verflossenen Jahren Apothekerlizen­zen in übermäßig großer Zahl bewilligt worden sind und daß die Drogerien und Medikamentenhändler den Apothe­ken illegale Konkurrenz machen. Da letztere mit einer viel geringeren Regie árliciten als die Apotheker, können sie die meisten Artikel zu einem viel billigeren Preis ver­kaufen. Während des Krieges ist in Budapest ein staat­liches Materiallager gegründet worden, unter dessen Konkurrenz die Apotheker ebenfalls leiden, und das ehe­stens aüfgelassen werden müßte. Abgeordneter KABÓK (Soz.) bemängelte, daß für soziale Zwecke in den Etat nur verschwindend geringe Summen aufgenommen worden sind, die in einem krassen Gegensatz zu anderen Posten des Staatsvoranschlags stehen. Angesichts dieser niedrigen Posten kann in Ungarn von einer systematischen sozialen Fürsorge überhaupt nicht die Rede sein. Der Volkswohlfahrtminister hätte in der Sitzung des Ministerrates Verwahrung dagegen einlegen müssen, daß sein Etat mit so verschwindend geringen Beträgen abgespeist wird. Das Volkswohlfahrtministe­­riwm müßte auch dem Arbeitslosenproblem mehr Auf­merksamkeit zuwenden und die Arbeiterschaft gegen die Auswüchse des Kapitalismus in Schutz nehmen. Abg. KÓCSÁN (Christlichsoz. IWirtschaftsp.) klagte darüber, daß die Prinzipien der christlichen Sozialpolitik sich in Ungarn nur sehr langsam Bahn brechen können. Die von Leo XIII. erlassene Enzyklika, so führte er u. a, aus, in der die Grundprinzipien der christlichen Sozial­politik niedergelegt sind, besitzt heute erhöhte Bedeutung, und die ungarischen Kapitalisten können daraus viel ler­nen. Die arbeitenden Massen dürfen nicht länger den Übergriffen des Kapitals ausgesetzt sein, und es wäre sehr heilsam, wenn die Regierung sich zu einer energi­schen Maßregelung der preisverteuernden Kartelle ent­schließen könnte. Abg. BÁRDOS (Soz.) 'bemängelte gleichfalls die zu schwache Dotierung einzelner, die soziale Fürsorge be­treffenden Posten des Etats und setzte auseinander, daß an den Posten anderer Etats starke Abstriche zugunsten des Volkswohlfahrtetats hätten durchgeführt werden kön­nen, wenn die Regierung tatsächlich die Absicht 'hätte, das soziale Elend zu lindern. Er forderte auch die defi­nitive Regelung des Valorisicrungsproblems und lehnte den Etat mit dem Bemerken ab, daß darin nicht jene Ziele verwirklicht worden sind, die im Interesse einer erhöhten sozialen Fürsorge unumgänglich notwendig sind. Die Debatte wurde nach dieser Rede geschlossen und Volkswohlfahrtminister Dr. ERNSZT ' sprach das Schluß­wort. Er widmete vorerst seinem verewigten Vorgänger, Josef Vass, einen warmen Nachruf. —• Ich erfülle eine herzliche moralische Pflicht, sagte er, da ich von dieser Stelle aus meines verewigten großen Vorgängers gedenke, dessen Andenken wir alle liebevoll pflegen, Männer von solchem Persönlichkeitswert, von solcher Genialität, wie er war, von solcher rhetorischen Kraft, von so viel Menschenliebe, wie er sie besaß, bringt jede Epoche nur spärlich hervor. Wer die Krankenhäuser sieht, diese monumentalen Werke tätiger Menschenliebe, die er geschaffen und sich dazu die Schwierigkeiten ver­gegenwärtigt, die er in jenen Jahren zu bewältigen hatte, wird vor seinen Leistungen sich verbeugen müssen und noch spätere Generationen werden angesichts dieser groß­artigen Schöpfungen sein Andenken segnen. Jetzt, kurz nach seinem Tode, werden Vorwürfe daraus geschmiedet, daß er sich irotz der Armut des Landes und trotz der wirt­schaftlichen Depression nicht zurückhalten ließ, für die Leidenden, die Verlassenen und Ausgestoßenen, die Armen und die Gekränkten zu wirken und für das Land monu­mentale Werke zu schaffen. Die Nation wird ihm aller