Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1896. Oktober (Jahrgang 23, nr. 6932-6958)

1896-10-27 / nr. 6954

Siebenbürgisch-Deutsches Hermannstadt, Dienstag 27. Oktober Wisen und Administration Heltauergasse 23. Erscheint mit Ausnahme des auf Sonn- und­­ Feiertage folgenden Wochentages täglich. Abonnement für Hermannstadt: monatlich 85 fl., vierteljährlich 2 fl. 50 kr., Halb­­jährig 5 fl., ganzjährig 10 fl. ohne Zustellung in’s Haus, mit Zustellung 1 fl., 3 fl., 6 fl. 12. Abonnement mit Dortversendung: Für das Inland: bierteljährig 3 fl. 50 Br., Halbjährig Tf., ganz­­jährig 14 fl. Für das Ausland: bierteljährig 7 RM. oder 10 Sre3., halbjährig 14 RM. oder 20 Sc,­anzjährig 23 AM. oder Eine einzelne Nummer tostet 5.5. Unfrantirte Briefe werden nicht angenommen­­ em BRanufteihte nicht zurückgestellt. e­N 6954. XXI. Jahrgang rom­merationen und Inferaie Roes wegnen außer dem Hauptbureau, Heltauer« gaffe Nr. 23: in Kronstadt Heinrich Zeidner, H. Dresswandt’s Nachfolger, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, Schässburg Carl Herrmann, Bistritz G. Wachsmann, Sächsisch-Regen Carl Fronius, Mühlbach Josef Wagner, Kaufmann, Broos Paul Batzoni, Lehrer, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Dannen­berg, Budapest A. V. Goldberger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co., Hamburg Adolf Steiner, Karoly­n Liebmann. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmonbzeile tostet beim einmaligen Einladen 7 r., das zweite» mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­elutwe der Stempelgebiühr von je 30 fr. 1896 Die Wählerversammlung. Bei den Wahlen. Der mit Genugthuung des glücklichen Abschlusses einer schweren Arbeit gedenkt, ist Leicht gemeint sich Raft und Muße zu gönnen; doch sei das diesmal nicht unsere Art! Denn es ist gerade notwendig, das durch Die innere und äußere Genugtäuung am Sachsentage gestärkte Herz und unsern Sinn neuer und frischer That zuzumenden. Der neue Abschnitt — zufriedenen Blic­k auf die vergangenen Jahre schauend — muß das Begonnene vollenden und dem spätern Reitabschnitt neue Aufgaben fielen um des Molkes, um des Baterlandes willen! Wenn dies die richtige Empfindung im allgemeinen ist, so ist es geradezu unerläßlich, si vor Siugen zu halten vor den Wahlen: „Nimm alle Kraft zusammen!” Nur jebt nicht an Mufße dventen und müffig fein! nur sei nicht glauben, es gehe so alles seinen guten Gang. Die vielen Parteien unseres Vaterlandes sind gerade recht in der lebhaftesten Erregung; jede will siegen, jede der andern voraneilen. Sollen wir da müffig sein? Sollen wir in ruhiger Selbstschau etwa morgen dafür in Kauf nehmen die Erfahrung, daß andere rührig gewesen und uns das Bier vorwegnahmen, das wir schon meinten erreicht zu haben? Nur fest nit an Muße denken und müffig fein in der Erfüllung der Bürger und Wahlpflicht. Rufet alle Mann an Bord, Hütet die Wachtfeuer und mwede die Mannen auf, daß sie kommen und ss zusammenscharen, treu und gewissenhaft und­­ rechtzeitig ihre Pflicht zu thun. Wir wollen ein Beispiel künden, daß da kennzeichnen mag, wie bedenklich die Lage auch des vermeintlich Sichern sein kann. Mediarch stellt drei Abgeordnetenkandidaten auf für dieselben Aufgaben, für dieselbe Arbeit, für das gleiche Programm und zersplittert seine Stimmen nach drei Richtungen, die genau das gleiche Biel im Wege haben. Zt’3 da nicht leicht geschehen, daß ein Viertel andern Blides, in anderer Richtung, andern Zielen zustrebend heranschleiche, die