Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1893. Oktober (Jahrgang 20, nr. 6023-6048)

1893-10-27 / nr. 6045

Hermannstadt, Freitag Seite 1104 ertönt denn vielfach wieder der Ruf nach Crispi als der Iegten Hoffnung, dem Netter in der Not; aber Crispi hat heute mehr denn je zahlreiche und einflußreiche Feinde bis hinauf in die nächste Umgebung der Krone. Heißt es­­ doch, der König Humbert halte die Berufung Crispis nach den franzosenfeindlichen Kundgebungen der Tage von Nignesmortes und sei nach den Seiten in Toulon für unthunlich. Im Parlament aber fehlt Crispi die nötige Oppositions­­mehrheit, so lange er nicht si mit Banardelli geeinigt und Audini für si und sein Programm gewonnen hat. SREST SETD 3 , ..» . Politische Webersicht. Hermannstadt, 26. Oktober. Der Einzug des Königspaares in Budapest wird von oppo­­sitioneller Seite mit Freude begrüßt und daran weitgehende Pläne und Hoff­­nungen geknüpft. Nun sei es gewiß, meint „Egyetertes“ in seinem Leitartikel vom 25. d. M., daß der deutsche Kaiser im nunächsten Jahre mit großem Ge­­folge in Budapest zum Besuche eintreffen werde. An dem großen Empfange des Kaisers Wilhelm werde auch die ungarische Nation teilnehmen. „Wir hoffen“, schließt das Organ der Unabhängigkeitspartei, „daß biß dahin umnsere auf die ungarische Hofhaltung sich richtenden Wünsce sich bemwahrheiten und die Regierung ihr vor nicht langer Zeit gegebenes Versprechen erfüllen werden. Jener gute Wille, den der König beweist, wenn er wiederum zu uns kommt, drüht noch viel Barer die baldige Erfüllung des alten nationalen Wunschs aus.“ Im österreichischen Abgeordnetenhause haben sich die Führer der drei großen Mlub3 über die Wahlreformvorlage ausgesprocen. Sowohl Biener als auch Jaworski und Hohenwart haben die Wahlreform entschieden abgelehnt. Die Erklärungen des Grafen Taaffe über die Genesis und über die Motive des so überraschend eingebrachten Gelegentwurfes wurden mit allge­meinem Stillschweigen­­ zurücgewiesen. Diese Vorgänge haben die inner­­politische Situation in Oesterreich nur noch schwieriger gestaltet. Ueber den Eindruch, den namentlich­ die Rede des Grafen Hohenwart, des Führers des konservativen Clubs, gemacht hat, wird aus Wien vom 24. d. berichtet: „Die heutige Rede des Grafen Hohenwart hat einen noch nachhaltigeren Eindruch im Hause hervorgerufen, als die gestrigen Ausführungen Jamorskis. Auf eine so entschiedene und so schroffe Ablehnung des Wahlreformprojektes der Regierung war man auf seiner Seite gefaßt; besonders bemerkt wird jene Stelle der Rede, in der Graf Hohenwart für den ungeschmälerten Beligstand des städtischen Bürgerstandes eintrat, trog dem derselbe heute im gegnerischen liberalen Lager stehe, und dessen politische Schädigung als eine Gefahr für den Staat bezeichnete. Man will in dieser Bemerkung des Zentrumführers den Berfcc­h einer Annäherung an die Linke erbliden, der vielleicht nicht ohne Folgen bleiben wird. Der Grund für die scharfe Zurücweisung der Wahl­­reformvorlage seitens des Grafen Hohenmwart ist in der entschiedenen Gegner­­schaft der konservativen Großgrundbesiger zu suchen, die die Vorlage in allen­­ ihren Zeilen perkorrezzieren und von ihr weder jegt, noch in Zukunft etwas "wissen wollen. oulon sb. : Im A­bgeordnetenhause hat Heute eine Konferenz zwischen den Klub­­obmännern Plener, Hohenwart und Jaworski stattgefunden; die legigenannten beiden Parteiführer hatten im Ministerzimmer eine Besprechung mit dem Grafen Taaffe.