Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1892. Dezember (Jahrgang 19, nr. 5770-5795)

1892-12-03 / nr. 5772

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Wenn Reichstagsabgeordnete von heute auf morgen ihre Grundanschauungen wechseln, wenn die zur Leitung der Landes­­­geb­­iete berufenen Geießgeber widerstandslos­ der Macht der Phrase verfallen, wie fannı man da dem harmlosen Philister am Biertisch seine geistige Unselb­­­ständigkeit in politischen Dingen verargen ? Dank dem Starrsinn des Ultramontanismus, der Ungarn Techterzeit zu seinem besonderen Kampfplag erforen hat und dem heilsamen Staatsgeieg über die Religion der Kinder bei Mischehen den Gehorsam verweigert, stehen freilich s i­on seit zwei Jahren kirchenpolitische Fragen auf der Tagesordnung. Daß diese aber zu einer so raschen und so radikalen Lösung gebracht werden könnten, wie sie das kirchenpolitische Programm des Ministeriums Weferle anbahnt, das hätte si vor vier Wochen in ganz Ungarn niemand träumen lassen. Denn von der Einführung partieller Zivilmatrikeln bis zur absoluten Reli­­­gionsfreiheit und obligatorischen Zivilehe ist ein ungeheurer Sprung, der einer gewaltsamen U­­wälzung der Dinge gleich­­kommt. Wie das alles prödlich so gefommen, läßt sich im Augenblick für den ferner Stehenden nicht mit voller Klarheit übersehen. Unaufgeklärt bleibt, wie die liberale Partei über Nacht das Zugeständnis der obligatorischen Zivilehe von der Krone als eine Kardinal­­­bedingung für den Bestand des jenigen Regierungssystems fordern konnte, da bis dahin niemand hierzulande an diese Institution nur gedacht hatte, ver­­schweige denn eine öffentliche Verhandlung der tief einschneidenden Frage vor» ausgegangen wäre; unaufgeklärt, wie gerade Koloman Tipa, ein Haupt der Kalviner, und sein Anhang für die neue Kirchenpolitik eintreten konnte. Hält si die reformierte Kirche Ungarns für so starf, daß sie bei dem mutwilligen Niederreißen der geieglichen Schußdämme auch für ihren Bestand, die Fortbarste Errungenschaft Jahrhunderte langer blutiger Religionskämpfe, nicht zu verlieren habe, daß sie im freien Wettbewerb mit der römischen Kirche etwa das Feld behaupten könnte? Oder erachten Koloman Tipa und Genossew den poli­­­tischen Gewinn der obligatorischen Zivilehe, der das ausgedehnte Gebiet des Matrikel- und Ehewesens, das bisher den Kirchen und den in ihnen beschlossenen Nationalitäten so einen gewissen Raum zur Bethätigung bot, mit einem Schlag dem Moloch der Magyarisierung ausliefert, für über­wiegend gegenüber der etwaigen Gefährdung teuerster Güter auch der reformierten Kirche? Doer hat das Schlagwort der freien Kirche im freien Staat die Kollektivvernunft der Mitglieder des liberalen Parteiflubs plöglich beh­ört ? Sowohl, ed it ein Schlagwort aus dem Koran des kirchenpolitischen Liberalismus oder der grauen Internationale, dem die unheilvolle Wendung zuzuschreiben ist. Man greift nach der Schablone, die man in fremden Ländern findet, ohne viel zu fragen, ob sie auf die geschichtlich gewordenen Verhältnisse und Zustände des eigenen Landes paßt, ohne sich viel darum zu kümmern, ob das neue Heilmittel Segen oder Fluch bringen wird. Und doch zeigt das Bei­­­spiel anderer Staaten, in denen die obligatorische Zivilehe eingeführt ist, dem ruhig deutenden Beobachter Mar, daß Kultur und Gesittung und menschlicher Fortschritt dadurch gar nichts gewonnen haben, daß dort Zivilbeamte des Staates die Funktion der Ehesegnung besorgen, und es ist eine gewaltige Tau­­­fung, zu glauben, daß man hiedurch dem Religionsfrieden diene und dem politischen Ultramontanismus einen tötlichen Schlag beibringe. Graf Andrasfy hat mit einigen treffenden Säben die Zustände in den mit der obligatorischen