Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1893. Oktober (Jahrgang 20, nr. 6023-6048)

1893-10-26 / nr. 6044

Seite 1100 Hermannstadt, Donnerstag Wer allerdings erwartet, daß die russischen Bundesfreundschaft segen kann. Franzosen sich in Lauten Klagen ergehen würden ob der gedrüdten Finanzlage, der ist ungeheuer im Irrtum. Vor allem gilt es, das Prestige aufrecht zu erhalten, und das geschieht unter jeder Bedingung. Dieser Nationalzug ist der mächtigste Verbündete einer jeden Pariser Regierung in allen Finanznöten, das hat sich bisher gezeigt und wird auch in Zukunft nicht anders werden, wenn nicht von unten herauf ein Eingreifen erfolgt. Man braucht da nicht sofort an eine Revolution zu denken, so schlimm steht es nicht, aber die Barijer­­ Deputiertenkammer kann doch einmal eine Zusammenlegung erfahren, welche nach innen, wie nach außen hin Bedenken erweden muß. Der Zar aller Reußen wird Heute ganz gewiß als Freund von Frankreich hingestellt; aber ob er es bleiben wird und bleiben muß, ist eine andere Frage. Was die Bariser Zeitungen alles zur Täuschung der Welt vorbringen, kann uns gleich bleiben, in deren Redaktionsstuben wird nur Reklame, aber feine Weltgeschichte eracht. 5 in kann e3 den französischen Regierungen im allgemeinen mit gutem Gewissen nachrähmen, daß sie alles vermieden haben, was sie als offizielle Führer der Nevanchebewegung erscheinen lassen künnte. Sie duldeten dieselbe allerdings, wenngleich sie mit großer Entschiedenheit z. B. gegen die berüchtigte Patriotenliga vorschritten, weil dieselbe in Boulanger Dienste stand. ‚ &ber ein Pariser Ministerium, welches der chauvinistischen Bewegung endgültig ein Ende bereiten wollte, hätte doch damit zugleich eine Abdankung unterschrieben. Mag es in Paris genug und in Frankreich noch mehr besonnene Gemüter geben, welche ernstli­chen Frieden wollen, sie werden ihre Stimme nicht in die Wangschale zu werfen Neigung haben, wenn es sich gerade um eine ernste Friedensfundgebung handeln sollte. Daß nach den gewaltigen Niederlagen von 1870/71 Frankreich gewaltige Anstrengungen zur Wiederherstellung seiner Wehrkraft machen mußte, lag in der Natur der Sadhe; geleugnet kan aber au nit werden, daß gerade die Wolfsvertretung, die Deputiertenkammer, welche tüchtig den Daumen auf den Beutel halten sollte, zu Ausgaben drängte, welche zum mindesten von ungemein zweifelhaften Werte waren. Die übrigen Staaten in Europa mußten folgen und wieder folgen in diesem Bor:­gehen, und so entstand die berüchtigte Schraube ohne Ende. Da Rukland finanziell schlecht dasteht für seinen Rang als europäische Stoßmacht, ist viel zu bekannt, als daß man hierüber noch ein Wort zu verlieren brauchte. Fü­r Petersburg denkt man nun wohl auch so vielfach, daß er in Paris nimmer mit dem Gelde ein Ende nehmen kann. Aber wer will das felsenfest behaupten ? Politische Heberi­cht. Hermannstadt, 25. Oktober. Aus der am 22. 9. M. abgehaltenen Besprechung der unga­rischen und österreicischen Minister in Wien wird dem „Pester Lloyd“ gemeldet, daß nicht bloß bezüglich der Vertragsverhandlungen mit Rußland und Rumänien, sondern auch mit Bezug auf das Zub­erausfuhr­­verbot eine Uebereinstimmung der Meinungen erzielt wurde. Die Regierungen haben sich nämlich geeinigt, die Aufhebung dieses Verbotes, wahrsceinlich am 15. November, eintreten zu lassen. In der jüngsten Kongregation des Komitates Krasjó-Szöreny hat sich der Führer der dortigen rumänischen Nationalpartei Coriolan