nicht-fähriigen Stimmen des Wahlkreises sich sammle und die zersplitterten Sadhsen überwältige ? Wir wollen hoffen und glauben, daß noch im septen Augenblicke die sächsischen Wähler den Mut und die Entschlossenheit haben, für einen Mann von den Dreien sich zusammenzuscharen und geeint ihm den Sieg zu siltern und dem eigenen Gewissen und Recht. Aber es ist auch denkbar, daß die Hilfe des Wahlkampfes solche Entschlossenheit unmöglich machen möchte und der vierte Fremde an sein, den Mediarcher Wählern fremdes, unliebsames Bier gelange. Das Beispiel kann­ auch andern Dried gelten und in anderem Sinne, wo die eigene Siegessicherheit Lauheit der Wähler erzeugt und im guten Glauben, einige Männer mögen im Stande sein, durch „Afflamation“ von vermeintlich fegen Erwählten auf seinen Bosten zu bringen, das Spiel verliert. Denn ein anderer mit seinen in der Stille gesammelten Wählern ruht heran und entreißt den Siegesgewissen das Siegeszeichen, ehe noch der Bauer auf dem Felde, der Bürger am Markte den Ruf: „zu Hilfe!” vernimmt. Weilet und räumet nicht daheim am Wahltage! Nüdet in Scharen zur Urne aus und ruhet nicht, bevor rechtlich erwählt und gefiltert euer Mann auf dem Schilde erhoben steht, der eueren Gedanken, euerer Sendung Folgichaft leisten sol und Erfüllung ! E38 ist ein schönes Recht, das und das Gefeh gönnt, in dem er dem Bolke gestattet, den Mann frei zu wählen, der seinen Willen zu vertreten hat im Rate des Neid­es. Dieses Recht häsfig zu üben, diese Pflicht Halb zu thun, ist Schimpflich und solchen Vorwurf darf sein fächsischer Mann auf sein Gemissen bürben. Wollet also nicht in Muße die Ernte genießen, sondern die Ernte in Pflichttreue und rühmlichem Eifer bergen zu neuer Saat!­hr wißt es alle und habet e8 vernommen, wie wichtig die Aufgaben sind, die unserer Männer harten, ihr wißt es wohl, wie schwer «3 ist, diesen Aufgaben Nachdruch zu schaffen und Erfolg zu sichern. Säumet deshalb nicht, euere Bürger» und Wahlpflicht zu erfüllen und sharet euch um die Männer eueres Vertrauens! Wahrlich sie verdienen es! Volzählig, pünktlich müßt ihr zur Stelle fein ! Eueren Eruft und eueren Willen darf und soll in dieser schweren Zeit sein Thlaner Ränkerschmied umgehen können. Die Augen offen! Ihr Wähler! Alle Mann an Bord! Halt! Noch ein Wort! In den Wählerversammlungen, in welchen ihr den Rechenschaftsbericht eueres bisherigen Neid­etagsabgeordn­eten entgegen­ nehmet, mählet ja mit ernstem Eifer eueren Kreisausschuß! Dies ist wichtig! Denn der Kreisausschuß ist euer Vorposten ! Da braucht es ent­­fehloffene Männer vor Umsicht, Besonnenheit und Arbeitzeifer. Wählet sie aus mit Achtsamkeit, die euerem Sinn und Bedürfnis nachspüren und an­­streben, was euer Wunsch und außen ist, Habet Acht auf eueren Vorposten Während der Telegraph aus den verschiedensten Teilen des Landes von tumultuarischen Wählerversammlungen, von Feldgeschrei und Waffengetöse zu melden weiß, von Zollschlag und Bradhialgewalt, Hat bei uns gestern in aller Stille und mit jener Würde, die schon zur Tradition geworden ist, die­­ Ver­­sammlung der Reichstagsmähler der Stadt Hermannstadt und des Gropauer Bezirkes stattgefunden. Etwa 400 Wähler hatten si um die dritte Nachmittagsstunde im Gesellschaftshause eingefunden und als die gemeteten Abgeordneten Ministerialrat Schreiber, Dr. v. Mel­­­mm Dr. Schwider den Saal betraten, wurden sie mit lebhaften Hochrufen begrüßt. BVorfigender Dr. Brudner, Präsident des Kreisausschusses, eröffnet sodann die Sigung