Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1892. Januar (Jahrgang 19, nr. 5492-5516)

1892-01-14 / nr. 5501

Seite 88 Hermannstadt, Donnerstag Zuschichstagswahl Der Burzenländer sächsische Kreisausschuß hat in seiner am 11.d.M.nachmittags abgehaltenen Sitzung einstimmig be­­­schlossen,der auf den 17.d.M.,nachmittags 3 Uhr,einzuberufenden Wähler­­­versammlung der sächsischen Wähler des Burzenlandes nachstehende Resolution zur Annahme zu empfehlen: „Die sächsiiche Bevölkerung des Burzenlandes, die von jeher eine auf­­­richtige Anteilnahme an dem Leben und der Arbeit des ungarischen Staates für ihre patriotische Pflicht erachtet hat, hält es für geboten, daß ihre Reichs­­­tagsabgeordneten sich einer der großen Reichstagsparteien anschließen, unter diesen die liberale Partei als Trägerin einer Regierung, die in den legten Jahren durch die unleugbar ersprießlichen Erfolge auf vielen Gebieten ihrer Verwaltungsthätigkeit und durch eine wohlwollende Berücksichtigung lang­­­jähriger berechtigter Wünsche des sächsischen Volkes immer allgemeinere Ver­­­trauen sich erworben hat, am meisten geeignet erscheint, unseren Abgeordneten und ihren Wählern eine gedeihliche Bethätigung in dem öffentlichen Leben unseres Vaterlandes zu gewähren, so treten die sächsisch-deutschen Wähler der vier Wahlkreise des Kronstädter Komitates hiemit der Liberalen Landespartei bei und beschließen, daß die von ihnen zu wählenden Abgeordneten in die liberale Partei des Reichstages einzutreten haben.” Der Kreisausschuß beschloß ferner einstimmig, die bisherigen Abgeord­­­nten von ihnen vertretenen Wahlkreffen neuerdings als Kandidaten aufzusteten und zwar im ersten Wahlbezirke der­ Stadt Kronstadt Adolf Bay, im zweiten städtischen Wahlbezirke Dr. Johann Kaiser, im Weidenbächer Wahl­­kreife Sofef W. Filtich, im Honigberger Wahlkreise den Aderbauminister Graf Andreas Bethlen. Nach dem „Bester Lloyd“ haben Filtich, Kaifer und Zay die Erklärung abgegeben, Mt. statt. Aus Biftriß Schreibt man dem „Pester Lloyd“ vom 10. d. M.: Am 12. d. Mt3. werden die Mitglieder des sächsischen Kreisaugsschusses den Abge­­­ordnetenkandidaten nominieren. E$ steht außer Zweifel, daß Karl Sluger ein­­­heilig kandidiert und gewählt werden wird. Auch in Napod hat sich die Po­­­sition des bisherigen Abgeordneten, Arthur Zielliner wesentlich gebessert. Eine Fraktion der Wähler, welche den ge­wesenen Obergespan Baron Desider Banffy kandidieren wollte, wird von diesem Vorhaben höchstwahrscheinlich abstehen, denn der Baron hat gar seinen Willen gezeigt, die Kandidatur anzunehmen. Dr. Selliner hat daher die besten Aussichten, mit Akklamation gewählt zu werden. ­neten in in­ die liberale Partei einzutreten. Da Die Wahl findet am 30. d. politische Miebersicht. Hermannstadt, 13. Januar. Das Kriegsministerium Hat, wie man der „Sonn- und Montags­ dtig.“ berichtet, infolge der Erörterungen, die während der jüngsten Delegations­­­ression in der ungarischen Delegation stattgefunden, die Verfügung getroffen, daß sämtliche Zöglinge in den M­ilitär-Unterrealschulen zu Güns, Eisenstadt und Raschau, sowie in den Kadettenschulen zu Dienpest, Hermannstadt, Preß­­­burg und Temeschvar die ungarische Sprache als obligatorischen Lehrgegenstand ausnahmslos zu lernen haben. Bisher war jedem Zöglinge freigestanden, neben der deutschen eine andere der österreichischen oder ungarischen Landessprachen zu