Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1892. Dezember (Jahrgang 19, nr. 5770-5795)

1892-12-08 / nr. 5776

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Wachsmann, Sächsisch-Regen Carl Fronius, Mühlbach Josef Wagner, Kaufmann, Broos Paul Batzoni, Zehrer, Wien Otto Maas (Haasenstein & Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danne­­­berg, Budapest A. V. Goldberger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co., Hamburg Adolf Steiner, Karoly­­n Liebmann. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmonbzeile fostet beim einmaligen Einri­den 7 Er., das zweite mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. 6. W. ex­­­clusive der Stempelgebühr von je 30 Er. 1892. = Pr­­ oBur­­lage. Aus Budapest schreibt man der Münchener „Allgemeinen Zeitung“ (Nr. 333): Glühende Kampfluft herrscht in den Reihen der Katholiken Un­­­garns, und von Rom aus werden die Flammen geschürt, die dem Sabinett Wekerle, das noch kaum Zeit hatte, sich häuslich einzurichten, schon über dem Kopfe zusammenzuschlagen droßen. An allen Edken und Enden, in der ultra­­­montanen Pfesse, in den Distriktsversammlungen des niederen Klerus und in Konventikeln des glaubenseifrigen Hochadels wird geheim und öffentlich der Kreuzzug gegen den Liberalismus gepredigt. Und das hat die aus ferner Zu­­­kunft wirtende obligatorische Zivilehe gethan, jene thhemenartige Gestalt, welche die neue Regierung so ganz unnötigerweise aus ihrer Ruhe aufgestört, und die seßt, nachdem ihr der erste Wurf gelungen — die Beseitigung Szaparys aus dem früheren Kabinet nämlich — si zu fühlen beginnt und ihre zer­­­störende und zerfegende Kraft an denjenigen zu erproben versucht, die sie so mutwillig aus dem Schlummer geweht. Der neuen Regierung ist ein neuer Feind erwachsen: der Hochadel des Magnatenhauses. Es geschah dies aus zwei Gründen. Einige vordringliche Anhänger, die sich dem neuen Ministerpräsidenten gefällig zeigen wollten, arrangierten ihm zu Ehren einen Sadelzug, und in den Aufrufen an die Bevölkerung zur Teilnahme an demselben, sowie bei sonstigen passenden Gelegenheiten wurde die Ernennung des neuen Sabineted, an dessen Soige ein von der Pife auf dienender Beamter, ein bürgerlicher Doktor, der Beamtensohn Dr. Weierle steht, als ein Sieg der Demokratie hingestellt und gefeiert. Damit hatte man aber dem Ministerium den schlechten Dienst ge­­leistet, denn man hat ganz unnötigerweise den Hofadel zur Vorsicht gemahnt, seine Mißgunst und seinen Argmohn wachgerufen, was heute in Ungarn Groß aller demokratischen Phrasen einer Regierung immer noch mehr zu schaden vermag, als ihr der anmidernde Liebesdienst einiger übereifriger bürgerlicher Freunde zu nügen im­­stande ist. Der zweite Grund steht noch mit der jüngsten Ministerkrisis im Zusammenhange, und ist geeignet, einiges Licht in das Halb­­­dunkel zu bringen, das diese Krisis noch immer umgiebt. Graf Julius Szapary hatte den Eler­falen Hocadel des Magnatenhauses für ein Kompromiß ge­­wonnen. Man hatte dem Minister zugesagt, jene drei Gelegentwürfe, deren Einbringung er dem Abgeordnetenhause versprochen hatte: Rezeption der jüdischen Konfession, freie Religionsübung und allgemeine Verstaatlichung der Geburts­­­matrikeln, auch im Magnatenhause passieren zu lassen; dafür mußte er si jedoch verpflichten, von den Katholiken sein weiteres Opfer zu verlangen, ins­­­besondere die