Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1892. Oktober (Jahrgang 19, nr. 5718-5743)

1892-10-28 / nr. 5741

Medaktion und Administration Heltauergasse 23. Exscheint mit Ausnahme des auf Sonn- und Feiertage folgenden Wochentages täglich. Abonnement für Hermannsadt: monatlich 85 Er., vierteljährlich 2 fl. 50 Er., Halb­­­jährig 5 SL, ganzjährig 10 fl. ohne Zustellung in’3 Haus, mit Zustellung SL, 37, 6L., 12. Abonnement mit Dortversendung: Für das Inland: vierteljährig 3 fl. 50 fl., halbjährig 7 fL., ganz­­­jährig 14 fl. Für das Ausland: vierteljährig 7 NM. oder 10 Fred., halbjährig 14 Da. oder 20 Fred., ganzjährig 28 NM. oder 40 Fres. Eine einzelne Nummer Tostet 5 fl. d. W. Unfrankirte Briefe werden nicht angenommen, Manuskripte nicht zurückgestellt. Nr. 5741. XIX. Jahrgang Siebenbürgisch-Deutsches a N R­­­­­­­ebfaft. Pränumerationen und Inserate übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltauer­­­gasse Nr. 23, in Kronstadt Heinrich Zeidner, H. Dresswandt’s Nachfolger, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, Schässburg Carl Herrmann, Bistritz G. Wachsmann, Sächsisch-Regen Carl Fronius, Mühlbach Josef Wagner, Kaufmann, Broos Paul Batzoni, Zehrer, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Dannen­­berg, Budapest A. W. Goldberger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co., Hamburg Adolf Steiner, Karoly­­n Liebmann. Der Raum einer einspaltigen Garmonbzeile fostet bei­ einmaligen Einrden 7 fr., das zweite mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. 5. W. ex­­­clusive der Stempelgebühr von je 30 fr. a Hermannstadt, Freitag 28. Oktober Insertionspreis: Zur inneren Jage. Der „Neuen freien Presse” wird aus Budapest vom 24. d. Mis. ger fchrieben : Ministerpräsident Graf Szapary begab sich gestern morgens nach Gödölld, um dem Kaiser über die Lage Bericht zu erstatten, und ist gestern mittags hieher zurückgekührtt. Der Ministerpräsident war noch nicht in der Lage, dem Monarchen seine Demission anzubieten, da dieselbe die Demission des Gesamt­­­kabinetts hätte zur Folge haben müssen, Graf Szapary hatte aber bis jet seit den Vorfällen der legten­­eitung des Abgeordnetenhauses noch seine Gel­­­egenheit, sie hierüber mit seinen Ministerkollegen auseinanderzufegen. Der Ministerpräsident hatte auch gar nicht die Absicht, dem Monarchen sein Portes feuille zur Verfügung zu stellen, da Graf Szapary von der Auffassung aus­­­geht, daß der Beschluß einer außerhalb des Parlamentes stehenden Körperschaft nach allen konstitutionellen Begriffen gar nicht geeignet sei, über das Schicsal des Ministeriums zu entscheiden, hiezu sind Lediglich die Krone und das Par­­­lament berufen, und Graf Szapary schmeichelt sich mit der Vorausfegung, daß er das Vertrauen beider besige. In formeller Beziehung ist diese Auffassung zweifellos eine richtige, aber meritorisch ist sie nicht entscheidend, denn unter den von ihm gehegten Vorausfegungen hat es in Ungarn noch nie eine Mi­­­nisterfrist gegeben. Die Lage ist Heute genau dieselbe, wie sie in dem Sonn­­­tage Morgenblatt der „Neuen freien Presse” dargestellt wurde. Es giebt im ‚ Augenblicke seine formelle Ministerkrise, aber der Eintritt derselben ist für eine nahe Zeit mit Sicherheit vorauszusehen. Nachdem der Zwischenfall mit dem Honveddenkmal vorläufig abgethan ist, gelangen die übrigen wichtigen Fragen wieder in den Vordergrund, und