Bivilehe beglüdten Ländern gekennzeichnet und was Bismarc im November 1849 über dieses Thema sagte, hat auch heute noch vollen Anspruch auf Giltig­­­keit und allseitige Beherzigung : „Indem Sie die Zivilehe einführen, ordnen Sie an, daß der kirchliche Segen, der bisher die Giltigkeit der Ehe allein vollständig bewirkte, als un­­­nüßes Zubehör beiseite geschoben werden sol. Sie verordnen, daß der Pfarrer — dem Schreiber, der Altar — dem Schreibtische Pla machen sol! Ich glaube nicht, daß es Aufgabe der Gefeggebung sein fan, das, was dem Wolfe heilig ist, zu ignorieren. Ich glaube im Gegenteil, daß, wenn die Gesehgebung das Volk leiten und lehren will, es ihre Aufgabe sei, dahin zu wirken, daß das Volksleben sich in allen Verhältnissen fest auf den Stab des Glau­­­bens an die Segnungen der Religion stütze,nicht aber diesen Stab da,wo er vorhanden ist,als ein unnützes Zubehör von Obrigkeitswegen verwerfe und so die Achtung vor der Kirche und vor den religiösen Einrich­­­tungen­ da,wo sie tiefe Wu­rzeln im­ Volksleben geschlagen hat,untergrabe; und dies in einer Zeit,die un­s mit blu­tiger Schrift gelehrt hat,daß da,ivo es den­ Freigeistern,die sich gebildet nennen,gelungen ist,ihre Gleichgiltigkeit gegen jedes positive Bekenntnis den großen Massen insoweit mitzuteilen,daß bei ihnen vom­­ Christentum als sohaler Bodensatz nur eine ziveideutige Moral­­­philosophie übriggeblieben­ ist,daß da nur das Bajonett zwischen den ver­­­brecherischen Leidenschaften und dem friedlichen Bürger steht,daß der Krieg aller gegen alle keine Fiktion ist.« Aus dem Wegtaufenstreit ist ein­e große Frage erwachsen.Was heute namens des vulgären Liberalismus gefordert wird,läuft auf Trennung der Kirche vom­ Staat nach amerikanischem Vorbilde hinaus.In dieser schranken­­losen Allgemeinheit durchgeführt,würde die Kirche hinau­sgestoßen werden.Mit jener­ abstrakten Doktrin wären­ alle Lebensfäden gewaltsam durchschnitten, welche in Europa Staat und Kirche in Jahrhun­derte alter Entwicklung ver­­­bunden hatten.Verderblich und unmöglich ist es im öffentlichen Leben»mit der Geschichte zu brechen«und ohne verm­ittelnde Uebergänge von heutauf m­orgene in neues Leben nach rationellen modernen Doktrinen zu beginnen. Wo dies in der Politik je versu­cht worden,da hat es sich bittergerädh. Denn jede lebendige Entwicklung muß sich notwwendig an die vorhandenen Bei­­­stände knüpfen und den realen Lebensm­ächten Rechnung tragen,wenn sie eine wirkliche Reform­ vorhandener Mißbräuche un­d mehr sein soll,als ein­ revolu­­­tionäres Experiment. Anders verstehen wir das Wort von der freien Kirche im­ freien­ Staat. Wir huldigen der von den liberalen,,Freigeistern«verspotteten Ansicht,daß auch der m­oderne atheistische Staat des Christentum­s bedürfe,um sein Leben zu fristen­.Aber die despotische,alles regierende Bureaukratie und die Kopf­­­zahlmajorität sind darin einig,dem Christentum jeden Einfluß abzuschneiden. Wenn Kirche und Religion günstig auf den Staat zurücki­irten­ sollen,so be­­­dürfen auch sie solcher Formen und Einrichtungen,welche ihnen Last und Licht zur Entfaltung ihrer Lebensthätigkeit gewähren.Die Einführung der obliga­­­torischen­ Zivile beraubt der Kirche,ohne jeden inneren Gru­nd,eine ihrer wesentlichsten und wertvollsten Institutionen. Zu dem Schauspiel der kirchenpolitischen Aktion in Ungarn klatschen die Organe der öffentlichen Mein­ung im­ Lande und außer Landesfrenetisch­­erfall. Wer die großen Blätter der liberalen Richtung der Hauptstadt und ihrer Gesinnungsgenossen in Wien und Berlin liest, erhält den Eindruck, als ob bisher alles Leben in Ungarn unter den Druck der finsteren, kirchlichen Mächte geseutzt habe und erst von der Proklamierung des Prinzip