Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1884. Mai (Jahrgang 11, nr. 3155-3180)

1884-05-05 / nr. 3158

R Reduktionaavxdmiaistmsiom Heltauergasse23. Fricäeänkmitzeugnaymederzeit us und gseiw lagesägkiab Abonnement für Herrnquustadt: eztonatlich sfpthvierteljährlich 7fl.«50kr­,halbjährig äfl.,ganzx­ihrx910si.ohnenstellung zitiks Haus mit Zustellunglfl.,3.,6fl.,12fl. Abonnement mit Postverseudung: JEAN-Inland­­­vierteljährig 3 fl. 50 ae­­TR, ganzjährig für das Ausland: vierteljährig 7 PM. oder 10 Fred., halbjährig SE­­RER. oder 20 Yucs., ganzjährig 28 MIR. oder 40­ Frid. Kulsentiste Briefe w­erden nicht angenommen, Umkflsipte niht ea AneRe­­N 3158, XI. Jahrgang. Siebenbürgisch-Deutsches . Pramumerationen und Inserate übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltanergaffi Nr. 23, in Kronstadt Heinrich Zeidner, H. Dresz­­­nandt’s Rachfolger, Mediasch J. Hedrich’s Erben, Schässburg H. Zeidner’s Filiale, Bistritz Friedrich Wachsmann Nr. 187, Sächsisch - Regen Karl Fronius, Mühlbach Jos. Wagner, Kaufmann, Broos Paul Battoni, Lehrer, Wien Otto Maas (Haasen­­­stein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, M. Dukes, Moriz Stern, Heinrich Schalek, J. Danne­­­berg, Pest A. V. Goldberger, Frankfurt a. M. G. L. Daube , C. nan Snfertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile kostet beim einmaligen Einrüden 7 Tr, das zweitenal je 6 tr, das drittemal je 5 fr. d. W. exklusive der Stempelgebäur von je 39 ir 1884. Der Bau eines neuen Parlamentsgebäudes. Aus dem ungarischen Heihstage. PVest, 1. Mai. In der am 1. Mai abgehaltenen Sibung des ungarischen Abgeordneten­­­hauses gelangte­ die Negierungsvorlage über den Bau eines neuen Parla­ n­entsgebäudes, der, ohne die innere Einrichtung, auf mehr al­­s Millionen Gulden veranschlagt ist, zur Verhandlung. Der Referent Dr. Drhanh empfahl die Annahme der Vorlage ; Basius Drhan und 2. Mehlenyi lehnten die Vorlage ab. Graf Apposhyir Der Gefegentwurf beruht auf dem &.­A. 1880: 58, welcher prinzipiell den Bau eines Parlamentsgebäudes dekretierte. Am der Motivierung de Gefehes von 1880 sagte die Regierung, sie habe von doppelten Ze vor Augen, ein monumentales Gebäude aufführen zu lassen,­ zugleich jedoch die Finanzlage des Staates vor Augen zu halten. Ich bill­igte diesen Standpunkt, ich billige ihn auch heute noch und eben deshalb Fannr ich den vorliegenden Gejekentwurf nicht annehmen (Lebhafter Beifall Links), denn derselbe läßt den zweiten der erwähnten Gesichtspunkte gänzlich­ unberück­­­sichtigt. Ich will den künstlern­ d­en Wert der eingereichten Pläne nicht be­­­streiten, allein ich kann es nicht über mein Gewissen bringen, bei der jetigen Finanzlage die beanspruchte große Summe zur votieren. (Lebhafter Beifall sinks.) Die Regierung verlangt 95 Millionen; allein diese Summe wird nicht genügen. Die Regierung selbst giebt zu, daß in dieser Summe die Raten der inneren Einrichtung und Ausschmücung nicht inbegriffen sind ; diese K­osten werden bei einem P­rachtbau, wo das Innere dem Meußeren ent­­sprechen soll, gewiß zwei bis dritthalb Millionen erheirschen. Abgesehen von der Erfahrung, daß Ueberschreitungen, des Kostenvoranschlages bei jedem Baue vorkommen, muß bei dem vorliegenden Projekte besonderes Augenmerk auf die Terrainverhältnisse gerichtet werden. Der Riesenbau soll auf Alluvial­­grund aufgeführt werden; das wird jedenfalls eine mächtige und kostspielige Fundamentierung notwendig machen, wie sie in solcher Stärke beim Wiener Rathausbau nicht erforderlich