Prager Volkszeitung, říjen-prosinec 1971 (XXI/39-52)

1971-11-26 / No. 47

0) |­J M m­— ■................ ..................... ■ [UNK] LEN­DEN SOZIALISMUS n­ ■ [UNK] [UNK] [UNK]— in KMlll NBV Legende von der „goldenen Zeit“ Ich habe schon öfters ältere Leute sa­gen hören: „Ja, in der ersten Republik, das waren goldene Zeiten!" Ich bin im ersten selbständigen tschechoslowaki­schen Staat geboren, kann mich noch an viele Bettler in den Straßen und auf den Höfen erinnern, weiß, daß wir zu Hause sehr sparsam mit Geld umgehen mußten, obwohl mein Vater nie arbeitslos war. Aber Vergleiche ziehen, das kann ich nicht, denn ich war damals noch viel zu jung, um die ökonomischen und sozia­len Probleme verstehen zu können. Des­wegen führte mein Weg in ein Zeitungs­archiv. Dort habe ich allerhand erfahren und so stelle ich mir heute die Frage: Spricht man von „goldenen Zeiten" in der ersten Republik vielleicht nur aus dem Grunde, weil damals das Essen sehr billig war? Die Lebensmittelpreise waren tatsächlich äußerst niedrig. Aber trotzdem konnten sich nicht alle dieses billige Essen leisten... Die tiefe Wirtschaftskrise, die Anfang der dreißiger Jahre in der Welt herrsch­te, suchte selbstverständlich auch die von den westeuropäischen Ländern wirtschaftlich abhängige Tschechoslowa­kei heim. Im Jahre 1933 gab es bei uns mehr als eine Million Arbeitslose. Ich fand in alten Zeitungen und Zeitschrif­ten Bilder von Müttern mit Kindern auf dem Arm, die um ein Stück Brot bettel­ten. Nicht für sich, für das Kind. Was kann es Ärgeres für eine Mutter geben, als wenn sie ihrem Kind weder Brot noch Milch geben kann? Ich las eine statistische Übersicht, die vielsagend ist: Im Juni 1920 waren in der CSR 2695000 Menschen sozial- und altersversichert und im Jänner 1934 wa­ren es nur noch 1589000 Personen. Im Laufe von nicht ganz 14 Jahren haben also etwa 1000000 Werktätige ihre Ar­beit verloren! Doch auch diese Zahl ist nicht genau. Tausende von Arbeitslosen in den von der Welt abgeschnittenen Dörfern der Slowakei und der ehemali­gen Karpatenukraine hatte die Statistik nicht erfaßt. Auch Zehntausende Men­schen nicht, die wegen Arbeitslosigkeit und Armut ins Ausland gingen... Dieses Elend können wir uns heute fast nicht mehr vorstellen. Umso weniger dann unsere Kinder. Sie, die in Wohl­stand leben, denken oft, wir erzählen ihnen aus rein pädagogischen Gründen Märchen, um sie zu mehr Bescheiden­heit zu erziehen. Und doch waren es da­mals, in diesen „goldenen Zeiten", zu­sammen mit den Familienmitgliedern fast vier Millionen Menschen, also ein Drittel der gesamten Bevölkerung, die auf Arbeitslosenunterstützung angewie­sen waren, die die Arbeiter Czech-Kar­­ten nannten (nach dem sozial­demokra­tischen Minister für Sozialfürsorge, Czech). In derselben Zeit hat Großban­kier Preiss nur von der Zivnostenská ban­ka fünf Millionen Kronen jährlich be­zogen! Die Zeit, die ich im Archiv verbrachte, war für mich sehr lehrreich. Wie ein Film rollte vor meinen Augen das tragische Schicksal vieler Menschen ab, die müh­sam um ein paar Kronen kämpften, um sich und ihre Familie am Leben zu er­halten. Sachlich und teilnahmslos ist der Bericht von einem Mann, der in Prag in Frauenkleidung verhaftet wurde. Er hatte in dieser Verkleidung in reicheren Haus­halten Wäsche gewaschen. Beim Verhör sagte er: „Als Mann hätte man mir diese Arbeit nicht gegeben." Ich konnte eine ganze Reihe kleiner Notizen über Menschen lesen, die aus Verzweiflung Selbstmord begingen — das alles in den „goldenen Zeit“, als das Essen so billig war! Erinnern Sie sich noch? Oder gehören Sie zu