mit folgenden Worten: Die Reichstagsmähler der beiden Wahlkreise der Stadt Hermannstadt und de Großauer Wahlbezirk­es haben sich Heute hier versammelt um die vornehmsten Bürgerrechte und Pflichten im Konstitutionellen Staat auszuüben, sowie sich auch die bisherigen Abgeordneten dieser Wahlkreise eingefunden haben, um nach Schluß der Session nach Ablauf ihres Mandats mit ihren Wählern in unmittelbare Berührung zu treten und ihnen Lechenschaft abzu­­legen über ihre Wirksamkeit im Parlament überhaupt, über die sekhte Periode der Session insbesondere, nachdem sie über ihre Thätigkeit bis zum Beginn des Jahres 1895 in der zu Anfang des vorigen Jahres abgehaltenen sekten Wählerversammlung bereits Bericht erstattet haben. Hierauf ergreift Ministerialrat Schreiber das Wort zu folgen­­der Rede: Geehrte Wählerversammlung! Die Unruhe der Geister, welche überall nach neuen Gestaltungen drängt und mit Kundgebungen aller Art in die Erscheinung tritt, ist zumal in den Parlamenten wirtum. Diese sollen eine durch den Bolfswillen bestimmte und denselben ihrerseits Härende Wirksamkeit entfalten, sie sollen die Ansprüche der Bevölkerung auf Sortischritt und auf ein mit gleichem Hecht umfriedetes Wohlergehn zur Geltung bringen. E 3 ist ihnen im neuester Beit oft vor« gehalten worden, daß sie dieser Aufgabe nur ungenügend entsprechen, daß in ihrem Vorgehen oft die Neigung wahrnehmbar sei, als selbständiger Organismus subjektive Standpunkte voranzustellen, daß Unruhe und Leidenschaft anstatt der ruhigen Ueberlegung, deren Notwendigkeit auch die rechte Thronrede betont, in ihnen walten. Bei den Fragen wie und mie meit da zu reformieren fe, handelt es sich um tief eingreifende Probleme, deren Lösung um so sch­wieriger ist, je komplizierter die innern Bustände des Staates sind. Genug, diese Unruhe der Geister ist da und daß sie auch unser Abge­­ordnetenhaus beherrscht, hat wieder die Auflösung des Reichstages verschuldet. Dem ferner stehenden Beobachter mag es nahe gelegen sein, zu fragen, sonnte dem nicht mit einiger Selbstbeschränkung feitend der oppositionellen Parteien begegnet worden? Das K­abinet hat auch ersichtlich gezögert, aber die opposi­­tionellen Parteien verharrten aus schroffer Gegnerschaft. Die Auflösung er­­folgte und die geehrten Herren haben nun durch die Wahl ihrer Vertreter für den­ nächsten Reichstag ihrer Auffassung der Situation und Aufgabe Ausdruck zu geben. Wir, die wir mit ihrem Hochschägbaren Vertrauen auf dem zumeinen heißen Boden gestanden sind, haben selbstverständlich die Pflicht unser bisheriges Verhalten zu rechtfertigen und unsere Auffassung der künftigen Aufgabe zu motivieren. Geehrte Herren Wähler! 3 sind noch nicht zwei Jahre, daß ich an dieser Stelle über die bis dann geschaffenen Gesebe gesprochen. Ich darf wohl auf Ihre verständnisvolle Zustimmung rechnen, wenn ich im jebigen Bericht nicht über jenen Termin zurückgreife, E35 sind die wichtigen Interessen der Landwirtschaft wohl auch in dieser Periode von der Legislative bedacht, in der Nechtepflege wurde ein großer Schritt gemacht und ist das Postulat, es möge über strittige Fragen der Ver­­waltung nach einem mit richterlichen Garantien umgebenen Verfahren ent­­schieden werden, befriedigt worden. Daß der Reichtag aber jene Thätigkeit entwickelt habe, welche wünschensunwert war und seiner nächsten Aufgabe ge­­golten hätte, wird niemand behaupten. "Die Ursache ist unschwer zu entdecken in den erbitterten Barteitämpfen, an denen all alle Susionsversuche