Einführung der obligatorischen Zivilehe nicht zu forcieren. Man weiß, daß Graf Szapary diesen Pakt treu gehalten hat, ja daß er, weil er ich eben über den Rahmen dieses Kompromisses Hinaus nicht engagieren wollte, . Mit dem Wegfall dieses Pazilzenten aber Hat all der andere we­­nn nn nn ber tragihliegende Zeit — wu­­rm­­­er Aktionsfreiheit gewonnen, und er hat die Absicht, sich ihrer im vollsten Maße lange nicht weiter als leere­­n­hrasen bleiben, ohne daß eine Möglichkeit vor­­­handen wäre, daß sie Gejek und That werden künnten. Das Land und die Nation jedoch verlangen Gejege und Thaten, verlangen Normen zur Regelung der wirren und unleidlichen Verhältnisse auf dem Gebiete des Familien- und Eherechtes und in der Verwaltung; das Land und die Nation sind müde der Prinzipienreiterei und der langwierigen, resultatlosen Debatten. Wie stellt sich nun nach alledem die politische Vermögensbilanz der Regierung? Gegen fi hat sie die mächtige Opposition de Abgeordnetenhaufes — bekanntlich eine Hauvinistische, terroristische und schonungslose Opposition; gegen fi hat sie die große aristokratisch-flok­fale Majorität des Magnatenhauses; gegen sich hat sie den gesanıten Klerus, den niederen sowohl wie die Brälaten, und gegen sich hat sie einen außerhalb des Landes wirkenden mächtigen Faktor, die römische Rurne. Wen hat sie nun für sich? Die Krone? Doch nur so lange, bis die bersprochene obligatorische Zivilehe in ihren Einzelheiten modifiziert und durch­­­geführt werden soll. Die große liberale Partei ist heute nicht mehr jener fest­­­gemauerte, solide Körper, der er einst in den guten Tagen Tipas war; es ist ja sein Geheimnis mehr, daß er im Schoße der Liberalen Partei viele Unzu­­­friedene giebt, die mit mehr oder weniger Geschid und Erfolg eine Minier­­­arbeit vollziehen, daß Stoaventifel gehalten werden, in denen heute schon mehr als vierzig Mitglieder nach­ einer Emanzipation von der strammen, die Selb­­­ständigkeit beschränkenden Parteidisziplin ringen; seitdem Koloman Tika und sein Anhang vor der jüngsten Krisis mit der Urgierung der Bivilehe eine Breiche in die einst so stolze Bhalanz geschlagen, ist der Spalt wohl Teidlich vermauert worden, aber man hat es nicht mehr mit einem einheitlichen Körper zu thun und überall an seiner Oberfläche treten Riffe zu Tage. Und Minister­­­präsident Weferle besitz Heute noch lange nicht jene persönliche Autorität, daß er, als parlamentarischer Führer der Partei, ihr, wie einst Deak und später Tipa, zu imponieren vermöchte. Die Bilanz ist für die beherrschte Regierung nicht­ weniger als günstig und nicht lange wird der Beilpunkt auf si) warten lassen, wo Dr. Weterle sich vor die Notwendigkeit gestellt sehen wird, aus diesen Thatsachen die Konsequenzen zu ziehen. Wenn er und seine Kollegen im Kabinett sich nicht damit begnügen werden, ein unfruchtbares Dasein zu führen und eine Politik von der Hand in den Mund zu treiben, wird er sich nach neuen Bundesgenossen umsehen müssen, und es ist selbstverständlich, daß er diese nirgends anders suchen kan, als in dem Lager des Grafen Apponpi. Was Koloman Tifa und Graf Szapary siebzehn Jahre lang zu vermeiden wußten: die Fusion mit Apponyi — Dr. Weferle wird ihr nicht auszumeichen vermögen. Im den jüngsten Neben des Ministerpräsidenten und des Grafen Apponyi während der Indemnitätsdebatte und bei der Vorstellung des Kabinetes dämmert bereits