Brediceanu, nachdem der Vierteljahrsbericht des D Vizegespans verlesen worden war, über die V­erwaltungs­- und Nationalitätenfrage nach einer Mitteilung der "Bud. Rorr." folgendermaßen geäußert: „Den Zustand der Verwaltung halte ich unter den gegebenen Verhält­­nissen ebenfalls für befriedigend, denn obwohl die an der Soige des Komitates Stehenden nicht der rumänischen Nationalität angehören, sind sie doch aus diesem Komitat gebürtig und mit uns aufgewachsen; auch wir fennen sie, sie fennen uns daher, sie fennen unsere Ansprüche, unsere Uebelstände; mit ihnen kommen wir gut aus, und wenn von einer Unterfragung zum Bimede der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des öffentlichen Friedens die Rede ist, sowie davon, daß wir den Nimbus des Komitats erhöhen, können sie immer auf uns rechnen. Freilich kann davon, daß wir mit der Ver­­waltung vollkommen zufrieden seien, nicht die Nede sein, denn um eine Ver­­waltung nach unserem Geschmache zu haben, wünschen mwir die romanische Veru­­mwaltungssprache und eine solche Administration, die einen lebhaften Sinn für das Domänentum entwickelt. Wir finden den Uebelstand in der heutigen Organisation der Verwaltung, die ung Hinsichtlich unserer Nationalität in die Lage­ bringt, einander nicht gegenüber stehen zu können. Man will die romanische Nationalitätenfrage ohne uns Lösen und das ist ein Absurdum! Und zwar will man sie in der Weise Lösen, daß wir magyarisch lernen sollen, Gut, e3 Liegt nichts daran, daß wir magyarisch lernen, magyarisch sprechen, daß man die Geistlichen beser bezahlt, und auf diese Weise in die magyarische Gesellsschaft einschmilzt. E3 kann sein, daß sie einzelne dazu hergeben, aber ich Laffe nicht von meiner Nationalität, eher begebe ich mich nach Numero 11“ Am 23. d. M. begann im österreichischen Abgeordnetenhaus die Wahlreformdebatte Wie aus Wien berichtet wird, blieb die vom Ministerpräsidenten namens der Gesamtregierung zu Beginn der Debatte ab­­gegebene Erklärung voll­ommen eindruckslos. Wiewohl manche dieselbe, troß der entschiedenen Betonung des Festhaltens an dem Grundgedanken der Wahl­­reform, doch in der Hauptsache alle einen Rückzug ansehen, indem die Schonung der bestehenden politischen Refigverhältnisse in Aussicht gestellt erscheint, wird dadurch an der Haltung der P­arteien und speziell der Linken keine Uenderung bewirkt werden. Insbesondere die Linke scheint entschlossen, in entschiedene O­pposition zu treten, und die Plener’sche Rede, namentlich deren Schluß, wird als offene Kriegserklärung aufgefaßt. Die gegnerische Haltung der Linken kam sofort bei einer Abstimmung zum Ausdruch, indem sie für den Antrag Pernerstorfer auf Oeffentlichkeitserklärung des Ausnahms-Ausschusses stimmte, trug dem die Regierung bekanntlich diesem Ausschhisse vertrauliche Material zur Begründung der Ausnahms-V­erordnungen vorlegen will. Interessant war, zu beobachen, daß ein halbes Dutend der Linken angehörende Großgrund­­besiger gegen den Antrag Pernerstorfer stim­mten, womit die Spaltung der Linken in der Frage der Ausnahms-Verordnungen offenkundig erscheint. Sehr bemerkt wurde die überaus scharfe Sprach­e, die der Obmann des Polenfluchs gegen die Regierung führte. Man hält es nicht für möglic, daß nach einer solchen entschiedenen Stellungnahme der Polen diese noch für die Wahlreform in ihrer jenigen Gestalt oder auch nur für das Grundprinzip derselben zu gewinnen sein werden. Mit Spannung sah man der Nede des Grafen Hohenwart