Schul- und Kirchen-Bote, 1890 (Jahrgang 25, nr. 1-24)

1890-01-15 / nr. 2

> 19 vor den Kopf zu nageln! Welcher Mensch könnte je auf den Gedanken ver­­fallen, Seju eine solche Absicht zuzutrauen, wenn er nicht meinte, es thun zu müssen, weil es so geschrieben stehe? Wir haben hier ein schlagendes, für mich wahrhaft erschreckendes Beispiel davon, wohin es führt, wenn man, allen gewissenhaften Forschungen über die Evangelienschriften zum Trot, von dem Glauben an die schlechthinnige Sertumslosigkeit des vorliegenden Evangelien­­textes, bis auf Vers und Buchstaben, ausgeht; und wenn der Christusglaube mit Diesem SED BE so verfilzt wird, daß ein ganz vereinzelter Buchstabe dieses Terres mehr Gewicht haben soll, als alles, was wir font über unseres Heilandes Denken und Fühlen mit absolut zweifelloser Gemeißheit wissen! Heißt das nicht den, welchem gegeben ist alle Gewalt im Himmel und auf Erden, so völlig in die Gewalt eines Seiner Biographen geben, daß dieser mit einem Pinselstrich so oder anders die ganze geistige Physiognomie seines großen Gegenstandes um und um wandeln kann? . . Im Sinne des Aus­­spruchs, auf den Goebel ich beruft: 30r sollt das Heiligtum nicht den Hunden geben, und eure Perlen nicht vor die Säue werfen, fünde ich eher die Mahnung: Geheimnisse des Himmelreichs solchen Hörern, denen sie Schaden künnten, Lieber gar nicht vorzutragen, als sie ihnen gefliffentlich vorzumwerfen, damit sie ihnen zu Giftpillen werden.“­) Von großem Interesse sind mir zwei Homiletische Behandlungen unseres Gegenstandes gewesen, beide von anerkannten Meistern der Predigt, die eine von D. €. A. Wit, reformierter Pfarrer und Oberkonsistorialrat in Wien, die andere von D. 9. Bassermann, Professor der Theologie in Heidel­­berg. Beide Predigten sind im VII. Jahrgang (1885) der „Zeitschrift für praktische Theologie“ erschienen, die von Ballermann veranlaßt durch die vorausgegangene von Wis, wie Ersterer in einer Note ausdrüclich angiebt. Er sagt dort (S. 257): „Die Predigt des Herrn D. Wig über denselben Text hat mich, da ich Die . . dem yiimore gegebene Auslegung auf Grund des Konzertes und des alttestamentlichen Vorbi­des nicht Für die richtige erachten konnte, angeregt, auch meinerseits mich an diesem dunkelnm Herrmnwort zu ver­­suchen.“ Beide Predigten haben indes nicht unsere Matthäusstelle, sondern die Markusparallele (4, 10—12) zum Text, was insofern von Belang it, als — wie oben schon erwähnt wurde — Markus den Sachverhalt einerseits in verkürzter, andererseits in verschärfter Weise darstellt( va Statt orı). Da jedoch beide Predigten das ganze eigentliche Problem ins Auge faffen, so fallen auch ihre Lösungsversuche ganz in den Bereich unserer Grörterung. Selbstverständlich haben wir es aber hier nur mit­­ diesen Lösungsversuchen zu thun, denn auf die sonstige prakiische Auslegung und Anwendung der Tertesworte, jo sehr ansprechend gerade Diese Partien in beiden Predigten sind, kann hier nicht eingegangen werden. — Die Lösungsversuche aber haben beider­­seits, wie mir künfft, einen befriedigenden Aufschluß üb v das dunkle Herrn­wort nicht gebracht. Vom Herrn Professor der Theologie haben wir bereits vernommen, daß er Die Auslegung des Deren Oberkonsistorialrates für die richtige nicht erachten könne. a der That geht es nach dem Zusammenhang, wie nach dem zweifellosen Sinn der zu Grümde liegenden­­ Sefajastelle nicht an, den Sag des Markus: unnors erisrpebon: zat apesn evreze, wie Wit thut, zu überlegen: „ob sie sich nicht etwa befehren und Vergebung finden,“ sondern es muß unbedingt heißen, auf daß sie nicht umkehren und Vergebung finden. Auf Ddiese seine abweichende Deutung von unrore baut nämlich Wi seine 1) Realismus Seju, 27 7.

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