wählen. Die neueste Verfügung des Kriegsministeriums hebt jedoch diese freie Wahl, welche von den Eltern der Böglinge zu treffen war, auf und macht die ungarische Sprache ausnahmslos zu einem obligaten Lehrgegenstand. Neber die Susion unter den Parteien des österreichischen Reichsrates wird aus Wien vom 11. Januar berichtet: Aus konservativen Kreisen kommt die autoritative Erklärung, daß die im „Vaterland“ erhobene Forderung nach neuen Garantien seitens der Re­­­gierung für den Hohenwart-Klub sein bloßes journalistisches Manöver ge­­­wesen, sondern thatsächlich in einem P­ostulate der Partei Ausdruck gefunden habe. Die Konservativen verlangen in Bezug auf den Kontakt mit der Ne­­­gierung vollständige Plarität mit der Linken und die Teilnahme der Minister Falkenhayn, Schönborn und Prazat an den Suchfigungen wäre sogar schon zugestanden. Die Konservativen verlangen aber auch noch ein weiteres Ent­­­gegenkommen des Kabinett, welches für die konservative Parlamentspartei gleichwertig der der Berufung Kuenburgs und Bilinskis sein müßte. Der Botenklub exerterte in seiner legten Sigung gleichfalls die neue Phase der inneren Angelegenheiten und teilte einmütig die Auffassung, „für die Polen sei die Lage unverändert und er könne weder gegen sie, noch auch nur ohne sie eine Veränderung der inneren Lage eintreten.“ Der Polenklub beschloß hierauf, einmütig für die Handelsverträge zu stimmen. Gestern hat der deutsche Reichstag mit der zweiten Lesung des Etats seine Arbeiten wieder aufgenommen. Zur Verhandlung kam der Diäten­­­antrag der Freisinnigen. Von weiteren Initiativ-Anträgen, welche vorliegen, sind insbesondere der SZesuiten-Antrag der Ultramontanen und die Börsenanträge von allge­­­meinerem Interesse. Bei dem Militär- und Marine-Etat wird die Regierung mit ihren hohen au­ßerordentlichen Neuforderungen einen jwierigen Stand haben. Der preußische Landtag tritt Donnerstag den 14. d. Dis. zusammen. Auch hier wird voraussichtlic die Budget-Beratung zu lebhaften Diskussionen Anlaß geben; vermutlich­ wird dabei das Verhalten der Regierung zu den Ultramontanen und den Polen zur Sprache kommen. war ich von Jugend auf zugethan, über die legten Probleme des religiösen Glaubens haben sich ohne eigentliche innere Kämpfe doch Bedenken geregt, Die ich wohl mit mir hinübernehmen werde. Aus Berlin wird vom 11.d.M.berichtet:Erzbischof Stablewski wurde hier mit der größten Auszeichnung empfangen und ihm zu Ehren gab der Kultusminister heute ein Diner,welchem Caprivi,alle übrigen Minister und zahlreiche Abgeordnete beiwohnten.Morgenmittags wird Stablewski in die Hand des Kaisers den Eid der Treue ablegen.Die Ansprache,welche der Erzbischof halten wird,wurde dem Kaiser vorgelegt.Der Kaiser wird,wie die,,Kreuzzeitung«meldet,in feierlicher Weise antworten.Die Antwort werde den Gedanken ausdrücken,daß die Regierung mit der Ernennung Stablewskis den Polen innerhalb des preußischen Staates großes Wohlwollen entgegen­­­brachte und dankbare Anerkennung seitens der Polen erhoffe.Auch sollen hiebei die Gründe entwickelt werden,aus denen die Regierung zu dieser Ernennung geschritten,um sowohl den Deutschen als auch den Polen in Posen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.­­­ Nach einem Pariser Telegramm­ der,,Vossischen Ztg.