entgegen, der gestern als zweiter Redner nach Kronumwetter zum Worte gelangte. Ueber die Lage in Oesterreich berichtet man dem "DM. E." aus Wien: „Die Situation hat sich für die Negierung etwas freundlicher gestaltet, da heute angenommen werden kann, daß die Ausnahmsvorlage wenigstens im Ausschisse durchgehen wird. Die Abgeordneten Beer und Haase sollen sich im Prinzip dahin ausgesprochen haben, daß man, wenn das vorgelegte Material der Regierung ein gravierendes ist, für die Vorlage stimmen müsse, dann würde die Ausnahmsvorlage im Ausschisse angenommen werden, im Hause selbst würde jedoch die Vorlage niemals die Majorität finden. Die zweite Lesung der Ausnahmsvorlage wird voraussichtlich am 6. November beginnen, so daß die endgültige Entscheidung zwischen dem 6. und 10. November erfolgen wird. Der Rücktritt der Minister Steinbach und Baleski ist unwiderruflich, nur dürfte derselbe erst nach der Auflösung des Hauses, respektive nach der Annahme der Vorlage erfolgen­. König Albert von Sachsen feierte am 22. d. M. sein fünfzig­jähriges Militärjubiläum. An den Seftl­­festen, die bei dieser Ge­­legenheit in der Nesidenzstadt des erlauchten Zubilars stattfinden, nimmt in Vertretung unseres Herrscherhauses Se­ f. u. £. Hoheit Erzherzog Albrecht, in Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt. Vertretung des E ıt. E. Heeres eine Abordnung des dritten Dragoner-Regiments, das in König Albert seinen Inhaber verehrt, unmittelbar teil. Mittelbar aber beteiligen sie an dem Freudenfeste auch die Völker Ungarns und Oesterreichs, die dem Sachsenkönig aufrichtige Ehrerbietung zollen als dem vieljährigen und treten Freunde unseres Monarchen sowohl, wie als einem der herborragendsten Bundesfürsten, des uns alliierten Deutschen Reiches. Als Monarch ein gütiger Bater seines Volkes, als Soldat ein Beispiel von Pflichttreue und Tapferkeit, hat König Albert Anspruch auf die innige Vertihägung auch fremder Nationen, insbesondere solcher, die ihn durch die Bande warmer Anhänglichkeit mit ihrem Fürsten verbunden wissen. Durch die Anwesenheit des Kaisers Wilhelm und der kommandierenden Generale sämtlicher deutscher Armeekorps erhalten die Dresdener Feste ein besonderes Luftre­­er offenbart sich in ihnen wieder einmal die herzliche Solidarität zwischen dem Oberhaupte de Deutschen Reiches und den Bundesfürsten desselben in der Wahrung der­­ Reichseinheit, an deren Erkämpfung der hohe Zubilar in so hervorragendem Maße mitgewirkt hat. Die „Kreuzzeitung” meldet aus Rom: Dem englischen Flotten­­besuche werde erhöhte Bedeutung beigelegt, nachdem die Schaffung eines russischen Mittelmeer-Gesgewaders nunmehr feststehe. Die italienische Flotte werde schon im Frühjahr einen Gegenbesuc in England abstatten. Eine Orgel unserer Zeit. Beitrag zur Klärung der Ansichten und zur Anbahnung des Fortschrittes in Bezug auf unsere Kirchenorgeln von Johann Leopold Bella. Sonntäglich, wenn wir das Gotteshaus betreten haben, vernehmen wir jene erhabenen Klänge, mit denen die Orgel bald in festlich rauschender, bald in lieblich freundlicher und oft auch in zart verschleierter oder gar traurig gedämpfter Weise und unnwiderstehlich im jene Negungen verlegt,­ die sowohl am Ablauf des Kirchenjahres mit seinen Sonn- und Festtagen, als auch aller während derselben Frist uns berührenden Haus oder Herzend-, Wolfs- oder Weltereignisse nach und nach den ganzen Empfindungskreis unserer Gefühle durchktrönten. Die Orgel nimmt am Familien- und öffentlichen