der Ministerrat dürfte schon binnen fürzester Frist zusammentreten, um die Gesamtlage zu erwägen. Nachdem die Grund­­­ursache der Krisis im Kabinett selbst liegt, wird auch die Entscheidung über dieselbe aus seinem reife hervorgehen. &o sind demnach alle Meldungen über den Nachfolger des Grafen Szapary und über den Rücktritt dieses oder jenes Minister vorläufig als Haltlose Kombinationen von der Hand zu meilen. Nur die eine Version scheint begründet, daß der Kultus- und Unterrichtminister Graf Csaky in den ihm nahestehenden Kreisen der festen Absicht Augerud ges geben hat, unter allen Umständen zurückzutreten und sie aus der Hauptstadt auf sein Stammschloß in der Zips zurückzuziehen — er wäre denn, daß schon fest Mittel und Wege gefunden würden, für ihn im Präsidium des Oberhauses Raum zu schaffen, für welches er in Aussicht genommen ist, insoferne der greise Kronhüter Baron Nikolaus Vay auf dasselbe freiwillig verzichten solle. Es fehlt nur an Anstrengungen, den Unterrichtsminister von­­­­ieser Absicht abzu­­­bringen. Graf Csaky beruft sich indessen auf seine schwer erschütterte Gesund­­­heit, die seit dem tragischen Falle, der sich im Vorjahre in seiner Familie ereignete, sehr viel zu wünschen übrig läßt. Die Krisis wird so noch einige Zeit hinschleppen, da eine unmittelbar bevorstehende Entscheidung nicht zu ges­­­ärtigen ist. Gestern war hier überall das Gerücht verbreitet, der Kaiser werde sofort nach Wien abreisen, um all auf diese Weise ein Reichen der bei Hofe herr­­­schenden Verstimmung zu geben. Das Gerücht erwies sich als zutreffend. Nach den bisherigen Dispositionen sollte der Hof mindestens bis zum Abschlufse der Delegationen, wahrscheinlich bis in den November hinein, in Gödölld ver­­­bleiben, und erst nach der Abreise der Kaiserin nach dem Süden sollte der Hofstaat nach Wien zurückkehren.­­­­m Laufe des gestrigen Tages erging aber der Befehl an den Hofstaat und an die Direktion der Staatsbahnen, alles für heute vormittags zur Abreise nach Wien bereitzuhalten, und thatsächlich sind der Kaiser und die Kaiserin samt dem Gefolge heute vormittags von Gödölöd, ohne Budapest zu berühren, nach Wien abgereist und werden daselbst in den ersten Nachmittagsstunden eintreffen. Diese phölische Abreise wird als Zeugnis der großen und tiefen Verstimmung über die jüngsten Vorgänge betrachtet und von allen P­ersonen, welche Zutritt bei Hofe haben, rückhaltlos betätigt. Die Veranlassung dazu ist nicht nur in den Ereignissen, sondern auch in der Rüc­­­kwirfung derselben auf das Ausland zu ruhen. Man beist bereits Kenntnis davon, daß der in so unnerhörter Weise fehlgeschlagene Versuch einer gegen­­­seitigen Ehrenbezeugung zwischen der gemeinsamen Armee und den alten Hon­­­veds im Auslande eine höchst abfällige Beurteilung gefunden und eine aller­­dings vorläufig übertriebene Vorstellung von den in Ungarn herrsc­henden Zu­­­ständen erregt hat. Mehrere hier beglaubigte diplomatische Vertreter fremder Mächte haben Veranlassung genommen, ihre Regierungen über diese Ereignisse aufzuklären und den Charakter derselben als einen solchen Zwischenfall darzu­­­stellen, der nicht geeignet ist, dauernde Störungen herbeizuführen. Graf Kal­­­hofy nahm Gelegenheit, im Laufe des gestrigen Tages mit mehreren Mitgliedern des Kabinetts längere Zeit hindurch zu konserieren. Der Zwischenfall dürfte aber auch auf die Verhandlungen der ungarischen