Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1944. október (91. évfolyam, 223-226. szám)

1944-10-01 / 223. szám

SONNTAG, 1. OKTOBER 1944 PESTEK LLOYD wmmm MORGENBLATT —■ Das Verhältnis zwischen England und Rußland Rivalen, die den offenen Kampf bisher scheuten England optierie in einer Generation zweimal für den Osten. Zuerst machte es seinen Pakt mit dem Zarismus, dann paktierte es mit dem Bolschewis­mus. Das geschah trotz der „dauern­den Rivalität“ beider Mächte und trotz aller ideologischen Gegensätze. Die Entscheidung für das militärische Zu­sammengehen 1914 schien der Ge­schichte, schien der Entwicklung von 150 Jahren zu widersprechen. Die Spannung zwischen beiden Reichen ließ oft daran glauben, daß ein Kon­flikt unvermeidlich wäre. Rußland unternahm nichts, was einen solchen Glauben hätte entkräften können. Es paukte robust mit dem stärksten diplo­matischen Fedhtzeug. Es hielt Droh­reden. Es ließ aufmarschieren. Die Drohung mit einem Angriff oder mit der Möglichkeit eines Angriffs wieder­holte sich seit mehr als hundert Jah­ren. Schon damals wurde diese eigen­tümliche, diese russische Methode mit den Worten gekennzeichnet: „Menaccr souvent, frapper rarement.“ (Oft dro­hen, selten schlagen.) Die Geschichte gab der Auffassung von der unauswischbaren Gegnerschaft der beiden Reiche Stützen. Die Span­nungen gehen bis ins 18. Jahrhundert zurück. 1780 stellt sich Rußland mit der bewaffneten Neutralität gegen Eng­land, in einer der schwersten Zeiten englischer Geschichte, des Abfalls der amerikanischen Kolonien. 1791, im russischen Vormarsch auf Konstan­tinopel, kreuzt die russische Orient­politik zum ersten Male mit der eng­lischen. 1802 ist es die Haltung Ruß­lands, die England zwingt, sich dem französischen Diktierfrieden von Amiens zu unterwerfen. So geht es durch das Jahrhundert weiter. 1836 erfolgt in England die erste Warnung vor Rußlands asiatischen Ambitionen. Ein Jahr später beginnen die Afgha­nenkriege, mit denen Rußland gegen Indien vortastet. Der Zusammenprall scheint immer unvermeidlicher zu wer­den. „Man sah den russischen Koloß, sich unablässig näher an die indische Grenze heranwälzen.“ Die Auslösung der Spannung kam aber nicht in Mittel­ost. Der Krim-Krieg brach um die tür­kischen Meerengen aus. Rußland wurde weit zurückgeworfen und schaltete wieder um. 18?6 ist die nächste scharfe Afghanistan-Spannung. Der Druck er­weitert sich auf Persien, dann, als England im Burenkrieg gebunden und völlig isoliert ist, auf die ganze mittel­­asiatische Sphäre. Immer dunklere Wolken ziehen auf. Der russische Ex­pansionismus droht den Weg nach Indien zu gefährden. Die „dauernde Rivalität mit Ruß­land, die das 19. Jahrhundert, be­herrscht“ (Seeley), setzt sich ins 20. hinein fort. Sie verschärft sich, als England ein Bündnis mit Japan schließt. Selbst die englisch-russische Konvention von 1907 ändert das äußere Bild nur bedingt. Rußlands rücksichts­lose Persien-Politik droht die Konven­tion zu zerstören. Noch im Juli 1914 zitiert Poincaré, der bei seinem Peters­burger 'Besuch den „peinlichen Zwist“ zwischen England und Rußland be­spricht, daß der Machtkampf der bei­den Reiche die Einkreisung Deutsch­lands scheitern lassen könnte. Dem oberflächlichen Beobachter könnte es scheinen, als wäre das eng­lisch-russische Zusammengehen ein Widerspruch mit allen Spannungen und Rivalitäten seit dem 18. Jahr­hundert. In allen Phasen, den einen Krim-Krieg ausgenommen, zeigt es sich jedoch, daß sowohl Rußland als auch England die Methode des „me­­nacer souvent“ anwenden, daß sie sich gegenseitig provozieren, Nadelstich über Nadelstich führen, in letzter Stunde aber doch die Nadel nicht mit dem Säbel vertauschen. Die beiden Mächte, um die sich Deutschland im rhythmischen Wechsel bemühte, fanden sich gegen das Reich. Alle starken Worte aus anderthalb Jahrhunderten hatten keinen Nachhall mehr, die Provokationen wurden über­sehen. Die russischen Einbrüche in die englischen Interessensphären im Nahen und Mittleren Osten, das russische Vor­fühlen gegen Indien, die ganze anti­englische Politik war kein Hindernis mehr, so wenig wie die Russophobie. Man fand sich trotz allem. Man fand sich, so paradox es klingen mag, ge­rade deshalb, weil man sich fürchtete. Weil jeder den anderen für zu stark hielt, als daß