war. Nach allen Erwägungen müssen die Ge­­­samtkosten mit wenigstens 15 Millionen Gulden angenommen werden, welcher Betrag, zu 5, Perzent gerechnet, unserem Budget eine jährliche Belastung von 890.000 Gulden auferlegen würde. Wir Stehen, so fuhr Redner dann fort, vor folgender Alternative: Unser Ausgaben-Budget erträgt entweder eine ohne jedes dringende Bedürfnis vor­­­zunehmende Steigerung um einige hunderttausend Gulden oder nicht. Erträgt es sie nicht, und dies ist meine Weberzeugung, so Dürfen wir feine ü­ber­­­flüssigen Ausgaben bewilligen. (Beifall links und auf der äußersten Linken.) Er trägt aber das Ausgaben-Budget diese­ Steigerung, so fan ich viele An­­­gelegenheiten, viele Bedürfnisse bezeichnen, Die berücsichtigt werden müssen, ehe wir Hunderttausende nicht für ein dem Deforum und der Würde der Nation entsprechendes Parlamentsgebäude, sondern blos für die überflüssige äußere Ausschmüdung eines Parlamentsgebäudes votieren dürfen. (Stürmischer Beifall Yinis und auf der äußersten Linken.) Eine Nation kann groß, mächtig und fortschrittlich sein, auch wenn das Parlament in einem bescheidenen Gebäude tagt; sie kann aber weder groß, noch mächtig, noch ruhmvoll sein, wenn ihre Finanzen zerrüttet sind und wenn sie nicht im Stande ist, ihre Verwaltung und Rechtspflege gehörig aus­­­zubauen. (Lebhafter Beifall Tints und auf der äußersten Linken.)­­ch will jedes Opfer, das wir zu bringen im Stande sind, dem Wesen und nicht dem äußeren Scheine bringen. (Stürmischer Beifall.) Ich empfehle daher dem ge­­­ehrten Haufe den folgenden Antrag: Die Regierung wird ange­wiesen, im Sinne de­­r.­A. 1880 : 58 eine andere, auch der Finanzlage des Staates Rechnung tragende Vorlage zu unterbreiten. (Langanhaltender stürmischer Bei­­­fall, Elsenrufe und Applaus Yinfe und auf der äußerten Linken.) Graf Ludwig Fin wünscht als Mitglied der Landeskommission und als Präsident des engeren Komitees Furz zur Frage zu sprechen. Redner meint, ein monumentales, öffentliches Gebäude müsste den Charakter seiner Bestimmung um sich tragen, und der Ausbruch einer gerieisten künstlerischen Idee sein; ferner müsse Nacsicht darauf genommen werden, daß der Baustil in den Rahmen der Umgebung Hineinpafe und seine inneren Einrichtungen den daran geknüpften Winschen entspreche. Redner ist der Ueberzeugung, daß das geplante Gebäude einen so bezaubernden Anblick bieten müßte, w­ie man einem solchen in Europa kaum wieder­ begegnet. Das Budget des Landes beläuft sich auf 300 Millionen und ein Plus von 800.000 Gulden kann seine Steuererhöhung nach sich ziehen. Er nimmt den Entwurf an. Blafiuz Orhan­ Jch habe genaue Informationen darüber, wen die Gründe in der Nähe des zu errichtenden Parlamentsgebäudes gehören.­­­Große Sensation.) Es folgt nun eine dramatisch bewegte Szene. Graf Ludwig Ticha springt von seinem Site auf und forder mit vor Erregung zitternder Stimme eine Erklärung dieser Aeußerung ; die Mitglieder der Regierungspartei schreien: „Namen nennen! Namen nennen!” (Die Opposition ruft: „Es ist nicht not­­­wendig, Namen zu nennen!”) Der Lärm währt einige Minuten, bis endlich der Präsident Ruhe Herstellt, indem er erklärt, daß die Nennung der Namen nicht gefordert werden solle, daß es aber auch „nicht schön sei”, wenn die Abgeordneten einander verdächtigen. 