Leben regen Anteil und selbst wo die Tonkunst die Pracht aller übrigen Instrumente entfaltet, um der Stimmung de Tages und der Herzen einen großartigen Ausdruck zu geben, auch da noch bleibt ihr das fegte Wort, das sie nie aufregend, sondern stets besänftigend, friedenspendend und verklärend zu allem und allem zu sprechen vermag, was nur an die Seiten der Menschenseele rührt. Darum haben die edlen Geister aller Zeiten der Orgel ihre Liebe und ihr Sinnen geweiht und welche Stellung ihr in der Kunst gebührt, ist an Bad und Handel bekannt, die beide — jeder in seiner Art — can­­tantibus organis die Sterne berühren. Das erfindungsreiche 19. Jahrhundert hat — namentlich seit Töpfer in­­ Weimar sein epochemachendes Wort über den Orgelbau (1833 bis 1843) Herausgab, — die Orgel zu ungeahnter Boll­ommenheit empor­­gehoben. Im Gegenzug zu seiner früheren empirischen Entwickklung stellte si der Orgelbau von da an auf mathematisch-arithmetische Be­rechnungen. Seit Walker 1842 die Kegellade eingeführt und fn ihm in Steinmeyer, Weigle, Rieger und anderen so hervorragende Meister old Gesinnungsgenossen und Mitarbeiter angetroffen haben, ist in den legten Dezennien aus einer wesentlich neuen Orgelbaufunft die Orgel unserer Zeit hervorgegangen. Davon ist nun zu und Bei$ dor kurzem gar nichts vorgedrungen, d­as der bei uns verwahrlosten Orgel irgend­welche Beachtung zugetragen hätte. — Die vor Pfingsten dieses Jahres (1893) in der ev. Pfarrliche U. 2. zu Müpsbach aufgestellte moderne Orgel, deren Bestellung, Disposition und Revision mit und Herrn Professor Wilhelm Weiß anheimgestellt worden war, bietet nun einen zwill­ommenen Anlaß, dem Gutachten über jenes Werk eine solche Form und Ausdehnung zu geben, daß zu Nuth und Stommen­ unserer Landeskirche die hohe aber unbeachtete Bedeutung der Kirchenorgel in ein newes Licht gestellt und vieleicht auch daß der Orgel gegenüber eingeschlafene Gewissen — wenigstens da und dort — wachgerüttelt t werden kann. Wohl muß ich der Vorständigkeit wegen hin und wieder auch an das Orgeltechnische näher herantreten; aber es geschieht nur kurz, so daß ich ohne besondere Zumutung mich an alle Freunde de Bolfstums wenden darf, diese wohlgemeinten Zeilen nicht übersehen und die darin ausgesprochenen Ansichten — wo sich nur dem persönlichen Einfluß ein Feld darbietet, — freundlich Fördern zu wollen. Denn der Orgel kommt in der evangelischen Kirche eine gar hohe Stellung zu, in der sie ja auch ihre Höchste künst­­lerische Bedeutung erlangt hat. Doch wie ist es damit bestellt! Sn aller Eile bitte ich unsere gelehrten Herren wegen der Bwitterform: halb Gutachten, Halb Abhandlung, um Nachsicht — und teile vorher noch mein Programm mit, das sozusagen Hand in Hand mit dem Werben der Miühlbächer Orgel 1. die­­ Orgelbauanstalt der Gebrüder Rieger vorführt, 2. die Kulturarbeit der Kirchenorgel erörtert, 3. drei Dieser Mission entgegenwirkende Weberstände bespricht, 4. an der Rieger’s­en Orgel in Mühlbach als Kirchen, Konzert und Begleitinstrument das Wesen und die Bedeutung der Orgel unserer Zeit zur Anschauung bringt und daran einige Bemerkungen und die Nuban­wendung knüpft. Wenn ich in die zwanglose Abwicelung dieses Programms da oder dort etwas Landesübliches einflechte, woraus vielleicht eine Bekanntschaft winfen sollte, so will das sein Pranger, eben nur ein Win sein. 1. Die Orgelbauanstalt der Gebrüder Rieger. Das große Vertrauen, in­­ welchem das Presbyterium der evangelischen Kirchengemeinde