die erste blasse Morgenröte des neu anbrechenden Tages. Bald wird der Tag selbst heraufgezogen kommen. Freilich ohne Erschitterungen im dor nnlitiichen Memosphäre wird sich die Wandlung nicht vollziehen. Er­­­schütterungen im Startner jerojs u­­­an Dee pusstigeapper Aufgaben, die Budgetfrage wie die Dahomeyfrage, sind über ihn in Vergessen­­­­heit geraten; die Kabinetsfrase selber erscheint als Nebensache. Und je ungestönter die Sammer danach verlangt, von dem Verdacht, der auf sie gefallen ist, ge­­reinigt zu werden, um so deutlicher fühlt sie, daß der Beweis für ihre Ehr­­­lichkeit nicht beigebracht werden wird. Der Karren war nun einmal verfahren in dem Augenblick, wo man die öffentliche Meinung zu dem Argwohn berech­­­tigte, die Regierung habe nach dem Tode de Baron Nemnadh, der in dem Panamaschwindel die Rolle des Seelenläufers gespielt, den Schuldigen die Zeit gelassen, die Belege für ihren unsauberen Handel bei Seite zu schaffen. Ohne Zweifel wird dabei einem Mann von der erprobten Ehrenhaftigkeit Loubets mit Unrecht die Absicht zugeschrieben, die parlamentarische Untersuchung zu erft­den ; die Minister hatten einfach, wie alle Welt, den Kopf verloren und im ersten Augenblicke vergessen, die durch den Tod oder Selbstmord Reinachs erheichten Maßregeln anzuordnen, wie denn namentlich der Z Justizminister Ricard sich im Laufe seiner Amtst­ätigkeit überhaupt durch eine große Ber­­­gerlichkeit ausgezeichnet hat. Aber dieser Fehler war nicht wieder gutzumachen. Es war schon zu spät, ihm abzuhelfen, als der parlamentarische Untersuchungs­­­ausschuß in ziemlich drohender Weise die Regierung aufforderte, das Bersäumte nachzuholen. Diese Haltung des Ausschusses mußte dagegen die Minister zu der Erkenntnis führen, daß die Untersuchung im Palais Bourbon ihnen über den Kopfe mache und sie nicht mehr im ftande seien, ihre eigenen Rechte und diejenigen der Justiz gegen die Eingriffe der 33 zu behüten. Sie ließen sich fast ohne Widerstand die Zügel aus der Hand winden, und der Präsident Carnot wird dadurch in die Notwendigkeit verlegt ein Ministerium zu bilden, das der Kammer in dieser Angelegenheit eine souveräne Gewalt zugesteht. E 8 war wirflich unnötig, am Samstag den auf diesen Bined abzielenden Pour­­­query de Boisferin’schen Antrag zu verwerfen, wenn man am Montag genau so handeln wollte, als ob er zur Annahme gekommen wäre! Das neue Mi­­­­isterium hat fs also dem Sicherheitsausschuß der 33 Schlechtsweg zu unter­­­werfen; es hat überdies die unerquidliche Aufgabe, die Justizbehörde, die sich demselben nicht unterwerfen will, zum Gehorsam zu zwingen, auf die Gefahr hin, willkürlicher Rechteverlegung beschuldigt zu werden: er muß mit einem Worte dazu beitragen, geradezu revolutionäre Zustände zu schaffen. Und läßt sie danach­ wenigstend hoffen, daß der Panamaausschuß besser al bisher im Stande sein werde, den Nachweis zu liefern, daß die Kammer verleumdet worden sei? Bei weitem nicht. &3 wird nichts an der­­­ Thalsache geändert, daß die 33 im besten Yale nur die Versicherung abgeben können, die gegen die Parlamentsmitglieder erhobenen Anschuldigungen seien nicht erhärtet worden. Aber wie die Dinge stehen, kann man nicht mehr hoffen, durch eine solche Erklärung das allgemeine Mißtrauen auszurotten, auch wenn der Ausschuß in der feierlichsten Art die Ankläger Delahaye und Genossen der allgemeinen Verachtung