«ist der Streitfall Chadourne beigelegt,in dem die Pforte Bulgarien tadelte,daß es Chadourne nicht durch den französischen Konsul ausweisen ließ,worauf Bulgarien sein nicht ganz korrektes Vorgehen bedauerte.Ribot verlange weder eine Entschädigung noch eine Wiederzulassung Chadournes. Gegenüber der zum dritten Male wiederholten Meldung des Londoner Korrespondenten der,,Times«in betreff angeblicher Vertragsverhand­­­lungen zwischen Deutschland und Rußland bemerkt die»Norddeutsche Allg.8tg.«:Die Hartnäckigkeit,mit der der englische Korrespondent an dieser Nachricht festhält wäre geeignet,Bewunderung zu erregen,wenn nicht leider eine Mystifikation vorläge,deren Zweck und Charakter der Berichterstatter leicht erkennen könnte,wenn­ er deren Ursprung nachgehen wollte.Das Blatt erklärt sodann nochmals,daß nach seine Informationen von deutsch-russischen Ver­­­handlungen nichts bekannt sei,daß keine Sitzung stattgefunden habe und keine halboffiziellen Delegierten ernannt wurden,welche hätten Bericht erstatten können.Es sei auch kein Bericht oder Entwurf vorbereitet und die ganze Nachricht vollkommen erfunden. Ein Petersburger Telegramm der,,Köln.Ztg.«meldet,die vor vier Wochen in einer Fabrik am Schlüsselburger Wege bei Wettersburg vorge­­­nommenen Verhaftungen von Arbeitern,bei welchen man Bomben und Dynamit vorfand,würden mit dem Bombenattentat in Verbindung gebracht,das,bei der Rückfahrt des Kaisers auf der Krim auf der Moskau- Rjasaner Bahn vorbereitet,vorher jedoch verraten wurde.Infolge Anzeige bei der Polizei wurde an einer genau angegebenen Stelle nachgesucht und es wurden im Bahndamme mehrere Dynamitbomben aufgefunden.Der für die betreffende Bahnstrecke verantwortliche Bahnwärter gestand,daß sich im Herbst zwei Bauern bei ihm zwei Tage aufgehalten hätten,welche vorgaben,sich auf dem Wege nach Moskau verirrt zu haben und sehr müde zu sein.Diese beiden Bauern wurden kürzlich in Moskau verhaftet und ins Petersburger Gefängnis eingeliefert. l « XI Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt. 14. Januar 1892, Nr. 5501 Ya-VahkprogrammderYaiionakpartei. Schluß-) Die Regierung brüstet sich ferner mit den auf volkswirtschaftlichem Gebiete und den des öffentlichen Unterrichts erzielten einzelnen Resultaten. Einzelne derselben anerkennen wir gern;vergebens suchen wir aber in der Wirksamkeit der Regierung jenen systematischen Gedanken,welcher die kulturelle und volkswirtschaftliche Politik e allein erfolgreich zu gestalten vermag und welchen wir oben zu skizzieren bestrebt waren. Auf dem Gebiete der eigentlichen Reformpolitik jedoch charakterisiert nur die ununterbrochene Kette der Mißerfolge die Wirksamkeit der gegenwärtigen Regierung.Um dies zu beweisen,genügt es,auf einige Hauptmomente hin­­­zuweisen. Die mit großen Prätensionen verkündete neue Aera auf justiziellem Ge­­­biete hat dem Lande nichts anderes gebracht,als eine Landkarte­ die Ein­­­teilung der Tafeldistrikte——,auch diese ist von zweifelhaftem Werte­ und das Fragment einer Gerichtsorganisation,welche das Aufsichtsrecht auf Rechnung der richterlichen Unabhängigkeit erweitert.Im übrigen aber hat sie die Reform des Militär-Strafverfahrens,diese unerläßliche Forderung des Liberalismus,oder richtiger gesagt,des Humanismus nicht weitergebracht, auf dem Gebiete der Kodifikation des materiellen Rechtes einen Rückschritt gethan,während sich das formelle bürgerliche und Strafrecht nach drei Jahren langen Wehen noch immer im Stadium der Grübelei befindet. Die traurige Geschichte des