Delegation nicht ohne Ein­­­fluß bleiben. Es ist bekannt, daß mehrere Mitglieder der Regierungspartei die Absicht hatten, in der heute beginnenden Plenarberatung des Heeresbudgets dem Kriegsminister Baron Bauer schärfer zuzufegen. Möglicherweise werden diese Angriffe unterbleiben, damit er nicht noch mehr den Anschein gewinne, als ob in Ungarn feindselige Absichten gegen die Armee beständen. Die durch­­­aus ruhige und forieste Haltung der militärischen Saktoren wird übrigens auch­ in den reifen der Opposition anerkannt. Korpskommandant Prinz Lobrowiß, der berufen war, den franz auf das Honveddenkmal niederzulegen, ist in seiner Weise engagiert. Die Einladung zur Feier wurde ihn zwar zugestelt, nachdem sie aber gegenstandslos geworden, Hatte er seine Veranlassung, sich über die Annahme oder Ablehnung auszusprechen. Das „Neue Reiter Journal“ berichtet vom 24. Oktober: Wer gestern abends in den Räumen des liberalen Mlub3 verweilte, hätte dieses fant so trauliche ruhige Heim der lammfrommen Regierungspartei gar nicht erkannt. Was man sich sonst höchstens ins Ohr geraunt, indem man scheu umherbliche, ob man nicht belauscht werde, seht ruft man es laut in den Saal hinein. Man zitiert das Sündenregister der Regierung, klagt über die arge Vernach­­­lässigung der Partei und erklärt es laut und offen, nicht mehr mitthun zu wollen. Wird gegen solche offene Meuterei von irgend­­einer Seite eine schwache Entgegnung riskiert, so schieben die übrigen alle Schuld einzig und allein dem gegenwärtigen topflosen Regime in die Schuhe. Wenn man den Wahrnehmungen der Mitglieder der Majorität Glauben schenken darf, so droht die große Re­­­gierungspartei in zahllose Atome zu zerfallen, wenn nicht alsbald Wandel geschaffen wird. Um­ Ermangelung authentischer Nachrichten wurden dann die von einigen Blättern gebrachten Nachrichten erörtert. A Insbesondere besprach man lebhaft die Kombination, nach welcher die durch ihre weitgehenden Ver­­­sprechungen engagierten Minister Csaly und Szilagyi aus dem Kabinet aus­ treten würden, so daß dann der Sache des Liberalismus nur geringere Konzessionen gemacht werden müßten. Hierauf erklärten nun mehrere Abgeordnete ganz dezidiert, daß sie in diesem Falle aus der Partei austreten würden, sie könnten ohnehin nicht mehr ihre Bezirke besuchen, weil sie immer wieder dag, was sie zugesagt, zurücziehen müßten. Im diesem Fahrwasser bewegte sich der sehe lebhafte, oft erregte Meinungsaustausch. Später kam Handelsminister Lufacs und nach ihm alsbald Justizminister Szilagyi. Beide wurden zwasc) umringt und mit Fragen bestürmt; sie erklärten jedoch, nichts zu wissen, nach­­­dem Graf Szapary heute zu Sr. Majestät nach Gödölld abgereist ist und er — der Ministerpräsident — nach der Audienz mit ihnen noch seine Rücksprache genommen. Szilagyi zog dann Koloman Tipa beiseite und die beiden Staats­­­männer blieben, in eifrigem Gedankenaustausche begriffen, eine volle Stunde beisammen. Als besonders charakteristisch mag noch hervorgehoben sein, daß die Abgeordneten die heutige Abreise des Hofes allgemein als einen Ausfluß des Unwillens Sr. Majestät auffassen. 