* IE I Ueber die feindliche Haltung der serbischen Regierung gegen die österreichisch-ungarische Monarchie wird der»N.sr.Presse« aus Sarajewo gemeldet » «An der Drina,der bosnisch-serbischen Grenze,haben sich seit dem Jahre 1884 mannigfache Besitzstörungen von serbischer Seite ereignet.Wiederholt wurden von österreichischer Seite Reklamationen erhoben,aber dieselben fanden seitens der serbischen Regierung niemals eine Erledigung Die Verhältnisse an der Drina nahmen in der letzten­ Zeit einen so unhaltbaren Charakter an,daß die bosnische Regierung sich mit dem Gedanken trug,mit entsprechenden Re­­pressalien vorzugehen. Die serbische Negierung scheint die Entschlossenheit des Herrn von Kallay zu nennen, und vielleicht ist es diesem Umstande zuzuschreiben, wenn ein Telegramm aus Belgrad meldet, die serbische Regierung habe, ent­­sprechend dem Wunsche des Wiener Kabinetts, eine Kommission ernannt, die die Schmebenden Grenzregulierungen an der Drina endgültig auszutragen haben werde. Es wird sich zeigen, ob man in Belgrad eine loyale Austragung oder eine neuerliche Verzettelung dieser Angelegenheit anstrebt. Damit ist jedoch die Reihe der berechtigten Beschwerden Oesterreich-Ungarns gegen Serbien nicht erschöpft. Zum August d. Z. ist in Bosnien eine Bande aufgetaucht, die nicht als Räuberbande betrachtet werden kan, denn sie beging seine Raubanfälle, wohl­ aber verkündete sie, sie sei bloß der Vortrab eines serbischen Heeres von 10.000 Mann, das zur „Befreiung Bosnien“ heranrüde und dem ein rus­­sisches Heer (!) folgen werde. E83 ist bis zur Evidenz festgestellt, daß diese Bande aus Serbien fand, wohin sie auch in der Zwischenzeit zurückkührte. Unter den Augen der serbischen Regierung sammelte der Derwitsch Beg Ljubovitich die Mittel zur Ausrüstung dieser Bande, und im „Odjes“, dem Organ der ser­­bischen Regierung, wurden diese Sammlungen gefördert und unterstütt. Aber auch während der jüngsten Reise des Königs Alexander ereigneten sich mancherlei Zwischenfälle, die die Loyalität und die frem­dnachbarlichen Gesinnungen Ser­­biens in ganz eigentümlichen Licht erscheinen Lassen. Die serbische Regierung ließ den jungen König Ansprachen entgegennehnten, die ihn als den Bereiniger aller Serben, als den Befreier Bosniens feierten, und sie ließ er auch ge­­schehen, daß dem König eine Triumphpforte errichtet wurde mit der Ueber­schrift: „Weg zur Befreiung Bosniens“. E3­ ist verständlich, daß die serbische Regierung die Blide ihrer Bevölkerung von den trostlosen inneren Zuständen duch Aufstachelung des Chauvinismus abzuleiken sucht; allein Provokationen, wie die eben geschilderten, dürften von der österreichisch-ungarischen Regierung auch dann nicht auf die Dauer geduldet werden, wenn sie von einem so schwachen Lande wie Serbien ausgehen. Ueber das rufsisch-französische V­erbrüderungsfest wird aus Paris vom 24. Oktober berichtet: „Oberst Cardot des 111. Infanterie-Regiments, das in Toulon liegt und gestern die A­uffen bewirtete, telegraphierte an das 111. russische Regiment in Kowno: „Wir schrceen Euch herzliche Grüße. Euer Kaiser befahl, daß beide Völker ihre Freundschaft befunden mögen. Wir gehorchen ihm und trinfen auf sein Wohl, mit Euren Matrosen betend, daß Gott Euren frommen Monarchen starr und mächtig erhalte zu Eurem Ruhme und zum Schrecen Eurer Feinde; darauf zerbrechen wir unser Glas.