Dank wissen und ihn zu seinen größten Söhnen zählen. Auch die Errichtung der Sozialversicherungsanstalt hat ihm Vorwürfe eingetragen, aber das ändert nichts daran, daß er in der Förderung der Interessen des Arbeiters so gegangen äst wie niemand in Europa. Er war nur der 'Eingebung seines Herzens gefolgt, als er so gehandelt und sein Andenken sei darum gesegnet. Bei der Aufstellung des Volks Wohlfahrt budgets, fuhr der Minister dann fort, hielt ich mich an seine Spuren. Sein Budget war immer mit größter Sorgfalt aufgebaut lind Neuerungen lassen sich nicht plötzlic-li durchführen. Sie verlangen, um das Bestehende nicht zu zerstören, größte Sorgfalt in der Konzeption und größte Sorgfalt im Aufbau der Details. Und überdies wollte ich die Pfeiler, aui denen seine Budgets au (gebaut waren, respektieren, wie sie auch Anspruch auf' allen Respekt haben. Das schwerste war, daß ich gezwungen war, zu sparen. An einzelnen fixen Posten, wie die Ausgaben für die Kriegs­geschädigten, die Krankenhäuser, den Kinderschutz, konnte natürlich nicht gerührt werden, aber im allge­meinen war fiir mich selbstverständlich die Tragfähigkeit der Bevölkerung maßgebend Ich hin ohnehin schon -seit langem der Überzugung, daß unser Volk übermäßig stark belastet ist, dennoch haben mich die nötigen Reduktio­nen schmerzlich berührt. Schon mein großer Vorgänger war gezwungen, so manches, was er großzügig begonnen, abzubaueu. Er hat es schweren Herzens getan, und wahrscheinlich haben die daraus enfislandciicn Sorgen sein Leben verkürzt. Ich, sein Nachfolger, habe so manche schwere Erbschaft übernommen, so z. B. große Schulden im Bereiche des Spitalwesens—etwa 17 Millionen Pengő, Nun bin ich bestrebt, diese Schuld möglichst bald abzu­tragen. Das neue Krankenhausgesetz ist bereits fo.rtigestcllt und icli erwarte kaum die Gelegenheit, es dem Hanse zu unterbreiten. Noch immer bestehen än dieser Hinsicht große Mängel im Lande. Es gibt große Städte, die kein anständiges Krankenhaus oder überhaupt keines haben. Es sollen neue Krankenhäuser gebaut werden, doch nur schlichte, einfache Gebäude — ich weide, wenn ich ein­­mai gehe, keine monumentalen Palastbtmien hintcrlasscn. Im Zusammenhänge damit will ich gleich das Ärztepro­­blem erwähnen. Was waren das für geschätzte und ge­ehrte Mitglieder der Gesellschaft in unsener Jugend. Heute befinden sie sich, was Brot und Prestige betrifft, in einer ganz anderen Situation. Die Ärzte in (Ten Krankenhäu­sern, sogar die besten, sind verhältnismäßig so schlecht dotiert, daß cs nicht dabei bleiben darf. Wir müssen alles aufbieten, uni ihre Lag zu bessern. Da.s gleiche, gilt iiir die Apotheker. Konzessionen fiir neue Apotheken sollen nach Möglichkeit nicht verliehen werden und wenn schon, da ja auch für die jüngere Generation etwas ge­schehen muß, nur unter Beobachtung vollkommenster Un­parteilichkeit. Die jüngere Generation soll übrigens eine eigene Sozialversicherung erhalten. (Allgemeine lebhafte Zustimmung.) Auch die Zahnärzte dürfen der Fürsorge des Volkswohlfahrtressorts sicher sein. Im Sinne der Vorschriften vom Jahre 1911 können an Zahntechniker keine neuen Konzessionen erteilt werden. Und da die Zahl der Ärzte und der Zahnärzte in Ungarn so groß ist, fühle ich mich nicht veranlaßt, an diesen Nonnen zu ändern. Die Frage des Kinderschutzes maciit mir viel Sorge. Herr Abgeordneter Pakots hat über sie mit leidenschaft­licher Liebe gesprochen, und tatsächlich ist an diesem Punkte alles geschehen, was menschenmöglich ist. Sich mit Kinderschutz zu befassen, ist ein Gebot der Liebe und der Kultur. (Allgemeine lebhafte Zustimmung.) Das Kin­­desaller soll goldig sein und schön und die Kinder sollen