ein Kampf gegeneinander ratsam erschienen wäre. Als Alter­native zum Kampf, den man scheute, blieb dann nur der Ausgleich. Wer sich nicht schlagen will, muß sich ver­ständigen. Seit das Britische Weltreich von der Sorge der russischen Rivalität in Asien befreit war, setzte London die Agitation gegen die „deutsche Gefahr“ an. Im Juli 1914 schien die russische Persien­politik zwar den Ausgleich mit Eng­land zu gefährden, aber die Provo­kation war doch nur ein Mittel, um England in Europa willfährig zu ma­chen. Petersburg wollte ein Bündnis erpressen, und setzte mit dem Blick auf sein Ziel Konstantinopel den mit­telasiatischen Hebel an. Zur Drohung kam die Werbung. Petersburg machte den Britén das Angebot, den Besitz Indiens gegen jeden Angriff zu garan­tieren. England widerstand nicht. Es fürchtete, sich Rußland zu entfremden. Wenn England neutral bliebe und Frankreich und Rußland siegten, „wie werden sie sich dann gegen England verhalten, und wie wird’s mit Indien und dem Mittelmeer stehen? (Sir Eyre Crowe.) Auch Botschafter "Buchanan übte von Petersburg her eine Pression aus: „Wenn wir Rußland jetzt im Stiche lassen, können wir nicht hoffen, jenes freundschaftliche Zusammen­gehen mit ihm in Asien fortzusetzen, das von hoher vitaler Bedeutung für uns ist.“ Die Furcht vor einer russi­schen Hegemonie in Asien wurde her­­aufbcschworen. Die Furcht vor einer Schwenkung Rußlands von England weg. London optierte für den Osten und für den Krieg. Für seine asiatischen Interessen opferte England Europa. Wohl war das „Abkommen über Konstantinopel“ vom 18. März 1915 hinfällig gewor­den. (Darin hatte Großbritannien sein Einverständnis gegeben, daß Rußland Konstantinopel und die Meerengen als uneingeschränkten Besitz erhalten solle.) Wohl war Rußland nach der Revolution einige Jahre aktionsunfähig, doch bald begann es aufs neue, die englischen Kreise zu stören. Schon 1920 nahm es die Persienpolitik des Zarismus wieder auf. England erlitt eine Niederlage; es quittierte mit einem Kassandra-Ruf an die persische Adresse. Lord Curzon sagte in seiner Grabrede auf den englisch-persischen Vertrag im Oberhaus: „Wenn die per­sische Regierung vorzieht, Rettung in Moskau zu suchen, so handelt sie darin nach ihrem guten Recht. Aber ich darf mir wohl als alter Freund ein Wort der Warnung erlauben und ihr sagen, daß auf die Länge der Zeit nicht Groß­britannien und die anderen Länder die Hauptleidtragenden der jetzt einge­schlagenen Politik sein werden, son­dern Persien selbst...“ Nach dem persischen Erfolg began­nen die Sowjets konsequent ein ähn­liches Spiel in Afghanistan. England gab die Kontrolle auf, die es vierzig Jahre lang über die auswärtige Politik Aufghanistans ausgeübt hatte. Die Afghanen schlossen ' einen Friedens­und Freundschaftsvertrag mit Moskau. Die Rivalität wuchs unter dem Bolsche­wismus wieder wie unter dem Zaris­mus. Die ideologische Abneigung ver­schärfte das Verhältnis noch. Es war Winston Churchill, der im Mai 1920 an Curzon, den Außenminister, schrieb: „Ich wäre nur zu gern bereit gewesen, Sie in einer andersgearteten Politik zu unterstützen, die, richtig durchgeführt, dem verbrecherischen Regiment in Rußland sehr bald ein Ende machen würde.“ Auch Curzon war Antibolsche­wist. Ihn erbitterte die „hartnäckige Fortdauer der antibritischen Propa­ganda im Mittleren Osten“. Im März 1923 richtete er eine Note an Moskau, in der er gegen einen Justizmord und bolschewistischen Willkür gegen eng­lische Staatsbürger protestierte. Iri der Note hieß es, die Vorgänge legten der englischen Regierung „die vielleicht schon allzu _ lange aufgeschobene Pflicht auf, zu erwägen, ob es wün­schenswert oder überhaupt noch mög­lich ist, die Beziehungen zwischen den beiden Regierungen weiterhin auf einer so ungewöhnlichen und in der Tat noch nicht dagewesenen Grund­lage aufrechtzuerhalten, und ob die Regierung Seiner Majestät forjlfahren kann, die wiederholten Herausforde­rungen unbeachtet zu lassen, die die Sowjetregierung mit offensichtlicher Überlegung ihr hinzuwerfen für gut befunden hat“. Der gleiche Churchill, der das Re­giment in der Sowjetunion als ver­brecherisch bezeichnet hatte, verbün­dete sich dann mit eben diesem Re­gime. Wieder optierte Großbritannien für den Osten und gegen Europa. Die erste Option für den