preisgäbe. E3 ist ein Unglück, aber e3 ist so: Se heftigere Anstren- Sie 22 morden iraend eine bestimmte Andeutung zu finden, um so zu bedienen. Er wird jet auch den oben erwähnten drei Gejebentwürfen seine Bestimmung versagen, und damit ist e3 zugleich entschieden, daß dieselben in naher Zukunft nicht in Gelegenfraft erwachsen werden. Die Regierung ist von diesem Stande der Angelegenheit genau unterrichtet; trogdem ist sie entschlossen, ihr gegebenes Wort einzulösen, und schon Ende nächster Woche wird sie den Entwurf über die Rezeption der jüdischen Konfession vorlegen. Derselbe wird aus zwei Paragraphen bestehen. In dem ersten wird ausgesprochen, daß die jüdische Konfession in die Reihe der rezipierten, das ist staatlich als Religion d­­­­enossenschaften anerkannten Konfessionen aufgenommen wird; in dem zweiten Paragraphen werden die Bestimmungen eines älteren Gejeges (52 vom­­­ Jahre 1868), betreffend den Uebertritt vom Katholizismus zum Protestantismus und umgekehrt, auch auf die jüdische Religion ausgedehnt. Eine Ablehnung dieses Gejegentwurfes, sowie auch jeder anderen Regierungsvorlage überhaupt doch das Magnatenhaus involviert freilich, da ja diese Kammer nicht aus gewählten Mitgliedern besteht, nach ungarischer parlamentarischer Praxis durchaus nicht die Verpflichtung für die Regierung, von ihrer Stelle zu weichen; allein e8 erscheint damit die Thätigkeit des Parlamentes auf Fahre hinaus unfruchtbar und lahmgelegt; die schönen liberalen Prinzipien der Regierung müssen noch «· wird Graf Apponyi, der fon so viele Opfer auf dem Altare des Vaterlandes gebracht, um die Götter zu versöhnen, wieder einmal Waller in seinen Wein schütten, um seine Negierungsfähigkeit zu dokumentieren. Der persönliche Zwist und Hader wird dann hoffentlich sein Ende erreicht haben; der scholastische Streit um Prinzipien wird ruhen und man wird si der meritorischen Arbeit widmen können, der das Land nicht länger zu entraten vermag. Allerdings wäre es heute noch viel zu früh, über die Chancen und Eventualitäten der Fusion urteilen zu wollen. Graf Apponyi ist von mehr als einmal im Bar­­­zimmer zum „Sabinet“ gestanden, schon mehr als einmal hatte er die Hand an die Klinke jener Thür gelegt, die zum Bureau des ungarischen Ministeriums führt; jedesmal hat ihn aber das Schicsal auf die Oppositiosbank zurück­­­geführt. Doch wird die Fusionsidee auch schon im jenen reifen ernst genommen, die bisher für diefelbe nur ein gerings­­äßiges Achselzuchen und ein spöttisches Lächeln hatten. Ein Millionen-Betrug.Der Panamaskandal ist zu einem Medusen­­­haupt geworden,von dem die politische Gesellschaft in Frankreich ihr Auge nicht mehr abwenden kann.Alle Landesangelegenheiten und parlamentarischen mehr befestigt sich im Publikum der Graupe,oukzeucTMww»k,,­.....».«.. Und das ist am Ende natürlich.In der Kammer selber scheint alle Welt im höchsten Grade darüber verwundert zu sein,daß sich so gar nichts nachweisen lasse;wie sollte nicht die Menge gerade in dieser Verwunderung einen Beweis dafür sehen,daß das Parlament sich nicht unschuldig fühlt?Es läßt sich doch nicht sagen,daß die grenzenlose Aufregung und Verwirrung,die in der Kammer entstanden ist,für ein ganz reines Gewissen zeuge?Man findet niemand mehr, der leugnen möchte,daß in der Panamaangelegenheit eine maßlose Korruption zu Tage getreten ist5 schwerlich giebt es im Palais Bourbon selber ein