“ „Die Lothringischen Deputationen überreichten Heute vormittags im Cercle militaire dem Admiral Avellan die von der Lothringischen Bevölkerung gewidmeten Gescheike. Die Deputationen begaben sich hierauf zum russischen Botschafter Baron Mohrenheim. Abgeordneter Mezieres richtete an denselben eine Ansprache, in welcher er betonte, daß Lothringen den ersten Impuls zu den jenigen Sejtlichkeiten gegeben habe, indem es im Vorjahre den Groß­­fürsten Aleris zu Nancy in feierlicher Weise empfangen habe. Zum Andenken an diese unvergeßlichen Tage und zum Andenken an die Tage von Kronstadt und Zoulon bitte die Deputation den Botschafter mit dem Ausbruck ihrer­­ tiefsten Ergebenheit, dem Kaiser von Rußland ein dauerhaftes Zeugnis ihrer Gefühle zu Füßen zu legen, ein goldenes Buch, welches die Unterschriften der Maires von 1800 Lothringischen Gemeinden trage und der Ausdruch des Empfindens ganz Lothringens sein sol. Botshafter Baron Mohrenheim sagte, sei­ sei tief gerührt doch die zum Ausdruch gebrachten Empfindungen, deren­­ Dolmetsch er bei Kaiser Alexander sein werde: „Acht russische Offiziere besichtigten heute Versailles. Auf dem Rathause wurde ihnen zu Ehren Wein fredenzt. Die übrigen Offiziere waren heute mittags beim­ Präsidenten Carno u­nd seiner Frau zum Abschiedeffen geladen ge gegen 2 Uhr das Elysee. Die Offiziere fahren nachts nac­h­ Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt. 27. Oktober 1893, Nr. 6045 Eine Orgel unserer Zeit Beitrag zur Klärung der Ansichten und zur Anbahnung des Fortschrittes in Bezug auf unsere Kirchenorgeln von Johann Leopold Bella. (ertsetz­ung.) 2.Die Kulturmission der Orgel Was die Orgel im allgemeinen in der Kirche will,das scheint klar zu sein was sie aber als einzige und beständige Weckerin des Kunstsinnes für das Landvolk zu bedeuten hat,das übersehen sogar jene,die über allen den wohlthätigen und schädigenden Einflüssen auf die Volksseele zu wachen haben-Des Alltags gleichförmige Ruhe,des Sonntags feierliche Weihe,der Hochfeste erheben der Glanz,des Bußtages und der Totenfeier ernste Wehmut, wie treu klingen sie doch zu uns aus dem Spiele der Orgel wieder!Hat doch jedes gut gebaute Wert dafür die entsprechenden Klangfarben.Unbewußt lernt hier die Seele­—durch die ü­brigen Eindrücke des gottgeweihten Ortes und Dienstes empfänglich gemacht,—die Macht der Töne empfinden,die Sprache der Kunst verstehen und dabei au­ch ahnen,wie es über des Lebens ges­­chäftigem Treiben auch noch so Hohes giebt,bei dem zu verweilen,an dem über des Tages Not sich zu erheben und daraus die reinsten Freuden zu saugen,doch sobald für jedes unverdorbene Naturgemüt begehrenswert wird.Der Adelsoreiner Eindrücke veredelt auch die selbständigen Regungen deannerm und was an solcher Veredlung durch Kunst dem­ Volke von außen zuströmt,was in dieser Hinsicht auf die Volksseele als Kunstoffenbarung sittigend einwirkt,ja was dann auch ihr eigen­es Sin­gen und Sagen vor dem Vergessen zu bewahren,zu lieben,zu hegen und pflegen hilft, das tönt doch von der Kirchenorgel herab und in des Wortes Sinn und Seele hinein. Wie doch dieser hohe kulturelle Wert der Kirchenorgel noch heute so sehr verkannt werden kann.Es stiftet und wandelt sich ja in Segen,was von den Altären der Kunst—mag sie es nun in Ton oder Wort und Gebeide,in Farbe oder Stein halten, — für das Land dauernd abfällt, und anders ist doch das Voll, das unter den übrigen Schugdämmen gegen Entartung auch Kunstsinn und Geschmad fein nennen darf. Und zumeist alles, was das Volk an Kunst befigt und an ihren Darstellungen empfinden, w­ür­­digen und lieben gelernt hat, entstammt nur dem funftgeschminckten Gottes­­haus, in