Versuches der Verwaltungsreform auf zweute zu schreiben ist wohl überflüssig.Einen Augenblick schien es,als wenn in die Bestrebungen der Regierung ein besserer Geist eindringen würde,als wäre die ernste Geneigtheit vorhanden,den bereitwilligst angebotenen guten Rat und­ die ohne Hintergedanken angebotene Mitwirkung objektiv zu würdigen,und als wenn es infolgedessen möglich wäre,das schlecht konzipierte Reformwerk in eine korrektere Richtung zu lenken.Und solange diese Hoffnung anhielt, unterstützten wir entgegen unseren Parteiinteressen die Regierung.Die Illusion war aber von kurzer Dauer. Sobald die Regierung glaubte, daß die Annahme ihrer Vorlage gesichert sei, da hob sofort wieder der alte M­achtübermut und der Starrsinn sein Haupt empor. Er wurde jeder Not zurücgewiesen und die Reform des Disziplinarrechtes auch im Prinzip verweigert. Und wenn auch ein Zweifel darüber bestehen könnte, daß die sogenannte Reformpolitik der Regierung nur eine schlecht verhüllte Machtpolitik ist, dann würde dieser Zweifel sicherlich durch den jüngst eingereichten Gefäßentwurf über die Regelung der Beamtengehälter zerstreut werden, der amtlichen Stellung zu diesem Entwurfe werden die aus der Beamten resultierenden V­ermögensforderungen derselben auf den administrativen Weg verwiesen, d. h. von der Willkür des Ministers abhängig gemacht. Und diese Regierung rechnet bei den Wahlen dennoch wenigstens auf den Einfluß der Beamten, jener Beamten, welche sie sei­­ner geringen materiellen Entlohnung ihrer mühevollen Wirksamkeit, auch moralisp in einer solchen erniedrigenden Lage lassen will. Wir hoffen, das sich die Regierung in diesen ihren Berechnungen täuschen wird. Die Beamten werden ihr amtliches Ansehen nicht im Interesse einer Regierung kompro­­­mittieren, von welcher sie als Korporation nur schlechtes erwarten können, und welche bei ihrer Schwäche kaum in der Lage sein wird, über das Schidsal des einzelnen definitiv zu entscheiden. Denn schwach ist eine Regierung, welche bei einer Majorität von 140 Stimmen seine einzige Institution zu schaffen vermag, welche, nachdem sie in Angelegenheit der Kurialgerichtsbarkeit ihr Versprechen gebrochen, nicht ver­­­langen kann, daß wir auch nur eine einzige ihrer Erklärungen ernst nehmen, welche die Resultatlosigkeit ihrer Wirksamkeit fühlend, bestrebt oft, auf der ganzen Linie ihre eigene Ohnmacht auf andere zu wälzen und sich vorzeitig von jenem Parlament befreien will, welches das Umbdertasten derselben mit bes wunderungswürdiger Geduld unterstügte, welche, indem sie fühlt, daß sie das Parlament zu leiten unfähig ist, in der Verd­ränkung der Beratungsfreiheit zuflugt jugt. Bisher haben wir bloß von den­­nstitutionen gesprochen. Doch giebt es im staatlichen Leben noch einen zweiten, in P­rogrammpunkten kaum flizzier­­­baren, aber täglich zur Geltung kommenden und deshalb beinahe wichtigeren Faktor abs er die Institutionen selbst find­­­e8 ist dies der Geist, in welchem die Regierungsgewalt ausgeübt wird. Und in dieser Beziehung ist der Unter­­schied zwischen uns und der Regierung noch radikaler, als auf dem Gebiete der Institutionen. Unsere ganze Verwaltungsmaschine ist im Ganzen und in allen ihren Teilen nichts anderes als das Neb der Machtpolitik. Laufbahn ist an Bedingung des Prosperierens einzelner, der Verwirklichung jedes totalen Interesses. Auf jeder das Beugen vor der Richtung der herrschenden