Schul- und Kirchenbote, 1915 (Jahrgang 50, nr. 1-17)

1915-01-15 / nr. 2

·18 Moltke sagt einmal,daß leidenschaftliche Ergüsse,auch wenn sie aus patriotischen Gefühlen fließen,nicht das Ziel der geschichtlichen Forsch­ung, die Wahrh­eit,erreichen­.Haben wir es in der Schule auch nicht mit der geschichtlichen Forschung zu tun,so können wir uns anderseits nicht allein mit der Begeisterung begnügen. Sir beides it die gegenwärtige Kriegszeit ein ausgezeichneter Lehr­­meister. Aufgeschlossenes Historisches Interesse, ein Elementargeist, ein Sturm­geist, wie er die Jugend rebt faßt und fortreißt, ist für die Schule genau etwas so Großes und Herrliches, wie das Lebendigwerden tieferen geschicht­­lichen Sinnes für die Allgemeinheit. So muß das Selbsterleben unserer großen Zeit, das wiedererstandene große nationale Leben schon ohne alles Hinzutun des Lehrers die vater­­ländische Geschichte beeinflussen. Wie viel mehr muß ihre Vorführung in der Schule an lebendiger Frische, an freudiger Sicherheit, an ethischer Ver­­tiefung und gesunder realistischer Färbung gewinnen, wenn in bewußter Weise dieser Einfluß verwertet wird. „Deutschland rüstete ein Heer und 309 nach Frankreich“, so erzählt man in aller Seelenruhe. Da kommt unser Lehrmeister, öffnet von außen das unter und wirft eine Menge Sachen hinein, tausendfache Berichte und Briefe, tausendfache selbstgesehene Bilder und Ansichten und füllt damit die Leeren Begriffe des „Nüstens“ und „Hiebens“ und zaubert vor das Auge Lebendige Szenen, Bilder von der Spannung und Bewegung vor und während der Mobilisierung, Bilder von der Einberufung, vom Abschiede von Haus und Hof, Bilder vom Auszuge der frohgemuten, blumenge­­schmückten, Herrlichen Sieger, Szenen von der Durchfahrt in befränzten Bügen, von dem­ Entgegenjubeln und von dem V­erpflegen, Ansichten von alle dem, was zur Ausrüstung gehört. Und geht es mit tausend andern geschichtlichen Begriffen nicht ebenso ? Hat uns unser Lehrmeister nicht deutlich genug gezeigt, was bei „Ver­­wüstung“, „Erstürmung“, „Belagerung“ gesehen sein will? Wem wird je das starre Bild der fahlen, gebrochenen Giebel in den im Striege verschüfteten Städten aus dem Gedächtnis schtwinden? Wem­ die erschütternden Szenen , bei der Nrückkehr der geflüchteten Bewohner zu der Schutz» und Archestelle, die kurz vorher noch ihre blühende, anheimelnde Heimatscholle war? Wer wird es [ich entgehen lassen, wenigstens einmal, und auch den Mädchen gegenüber, in großen Zügen zu schildern, welche Schreden und Minhjfale, welch unerhörte Leitungen und melch hohe sittliche Kräfte das eine Wort in fi) schließt, das bisher so leichthin gesprochen wurde: „Schlacht“? Sti­eg nötig, weitere Einzelheiten zu nennen? Unser Lehrmeister verlangt nichts weiter, als daß man das, was er in Massen und in so vortrefflicher, lebendiger Weise auf den Markt und in die Stuben wirft, aufhebe und an­­wende. Durch seine treffliche Methode werden sogar höhere Begriffe, wie „Erhebung eines Volkes“, „Kulturstufe“, „Weltgericht“, spielend gelöst, a, wer strategische Neigungen besagt und gern einmal in dramatischer Weise den Aufzug, die Stellung und Entwicklung des Kampfes vor Augen führt, was nicht immer auf freudige Zustimmung zu rechnen Hatte, erhält feßt den Berechtigungsschein von unserem Lehrmeister ausgestellt. Und warum drückt er sein Siegel darunter? CS ist ein Stück Leben, es ist Be­­wegung, es schafft Stimmung und Kräfte Das genügt ihm. Gnaberzig und Kleinlich it er nicht. Eindringlich genug ruft er uns zu: Arbeite wie

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