dessen Räumen Stein, Farbe, Ton und das lebendig in Formen der K­unst sich ergießende Wort zu ihm vernehmlich, verständlich reden und seine Seele ganz eigenartig erfassen. Mit diesem erweiterten Blick besehen, erhebt sich auch die unscheinbare Kirchenorgel zu einem der erhabensten Bildungsmittel. Denn das Land ist an besonderen Kunstwerken in Farbe und Stein gar arm und den Hauptanteil an der idealen Einwirkung auf die W­olfsseele trägt die Orgel, erscheinen uns doch hier mit Recht alle anderen Mittel unzulänglich, einen Zauber hervorzurufen, wie ihn die Orgel, sei es der Einzelnheit oder der Gesamtheit ihrer Klangwirkungen, entloct. Und wenn nun von diesem Zauber ergriffen die Seele ihre Andacht, Reue und Hoffnung, ihre heißeste Freude und ihren tiefsten Schmerz, ihre geheimste Sehnsucht und ihr verborgenes Weh ( ja darüber hinaus al wo) alles, was sie bei solchen Gelegenheiten in höheres Schauen, Empfinden und Wollen verlegt, mit den wunderbaren Klängen der Orgel zu einer ans Ueber­­irdische gemahnenden Harmonie verschmelzend im Liede ausströmen läßt: da übt doch die Tonfunft im Dienste des Allerhöchsten — mit der Religion und wohl an neben ihr — jene veredelnde Macht aus, der die Hüter des Bolt nicht nur — was sich von selbst versteht. — Thor und Riegel öffnen, ihr alles aus dem Weg räumen, sondern — was leider zumeist überall vernachlässigt wird, — zu immer neuen Opfern bereit und zu immer neuen Opfern auffordernd, ihr auch die erhaltende Pflege — ohne melde sie ja eben wie alles absterben muß, — unablässig angebeihen Tasjen solten. Auf dem Lande — dazu gehört wohl die Mehrzahl unserer Städte, — stellt sich die Kirchenorgel als jener Mittelpunkt dar, der die wärmenden und zusammenhaltenden Kräfte nach der ganzen Wertpherie des ländlichen Musik­­wesens wohlthuend und belebend ausstrahlt. An ihren verschiedenen Stimmen lernt das Ohr die Unterschiede in den musikalischen Klangfarben, an ihren Akkkorden erfaßt es die Wirkung musikalischer Harmonien und in ihrem vollen Spiel erhält es die Vorstellung von der Tonpracht des Orchesters, das sie ihm ganz exießt. Sie leitet ein, führt und begleitet so sinngemäß, so erhebend und verklärend den Gemeindegesang; sie füllt aus, Hält zusammen, verfittet und rundet alle die bei kirchenmusikalischen Aufführungen beteiligten Sing­­stimmen und Instrumente zu einem harmonischen Ganzen ab; ihre schöne Stimme z­oingt nicht nur Sänger und Musiker, sondern auch die ganze singende Gemeinde, die eigenen Töne ihr anzupassen, und sie ist es, die so das Gehör des Landwolfes musikalisch bildet und schärft; so, was auf dem Lande so selten rein und künstlerisch durchführbar ist, besorgt gar gut die Orgel, wenn schöne Solovorträge rein und zart zu begleiten sind, so daß auch in dieser Beziehung mit einziger Hilfe der Orgel oft die schönsten Perlen Bach’scher und anderer Kirmen- und Konzertmusik zur Erbauung der ber scheidensten Kirchengemeinden zu Gehör gebracht werden können,­­ furz, was Akademien, Konservatorien und philharmonische Vereinigungen dem Groß­­städter bieten, diesen ganzen hervorragenden Teil der Kultur ermöglicht und erregt dem Landvolf eine gute Kirchenorgel, vorausgefaßt daß Pfarrer, Kantor und Organist ihr in Eintracht zur Seite stehen und ihr die allerhöchste Kulturaufgabe auch wissend entladen. Erhebung und Veredlung durch Tonfrist Wie das in der Kirche vernommene Wort Gottes auf die Dauer nachwirft, so findet auch die in der Kirche durch die Macht der Töne empfangene