der obligatorischen Bi­ilehe die Aera eines menschenunwürdigen Daseins datiere. Auch eine betrü­­­bende Ilustration zu den öffentlichen Zuständen Ungarns! Leider hat nur noch­ die hauptstädtische Presse und nur eine gewisse Schattierung derselben heute in Anspruch auf Geltung. Es ist aber ein schnöder Mißbrauch mit dem Namen der höffentlichen Meinung, wenn behauptet wird, Ungarn künne ohne die obligatorische Zivilehe nicht mehr regiert werden und unser erhabener Herrscher hat die Lage vollkommen richtig gezeichnet, als er zu dem angehenden Ministerpräsidenten Dr. Wekerle sagte, er­­schiene, al ob die obligatorische Bivilehe nicht ein Postulat der öffentlichen Meinung de Landes müre. Siebenbürgen hat sie von jeher ungetrübten Konfessionellen Friedens ers­­treut. &8 dankt dies seinen weisen Religionärgelegen. Wird das neue kirchen­­­politische Programm der Regierung in seinem ganzen Umfang durchgeführt, so sind al) hier die Tage der Ruhe und des Religionsfriedens gezählt. Die liberale Partei hielt in Veit am 29. November eine Blüb­­­figung, in der Ministerpräsident Weterle unter allgemeiner Spannung das Wort zu folgender Erklärung ergriff: Mehrere Mitglieder der P­artei Haben ihm — so sagte er dem Wesen nach — ihr spezielles Vertrauen zum Ausdruck gebracht und ihm gegenüber gleichzeitig die Erklärung abgegeben, daß sie ganz auf dem Standpunkte jenes Programmes stehen, welches er im Namen des Gesamtministeriums im Abge­­­ordnetenhause entwickelt habe. Die betreffenden Herren drückten gleichzeitig den Wunsch aus, daß das Kabinet sich in der Durchführung dieses Programmes duch keinerlei Einflüsse und durch feinerlei Unterströmung irritieren lasse, und gaben ihrer Hoffnung Ausdruck, daß die Regierung alles aufbieten werde, um das verkündete Programm voll und ganz zu ber­irklichen. Wenn er diese Äeußerungen hier zur Sprache bringe, so geschehe dies, um den Mibverständnissen zu begegnen, welche von gerichster Seite gefliffentlich über diese Angelegenheit in Kurs gelegt wurden. Weierle spricht den betreffen­­­den Abgeordneten seinen Dank aus für das ihm insbesondere zum Ausdruck gebrachte Vertrauen. Den Prinzipien einer parlamentarischen Regierung ent­­­sprechend, könne er jedoch dieses seiner P­erson entgegengebrachte Vertrauen für ich allein nicht annehmen. Da er vollkommen solidarisch mit den übrigen Ministern sei, müsse ich das dem Kabinetschef votierte Vertrauen auch auf das ganze Kabinet eintreben. (Lebhafte Zustimmung.) Der Ministerpräsident giebt hierauf die Versicherung, daß sämtliche Mit­­­glieder des Ministeriums alles aufbieten werden zur Durchführung dieses Programmes mit der Unterftügung jener Partei, aus welcher das Kabinet gebildet wurde, eventuell mit Zuhilfenahme anderer, welche sich dieser Partei anschließen. (Lebhafter Beifall.) Die Besorgnisse, welche in der Beziehung auftauchten, daß sie inkompe­­­tente Einflüsse in der Partei geltend machen, seien vollkommen unbegründet. Redner versichert unter allgemeiner Zustimmung, daß sich keinerlei wie immer gearteter besonderer Einfluß ihm gegenüber geltend gemacht habe, er habe seine Unterströmung wahrgenommen, er sei auf ihn nie irgend ein Druck ausgeübt, ja nicht einmal ein hierauf abzielender Versuch unternommen worden. (Beifall.) Er versichert, daß auch bei niemanden die Absicht bestehe, einen solchen kompe­­­tenten Einfluß auszuüben (Zustimmung), sowie er auch, wein sich ein solcher Einfluß geltend gemacht hätte, demselben in entschiedenster Weise Stand halten würde. (Stürmischer Beifall.) Redner versichert nochmals, wie er dies schon gelegentlich der Vorstellung des neuen Kabinets ® im Klub gethan, daß die Regierung stets bestrebt sein werde, in unmittelbarem Sohnatt mit