zerschellten, in dem unablässigen Bestreben den Kabinetswechsel zu erzwingen, in der breiten Auswägung aller Hiezu verwendbaren Anlässe. Das Budget für 1895 brauchte sechs Monate. Weitere und neuere Beschwerden wurden in breitspuriger Rede und sehr häufiger Wiederholung vorgeführt; dazu mußte fast jedes Nesfort über eine aufregende Affaire hinüberkommen. Ich zähle nicht auf und will auch die Interpellationen nicht besprechen, in denen zumeist das angeblich schwer getränkte nationale Selbstbewußtsein und andere Diktate der politischen und öffentlichen Moral zum Sturm geführt wurden. Ich beschränke mich darauf zu bemerken, daß Ihre Abgeordneten bei diesen Anlässen mit gutem Gewissen zur Regierung standen und Parteidisziplin beobachteten, denn Bes­­chulden und Verantwortlichkeit der Negierung war entweder gar nicht dort­handen oder doch zu ungenügend nachgewiesen. Die Gesete geehrte Herren, welche in diesen 18 Monaten beantragt und votiert wurden, handeln über Verwaltungsgerichtsbarkeit, Steuerfreiheit für Neubauten, Maßregeln gegen Fälsschung landwirtschaftlicher Produkte, Schaffung eines Landesfondes zur Hebung der Viehzucht, Slußregulierung, Rudersteuer, Strafprozestordnung. Das Gefeg über den Verwaltungsgerichtshof ist mit beschränkter Reit­­dauer und nur mit einer Instanz angenommen worden, erstered wegen der Schwierigkeit, bei der tarativen Aufzählung der hingehörigen Fälle das Richtige zu treffen, leiteres weil der projektierte Vorfig des Obergespans in den ersten Instanzen denn doch unannehmbar war. Die Erhöhung der Zudersteuer ist offenbar ungünstig und kontrastiert sonderbar mit den A­nstrengungen, die Ruderfabrikation de Inlandes zu steigern, aber sie ist unter dem Drucke entstanden, den die Rücksicht auf den Vorgang in Deutschland und auf die hiernach­ auch in Oesterreich nötig ge­­wordenen Maßnahmen üben mußte. Die in äußerst kurzer Zeit votierte umfangreiche Strafprogelordnung, auf dem Anklageprinzip beruhend und Deffentlichkeit und Mündlichkeit, mit Ausdehnung der Schwurgerichte zu weiterer Geltung bringend, ist jedenfalls ein Fortschritt; sie wird große Anforderungen an Richter und Advofaten stellen, die schriftliche Arbeit kaum erheblich vermindern, aber im Laufe der Zeit an der Nechtepflege vieles bessern. Unter den vielen Vizinalbahnen, welche dieser Reichstag genehmigte, ist au­ die Alvin, — Hermannstadt— Rotenturmer Bahn, Gie wissen, geehrte Herren, diese Bahnverbindung ist Jahrzehnte Hindurch den uns angestrebt gewesen, weil sie nicht nur allgemeinen Landesinteressen gerecht wird, sondern auch den von ihre berührten Gegenden und zumal unserer aus eigener Kraft zu Gedeihen und Fortschritt sich nicht mühelos emporarbeitenden Stadt zu gute kommen sei. Der Staat hat nun die nushgiebige Unterstützung, denen er bedurfte, übernommen. Im Plenum des Neid­dtages ging die Vorlage ohne spezielle Einsprache durch. Vielleicht gedachte man dort, wo etwa Die Bestimmung minder lebhaft war, dessen, daß weit mehr Millionen aus dem Staatsfärel für die Steiler, Bahnen fließen. Jedenfalls schulden wir aber dafü­r Dank der Gesettgebung und zumal dem Kabinettchef, der mit auf­­richtigem Wohlwollen und Eifer dafür eingetreten ist. Das in später Stunde vom Abgeordnetenhause votierte und bekanntlich im Magnatenhause zu Fall gekommene Gefeg über die Kurialgerichtsbarkeit in Wahlsachen enthielt eine Bestimmung, welche von Wählern aus den Land­­gemeinden es nahelegte, Bahrkostenerlag und Verpflegung am Wahltag von