Erhebung ihren Nachhall in der gesteigerten Pflege des Vollsgesanges, dessen Verständnis, Duft und Bauber sich erst der durch den Kirchengesang reicher entwickelten Empfänglichkeit vor und ganz erschließen und in dessen nun tiefer empfundenen Liedweisen auch Liebe, Luft und Leid, das Ahnen und Hoffen, das Ringen und die Begeisterung des Volkes und jedes Einzelnen auch jenen veredelten und veredelnden Ausdruck erhalten, der allein zündende Macht verleiht und sich so oft zu einer Triebkraft des Bolfsihidjals gestaltet. Wer auf dem Land gelebt und auch die musilalische Seite des Landvolfs beachtet hat, dürfte so vieles Ausströmen von geheimen Kräften aus der Kirchen­­orgel nur dann unbegreiflich finden, wenn er, sei es bei musikalischen Vor­­gängen für die geheimen Beziehungen z­wischen Ursache und Wirkung uns empfänglich, oder aber oberflächlich an einem blühenden Ast der Wolfsseele herbeigegangen , ohne den Schmuck und Duft und ohne das Werden und Werfen dieses Astes einer tieferen Betrachtung gewürdigt zu haben. Allerdings giebt es auch wüste Länderstreben und drühende Seiten, in denen dieser Ast blütenleer hängt, abgestorben zu sein scheint. Aber seine Verwüstung und kein Druf sind mächtig genug, di­e Weußerung der Wolfsseele zu ertöten, d­o ihr nicht die innerste Triebkraft, die sie im Kirchengesang hat, ganz aus dem Herzen gerissen worden ist. Wohl scmweigen zu Zeiten alle Wolfglieder und alle Wolfsluft wandelt ih in Trauer. Über der Erhebung dur einen edlen Kirchengesang vermag das Gemüt auch bei tiefster Niedergeschlagenheit nicht zu widerstehen und bald, wenn der äußere Druck gewichen, geben dem ernsten Kirchenliede Wald und Wiese, Berg und Thal, Haus und Flur gar fröglich Antwort und Wiederhall. 8. Drei Nebelstände. Haben wir die Kirchenorgel als Mittelpunkt alles Musikwesens auf dem Lande und ihre Beziehungen zu der Wolfsseele erkannt, so werden wir es bes greiflich finden, daß eine folge Zentralfraft Fehlen oder, wenn sie vorhanden war, untergehen muß, wo 1. eine s­­chlechte Orgel gebaut, 2. eine gute Orgel im verstimmten und verdorbenen Bustande gebraucht und 7.wo die gute Orgel schlecht gespielt wird. «­­Eine schlecht gebaute Orgel­ mag nun ihr Todeskeim im zuge­­wandten System,dazost nur ein bedauernswertes Experiment ist,oder im Material,in der Herstellung und Zusammensetzung der Bestan­dteile liegen,­­ gleißt mit dem­ Schein ihrer Vortrefflichkeit oft nicht länger­,als ihr Werk­m­eister die Hand nach dem bedungenen Sündengeld ausgestreckt hält.Kaum hat das Machwerk die wenigen Tage seines trügerischen Glanzes zu ertragen vermocht,beginnt schon im­ endlosen Nachhelfen und Flicken sein unaufhaltsam­er Verfall.Noch verschlingen die mit allerhand exotischen Gründen motivierten Nacharbeiten ganze Unsummen und das nichtsnutzige Werk wird seinem Schöpfer auf kürzere oder längere Frist noch zu­r Melktuhh.Schließlich über nehmen denn doch des Pfuschers Knisfe und auch das letzte Barm­ittel des Orgels lee ein Ende — und nun is­’3 mit der Orgelherrlichkeit für Lange Beit vorbei Ein zweites gefährliches Uebel ist eine gutgebaute Orgel in ihrem be­­­stimmten und s hhabhaften Zustande. Das musikalische Entzüden und Vertrauen, womit sich die Orgel von allem Anfang an in Aller Herz und Ohr dauernd eingeschmeichelt hatte, hält gar hartnädig auch dann noch an, wenn die einstige Berechtigung längst dahin ist. Ein Instrument erhält sich nur eine Zeit lang in seinem guten Zustande. Nichts auf der Welt kann doch in seinem