immer fühlen, daß man sie liebt. Kinder sollen auch jene lieben, die selber keine halben. (Applaus und Beifall im ganzen Hause.) Meine größte Ambition in diesem Bereiche des Ressorts ist, alle krüppelhaften Kinder, alle Epilepti­ker und Schwachsinnigen und die Kriegswaisen in Anstal­ten unterzubringen. (Allgemeine Zustimmung.) Die gänz­lich verlassenen, die Kinder der Kriegsgeschädigten sotten eine höhere Dotation erhalten. (Applaus.) Auch für die Eltern der Kriegsinvaliden und der im Kriege gefallenen Helden will ich sorgen, da sich diese in einer ungemein schwierigen Situation befinden. Es sollen in mehreren; Städten fnvaüdenheime errichtet werden, die ganz ver­krüppelten Kriegsgeschädigten werden ein eigenes Hei«*; erhalten.. (Zustimmung.) Das Invalidengesetz bildet gegen­wärtig noch den Gegenstand des Studiums. Ich befürchte,; daß ich bei der endgültigen Lösung der Frage in einen Konflikt mit dom Finanzminister geraten werde. Ich will dabei natürlich höflich bleiben (Heiterkeit), aber in. merilcr wende ich nicht nach geben. (Allgemeine Zustimmung.) Abgeordneter JÄNOSSY (Einheit); Wir werden, das- Herz des Herrn Fina nznrin i sters schon erweichen. Volkswohlfahrtminister Dr. ERNSZTDie schwerste Erhschaft, die ich übernommen haha, ist zweifellos die Sozialversicherungsanstalt. Die Herren Sozialdemokraten' lieben es, diese Frage mit der Arbeitslosenversicherung in Verbindung zu bringen und behaupten immer wieder, daß wir für Sozialpolitik nichts übrig haben und das in einer Zeit, da die Gebühren fiir die verschiedenen Sozialver­sicherungen sich in einem einzigen. Jahre auf 115 Millió-; nen belaufen. (Bewegung.) Das ist eine, große Last, die das Wirtschaftsleben trägt und da muß ich schon wirk­lich sagen, daß wir nicht weiter gehen können. Die Ar­beitslosenversicherung würde unsere Wirtschaft mit wei­teren 47 Millionen belasten. Gewiß haben einzelne Staaten diese Art der Versicherung eingeführt, worauf sich die Sozialdemokraten immer berufen, doch befinden sich diese auch ebendarum in einer entsprechend schwierigen Situation, und ich weiß wirklich, nicht, wohin dieser Weg, führt. Das Schicksal der Arbeitslosen beschäftigt uns un­unterbrochen, alier ich könnte mich unter den heutigen' Umständen nicht entschließen, dem Wirtschaftsleben eine neuere ungeheure Last aufzubürden. (Zustimmung rechts und in der Mitte.) Das Gesetz über die Sanierung der So-, zialver sicher ug ist ferliggestellt. Ich ha he mich dabei auf den Standpunkt gestellt, daß an der Sanierung jeder Fak­tor tei Indianen und für sie jeder Faktor Opfer bringen' muß, den die Sache angeht, bis hinauf zum Finanzmim­­ster. (Zustimmung rechts und in der Mitte.) Teilt das Par­lament meine Auffassung nicht, so werde ich mich darunt nicht kränken: ich meinerseits sehe keinen anderen Aus­weg und ich hoffe auch, daß es mir gelingen wird, mich, mit jedermann, auch mit den Sozialdemokraten zu ver­ständigen und zu einer Lösung zu gelangen, die den» Lande und der Sozialversicherung zum Vorteile gereicht. (Zustimmung.) Es ist wirklich so, wie man zu sagen pflegt, daß mein Ministerium, ungeachtet seines Namens, ein Amt für Arbeitswesen ist. Es gibt vielleicht niemand in diesem Hause, der das früher bemerkt hat, als ich selbst. Ich wünsche unbedingt, daß sich mein Ministerium mit den Fragen des Arbeitswesens viel mehr befasse, als bisher, und viel intensiver, als das bis jetzt der Fall war. Ich. möchte auch den sozialpolitischen Ausschuß des Hauses mehr beschäftigen: es ward sehr vorteilhaft sein, wenns sich die Parteien in den einschlägigen Fragen im Ans­schuß einigen. In letzterer Zeit wird sehr viel über den Kapitalist mus gesprochen. Auch ich