dem Mandatswerber zu beanspruchen, was die amer­annte Reinheit unserer jähflichen Wahlen im Laufe der Zeit gefährden konnte. Diesem Bedenken habe ich auch in offener Sigung Ausdruck gegeben. Das A­bgeordnetenhaus, geehrte Herren, faßt weiter8 bei gegebenen Anlässen Beschlüsse, welche für Regierung und Parlament maßgebend sein sollen. Bezeichnend durch seine Genesis und die Gedanken, die er anregt, war der Beschluß, welcher über Antrag des Grafen Esaly dahin gefaßt wurde, daß von nun an weder Abgeordnete, noch öffentliche Beamte Konzesionen zu Bizinalbahnen erhalten dürfen. Auch drängt man zuweilen die Minister zu Erklärungen, welche das Haus über die grundjägliche Stellung der Regierung zu wichtigen Fragen orientieren sollen. Von solchen Erklärungen waren wichtig für das Allgemeine jene, welche die Zulassung der Frauen zu höherem wissenschaftlichen Unterricht betraf, und speziel für und jene, daß eine Vorlage wegen Abänderung des N­ationalitätengeregels nicht geplant werde, endlich jene mit voller Entschieden­­heit abgegebene Erklärung des Unterrichtsministers, daß an die Verstaatlichung der konfessionellen Volksschulen nicht gedacht wird. Die hohmwichtigen Aufgaben des nächsten NReichtages sind die Erneuerung des Ausgleichs mit Oesterreich und die Verwaltungs­­reform. Die erste zu besprechen, wird besser meinem geehrten Freund und ges­wesenen Mitabgeordneten überlassen bleiben, den theoretische und praktische Fachkenntnisse befähigen, die an­fi nicht einfache und durch Voreingenommens»­heit­ auf beiden Seiten verdunkelte Frage zu beleuchten. Zur Verwaltungsreform möchte ich aber — für den Fall, daß der­­ nächte Reichstag dazu gelangt, sie fertig zu bringen — einiges bemerken. Die hierauf bezüglichen Vorlagen liegen in ihrer definitiven Fassung so nicht vor und wird erst Gelegenheit sein, sie einige Zeit vor ihrer Einbringung im Abgeordnetenhause kennen zu lernen. Es ist aber die und da grundlägliche Ablehnung der­­ Verstaatlichung der Verwaltung laut geworden. Das ist in der Form und im Wesen unrichtig. Als Graf Szapary den verlegten Reichs­­tag auflöste, stand die­­ Verstaatlichung als das Entscheidende im Regierungs­­programm. Die sämtlichen sächsischen Abgeordneten traten mit Zustimmung der Wahlkreise, die und da nach direkter Aufforderung, in die Regierungspartei, allerdings mit dem Vorbehalt, eine ungünstige Formulierung der Reformen nicht blindlings anzunehmen. Das ist die Form. Was das Wesen anbetrifft, so steht, so viele und gemichtige Stimmen auch gegen die überhandnehmende Omnipotenz des Staates laut werden, die Heutige Staatswissenschaft doch nicht auf dem Standpunkt, den Wilhelm dr. Humboldt in jüngeren Jahren einnahm, es habe der Staat nur für Sicherheit aufzukommen. Wo so vieles nach Staatshilfe ruft, kann die Ssnferenz des Staates nicht immer abgelehnt werden, wo so viele Interessen des mächtig angewachsenen wirtschaftlichen und geistigen Verkehrs einheitliche Leitung und Schuß verlangen, kann die Thätigkeit des Einzelnen, der Korporation nicht ausreichen. Und Sie, meine Herrn, die Sie die Details der heutigen Munizipalverwaltung d. i. der mit den Neußer- Yichseiten der Munizipalverfassung verlangsamten Verwaltung kennen, sind schwerlich, für volle Beibehaltung derselben. Allerdings beruht der unangenehme Eindruck, den das Wort Berstaat- Yidung bie und da übte, auf einer Sorge, die nur gelobt werden kann, auf der Besorgniß, daß damit wo weitere Zentralisation und Gefährdung der Gemeindefreiheit, Hand