Politik hingestellt, besonders die Stellung des Obergespans, dieses Lieblings­­­fundes des jegigen Systems, ist zur wahrhaftigen politischen Gesinnungspolizei geworden. Einer solchen Handhabung der Negierungsgewalt ist die Ausrottung der Korruption eine Unmöglichkeit, vielmehr hat dieselbe die Verfüngerung der Charaktere, die Entwicklung des Strebertums, die Zurückkrängung des wahren Verdienstes zur notwendigen Folge. Man schaudert, wenn man bedenkt, wohin der fortwährende Angriff auf die moralische Kraft der Nation führt. Wenn irgendwo, so ist hier die vollständige Umgestaltung,­­­ eine voll­­­kommene Wendung in der Richtung der Verwaltungseinflüsse notwendig, und wenn aus anderer Ursache nicht, müssen wir schon aus diesem Grunde einen unerbittlichen Kampf gegen das herrschende System führen. Wie andere wird Ungarn sein, wenn die amtliche Gewalt ausschließlich staatliche und nationale Ziele fördern und von dem erniedrigenden Dienst parteiherrschaftlicher Ziele befreit sein wird, wenn die Freiheit der Mederzeugung von jedermann respektiert und die Verleugnung derselben nicht belohnt werden wird, wenn einzig und allein Charakter und Fähigkeit, Fleiß und Arbeit qualifizieren, Servilismus aber disqualifizieren werden! Die Regierung, welche Ungarn regenterieren will, muß genügende Geistesgröße besigen, um unsere schwache Gesellschaft Selbstgefühl und unabhängiges Denken zu lehren; nur so kann sie beweisen, daß sie das Vaterland mehr liebt als sich selbst. Wir haben pflichtgemäß eine Skizze dessen gegeben, was wir unter der praktischen nationalen Politik Ungarns verstehen; und wir haben in der Politik der Regierung das in den weiften Teilen entgegengefeßte Bild dieser Politik gezeigt. Unsere Speen sind feine radikalen; wir wollen auf jenem Gebiete bleiben, zu dessen Besigergreifung wir die Kraft der Nation für hinreichend, ihre Lage für geeignet erachten. Wenn wir aber auch mit den Verhältnissen rechnen, so sind wir doch vollkommen überzeugt, daß es bei Verwirklichung unserer Ideen seinen einzigen Zweig des öffentlichen Lebens geben wird, der nicht vom nationalen Gedanken durchdrungen wäre. Es ist unser fester Glaube, daß Ungarn auf dem von uns bezeichneten Wege so werden kann, wie wir es in unserem Ideale schauen: das Vaterland des nationalen Selbstgefühls, der Freiheit, der Gerechtigkeit, welches Glanz verbreitet nach außen und im W­ohlstand und Zufriedenheit seine sämtlichen Bürger vereinigt. Der Schaffung dieses Ungarn widmen wir die Kämpfe unseres ganzen Lebens, zur Erreichung dieses großen Bieles bitten wir um die Unterftügung der Nation. Dfenpeit, am 5. Januar 1892, Auf der an diesem Tage stattgehabten Konferenz der Nationalpartei. Alerius Benedes, Paul Kiralpi, Schriftführer. Präsident. Bericht über die Generalversammlung des „Hiebenbürg. Vereins für Naturwisenschaften in Hermannstadt“, Hermannstadt,29.Dezember 1891. Der Vorstand des Vereines,königl.Rat Bielz,begrüßte die Anwesenden und erteilte hierauf dem Vorstandstellvertreter,Herrn Gymnasialdirektor Guist, das Wort zu nachstehender(in gekürzter Form wiedergegebener)Rede: Noch stehe ich lebenskräftig dor der Zukunft und spüre nicht das Alter... Aber die Haare sind schon lange weiß, nach allgemein menschlichem Gejege neigt sich das Leben zum Niedergange,­­­ daß ich’s in Arbeits- und Lebensfreude noch­ manchem ein Gegen zu Ende führen möchte!