3 .Sonaz Helfy nimmt den Gelegentwurf nit an. In ganz Europa sei sein so Eostspieliges Parlamentsgebäude, wie das unfrige sein wü­rde. Ministerpräsident Koloman Tia: Es wäre wünschenswert, daß das neue P­arlamentsgebäude bis zum Millennium vollendet sein könnte, damit jene Feier durch das Gebäude womöglich gehoben werde. Als die Regierung im Jahre 1880 den Gefegentwurf einbrachte, daß das Parlamentsgebäude errichtet werden solle, erklärte man dies damit, daß die Frau des Minister­­­präsidenten in der Nähe ein Haus besiße, dessen Wert dadurch gehoben würde. Er erklärt, daß dies nicht der Fall sei; wohl hat sein Schwiegervater Jomohl auf dem Plate, als in der Nähe des recht bestimmten Ortes ein Haus. Will der V­orredner nur bestimmte Summen be­willigen, so wird das Parlaments­­­gebäude nie zu­­stande gebracht werden. Bei dem Bau ist es ein großer Vorteil, daß das Material auf der Donau gleich an Ort und Stelle gebracht werden künne. Eine aufrichtigere Rechnung betrefft Dieser Ausgaben, als die vorliegende, künne nicht gegeben werden. Ignaz Helfy: Und die Einrichtung ? Ministerpräsident Roloman Tifa bringt noch einige Details vor und schließt mit der Bemerkung, daß der Korso auf dem Donauquai nicht alteriert werden solle.­­­ — « Paul Svms sich:Graf Ludwig VI Tipa meinte,«eine jährliche«Mehraus­­­gabe von 800.000 Gulden falle nicht ins Gewicht Jawohl,aber das gilt nur von denen,die täglich gut zu Mittag essen(Stürmischer Beifall links und auf der äußersten Linken);anders denken jedoch diejenigen,die an vielen Tagen ihren Hunger nur mit trockenem Brote stillen können.(Heiterkeit rechts.) Die Heiterkeit ist Feine Widerlegung und die Leute, die jährlich die bekannten 200.000 Steuerexekutionen über fi ergehen lassen müssen, Lachen darüber gewiß nicht (Stürmischer Beifall links und auf der äußersten Linken; Graf Tifa winkt abwehrend mit der Hand) und auch Handbewegungen nehme ich nicht als Argumente an. (Zustimmung Yinf2.) Graf Tipa meint, er gebe für Ungarn seine größere Schande, als daß er noch sein Parlamentsgebäude besige. Nun denn, geehrter Herr, nach meinem Dafürhalten giebt er eine viel größere Schande als diese. Belieben Sie jene skandalösen Mängel in der Verwaltung anzusehen, betrachten sie die Mängel der Rechtspflege. (Sp­­itt’3! auf der Linken und äußersten Linken.) Betrachten Sie die traurige Lage unserer öffentlichen Sicherheit; sehen Sie nur, wie ungenügend unsere Polizei und Gendarmerie ist, daß auf eine Quadratmeile nur ein Bolizist entfällt. (Wahr! So if’3! auf der Linken und Äußersten Linien.) Betrachten Sie die elende Bezahlung unserer Beamten, die man heute­rmorgen aus ihrem Durartier auf die Gaffe febt. (Wahr! So ift’3! auf der Linken und äußersten Linken) Dies ist für uns viel beschämender, als wenn wir hier in diesem bescheidenen Hause beraten und gute Gelege schaffen. (Lebhafte, stür­­­mische Zustimmung auf der Linken und äußerten Linken.) In anderen Ländern fan man teuere Parlamentshäuser bauen, sogar in Desterreich, obzwar ich auch dieses um seine Finanzen nicht beneide. Aber Oesterreich war drei Jahr­­­hunderte hindurch das Zentrum der Monarchie und genießt alle Vorteile des­­­selben. (Stürmische Akklamationen auf der Linken und äußerten Linken.) Wir erwachen erst jeßt, jet fangen wir an uns zu rühren und beginnen die Wirt­­­schaft damit, daß wir einen großen Palast bauen, gleich dem schlechten Erben, der nicht im Haufe seiner Ahnen leben und die Wirtschaft bescheiden betreiben wollte, sondern damit begann, daß er auf großem Fuße lebte und zu Grunde ging? (Stürmische Heiterkeit.) Und Doch behaupte ich auch Heute, daß jene 800.000 fl. zu wenig sind. Man wird fragen, warum? Sch antiworte ein­­­fach: Die Erfahrung­ lehrt