1892, Politische Mebersicht. Hermannstadt, 27. Oktober. &3 muß eine herbe Lektion ge­wesen sein, die die Führer der Radikalen aus der Denkmalbegranzungs-Affaire heimgetragen haben, da in ihrer Heinlaut gewordenen P­reffe das Händewafchen fortgelegt wird. Angesichts der plößlichen Abreise des Hofes von Gödöld und den damit verknüpften Kombinationen beginnt man in den Reifen der siegesberauschten Opposition die schwertwiegenden Folgen zu vermuten, die sie aus der Henlei-Affaire er­­­geben künnen. Das Organ des Grafen Apponyi, „Betti Naplo”, veröffentlicht einen Artikel, der an triefender Loyalität das möglichste leistet, die konstitutionelle Tugend des Monarchen in dithyrambischen Ausdrücken feiert und die Schuld an allen Geschehnissen dem Ministerpräsidenten zuschreibt, während die aller­­­unterthänigste Opposition Sr. Majestät sein Wäfferchen getrübt haben mit. „Magyar Hirlap“, dessen Redakteur Vizepräsident der Nationalpartei ist, ver­­­öffentlicht einen Artikel, in welchem geradezu gefordert wird, daß Graf S­a­­­pary an der Seite der Geschäfte bleibe. Alle Feinde der Monarchie, heißt es in dem Artikel, in Rom, Petersburg und Bukarest seien im Aufmarsche be­­­griffen, im Innern Halten kirchliche und politische Fragen die Gemüter in Aufregung; die magyarische Nation wide verdienen, daß man ihr einige Ruhe gönnt. So lange die Majorität glaubt, daß Graf Szapary zur Führung der Geschäfte geeignet sei, und so lange die Krone der Ansicht ist, daß dieser Mann befähigt sei, die Interessen der Dynastie und das Ansehen der Krone wahrzu­­­nehmen, so lange dürfe seine Regierungskrise eintreten. Der Sturz des Mi­­­nisterpräsidenten bei gleichzeitigem Besibe einer großen Majorität im Parla­­­mente würde beweisen, daß im öffentlichen Leben Ungarns alle Moral ab­­­handen gekommen sei. Um diesen Preis verzichtet das genannte Blatt auf den all des Grafen Szapary. — Auf derartige Nebenraschungen, wie sie diese Preß­­­fundgebungen bieten, muß man im politischen Leben Ungarns immer gefaßt sein, aber man darf ihre Bedeutung nicht Höher stellen, als die von Syms­­ptomen, welche darauf hindeuten, daß man im Lager der Opposition fühle, es sei nicht mehr geheuer. — „Nemzet“ macht sich über diese mutatio rerum in der oppositionellen Vresse Lustig und bezeichnet die Haltung des Grafen Apponyi als zweideutig und unentschlossen; er habe durch dieselbe neuerlich das Recht ver­wirkt, als maßgebender Faktor der Politik in Betracht zu kommen. Zur Ernüchterung der radikalen Presf­e muß, abgesehen von der mani­­­festierten Indignation der Hoffreife, die Rückwirkung der Begranzungsdebatte auf die auswärtigen Beziehungen der Monarchie beigetragen haben. Insbesondere find­­en englische Zeitungsstimmen, die ihr Befremden über die Henki-Affaire nicht unterdrücken können. Die Londoner „Times“, sonst sehr ungarnfreundlich, erklären, daß die Nachricht von der Gefahr einer Erschütterung der Stellung des Grafen Sza­­­pary von allen Freunden des konstitutionellen Fortschrittes, der Wohlfahrt und der Stetigkeit der österreichisch-ungarischen Monarchie mit Bedauern aufgenommen werde. Denn dieser dualistische Staat sei so enge vers­­bunden mit der Erhaltung des europäischen Friedens und von so wesentlicher Bedeutung für die harmonische Entwicklung zahlreicher mit­­einander rivalis­­­ierender Nationaliäten, daß man ihn, wenn er noch nicht existierte, erfinden müßte. Das U­mwachsen der nationalen magyarischen Partei habe indirekt auch schon den Sturz Tipas herbeigeführt. Sollte der Partikularismus in der Mon­­­archie das Uebergewicht erlangen, so würde er sich gewiß nicht auf die Her­­­stellung der Autonomie von Ungarn