den Parteimitgliedern zu verbleiben, um im V­orhinein deren Absichten und Wünsche kennen zu lernen. Das Ministerium will sich nicht mit jener Unterfragung begnügen, die ich in der bloßen Abstim­­­mung manifestiert, sondern er wünscht, daß die Partei in allen Aktionen der Regierung das Resultat der in harmonischen Einklang gebrachten Ansichten der Gesamtheit zu erbliden vermöge. Demgegenüber habe er auch das Anrecht, das volle von unbeschränktem Vertrauen eingegebene Entgegenkommen der Partei zu verlangen. Er bittet demnach, alle Erörterungen frei und offen in den Klubräumen selbst vorzu­­­nehmen, um sio mehr, als die außerhalb des Klubs stattfindenden Konferenzen von gewisser Seite eine tendenziöse Auslegung erfahren. In der Hoffnung daß seine Ausführung alle etwaigen Zweifel zerstreut haben, bittet er, seine Erk­­lärungen zur Kenntnis zu nehmen und damit den Zwischenfall als erledigt zu betrachten. (Stürmischer Beifall.) Der Präsident Baron Podmaniczky enunziert, daß die Konferenz mit größter Freude die Erklärung de Ministerpräsidenten zur Penntu­g nehme. (Allgemeine Zustimmung.) Die Ausführungen des Ministerpräsidenten bildeten noch lange nach Schluß der Konferenz den Gegenstand einer lebhaften Erörterung. Insbesondere wurden die Worte vielfach kommentiert, die sich auf die „eventuelle Unter­­­stüßung von Seiten einer anderen Partei” beziehen. Die Dissidenten selbst er­­­härten im Gespräche, daß sie durch die Enunziation Weterles vollauf beruhigt wurden und daß mit dem Entfallen ihrer Bedenken al jeder Grund zur Bildung einer besonderen Koalition innerhalb der Partei entfallen sei. — ans ' Mend­letos, Konrad Ferdinand S Heyer. *) Bon Albert Schiel. Wenn jemand vor etwa 20 Jahren einem gebildeten Hörerfreis, wenn meinetwegen ich Ihnen, meine verehrten Anwesenden, damals einen Ueberblick über den gegenwärtigen Stand der deutschen Literatur hätte geben wollen, so hätte ich mich seiner Unterlassung schuldig gemacht, wenn ich den Namen Konrad Ferdinand Meyer nicht erwähnt hätte; und wenn ich ihm flüchtig im Vorübergehen genannt hätte, so wäre er für jeden Zuhörer eine leicht zu entschuldigende Unkenntnis gewesen, wenn er eingestanden hätte, daß ihm der Name dieseg Meyer aus der Flut jener anderen, die mit dem nämlichen Namen behaftet durchs Dasein schreiten, durch nichts sich unterscheidend hervor­­­rage. Er stand damals schon dem Greifenalter näher, als den Jünglingsjahren, und hatte nichts veröffentlicht als zwei schmächtige Bändchen Gedichte, die volltändig unbeachtet geblieben waren. „Wenn die alte Sage ihre Helden schildert, gedenkt sie zuweilen auch­ folcher, die erst eine lange Jugend hindurch unthätig zu Hause figen, aber alsdann, nachdem sie sich einmal erhoben, nie wieder ruhen, sondern in uns­­ermüdlicher Freudigkeit von Unternehmung zu Unternehmung fortgehen. Erst die gesammelte Kraft findet die Laufbahn, die ihr angemessen ist.“ Dieses Wort Leopold Rankes, aus dem Heldenhaften ins Künstlerische übertragen, önnte voll und ganz auf unseren Dichter angewendet werden. Erst im Bewußtsein gesammelter Kraft — er selbst sagt: „Was langsam wächlt, das wird gekoppelt starf!“, tritt er in die selbst gewählte Laufbahn ein. Denn ihm war es, im Gegenzug zu jenen Jüngstdeutschen, die, wie ihnen boshaft zugemutet wird, das Horaz/jhe „monum prematur in annum“ *) Vortrag, gehalten am 16. November im großen Hörsaale des ev. Gymnasiums zu Kronstadt,­­­ « übersepen: „Laß dich schon mit neun Jahren drucen“ in eine Heilige und ernste Sache um seine Kunst. Das deutet er selbst in seinem Gedicht „Das heilige Feuer" folgendermaßen an: Auf das Feuer mit dem goldenen G Strahle Heftet sich in tiefer Mitternacht Schlummerlos das Auge der Bejtale, Die der