Dutzend Landesvertreter,die nicht einen Teil ihrer Kollegen für verdächtig halten. Gegen einen so absoluten Eindruck kann die Resultatlosigkeit der Untersuchung nichts ausrichte.Die Kammer müßte nachgerade im Interesse ihres Gesamt­­­rufes beinahe wünschem daß man in ihrem Schoße eine Anzahl von Misses­­thätern entdecke,um sie an den Pranger zu stellen und so den Verdacht zu vermindern,der auf allen lastet.An ein vollständiges Verschwinden desselben ließe sich darum doch nicht mehr glauben,und ein Radikalmittel gegen das Uebel sieht man allmählich nur in der Auflösung der Kammer,die dem Lande erlauben würde,sich eine neue unbeargwohnte Vertretung zu geben.Aber in Beni­feton,­­­ Konrad Ferdinand Weyer. Bon Albert Sihiel. (4. Zortregung.) Im der Geschichte ist Thomas Bechet eine der rätselhaften Figuren, deren Wesen nie ganz amufgehellt werden kan. Er ist ein Weltmann von seiner Bildung, Schimiegsamkeit und Lebenslust, dient­ seinem König Heinrich II. mit ergebenster Treue, ist ein gefügiges Werkzeug, dem König die allzu mächtig gewordene Geistlichkeit unterthänig zu machen. Da erhebt ihn, gegen seinen Willen, der König zum Primas des Reiches, zum Erzbischof von Canterbury, und aus dem Weltmann wird ein Rufer, aus dem Fürstendiener ein Knecht der Kirche, aus dem Freund des Königs der erbittertste Gegner desselben. S­ahrelang Herrscht zwischen ihnen Streit, bis einige Ritter — ein im Unmut Hingerworfenes Wort des Königs als eine Aufforderung zum Mord ansehend — den Erzbischof an den Stufen seines eigenen Altar erschlagen. Da wird der Märtyrer heilig­­gesprochen, an seinem Grab thut der König Buße. Diese Umwandlung, die die Geschichte — und wenn sie alle politischen und religiösen Motive ins Feld führt — zu erklären nicht vermag, hat der Dichter mit psychologischer Reinheit zu erklären unternommen und wirklich erklärt.­­­ Der kalte, für die Rechte der Kirche streitende und sterbende Bischof der Geschichte erscheint hier als ein Mensch, dessen Umwandlung zurückzu­­­führen ist auf eine tötliche Verlegung seiner heiligsten Gefühle: der König hat in ruchloser Weise seine Tochter, die liebliche Gnade, zu Grunde gerichtet. Er möchte dem König verzeihen, aber er vermag es nicht. Ort und Beit der Zusammenk­unft zur Verjährung ist festgerecht. „Es war an einen grauen Tag und auf einer trübseligen Heide, daß die Herren zusammentrafen. Herr Thomas, der mit seinem Gefolge erschien, hatte Mühe, sich von seinem Tiere zu erheben. Er war schmal von Gestalt und schwankend ge­worden, wie ein in Sonne und Wind verschmachetes Schiff. Der König stürzte vor,um ihm den Bügel zu halten,den Primas aber hatten seine Mönche schon in ihren Armen empfangen.Er stand ehrerbietig vor meinem Herrn,ein müder Mann;aus tiefexIHithen blickten seine Augen und zitternd klang seine Stimme«,,, «H­err Heinrich konnte sich jetzt nicht länger halten,mit gespitzten Lippen näherte er sein zerfallenes,aufgedunsenes Gesicht dem kastellen«heiligen­ Haupte des Kanzlers.Es war häßlich und abstoßend das Antlitz meines Königs,aber so rührend und sehnsüchtig,als begehre er nach dem Genusse des göttlichen Leibes.«­« ,,Was jetzt geschah,Hen­,was in dem Innern des Kanzlers vorging, wer kann es sagen?Ich meine aber,daß dieser Verein von Häßlichkeit und Begierde ihn an die Erwürgung der kindlichen Gnade erinnerte.Er entzog eckelnd seine Lippen dem König und betrachtete das nahe Haupt mit Schauder, als erblicke er den an­griff jeder Unterdrückung und Schandthat.Der König aber in seiner blinden Sehnsucht ergriff die Arme und suchte den Mund des Kanzlers,als ihn diestzr mit einem Schrei des Entsetzens zurückstieß.