ursprüngligen Zustande beharren und so beginnen auch bei der vortrefflichsten Orgel almählich und unmerklich jene überaus feinen Veränderungen im Holz und Metall, im Filz und Leder, die doch ganz naturgemäß vor sich gehen müssen, aber dann erst offenfundig werden, wenn ihr Zusammen­wirken schon Verheerungen angerichtet hat. Wohl sind in geraumer Zeit unter den vielen Chören des Werks allmählich zahlreiche Pfeifen in ihrer Stimmung ein wenig gefliegen oder gefallen, aber dieses Schwanken im Gleichgewicht der Temperatur schleicht sich so fasch ein, daß es auch ein Mufifantenohr nach Lange nicht verlegt. Auch daß im dem reichen Gefüge eines so fünftlichen Hebele und Druc- und Zug und Windwerfes da etwas loderer, dort etwas fester geworden, beachtet kaum der Organist. Und worüber fi bis noch weder fein lauschendes Ohr, noch fein Spielender Finger, weder feine lenfende Hand, noch fein tastender Zuß aufgehalten Hat, diese gering­­fügigen und verstecten Schäden, deren V­orhandensein und Anwachsen der jahr­­jährlich zu berufende J­ahmann sofort wahrzunehmen und durch rechtzeitiges Ab­stellen derselben allen großen und festspieligen Reparaturen vorzubeugen vermöchte, bemerken natürlich umso weniger die übrigen. Sind doch gar eigen die Sinne des Menschen; durch vernünftig geübte Pflege geschärft, stumpfen sie im Gegen­­teil auch gänzlich ab. So gewöhnt sich denn auch das musikalisch empfind­­­same Ohr zunächst an eine geringe, später an die zunehmende, schließlich aber auch an eine so bedeutende Verstimmung eines ununterbrochen gebrauchten Instrumentes — ich erinnere an das Hausklavier! —, daß endlich bei seinen Spiel von Mufil seine Rede mehr sein kann. Und nun wehe, wenn dieses Instrument eben jene einst so glänzend gestimmte und Jung und Alt so ans Herz gewachsene Kirchenorgel ist! An ihrer zunehmenden Berstimmung hat sich im Laufe der vielen Jahre auch das Gehör von ganzen Geschlechtern nach und nach verdorben — und nun ist dahin der einst so schöne Kirchen­­gesang, dahin die wertvolle Kirchenmusik, dahin der ganze einst so empfängliche Musilsinn und alle edlere Gesangluft des Wolfes ! Aber auch die beste Orgel von der Welt wird zum Weber und vers breitet um sich nur Verderben, wo an ihr ein [chlechter ]Organist figt. Doch müssen wir für einen [chlechten Organisten nicht den Stümper allein erklären, sondern einen jeden wohlgeschulten Tastenkundigen, der die Orgel nicht mit der ihr zusommenden Spielart und Würde behandelt; Narren, die den Gottesdienst mit Opernouverturen einspielen, mit Raketen von Läufern die Liedverse einleiten, zum Zwischenspiel Skavatinen dudeln, und schließlic­h um das tiefinnige Gebet der Schlußstrophe: „Unsern Ausgang segne Gott!” zu ilustrieren, — die Kirchenbesucher mit einem Infanteriemarsch zum Tempel Hinaus geleiten, sollte das Handwerk denn doch gelegt werden! Nicht nur daß von solchen Leuten Studium und Ge­wandtheit auf unpasssende Sunftstücke verschtwendet werden, sondern auch der jegliche Mangel an Berufssinn und die durch Leier fastenmäßiges Getändel mit der Königin der Instrumente fi von einem Sonntag auf den anderen jahraug, jahrein wiederholende Verhöhnung des Gottesdienstes, stehen das einfältige Gemüt der Landbevölkerung derart an, daß ihr auch das leifeste Verlangen nach einem stilvollen Orgelspiel abhandenkommt. Geht ch doch in aufge Härten Städten und bei berühmten Kirchenorgeln genau so zu, mein Zahre hindurch an der Orgelbaut ein Charlatan getressen, dessen Kunst nur darin bestand, mit