“ Und noch 24 Jahre reichen Lebens sind ihm vergönnt gewesen (T3.­Januar 1890).Unser greift bei der Betrachtung von Hases und Rankeg Werken und Leben ein Gefühl des Dan­kes,daß es bei den Männern vergönnt war,sich so auszuleben.Das Bild der fruchtschweren Lehre drängt sich auf,die hinsinkt,wenn sie alles geboten,was in ihrer Natur liegt. Hases Schreibart ist Schanke’schen etwas verwandt Beide verstehen das Kleine,was der Tag bringt,unter größere Gesichtspunkte zu stellen, verstehen in gleicher Weise anmutig zu plaudern und ernst zu belehren.Vor allem erfrischt dabei der milde Humor,der die Blüte in einem befriedigten Dasein seinen Schimmer überallyin verstreut,er vergoldet und verklärt auch das alltägliche Er äußert sich bei Hase seltener in geistreichen Witzen,obwohl es auch an solchen nicht fehlt,sondern in der gesamten Lebensauffassung,die eben frei von äußerem und innerem Druck den Verhältnissen den Charakter des eigenen Geistes ausdrückt,in der Heiterkeit der Seele.Wie freundlich weiß er über Hof und Garten zu schreiben,über den neuen Siegelring,die ,,hungrigen Setzer,die wie Harpyen mich umzogen«,an die liebe Frau,sie solle immerhin etwas dummer aus dem Badnachhau­s kommet,als sie him gegangen sei:,,da wir demnächst zu den regierenden Familien gehören,so würde uns allzu viel Verstand ohne dem nicht rechtstehen«;über die Begegnung im Nürnberger Bratwurstglöcklein mit dem ev.Pfarrer,und vieles andere—— es mutet uns am als sehe das tiefe Auge lächelnd uns an,das geistvoll von dem schönen Bilde uns entgegenleuchtet,welches das Buch ziert—das ist der ganze Mann,wie er auch aus den Annalen uns entgegentritt. In Hasess Leben fehlt etwas,wenn man Italien,den Zauber,den das Land an ihn ausübt,nicht im Auge behält.Im Jahre 1829 hat er es zuerst gesehen,der berauschende Duft,den er daraus gesogen,ist in seinen Briefen an die künftige Geliebte,,Erinnerungen erhalten,mit all den Ge­­­danken über Kunst,Natur,Volk und eigenes Leben,mit all der Sehnsucht, die ihn erfüllte, zu einem wunderbaren Bilde verweben, das niemand ohne tiefste Anregungen auch heute lesen wird.*) Dann haben ihn die Ferien noch oft eingeführt, eine Reihe von Jahren nach­­einander, und immer ist er er­­­reischt und gestärkt zurückgekührt. Die „großartige Erholung“ vertrat ihm „fast die Stelle eines großen Zeitalters und der Wirksamkeit in demselben“ (1859). Er konnte allerdings reifen und reden wie nicht viele Menschen. „Von mir weißt du — schreibt er einmal — daß Rom mir wie eine schöne Kleinen- Heimat ist, und Nichtsthun mir außerordentlich gut bekommt, es scheint das fast meine verfehlte Bestimmung zu sein.“ Als danın das höchste Alter die weite Reife nicht mehr zuließ, da wurde Dafiein der Sommeraufenthalt, der den reis neu stärkte und arbeitsfrisch erhielt. In jenen römischen Briefen aber sind wieder reizende Reitbilder, prächtige Schilderungen­ von Personen und Zus­­­tänden enthalten. Die Begegnung mit Antonelli, die Bekanntschaft mit Theiner, der Verkehr mit den hervorragendsten Deutschen dort, sie geben Ver­­­anlassung zur Zeichnung jener Kabinettbilder, in denen er unübertroffener Meister ist, so wenn er die täglichen Fastenpredigten in der Jesuitenkirche charakterisiert als den Ort, wo man „viel Weltklugheit, Italienisch und etwas Christentum Lernen kann“ und vieles andere. Wer Rom und­ Italien kennen lernen will, der wird kaum einen besseren Führer finden als