Osten, die zum ersten Weltkrieg führte, löste Großbritannien aus der Rolle der Welt­machtführung. Es fiel zurück, es wurde ärmer, im weiten Empirebereich hatte es selbst seine Positionen ge­schwächt. Die zweite Option für den Osten in diesem Krieg hat die Fort­führung des Minderungsprozesses ge­bracht. Die USA haben England und sein Weltreich überholt. Der traditio­nelle Rivale im Osten gewinnt stärkere Stellungen denn je. Er rückt an die imperialen Hauptbereiche des Empires. Es ist bereits zu erkennen, daß sieh auch die zweite Option für den Osten gegen England kehrt. Wird England dem Machtkampf wieder ausweichen, oder das Vorbild des Krim-Krieges wählen? Diese Frage wird vön der nahen Zukunft beantwortet werden Fr. / ODOL ist eines der vollkommendsten Mittel zur Pflege des Mundes und der Zähne Eden: Das Ende des Krieges ist noch nicht abzusehen General Mountbatten in London London,'. 30. September (INB) Noch bestimmter als Winston Churchill in seiner Unterhausrede am Donnerstag vertrat Außenminister Anthony Eden am Freitag in der Schlußrede, die er namens der Regierung nach der zwei­tägigen Unterhausdebatte über die Kriegs­lage hielt, die Ansicht, daß ein Ende des Krieges noch nicht abzusehen ist. Wenn ihn etwas überrascht habe, erklärte Eden, dann sei es die von einigen Seiten des Hauses geäußerte Ansicht gewesen, daß der Sieg schon fast errungen sei. „Nie­mand“ — betonte Eden — „kann sagen, wie lange der Krieg im Westen und im Osten noch dauern wird.“ Es sei viel zu früh, davon zu sprechen, daß die Haupt­schlacht gewonnen sei. Niemand habe ein Recht, seine Politik auf eine solche An­nahme zu gründen, ehe nicht der Gegner wirklich auf dem Boden läge. Besondere Aufmerksamkeit widmete auch Eden dem Kampf gegen Japan und teilte dem Unterhaus bei der Gelegenheit mit, daß der alliierte Oberbefehlshaber in Süd­ostasien, Lord Louis Mountbatten, gegen­wärtig in London weile, um „spezielle Probleme“ seiner Armee zu lösen. Sich außenpolitischen Fragen zuwendend, meinte Eden, daß „die internationale Lage nicht ohne Probleme ist, und je weiter die alliierter) Armeen Vordringen, desto mehr werden auch die Probleme anwachsen und sich vervielfachen“. Deutschland werde das Kernproblem iTer englischen Politik bleiben. Auch Eden betonte, wie Churchill, die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit Sowjetrußland, ohne die es keine Garantie für einen dauernden Frieden geben könnte. Die Aufrechterhaltung der Einig­keit unter den Alliierten sei heute so not­wendig wie je. Als einzige Frage griff Eden die Frage Bulgarien auf und erklärte, daß er voll und ganz mit Harold Nicolsen über­einstimme, der während der Debatte er­klärt habe, er hoffe, daß „man Bulgarien nicht erlauben wird, irgendeinen Teil sei­ner unrechtmäßig erworbenen Gewinne zu behalten“, ~ "fff ' W' jb Amsterdam, 30. September (DNB) Der britische Außenminister Eden nahm gestern, wje Reuter meldet, im Un­terhaus zur Kriegsdebatle des Parlaments Stellung. Er betonte u. a., daß kein Mensch prophezeien 'Scönnc, wie lange noch dar Kampf im Westen und im Osten dauern werde. Deshalb sei es eine vordringliche Aufgabe, die Einigkeit unter den Alliierlen aüfrechtzuerlialten, um in Übereinstim­mung mit den in Teheran festgelegten Themen weiterkämpfen zu kömien. In der Unterhausdebatte hatte ihn, Eden, die An­nahme geslört, daß dér Sieg schon fast errungen sei. Davon könne man erst spre­chen, wenn der Gegner die Waffen nieder­gelegt hätte. Sollte der Gegner nieder­gerungen werden, dann sei die Entwaff­nung nicht das letzte Ziel der alliierten Politik. Unter einer „bedingungslosen Ka­pitulation“ verstehe er, Eden, daß die Alliierten „freie Hand hätten und den Deutschen gegenüber keineswegs verpflich­tet seien“. Zur bulgarischen .Frage übergehend, un­terstrich der Redner, die Regierungen der Alliierten seien darin einig, daß Bulgarien seine Truppen aus Griechenland und Jugo­slawien zurückziehen müsse, andernfalls würde kein Waffenstillstand unterzeichnet werden. Das Problem der östlichen Grenzen Po­lens berührend, meinte Eden, daß es in der ganzen Geschichte kein komplizierteres Problem gegeben habe. Auf jeden Fall würde die britische Regierung für die Schaffung eines souveränen und unabhän­ 3

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