A. B. in Mühlbach die Entscheidung der dort bestehenden­­ Orgelfrage vom Urteil der berufenen Sacverständigen abhängig gemacht und — als dieselben sich für einen Neubau ausgesprochen hatten, — die Entwürfe zu einer die Geldmittel nicht übersteigenden, dennoch aber für das große und denkwürdige Gotteshaus geziemenden Orgel und — was die Hauptsache war, — auch die Wahl eines geeigneten Orgelbauers in ihre Hand gelegt hatte. Dieses Vertrauen bedeutete nicht in eine Auszeichnung für michh, der ich nur mit Bedauern zusehe, wie kostspielige und dabei plane und stillose Orgelbauten und­­ Reparaturen von ephemerem Betand allhier im Yand ausgeführt werden, sondern es erfüllte mich als Ausfluß der von der Kirchengemeinde in Mihlbach so warm gehegten Mufitpflege auch mit Genugtäuung darüber, daß es mir vergönnt ward, einer so hervorragenden Kirche Siebenbürgens zu einem Musterbau mitzuverhelfen, der ( innerlich­ von bedeutendem K­unstwert, äußerlich eine erhebende Zierde, geeignet vor allem für seine hehre Bestimmung beim evangelischen Gottesdienst und dennoch auch Konzertansprüchen fügsam, in feinen der Zahl nach beschränkten, aber im Klangwert umso höher stehenden und mannigfach in neuzeitlicher Art denkbaren Registern fast die ganze ungeheure Skala des Tonreichss vom Hauch des Läujelng bis zum Braufen mächtiger Tonfluten bergen sollte . So war denn gleich­ mein erster Gedanke an die Gebrüder Rieger gerichtet, deren Orgelbauanstalt in Jägerndorf im österreichischen Schlesien aus den bescheidenen Anfängen ihrer Gründung im Jahre 1873 unter der Firma Rieger & Söhne bis zum Jahre 1892 einen in der Geschichte des Oügelbaues noch nie dagewesenen Prozeß von jäh aufsteigender Entwickklung bis zu ganz ungewöhnlichen Dimensionen j o­wohl in Bezug auf die Anlage selbst, als auch namentlich auf die Vorzüglichkeit, Größe und Dauerhaftigkeit ihrer Leistungen durchgemacht hatte. Schon fünf Jahre nach der Gründung schrieb Hanslich von der Weltausstellung in Paris, wohin ihn die Regierung als Zuror gesendet hatte, in seinem achten musikalischen Brief an Die „Neue Freie Breffe” (Nr. 5102 vom 9. November 1878): „Wir werden fortan nicht nötig haben, Orgeln für Wien aus dem Ausland kommen zu l­afffen“, da hier unter den auf ihre Meisterschaft im Orgel­­­­ 26, Oktober 1893. Nr. 6044 bau stolzen Franzosen die von Rieger ausgestellte Orgel die Aufmerksam­keit des berühmten Pariser Orgelbauers Merflin auf sich gezogen hatte. Dieser Mahnruf ging in der Folge so sehr in Erfüllung, daß die Rieger’sche Anstalt, die im Pariser Weltausstellungsjahre ihre damalige höchste Leistung mit 11 Neubauten im Jahre erreicht hatte, nach zehn Jahren bereits 30 Instrumente, darunter 3 allein für Wien und 15 für die ver­­schiedenen österreichischen Kronländer innerhalb eines Jahres zu liefern ver­­mochte. Die großen Werke, die für Prag, Brünn und Olmüß bestellt worden waren, erregten vollends das Aufsehen der Sachverständigen weniger durch ihre Größe, al vielmehr duch die Art dieser Größe, die mit 50, ja wie bei der Basilifa-Orgel in Prag-Smichomn sogar nur mit 31 Stimmen die farben­­reichste Pracht und Macht der Töne erklingen ließ, so­ daß diese bisher unerreichte ideal-Harmonische Vereinigung von Schönheit und Wucht im Bus­hörer den übermältigenden Eindruck von Großartigkeit und Erhabenheit her­­borzurufen vermochte. In diesem Sinne urteilt eine der herborragendsten Kapazitäten in Oesterreich, Josef Förster, Domkapellmeister zu St. Veit und