habe das in Volksversamm­lungen öfter getan, aber ich will den Kapitalismus na­türlich nicht vernichten, und fordere ich das Kapital auf, gewisse Dinge zu unterlassen, was besonders an einzelne Herren adressiert ist, die die Konsequenzen für ihre Person zu ziehen nicht geneigt sind, so ist das alles, nur kein Angriff auf den Kapitalismus. (Allgemeine lebhafte Zustimmung.) Daß gewisse Herren in leitender Stellung angesichts der großen Arbeitslosigkeit und des Nieder­gangs der Wirtschaft keinen Sinn dafür halfen, daß sie nicht so große Einkommen haben dürfen, wie sie es in der Hochkonjunktur hatten, das kann ich nicht begreifen, (Applaus.) Harren Sic bei ihrem Standpunkt aus, so sollen sie es sich selber zuschreiben, wenn sich die ganze Nation, das ganze Parlament und alle Parteien gegen sie wenden. (Allgemeiner, lebhafter Applaus.) Ich bin, wie gesagt, für weitestgehende Sparsamkeit. Aber will ich aus meinem Ministerium ein Amt für Ar­beitswesen machen, so muß ich mich nicht nur mit den Angelegenheiten der Arbeiter im Lande, sondern auch mit dem Schicksal jener ungarischen Arbeiter befassen, die außer Landes leben. Die einschlägige Statistik habe, ich bereits erhalten. Zu gleicher Zeit habe ich auch Daten über die in Ungarn lebenden ausländischen Arbeiter verlangt, weil ich die Wahrnehmung gemacht habe, daß wir Betriebe haben, die unberechtigt viel ausländsicha Arbeiter beschäftigen, was nicht geduldet werden kann* (Zustimmung.) Selbstverständlich stehen wir auf deg Grundlage der Reziprozität. Verhalten sich aber einzelne Staaten unseren Arbeitern gegenüber unfreundlich, so haben wir keinen Anlaß, ihren Angehörigen gegenüber* besondere Freundschaft zu bekunden. (Allgemeine Zu­stimmung.) — Ich höre die Anregungen und auch die Kritik den Herren Sozialdemokraten gern an. Sagen sie aber, da© wir kein Sozialstaat sind und nur salbungsvolle Worte für die Arbeiter haben, so kann ich das nicht gut ertragen — ich schätze kn Disput nur jene, die alles ruhig und objektiv beurteilen. Man kann sagen, daß es viel Übel gibt in diesem Lande und manches geleistet werden muß. Man kann auch sagen, daß die Ansprüche gestiegen sind und der Lebensstandard des Volkes ein viel höherer ist als noch vor kurzem. Man kann sagen, daß das Tempo des sozialen Fortschritts vielleicht schwungvoller sein könnte, — aber daß wir in den letzten zehn Jahren ganz außerordentlich große Fortschritte im Bereiche der Sozial­politik erzielt hätten, das kann kein objektiver Mensch in Abrede stellen. (Lebhafte Zustimmung rechts und in der Mitte.) Den Achtstundentag haben wir tatsächlich noch nicht eingeführt, aber diese Frage hat für Ungarn nur eine ganz minimale Bedeutung. Sie berührt nur 0.5 Pro­zent aller Arbeiter, nach den letzten Berechnungen sogar nur 0.2 Prozent — so viel arbeiten nämlich mehr als acht Stunden im Tage; glaubt also jemand, daß wir eine weit­­tragende Reform durchführen, wenn wir diese Frage lösen, so befindet er sich in einem großen Irrtum. (Zu­stimmung rechts und in der Mitte.) — Es ist an mich' die Frage gerichtet worden, ob ich mich mit den Wahlmißbräuchen identifiziere, die unter Berufung auf mein Ministerium verübt worden sind. Selbstverständlich muß ich diese Frage verneinen. Mail kann über die Wahlrechtsfrage verschiedener Überzeu­gung sein, aber gibt es einmal ein Gesetz, so muß das Gesetz respektiert werden. Abgeordneter Gaston GA AE (Kleinagrarpartei) S Wenn es nur so wäre! Volkswohlfahrtminister Dr. ERNSZT: Was die ver­schiedenen Untersuchungen im Volkswohlfahrtminister rium betrifft, so habe ich auf diese niemals Einfluß ge- ' Freitag, 1. Ma? 1ÍK1

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