oder Böhmen allein beschränken. Der „Standard“ wieder wirft die Frage auf, ob die Krone eingeschü­chtert werden solle, um sich neuerdings von einem treuen und fähigen Diener wog­­­zujagen. Benilleton. Unter der Königstanne. Preisgekrönter Roman von Maria Theresia May. (46. Fortlegung.) XI: „Kennt du die blaue Blume? Sie leuchtet Hehr und mild, Aus fernen, fernen Weiten Ein strahlend Sternenbild. Einst sah ich jene Blume In mondesheller Nacht — Nach ihr strebt ich die Hände, Da bin ich jäh erwacht! Der große Weihnachtsbaum, den Tante Lona für die armen Dorffinder aufgepaßt hatte, stand noch nahezu im Vorbesit seines Schmucks im Nähsaale. Er sollte nämlich erst am Dreikönigstage von der versammelten Dorfjugend geplündert werden. Das Heine Evchen bewunderte mit lautem Entzüden den herrlichen Christbaum. Kaum eine Stunde nach der Szene in der Bibliothek war Baronesse Yella Hinabgegangen, um Magdalena Büchner noch zu sprechen, aber diese war, ermüdet von all der Aufregung, bereits zu Bette, und das Heine Evchen blätterte in einem Bande einer illustrierten Zeitschrift, den Milka ihr gebracht hatte. Dieser war nämlich der Spezielle Dienst bei Fräulein Büchner aufgetragen worden. Yella nahm das Kind mit sich und befahl Milka, , bei der Blinden zu bleiben Und nun schnitt Yella Buderbrod und Bonbons von dem Baume ab, reichte die Süßigkeiten dem Kinde und erzählte dazwischen Halblaut und so Iatonik­ als möglich der Tante Lona, welche von Hella herbeigeho­ t worden war, wen das blonde Kind gehöre und wie es nach N­otheim gekommen ei. Die alte Dame hatte viel mit dem Kopf­ zu schütteln, während sie Yella zu­­­hörte. „Du dachtest, Siegfried sei der Vater des Heinen Geschöpfes da ?“ fragte sie endlich, wie ungläubig. „Sa“, nichte Yela. „Louis hat es mir ganz ausdrücklich gesagt, und ich hatte dem Fräulein Büchner auch geschrieben, nur zu kommen, wenn sie mit Siegfried in Verbindung gestanden habe.“ „Onis ist ein Spiebube und hat sicher den Brief gefälscht,“ vief die alte Dame entrüstet: „Aber dich, Yella, begreife ich durchaus nicht, Du, sonst der verkörperte Stolz, besprichst mit einem Diener derartige Dinge! Und ab» gesehen davon, daß dieser Verdacht, ven du gehegt Haft, dem Direktor gegenüber grenzenlos beleidigend ist, so ist mir wirklich nicht Har, welchen Ewed du verfolgtest, als du die arme Frau mit dem Linde hierher kommen TLießest. Dir kann es doch­ gleich sein, welchen Charakter Siegfried hat.“ „Ich war über das Unpassende meines Vorgehens durchaus nicht im Zweifel“, verlegte Yella finster, „aber du wirst Dich erinnern, Tante, daß mir der Charakter des Direktors nicht so jeder über jeden Zweifel erhaben schien als dir, dem Vater, kurz allen anderen. Und aus dem Verlangen, mir darüber Gewißen­ zu verschaffen, entsprang meine Handlungsweise, die dich so sehr entjegt. Mir war, als müßte ich mir um jeden Preis die Genugthuung ver­­­schaffen, den Direktor gedemütigt zu sehen.“ „Mein Himmel, Yella!“ rief die Zieifrau verwirrt, „ich glaube gar, du hättet dich gefreut, wenn das Schredliche wahr gewesen wäre!“ Yela atmete tief auf. „Nein Tante,“ sagte sie langsam, „ich freue mich­, daß es nicht wahr ist.“ „B­räulein, darf ich mir Dieses Bilderbuch behalten?