« Eine Reihe von kleineren Novellen ist vor,zwischen und nach diesen größeren Schöpfungen erschienen. Im Amulc­ schildert der Dichter das Abenteuer eines Schweizer Protestanten während den Schrecknissen der Bartholomäusnacht in Paris.Der gläubige Katholik,der auf den Schutz eines geweihten Amulets vertraut, findet den Tod,der Protestant,der dieses Amulet,ohne es zu wissen,auf seiner Brust trägt,wird durch dasselbe gerettet. Ich kann mir doch nicht versagen,eine Szene herauszugreifen. Der Schweizer wird von einem befreundeten Offizier der königlichen Garde zu seiner Rettung in einem Zimmer des Louvre zurückgehalten.Es ist Nacht.Er blickt zum Fenster hinaus nach oben und erstarrt. »Rechts von mir,auf einem Balkon des ersten Stockwerkes,so nahe, daß ich sie fast mit der Hand erreichen konnte,erblickte ich,vom Mondlicht taghell erleuchtet,drei über das Geländer vorgebeugte,lautb­slauschende Ge­­­stalten.Mir zunächst der König mit einem Antlitz,dessen nicht unedle süge " die Angst,die Wut,der Wahnsinn zu einem Höllenausdruck verzerrte.K ein Fiebertraum kann schrecklicher sein als diese Wirklichkeit.....Neben ihm lehnte sein Bruder«der Herzog von Anjou,mit dem schlaffen,weibisch graus­­­amen Gesichtchen und schlotterte vor Furcht Hinter ihnen,bleich und regungslos, die Gefaßreste von allen,stand Katharina die Medicäerin mit halbgeschlossenen Augen und fast gleichgiltiger Miene.Jetzt machte der König wie von Gewissens­­­angst gepeinigt,eine krampfhafte Gebeide,als wollte er einen gegebenen Befehl zurücknehmen,und in demselben Augenblick knallte ein Büchsenschuß,mir schien im Hofe der Louvre.»Endlich,flüsterte die Königin erleichtert,und die drei Nachtgestalten verschwanden von der Zinne.Eine nahe Glocke begann Sturm zu läuten,eine zweite,eine drittel­eulte mit­ greller Fackelschein glomman wie eine Feuersbrunst,Schüsseknatterten und meine gespannte Einbildungskraft glaubte Sterbeseufzer zu vernehmen.« Prägt sich die Szene nicht unverwischbar aus. Eine der grßen Schöpfungen des Dichters ist die Novelle:»Die Hochzeit des Mönchs«.Auch sie ist eine Rahmenerzählung.Kein geringerer als Dante ist es,der große Florentiner,der in Verona am Hofe Congrandes, jenes Herrschers,der durch Shakespeares»Romeo und Julia«verewigt worden ist,in der Verbannung lebend,aus einer Grabschrift»Hier schlummert der Mönch Ashorre neben seiner­ Gattin Antiope.Beide begrub Ezziius«die Erzählung entwickelt. Mit zwingender Deutlichkeit in der psychologischen Analyse zeigt ung der Erzähler, wie der Mönch, der rat im Geruche der Heiligkeit stand, gegen seinen Willen, durch äußere Verhältnisse gezwungen, ins weltliche Leben zurück­­kehrt, widerstandslos von dämonischer Leidenschaft ergriffen, in Schuld und V­erfiridung gerät und in tragischer Weise untergeht. Dabei läßt der Dichter seinen Zuhörerfreis an dem Aufbau der Handlung gewissermaßen mit Anteil nehmen, läßt die Personen seiner Umgebung Modell stehen zu den Charakteren der Dichtung und erreicht durch diese wechselseitigen Beziehungen beständig neue Nebenanschauungen und Ausbilcke, (Zortfegung folgt.) 4

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