in Hand gehe. Nun geehrte Herrn, eine solche Verstaatlichung der Verwaltung wäre mir auch nicht recht, und ich habe dem noch vor zwei Jahren im Abgeordnetenhause deutlichen Anspruch gegeben. Aber die Besorgniß erscheint mir heute viel weniger begründet, als vor fünf Jahren. Ich will nicht die Aeußerungen zitieren, welche der Stellung und Mitwirkung gerade für die Verwaltungsfrage maßgebende Persönlichkeiten bei entsprechendem Anlaß und in den jüngsten Kandidatenreden gethan haben und worin sie entschieden für eine gesunde Gemeindeautonomie eingetreten sind, der Zweifler könnte sagen, wie Jungdeutschland in den dreißiger Jahren : „Si, wie spricht der Prinz so schön,­ aber ich weise darauf Hin, daß folge Henßerungen vom richtigen Verständnis der Aufgabe eingegeben sind, melde die Verwaltungsreform bewältigen sol, daß das Anteresse des Staates und nicht nur sein fiskalisches Interesse die Ausscheidung der zu autonomer Erp­iedigung geeigneten Agenden gebieterisch fordert und wenn die Erfahrung, die ich nicht leugnen will, daß in den legten Jahrzehnten die Hocflut magyarie­sierender Tendenz fortwährend gestiegen ist, immerhin die Sorge mehr tiefe Hochflut könnte auch die Dämme bisheriger Staatsklugkeit durchbrechen und das Reformwerk ungünstig beeinflußen, so kann ich auf Grund positiver Daten der Erwartung Raum geben und werde hierauf no zuräckommen — sie werde die nicht in vem befürchteten Grade thun, und zumal b­e­legten Entwürfe des Gemeindegeheges dürften die s­chwersten Bedenken betreff der Verstaatlichung zerstreuen. Geehrte Wählerversammlung! Gestatten Sie, daß ic mich mit dem noch Folgenden, — ich will es kurz fassen — Speziell an den zweiten Wahlkreis meiner Vaterstadt wende. Ihm gehört mein Dank für das ehrende Mandat, welches ich vor nahezu fünf Jahren von ihm erhalten, ihm gebührt die offene und danfbare Anerkennung, daß er seinem Vertreter das Vertrauen bewahrt und seine Verstimmung hat aufkommen Yaffen, an ihn richtet fi die Dar­­legung bessen, wie ich mir die Aufgabe des jährlichen Abgeordneten im nächsten Reichstage wente: Die Aufgabe sei: In der hohmwichtigen Ausgleichsfrage festhalten am gefeglich geregelten Verhältnis beider Staaten und der Loderung desselben ent­­gegenzutreten getreu unserm Wolfeprogramm und unseren Traditionen. In der Frage der Verwaltungreform dem gesunden Fortschritt nicht eut­­entgegenstehen — wir sind immer ein freisinniges Bürgervoli getreten, auch in den fünfziger Jahren und einzutreten für Have Umgrenzung und Wahrung der Autonomie in Munizipium und Gemeinde. Die bereits geieglich signalisierte Ernennung der Administrativbeamten im Komitat wird erfolgen und möglich, daß der Vollzug anfänglich Fein glücklicher sein wird, 5ie das durch die Erfahrung ar werdende Bedürfnis Abhülfe schafft, aber der Rechtäfreis des Vertretungskörpers worin die Autonomie de Munizipiums unwirksam wird, und dies ist das Wesentliche, dieser muß dur vernünftige Regelung verbessert, da müssen überflüssige und lästige Erschwerungen abgeschafft werden. Das Wichtigste jedoch ist die Autonomie in Stadt und Landgemeinden. Ueber die Aussichten dieser Habe ich schon gesprochen und füge nur noch bei: dort sind die Agenden der wirtschaftlichen Selbstregierung vorherrschend und weisen ges bieterisch auf freie Wahl des Vorstehers hin, dort sind die Bedingungen sozialen Friedens, Wohlergehens, materiellen und geistigen Sprtichreitens zu pflegen ! |

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