Händen und Füßen aus der Fülle von Orgelstimmen Tonbilder hervorzugaufeln, worin Gewitter und Wolfenbrüche, Seeschlachten und Meeresstürme, Heulen und Wehklagen, Verzweiflung und Angstgebet der Unglücklichen, dann aber auch Sonnenstein und Himmelblau, Giegesjauchzen und Siegesihmaus, freudiges Empfinden und Dankgebet der Befreiten in der Phantasie der Menge das Bild einer Künstlergröße entzünden sollten. Das war nun freilich für die Massen der richtige Mann, neben dem niemand auf­­kommen kann, die nicht das ganze Geschlecht abgestorben. Genügt doch viel besser für Stadt und Land ein Schlichter Orgelspieler, mit geringer — oder au­f einer Fertigkeit im funftgemäßen Spiel, aber mit Berufsernst im Herzen, ist er nur im Stande, den Choral und die Kirchenmusik ohne Stoden zu begleiten, die der jeweiligen Stimmung der Kirchenfeste und Reiten entsprechenden, in der Orgellitteratur vorhandenen leichten Orgelstüh­e zum DBor-, Nach- und Zwischenspiele auszuwählen und aus den vorliegen­­den Noten zu spielen. Möge das aus Noten vorzutragende immerhin noch so einfach sein, e8 wird si darin doch Stimmung und dee in orgel­­mäßiger Gestaltung aussprechen, wohl im Ausdruck beschränkt, Heinrich in der Form, aber dem kirchlichen Bedürfnis innig angepaßt und tausendmal besser, wie jenes ewige Extemporieren von Leuten, die si was dürfen, aber von feinem Anbau einer Sünftlersschaft befeelt, auch keineswegs das Geb­iet ihres Extemporales niederzuschreiben und zu verantworten vermochten, Siüdlich daher jede Gemeinde, die Feines biefer Uebel zu befürchten hat! Um so glücklicher Mühlbach, diese mit Schönsinniger Anmut um ihr Gottes­­haus, das leider unvollendete Vermächtnis Fünftsinniger Vorfahren, um ihre Schule und um ihre öffentlichen Pläge besorgte Kirchengemeinde, deren in edler Weise aufstrebenden musikalischen Kräften nun das neu erbaute Werk unaufhörlich ein „Empor!“ zuzurufen geeignet sein wird. (Bortregung folgt.) A Rolal- und Tages: Chronik. (Die Ankunft des Hofes in Budapest.) Der König und die Königin sind am 24. d. Mts. mittags 12 Uhr 43 Minuten aus Gödöls zu zweiwöchigem Aufenthalt in Budapest eingetroffen. Der Hofseparatzug hatte einige Minuten der Mittag die Station Gödöld verlafen und langte, geleitet vorm Staatsbahn-Präsidenten Ministerialrat Julius dr. Ludvigh, genau zur ange­legten Zeit im Ostbahnhofe an. Da ein offizieller Empfang verboten war, hatten ss im Hofwartesalon nur Obergespan Franz d. Beniczkiy, Oberbürger­­meister Karl Rath und Oberstadthauptmann Dr. Alexander Selley — alle drei in ungarischer Gala — eingefunden. Auf dem Perron erwartete Stationg­­chef Lachnit das Eintreffen des Hofzuges. Die Polizei hatte vor dem Hofe martejalon einen Kordon gezogen, Hinter welchem das Publikum wartete. Eine ganz außerordentlich große Menge hatte sich vor dem Bahnhofe versammelt, Us der Hofzug hielt, verlieh als erster de, Majestät der König in General­- Uniform und Mantel das Foupee. Beim Aussteigen aus dem Waggon half der König in ritterlicher Weise der Königin, welche nun schon seit fünf Jahren nicht in der Hauptstadt Budapest war. Das Publikum wandte sich mit dem größten Interesse der Königin zu, die wahrhaft blühend aussieht. Ihr Antlig beträt seine Spur einer Zalte und zeigt eine frische, rote Farbe. Ihre Majestät mal jede einfach gekleidet. Die schlanke Gestalt hob sich in dem schwarzen,­­ Riß zur Erde reichenden, anliegenden Seide anmutig hervor; der einzige

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