Hafe. Hajes Stellung führte ihn auch in Deutschland mit den hervorragendsten Personen zusammen und gab ihm Anteil an den bedeutendsten Ereignissen. Die Schilderung der Revolutionsidylle in Weimar, de Senaer, Erlanger, Tübinger, Berliner und Wiener Universitätsjubiläum­, der Gastfreundschaft im großen Stil, die im eigenen Haus geübt wurde, der freundlichen Umgebung von Lena, der Befriedigung in der Arbeit, der Anteil am Krieg von 1870, in dem drei Söhne mit waren , wohin die Hand greift, überall findet sie Gold. Man weiß, wie Schön menschlich ft das Verhältnis ideutischer Fürsten zu den leuchtenden Größen der Kunst und Wissenschaft vielfach gestaltet hat. Das Verhältnis Hases zum Großherzoglichen Haus von Weimar ist auch ein Beweis hiefür. „Ab Früh das Stubenmädchen einmal (1856) in unserem Berghäuschen augführte, war ein junger Herr hereingenommen, hatte sich alles besehen und mich grüßen lassen. Als sie frug, von wem? war’s ihre nicht ein geringer Schrecen als er antwortet: vom Großherzog.” Das giebt Ver­­­anlassung,den hohen Herrn dorthin einzuladen.»Eine Weile mit ihm allein auf der Höhe unsergehend sprach er in nobler Gesinnung von der Universität, daß er wisse,nicht mit äußeren Mitteln sie groß machen zu können,aber durch Freiheit.Dann belebtes Tischgespräch...So hatte alles erwünschten Ver­­­lauf und als Kontrast zu den Tagen des Hohenasperg war mir’seine etwas aristokratische Freude,den Landesherrn als Gast in anmutiger Umgebung zu bewirten,außerdem daß ich ihn wertyalte.«Zu diesem schönen Verhältnis paßt es,wenn Hase vom Großherzog zu Tisch geladen,sich entschuldigt,er habe an dem Tage selbst Gäste und»da der Großherzog in allen Dingen so rein menschlich dächte«,möchte er das Ausbleiben entschuldigen und der Landesh­err ihn darauf bitten läßt,also den nächsten Mittag rein menschlich bei ihm zu essen. Die schöne Schilderung der eigenen Jubiläen mit all der Teilnahme, die sie gefunden,ist wieder ganz im Geiste Hases.Die ergreifende Antwort, die er der evang.Landeskirche in Siebenbürgen auf ihren Glückwunsch gegeben, ist Seite 294 abgedruckt. Nicht ohne schweres Leid­—am 20.März 1885 starb,,die Liebste vom Allen und ich gabe allein das nicht große irdische Leben noch übrig«— und stille Entsagung geht auch dieses Leben zu Ende,aber der Beschauer desselben steht tiefergriffem das ist ein freier Geist,der auch andere zur rechten,herrlichen Anschauung des Lebens führen kann. Und das ist,was dem Leser volle und reine Befriedigung zurückläßt­­­es ist ein edles und reines Menschenleben gewesen,dem nichtsmenschliches fremd war,das getragen vonnealen das Schöne,was sich dem Menschen bietet,genießen konnte,auch dem Zufälligen und Vergänglichen Wert zu geben uso seie und dass Leid wunderbar überwand,ein moderner Theologe,der eine Person die Möglichkeit bewies,das Christliche und Moderne, zwei«-sp­::j..,n·it und höchste Bildung zu vereinigen. Hunderten auch von uns ist Hase ein Wegweiser gewesen.Das vor­­­liegende Buch wird nicht nur jenen,die ihn persönlich gekannt,den Meister zum Begleiter ihres Lebensweges machen,sondern auch jenen zur Erhebung dienen,denen im Anschauen eines edlen Menschenlebens die kleinen Sorgen des Tages schwinden und Mut und Kraft fließt zu jener Art des Lebens,die allein,,Leben«zu heißen ein Recht hat. P.T. *­ Zweiter Abbruch. Leipzig 1891. 272. ©,

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