“ fragte das Kleine Loden, zutraulich zu Yella emporgehend und auf ein feines, am Weihnachts­­­abende zurückgebliebenes Buch deutend, welches sie lebhaft interessierte. Die Baronesse blickte tief in die holden Kinderaugen. „Sa mein Kind, das Buch nimmt du mit und hier diese Kette bekommst du auch zum Une denken an Tante Yella“. Dabei nahm das junge Mädchen eine fein gearbeitete Goldfette von ihrem Halse und schlang sie um den Namen des Kindes. „Aber Yella!“ mahnte Tante Lona, „die kostbare Kette!” „Laß mich nur Tante, du weißt nicht, wie viel Dank ich diesem Kinde und seiner Mutter schulde. Ich habe mir gelobt, Dieses Kind in meinen Schug zu nehmen, wenn das Gesichc ihm die natürlichen Beichtigerinnen raubt, die es jet hat. Evchen soll niemals Erfahrungen ähnlicher Art wie der arme Onker Valentin machen.” „Du vergißt, Yella,” erinnerte Frau von Balten, „daß wohl Direktor Siegfried auch für das Heine Evchen sorgen wird, wie er für ihre Mutter sorgt.“ „Run, dann gestattet er mir wohl, daß ich an seiner Sorge teilnehme.” Das Heine Mädchen schaute während des ihm unverständlichen Ge­­­spräches ganz entzüdt die goldene Kette an, die tief von dem rosigen Hälschen auf das dunkelblaue Wollkleidchen herabhing, „Was nur Großmama sagen wird, daß ich etwas so schönes bekommen habe,” rief Evchen endlich aus: „Mama hat gesagt, daß wir schon morgen wieder fortfahren. Das ist schade, mir gefällt es sehr gut hier.“ „Das freut mich“, entgegnete Yella lächelnd, „da mußt du mit deiner Mama recht bald wieder fommen und länger hier bleiben, im Sommer ist es noch viel schöner da.“ „Willst du auch, daß ich wiederfomme?’ fragte das Kind mit einem nachdenklichen Blide Frau dr. Balten. Diese Hob Lächelnd das schöne Kind empor und faßte ed. „An mein Herz, ich will an, daß du wiederkommst. 3 ist ein Glück,” fügte sie leise hinzu, „daß Even nur ihrer Mutter gleicht.” „Wird der Herr Louis wieder mit uns fahren?“ fragte das kleine Mädchen nach einer Pause. „Rein mein Schach,“ erwiderte die Baronesse, „aber es ist gut, daß du mich daran erinnert.” Und zu Tante Lona sich wendend, sagte Yella: „Louis hat ji ohne Zweifel empfindlich an dem Direktor rächen wollen. Wofür, das mag der Himmel wissen. Der fein angelegte Plan war nur etwas zu fühn aufgebaut, so daß der Teifeste Windstoß ihn vernichten mußte. Louis sol Fräulein Büchner nicht begleiten. Tante Lona, du truft mir wohl den Ge­­­fallen und erfuh­st den Heren Direktor, daß er seinem Paul gestattet, die Blinde und ihr Töchterlein nach Lindenheim zurückkubringen.” „aber Kind“, sagte die Freifrau verwundert. „Das kannst du dem Direktor heute beim Thee selbst jagen.“ Yella zögerte: „So möchte es nicht thun, Tante.” „Du fühlt dich Schuldig! Nun, ich an deiner Stelle hielte es für meine Pflicht, den Direktor Siegfried ganz ehrlich um Verzeihung zu bitten; dein Vorgehen war unverantwortlich, und dein Verhalten in der Bibliothek hat ihm sicher verraten, in welchem entseglichen Verdacht du ihn Hattest.” „Son um Verzeihung zu bitten, das vermag ich nicht, und das thue­­hr auch nicht, Tante!” rief Yella so heftig, daß die alte Dame erschroden lieg. In diesem Augenblick erschien Paul und meldete der Freifrau respertvoll, daß der Direktor Siegfried fr entschuldigen lasse; er könne Heute nicht zum Thee kommen. „Sagen Sie Ihrem Herrn, daß wir die Umstände, welche ihn veran­­­lassen, Heute von unserem Theetische fernzubleiben, leb­­haft bedauern,” sagte Frau d. Balten freundlich, indeß Yella stumm vor sich niedersah. „Ich muß

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