Professor am Konservatorium in Prag, selbst Komponist und Birtuose, der vorher nur für Steinmeyer und die anderen großen deutschen Meister im Orgelbau geschwärmt hatte und nun dem Nieger’schen Kunstwerk im Wett­­kampf mit den gewaltigen Firmen des Auslandes die Palme reicht. Wenn ich den Blick auf das Abfallgebiet dieser Anstalt senke, welches ganz Oesterreich-Ungarn umfaßt, nach Norwegen, Rußland, Spanien, selbst Deutschland abz­weigt und neuestend den Orient erobert, — mein ich das ers­­taunliche und noch immer zunehmende Wachstum der Anstalt sowohl an Leistungsfähigkeit, als auch an Ruf durch Anführung der Zahl der im fetten Jahre gebauten und aufgestellten Werte: siebenundvierzig­ Kennzeichne — und wenn ich schließlich auch noch meine seit 1875 bestehende und für biesen das nicht zu unterfragende persönliche Bekanntschaft mit Rieger hervorhebe, durch welche ich in beständiger Erinnerung an solche Geistes und Charakters­eigenschaften, die allein zu dem fünften sich angehauchten Orgelbaufache befähigen, umso mehr veranlaßt war, das Streben und Aufblühen einer Firma, die sein­­ aus Handwerksgriffen bestehendes Geschäftsunternehmen, sondern — wie ich diesen Eindruck fen von der ersten auf der Wiener Weltausstellung 1873 aufgestelten Rieger’schen Orgel empfangen hatte, — im wirdigen Sinn eine Orgelbauanstalt geworden war, so ist nun klar, daß auf Grund dieser Thatsachen au) der andere aus Hermannstadt berufene Sachverständige, Herr Professsor W. Weiß, sich auch nur für diese Anstalt aussprechen konnte. ‚Wäre es denn auch möglich gew­esen, daß wir, beide an Lehranstalten der ev. Landeskirche A. B. in Siebenbürgen angestellt, ohne Rücksicht auf die Wissenschaft, deren von Töpfer ausgehende, von dem Orgelbau unserer Zeit teils fortgefeßte, teils verbesserte Berechnungen und Lehrtäge im Verein mit besonderen Erfindungen endlich der Orgelbaufunst eine sichere Theorie zu Grunde legten, die heute weder verrannt, noch unbeachtet gelassen werden darf, eine Bestellung des uns anvertrauten Neubaues anderswohin hätten leiten können, als zu den Gebrüdern Rieger, diesen in Oesterreicher Ungarn im Orgelbaufach einzigen Vertretern des großen, neuzeitlichen Stils, die von allem Anfange an auf eine wissenschaftliche Grundlage gesielt, mit der ge­samten Theorie und Praxis des Orgelbaues vertraut, daraus nur das Stich» hältige und Bewährte zum eigenen Grundlag gemacht und bei unablässigem Prüfen und Erproben aller sie darbietenden Hilfsmittel der mechanischen und cemischen Technik in der Ausführung eigener Werke nur dem Sicheren und Dauerhaften Einlaß gewährend, auf diesem geraden und richtigen Wege alle weltbekannten Meister eingeholt, viele überflügelt und sich in der ganzen Kunst­­welt, ja sogar vor den Augen der Oesterreich-Ungarn mitunter gern übersehen­­den deutschen Wissenschaft (siehe: Kümmterle, Encyclopädie der ed. Kirchen­musik, 3. Band, S. 72, und zahlreiche andere Fachschriften) einen Namen errungen hatten? Und nicht nur geographisch, sondern auch in kommerzieller Hinsicht ist und eben diese Anstalt die allernächhjfte. Liefert sie doch jährlich viele Orgeln nach Ungarn ab, die von ihren mit Land und Leuten vertrauten Monteuren aufgestellt und von Zeit zu Zeit revidiert werden. Man wolle sie nicht darüber wundern, daß ich die auf Rieger gefallene Wahl gar so ausführlich motiviere. Ich will ja hier nicht einfach ein formelles Gutachten — wie üblich — über Leistungsfähigkeit und Vertrauenswü­rdigkeit der