e8. So frage, ob es in Szegedin vorgekommen, daß der präliminierte Betrag ausgereicht hätte? Betrugen die Baukosten nicht um 7, mehr als präliminiert war? (So ist’s! auf der Linien und äußersten Linken) Nun denn, kann man und einen Vorwurf daraus machen, daß wir bei einem auf nahe an 10 Millionen präliminierten Kostenüberschlage behaupten, daß die Kosten noch um zwei bis drei Millionen mehr betragen werden. Argumentatio ad esse ad posse valet, sed a posse ad esse non valet. (Die Beweisführung von der Wirklichkeit auf die Möglichkeit ist richtig, aber nicht von der Möglichkeit auf die Wirklichkeit.) Und wenn zu den präliminierten zehn Millionen zwei­ drei Millionen noch genügen würden ! Doch nehmen wir noch die Volustierung, die ebenfalls elegant, fururiös sein muß, wie das Gebäude, dieselbe kostet auch 2—3 Millionen, so wären «3 bereits 15 Millionen. Hier ist der Herr Abgeordnete Graf Apponyi stehen geblieben, und doch darf man hier nicht stehen bleiben. (Hört! Hört!) Die Aufrechterhaltung jenes Hauses: Beleuchtung, Heizung, Reinigung rortet zehn­­­mal so viel als in diesem Hause, und die Reparaturen jenes Hauses, worauf man ebenfalls nicht reflektiert hat, betragen auch viel, nachdem e3 der Styl, in dem er gebaut­­­ w­ird, mit sich bringt (So ist’3! auf der Linken und äußerten Linken), und wenn ich zwei Millionen als jene Summe bezeichne, welche mit diesem Haufe jährlich dem V­aterlande auferlegt werden soll, sage ich wenig. Aber meine Abgeordnetenkollegen behaupten, daß eine Million Gulden im In­­­teresse der Würde, der Zierde, der Ehre einer Nation nicht zu viel sein künne. Nun denn, geehrtes Haus, wenn die Regierung wirklich eine Million hat, welche sie den Schultern dieser so sehr belasteten Nation noch auferlegen kann, so bitte ich auch in diesem Falle die Regierung, in dem Lande Umschau zu halten und dort die Not zu lindern, wo sie am größten ist. (So is’! So ist's! auf der Linken und äußersten Linken.) Als ich dem Heren Justizminister sagte, daß in einem Komitat von 114 Quadratmeilen mit 8 Bezirken eine gute Administration unmöglich sei und den Anforderungen der Rechtspflege unmöglich entsprechen könne, antwortete der Herr Minister, daß eine Vermehrung nicht möglich sei, weil sein Geld vorhanden ist. ALS der Vorwurf erhoben wurde, daß die Polizei zu wenig wäre und ihrer Bestimmung nicht entsprechen könne, so erhielt man zur Ant­­­wort, es sei sein Geld da. (So ist’s! Tinis.) Als die Beamten jammerten, sie können nicht von dem geringen Gehalte Leben, antwortete man, es sei sein Geld da. Wenn also eine Million vorhanden ist, so belieben Sie dieselben fr diesen Ziel zu verwenden, denn Dies entspricht mehr der Ehre, dem Ruhme und der Selbstachtung der Nation. (Lebhafter Beifall int3 und auf der äußersten Linken.) Der Herr Abgeordnete Graf Ludwig Tipa sagte ferner, daß ein solches Gebäude den Bier seiner Bestimmung ausbilden, das konstitutionelle Leben repräsentieren müsse und dergleichen Dinge mehr. Darauf können mir antworten, ob ein bescheidenes Gebäude, ähnlich dem Museum, seinem Berufe nicht eben so gut entsprechen würde. (So ist’s! Links.) Amateuren zuliebe sollen wir Opfer bringen, zu einer Zeit, wo wir fein Brod Haben? Und weil wir fein Brod haben, sollen wir Geld auf Basteien verschwenden? (So its! So ist’s! auf der äußersten Linken) Was wird das Bolt, was das Baterland dazu jagen, wenn wir Balätte bauen, während sie mit dem Elend rümpfen und oft des täglichen Brodes entbehren müssen? Ich halte dies­ nicht vereinbar