Göttin ewig Licht bewacht. Wenn sie schlummerte, wenn sie entschliefe, Wenn er stürbe die versäumte Glut, Eingefargt in Gruft und Grabestiefe Wurde sie, wo Staub und Moder ruht. Eine Flamme zittert mir im Rusen, Lodert warm zu jeder Zeit und Frist, Die entzündet durch den Hauch der Musen, Ihnen ein beständig Opfer ist. Und ich Hüte sie mit Heil’ger Scheue, Daß sie brenne rein und ungetranst; Denn ich weiß, er wird der ungetreue Wächter lebend in die Gruft versenzt. Konrad Ferdinand Meyer entstammt einer angesehenen, begüterten Züricher Familie. Er ist am 12. Oktober 1825 geboren. Sein Vater, den er frühzeitig verlor, war ein tüchtiger, äußerst pflichttreuer Beamter, auch als Gelehrter nicht ohne Bedeutung. Leopold Kante hat eine Monographie des­­­selben rühmend erwähnt. Seine Mutter liebenswürdig, phantasiereich, zur Schwermut geneigt. Er selost hat das Gymnasium seiner Vaterstadt besucht und sich — ohne je durch hervorragende Begabung die Aufmerksamkeit auf fi­ zu ziefen — eine gediegene Kenntnis der Hafsischen Sprachen erworben. Noch bevor er die Maturitätsprüfung ablegte, um fi dann ohne Liebe und mit mäßigem Eifer juridischen Studien zu widmen, brachte er einige Zeit bei befreundeten Familien an Genf und Lausanne zu. Dort versenkte er sich liebevoll in französische Sprache und Litteratur, dort Schloß er Freundschaften und lernte das ganze Land so lieben, daß er später wiederholt, wenn ihn heimatliche Verhältnisse mißstimmten, in die französische Schweiz sich flüchtete. Jahre. Jahrzehnte lang hat er dann, ohne bestimmte Stellung, ohne äußeren Lebensberuf mannigfache Studien getrieben, unendlich viel gelesen, Chroniken durchstöbert, sich in den Geist vergangener Jahrhunderte versenzt und so, scheinbar ziellos und zersplittert, vielleicht ohne es selbst zu wissen und zu wollen, sich die Vorbedingungen geschaffen, die zu der künstlerischen Arbeit seiner reiferen Mannesjahre nötig waren. Freilich­ hat dies vereinsamte Leben, das manchem als Müßiggang erscheinen möchte, der Mangel an Umgang mit Gleichstrebenden, der Mangel jeder Förderung und Anerkennung auch niederdrückend und ver­­­düsternd auf ihn gewirkt. Anstrengende körperliche Uebungen, Wanderungen im Hochgebirge, wiederholte Reisen ins Ausland, nach Deutschland, Frankreich, Italien, waren nötig, um den Schädlichen Folgen dieser Vereinsamung entgegen­­­zuarbeiten. Seit dem Jahre 1875 glücklich verheiratet, hat er ab­wechselnd seinen Wohnsig an verschiedenen Orten des Züricher Sees aufgeschlagen, dessen Schön­­­heiten durch Klopftods Dove bekannter geworden sind, als die irgend eines anderen der Schweizer Geent. Am Nordufer dieses Sees, unter den Kastanienbäumen von Meilen, hat er auch­ seine erste größere Dichtung geschrieben, Huttens lette Tage, die jegt shhon zu dem eisernen Bestand unserer Litteratur gehört und „dauern wird, topfern ich recht erwäge”. Das Kriegsjahr 1870/71 ist für Meyer von entscheidender Bedeutung ge­worden. Bis dahin hatte er zwischen zwei Nationen und Sprachen, die er liebte und bewunderte, Halb unentschieden hin- und Hergeschwanzt. Mehr noch als die glänzenden Siege und die ruhmvollen Waffenthaten, war es die geistige und sittliche Welterlegenheit, die die Deutschen allüberall, auf den Schlacht­­­feldern und in den Spitälern, am Bivuaffener der gemeinen Soldaten und in dem Beratungszimmer bewiesen, welche das schlummernde Mannesbewußtsein. ® . .. V Bolitishe Hebersicht. Hermannstadt,"2. Dezember. In der vorgestrigen Situng des Abgeordnetenhauses wurde nach erfolgter dritter Lesung der Indemnnitätsvorlage der Gelegentwurf über die Ver­­­tiefung der Kanal-Sohle beim Eisernen Thore in Verhandlung gezogen.

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