Bauanstalt aussprechen, sondern die tieferen Gründe, die zwingend nur dorthin gewiesen haben, doch diese Druckschrift weit und breit veröffent­­lichen, damit das, was mir dabei am meisten am­ Herzen liegt, endlich einmal der alten Ohnmacht und dem geschäftlichen Unfug gegenüber als das einzig Berechtigte an­ Tageslicht treten und sich bei uns anl für alle Zukunft einbürgern künne. Denn es kommt, wie ich es bald nachzumessen im Stande sein werde, der Orgel eine ungleich großartigere Wichtigkeit zu, al wir ihr oberflächlich beizumessen gewohnt sind und gebührt ihr daher ein ungleich Höheres Ansehen, als wir ihr zu zollen uns herablasfen. Damit nun die für Mühlbach zu beschaffende Orgel diese über jeden Einwand erhabene Wirtigkeit bew­eisen und si dhemgemäß ihr Ansehen erzwingen künne, da mußte doch unter den D Orgelbauern vorher der richtige Meister gefunden werden, dem er dabei nicht auf sein handwerkmäßiges Zert­ommen, sondern nur auf einen neuen Erfolg der Orgelbaugrundlage unserer Zeit und den sie daraus ergebenden gediegenen Kunstwert des von ihm verlangten Werkes ankommen durfte. Im Hinblick auf die Rieger’sche Anstalt konnte nun jeder Personenfrage gegenüber ohne Wider­­spruch und unter weiten Aussichten Stellung genommen werden; denn einmal bei uns eingeführt und bekannt gemacht, kann diese Anstalt auch allen an sie gestellten Ansprüchen unserer Landeskirche genügen. Wohl besigt Siebenbürgen bereits in Napod-Rodna das achtundvierzigste, in Marosch-Ujpar das zweihundertdreiundachtzigste und in Rumes das zweihundertvierundachtzigste Rieger’sche Werk; aber der Ruf dieser ohnehin kleinen, wenn auch vortreffe lien­nstrumente ist aus ihrem ausgesuchten Verftefe noch nicht so weit vorgedrungen, wie ich es für die gute Sache gemünscht hätte. Anders sol Mühlbach, diese Perle im Herzen des Sachsenwolfes, mit seiner funftvoll ausgeführten Orgel dazu beitragen, nut nur für den Ruf einer wahren Orgel­­baufunft weiter treffende Wellen zur schlagen, sondern auch insbesondere in alles das, was mit dem Bau, mit dem Zweck und mit dem Zustand der Kirchen­­orgel auf dem Lande zusammenhängt, einen Wendepunkt herbei­­führen helfen. (Fortlegung folgt.) r Stimmen aus dem Publikum. Einladung­sum 7, Verbandstage der Raiffeisen’schen Genossenschaften. h Der diesjährige Verbandstag der nach dem Raiffeisen’schen System ein­gerichteten Genossenschaften (Spar- und Vorschußvereine, Kellervereine, Genossen­­schaften zur Anfassung landwirtschaftlicher Maschinen 2c.) findet am 1. November , 3. nachmittags 3 Uhr im Komitatshaussaale zu Hermannstadt statt. Tagesordnung: 1. Jahresbericht des Anwalts, 2. Vortrag des Genossenschafts-Nevisors Herren Julius Teutsch über: Einblick und Ausblic im Vereinsleben. 3. Vortrag des Herrn Franz Schullerus über die Ges­meinde Zendrifch. "««"««« Die dem Verbande angehörigen Vereine sind berechtigt, am V­erbandstage durch­­ je ein stimmführendes Mitglied (Vereinsvorsteher oder ein anderes Direktionsmitglied) sich vertreten zu lassen. Auch alle übrigen Mitglieder der Vereine können an dem Verbandstage mit beratender Stimme teilnehmen. «·«««"" Hermannstadt, 19. Oktober 1893. Dr. Karl Wolff, Verbands-Anwalt, Lokale und Tages-&Hromit. (Ernennungen.) Se. Majestät hat über Vorschlag des Justizministers den Unterrichter und Ratsnotar der Marosch-V­ajcharhelyer gl. Tafel Albert Kovacz zum Gerichtsrat des Marosch-Vajcharhelyer Gerichtshofes ernannt,

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