mit meinem Gewissen. (Lebhafter Beifall auf der äußersten Linken.) Graf Ludwig Tipa sagt, dies sei ein Kortesschkniff. (Lebhafte Rufe rechts: it auch nichts anderes! Widerspruch auf der Linken: Das ist’s nicht.) Aus vollster Ueberzeugung, aus reinster, meinem Gewissen entsprungener Ueberzeugung behaupte ich — so laut Sie auch auf der andern Seite murren Benilleton. Summer tapfer voran! Aus dem Italienischen des Salvatore Farina. (8. Fortlegung.) I. Immer tapfer voran ! Exit Hatte Evangelina, dann mein Schwiegerpapa es gesagt, und von nun an wiederholte er mir eine innere Stimme zu jeder Stunde meines Lebens: „Summer tapfer ® voran!” DO wie viel Gutes haben mir diese Herrlichen Worte gethan! Wir Menschen lieben es, uns eine bestimmte Grenze für unsere Ent­­­behrungen zu denken, um dieselben leichter ertragen zu können. Wir sagen uns so gern: Bis da und dahin will ich mein Päckchen schon schleppen — nachher z wandere ich frei und leicht weiter, Und das hatte auch ich mir gejagt. Indem ich mir mein tägliches Heine Opfer auferlegte, dachte ich wohl: Heute noch eins und morgen noch einige und übermorgen — dann wird das Glüh für das weitere sorgen und mir einen Clienten schiden. Und jebt war der erste Client gekommen und hatte und doc nur solche Ware gebracht, davon wir s­­chon etwas im Hause hatten: nur die Zufriedenheit hatte er vermehrt und die Hoffnung gekräftigt — wobei freilich ein Kalender, zu herabgejegtem Preise erstanden, nicht mitgerechnet ist. Wir hatten immer noch einige Fenster ohne Gardinen und trösteten uns darüber immer noch mit der Behauptung, daß wir über die Maßen für das Licht Schwärmten; und ich trug immer noch meinen Hochzeitscylinder, von allen Hüten der zivilisierten Welt den bestgefhabten, unter dem nie veraltenden V­orwande, „ich hätte seine Zeit dafür übrig, mir einen anderen anzuschaffen.” Ir Wirklichkeit aber war ich — leider! — durchaus nicht so überhäuft mit Geschäften, al ich scheinen wollte; er passirte uns noch oft genug, daß wir selbander Arm in Arm ausgingen, Evangelina und ich, zu seinem anderen Bwede, als um einen Brief in einen entfernten Kasten zu werfen. Doch wir bitten darum weder an Langerweile noch an Verzagtheit, weil uns die richtige Verwendung unserer Einkünfte genug zu thun gab. Unsere Vergnügungen waren nicht kostspielig: die Andere zu ihrer Verstreuung Reifen machen oder ins Schauspiel oder in die Oper gehen, so wandelten wir durch die blumigen Pfade unserer Zukunft. Da gab es immer neue reizende Landschaften, da strahlte der Himmel von tieferem Gold als in tropischen Zonen, da standen Schlöifer, aller Herrlichkeiten voll, da waren Theater, in denen wir die interessantesten Szenen sahen und erquidende Lieder hörten, begleitet von Tönen, die tie­­fschmeichelnde Grüße sangen. Das waren die sonnigen Tage. Doch es kamen auch Tage mit Regen und Sturm, Tage, deren Un­­­denken mein Weib noch Heute schaudern macht, indeß ich Yächte. Meist war es der Montag vor dem Er­sten des Monats, doch alle Mal und in jeder Beziehung kam das böse Wetter unverhofft, ja gegen alle unsere Berechnung. Wir waren heiter, tat forgenlos, der Kalender verzeichnete­­­ „beständiges Better”; allein Evangelina trat ans Fenster und kam mit der Runde zurück, daß es regnete — will sagen, daß wir in unseren Ueberschlägen von gestern Abend die Holzrechnung vergessen hatten oder die Forderung der Walc­frau, und daß überhaupt bis Mittag aus dem Hause des Rechtsanwalts Placidi der rechte Heller verschwunden sein mußte. Hierauf