den Leuten, die diese Tatsachen einfach mit der Bemerkung zurückweisen, das alles sei schon längst vorbei? Ja, das ist wirklich schon vorbei — für immer. Die sozialistische Gesellschaft kennt keine chronische Arbeitslosigkeit, auch nicht die krassen gesellschaftlichen Unterschiede, die in der ersten Republik herrschten. Wir erhielten vor einigen Wochen von J. Pecher aus Ostrov nad Ohrí einen Brief. Ich möchte dessen Anfang zitie­ren, denn er ist wirklich vielsagend: „Einen Höhepunkt bedeutete für mich am 2. Juli d. J. die Promovierung unse­rer Tochter zum Doktor der Medizin. Mein Vater war Hilfsarbeiter, der als sol­cher einen frühen Tod fand, meine Mut­ter Wäscherin, die in mühseliger Arbeit drei kleine Kinder aufzog. Wie hätte ich es damals nur wagen können, zu hoffen, daß meine Tochter einmal eine solch hohe gesellschaftliche Stellung einneh­men wird? Der sozialistische Staat hat meine kühnsten Hoffnungen erfüllt.. .“ f ^|0 /1/^1 Éj p DAS WOCHENBLATT DER DEUTSCHEN WERKTÄTIGEN IN DER CSSR m M­ r­V" 26. NOVEMBER 1971 # JAHRGANG XXL KÍS1.50 DIE PRAGER BURG WURDE 1948 DER SITZ DES ERSTEN ARBEITERPRÄSIDENTEN KLEMENT GOTTWALD, DESSEN 75. GE­BURTSTAGS WIR IN DIESEN TAGEN GEDENKEN FOJO J. KeJf ZUR HEUTE UND MORGEN WAHLTAG IN ZEICHEN DES VERTRAUENS ZUR KPTsch - Die lange erwarteten Wahltage sind da. Heute und morgen geben Millionen unse­rer Bürger, viele von ihnen zum erstenmal in ihrem Leben, ihre Stimme ab und nehmen damit an der Gestaltung der Politik für das Wohl unserer Gesellschaft und unseres Landes teil. So wie schon viele Wochen stand auch der vergangene Samstag­­ und Sonntag im Zeichen der intensiven Wahlvorbereitung. Nun sind auch die letzten Wahlversammlungen beendet, die Kandidaten vorgestellt und ihr Programm konnte von den Bürgern jedes Ortes diskutiert werden. Zweiergruppen besuchten die Woh­­­­nungen und sprachen mit den Wählern, beantworteten ihre Fragen und luden zur­­ Wahl ein. Noch in der Vorwoche fand eine Reihe großer Wahlversammlungen statt, auf de­nen auch führende Genossen als Spitzenkandidaten der Nationalen Front in die­­ höchsten Vertretungskörperschaften sprachen. Aus einigen dieser Kundgebungen möchten wir die wichtigsten Punkte, die ganz­­e staatliche Bedeutung haben, hervorheben: In Ostrava sprach Genosse A. Indra vor seinen Wählern und beschäftigte sich vor allem mit der Jugend. Seinen Ausführun­gen entnehmen wir: • Niemals stimmten wir mit jenen über­ein, die über die Jugend den Stab brechen und sie für durch und durch verdorben halten. Ich glaube, die Mehrzahl der Jun­gen und Mädchen sind in Ordnung und werden unsere guten Nachfolger sein, die das Werk des sozialistischen Aufbaus fort­setzen. Wir dürfen ihnen nicht verargen, daß sie keine Lebenserfahrungen haben. • Täglich finden wir Beweise unseres Op­timismus, die uns zeigen, daß sich die Re­publik auf ihre Jugend verlassen kann. Oft stehen die jungen Arbeiter in den er­sten Reihen, erzielen hervorragende Ar­beitsergebnisse und setzen den technischen Fortschritt durch. • Arbeitsinitiative, Opferbereitschaft, mu­stergültige Erfüllung der Pflichten sind zweifellos Beweise des Verantwortungs­­bewußtseins unserer Jugend. Viele junge Menschen engagieren sich jedoch auch in unserem öffentlichen Leben und arbeiten aktiv in den verschiedensten Gesellschafts­organisationen. In den Reihen des Soziali­stischen Jugendverbands sind ein Jahr nach dessen Gründung doppelt so viele Jungen und Mädchen, wie sie in allen zersplitter­ten Jugendorganisationen zusammen wa­ren. FORTSETZUNG AUF SEITE 1

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