umblüsterte sie die Stirn des Rechtsanwalts P­lacidi und er stieg in seines Rufens Tiefen hinab, Die Eingebungen seines Genius zu empfangen, und sein Genius bediente ihn aufs Prompteste und riet ihm, seine goldene Uhr — einen Genfer V­acheron — aus der Weitentasche zu ziehen, sie sauber mit Watte ummwidelt in ein Rapp- Schächtelchen zu betten, das Schächtelchen mit Inhalt wieder in eine Tasche zu teen, den Rad recht sorgfältig zuzuknöpfen und sich ohne Hagen auf den Weg zu machen. Und der Rechtsanwalt Placidi, durch Erfahrung folgsam geworden, sträubte sich nicht mehr, wie das erste Mal gegen solchen Nat, sondern prompt wie dieser gegeben­­­war, folgte die Ausführung — er zog die Uhr aus der Tasche, bat sie scherzhaft um Entschuldigung oder hielt ihr eine Hübsche Nede über das 2003 der Uhren, die mit einem Goldgehäuse zur Welt kommen, philosophierte darüber, daß diese und andere so viel beneidete Gold­­­fächelchen auch ihre schlimme und schlimmste Seite haben — und wenn er seine Frau, die ihm mit mitleidsvollen Augen zusah, mit feiner Geschwäßigkeit glücklich zum Leben gebracht hatte, dann wide er selbst wieder ernst, knöpfte den Rad fest zu, damit er auf der Straße dem unwillferlichen Drange, nach der Uhr zu sehen, besser widerstände, und ging. Er ging — ja, ich ging. So lange ich durch die belebten Straßen fohrst, war die Unge­­­zwungenheit meines Auftretens seinen allzu harten Proben ausgejeßt . Höchstens daß irgend­­ein Gaftenjunge, wie er mich so bis ans Kinn zugek­öpft sah, mich nach der Stunde fragte, um mit seinen biederen Kameraden über meine Gut­­­mütigkeit zu lachen, wenn ich mich ihm zu Liebe aufk­öpfte. Doc ich war auf alles vorbereitet, verlängerte meinen Schritt und sagte: „Es ist Halb nein.” Sobald ich aber in das einsame Gäßchen einbog, woselbst fi das nur zu bekannte Pförtlein No. 3 öffnete, fühlte ich mein Herz Klopfen und warf mißtrauische Blicke umher — e3 war feine lebende Seele auf der Straße; aus Fenstern aber und Thüren hefteten sich, ich spürte e3, Hundert Augen an meine Schritte, und in dem Moment, da ich durch die verhänguig­­­volle Pforte schlüpfte, schien es mir, als ob all’ die geziichelten Geheimnisse, deren Mitwisfer ich in meinem Leben geworden, auf einmal von allen Seiten zugleich ihre Stimmen erhöben. Die Gewohnheit, die mir allmälig ein wenig Sicherheit hätte geben sollen, half mir in diesem Punkte nichts ; denn jedes Mal, wenn ich wieder in dem schredlichen Gäßchen war, hatte ich das Be­­­mnwußtsein, dort nur noch eine bekanntere Persönlichkeit getworden zu sein — und bald auch den deutlichen Beweis: der Tischler an der Ehe war der erste, der mich sehen konnte, er ließ sogleich seine Arbeit liegen und trat in die Thür mit dem Hobel in der Hand, der Schuster gegenüber, verständnis­­­vol diesen Lochruf folgend, erhob den Kopf. Und es schlugen dann kleine Biiegespräche an mein Ohr wie das folgende: „Da ist der­­­ mal wieder, der Handfreund von Nr. 3.” „Ber mag es nur sein?” „Wer kann’s wissen ?“ Sie schwiegen. — An Fenster eines ersten Stockwerks zeigten sich zwei launige Dämchen, die immer lachten; ich kümmerte mich um niemand, sondern mar­­­schierte mit starrem Blide vorwärts; doch wenn ich die gefürchtete Schwelle überschritt, glaubte ich den Tischler und den Schuster zu vernehmen, die mir beide mit den Augen gefolgt waren und nun wie aus einem Mimde riefen: „sept ist er drin.” Und wenn ich drin war und das Schauspiel ein Ende Hatte, konnten

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