Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1897. Oktober (Jahrgang 24, nr. 7234-7260)

1897-10-26 / nr. 7255

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Reissen­­berger, Schässburg Fritz Teutsch, Bistritz Arthur v. Schankebank, Mühlbach Josef Wagner, Raıtis­mann, Broos H. Graef, Reps Johanna Guiesch, Buchhandlung, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. V. Gold­­berger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile fostet beim einmaligen Einla­den 7 Fr., das zweite mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30 Er, 189 Zum Ausgleichsprovisorium in Vesterreich. Wien, 21. Oktober. [A.] Bui mitternächtiger Stunde Hat die Obstruktion, welche die Majo­­rität seit mehreren Tagen ruhig über sich ergehen läßt, weil sie mit dem Ministerpräsidenten noch immer nicht bezüglich der für ihre Gefolgschaft in der Lage des Ausgleichsprovisoriums zu zahlenden Konzessionen handelsenung ist, wieder einen Sieg über die geschäftsordnungswidrige Taktik des polnischen Vizepräsidenten errungen. E83 bedurfte wieder der Objektivität und Nachgiebigkeit des deutsch­­ Herifalen Präsidenten Kathrein, um den gestrigen ruhigeren Gang der Ver­­handlung über die Ministeranklage und den Schluß der Debatte zu ermöglichen. Die Aufmerksamkeit der österreichischen P­olitiker richtet sie indes von allen episodischen Momenten des parlamentarischen Kampfes immer mehr und mehr auf die entscheidende Frage, welcher ja auch die Sprachenverordnungen als Mittel zum Bined ihr Entstehen verdanken und von deren Lösung wohl auch die längere oder k­ürzere Forteristenz de Kabinett Babeni abhängt. Diese Doppelfrage ist die, ob es der Obstruktion gelingen wird, die Votierung des Ausgleichsprovisoriums im Neic­srate zu verhindern, und wenn dies der Fall sein solte, wie sich Ungarn zu einem D Versuche verhalten wird, das Proviso­­rium ohne konstitutionelle Sanktion in Oesterreich ins Leben treten zu Lassen. Ale Blide sind demgemäß nach jenseits der Leitha gerichtet. Wie man sieht, will das im Rohre figende Magyarentum sich Pfeifen Schneiden, mit anderen Worten, e3 trachtet, die augenblickliche gute Stimmung der Krone zu benußen, und sucht sie darum, zu nähren. Darauf ist auch die glatte Erledigung des Gelegenzwwurfes über da Ausgleichsprovisorium zurückzuführen. Selbst die Einwendungen des Abgeordneten Kosjuth richteten sich mehr gegen das vom der äußersten Linken grundjäßlich bekämpfte dualistische Prinzip, das heißt, gegen die Realunion mit Oesterreich, als gegen die provisorische Regelung des Duoten­­verhältnisses, die Verlängerung des Roll- und Handelsbündnisses und des Uebereinkommend mit der österreichische ungarischen Bank auf ein Jahr. Alle Parteien wollen eben vor der Krone das Bild eines im sich geresteten Staates mit zielbewußter P­olitik im Gegenjage zu den im Wiener Reichsrate ver­­tretenen, vom grimmigsten Kampfe der Parteien durch tobten Königreichen und Ländern diesseits der Leitha und der Karpathen in das hellste Licht feßen, um die V­orauslegungen der Hegemonie nicht bloß in Ungarn, sondern auch in der ganzen Monarchie durch immer neue Konzessionen zu kräftigen, selbst wenn die legtere die Einheit des Reiches — einen von magyarischer Seite ohnehin auf das äußerste perhorreszierten Begriff — Handgreiflich beein­­trächtigt. Das gesamte politische I­nteresse wendet sich auch lediglich von Möglichkeiten zu, die sich in dem Falle ergeben, daß im österreichischen­­ Reichs­­räte das Außgleichsprovisorium in der gegebenen kurzen Zeit bis zum Schlusse des Jahres in geieglicher Weise nicht durchgebracht werden kann. Selbst die Baladine der dualistischen Ordnung stellen sich auf den Stand­­punkt, nur ein Abkommen mit der österreichischen Volksvertretung anzunehmen, jeden Bericch einer absolutistischen Zertstelung der künftigen finanziellen und wirtschaftlichen Beziehungen abzulehnen und ganz nach eigenem Gutdürken den Beitrag zu den Kosten der schon in der pragmatischen Sanition festgestellten gemeinsamen Verteidigung zu bestimmen. Sehr ermeßlich ist dabei der jour­­nalistische Streit, der zwischen „N. Sr. Presse” und „Bester Lloyd“ entbrannt ist, die sonst al Brüder im Liberalismus sietd ein Herz und eine Seele, und leider auch die fast ausschließliche Doppelquelle sind, aus welcher die reichs­­deutsche und sonstige ausländische Journalistik, beziehungsweise deren Korre­­spondenten bei der Berichterstattung über ungarische Dinge schöpfen. Das „Organ für ungarische Interessen in der Fichtegafe*, wie es von den österreichischen Offizieren nicht mit Unrecht genannt wird, hat in Aus­wendung des bekannten Sprichwortes vom Schlagen und ertragen, gelassen die große Wahrheit ausgesprochen, daß es in Ungarn eine anständige, patrio­­tie gesinnungstüchtige Breffe und­­ den „Pester Lloyd“ gebe. Den groben Keil, der hierauf vom Organ der PBeiter Börse und Kornhalle auf den groben Klub gejebt wurde, wird man freilich in der Fichtegasse nicht an den Spiegel hängen. Den objektiven Kenner beider Blätter will er aber nach dem Ausspruche einer von beiden hochverehrten dichterischen Autorität bedünfen, daß sie beide — Recht haben. Wenn nun fan die Liberalen Blätter und die — wie auch die in Inndbruch vollzogene gemeinsame Organisation der sich noch vor­ kurzem be­­kämpfenden deutschfortschrittlichen und deutschnationalen Partei in Tirol zeigt — sich immer fester an einander schließenden deutschen Parteien von einer souverän einseitigen, ob auch nur provisorischen Lösung des Ausgleigproblems doch Ungarn nichts wissen wollen, so ist Doch die Neigung der Majorität­­ sehr gering, sich bei ihren Wählerschaften durch die Zustimmung zu einer die magya­­rische Präponderang so offenkundig machenden Regelung de Berhältnisses mit Ungarn gründlich unpopulär zu machen, ohne bedeutende staatsrechtliche und nationale Errungenschaften heimzubringen, welche wieder ohne Verlegung der Verfassung kaum denkbar sind, also den Ministerpräsidenten zu dem in der Thronrede ausgesprochenen Standpunk­t der Krone in Gegenzug bringen müßten. In den streng geheim gehaltenen Situngen des Exelativ-Komitees der Rechten mit dem Kabinetschef, soll nun legterer wohl die Zufage einer Ro­­tierung des Ausgleichsprovisoriums, als einer Staatsnotwendig­keit, auch ohne vorherige Erledigung der kombinierten Boftulate, von Seiten der Tihedhen und der Slerikalen, nicht aber von Seiten der Südslaven erlangt haben. Jeden­­falls treiben die Dinge einer gewaltsamen Lösung des gordischen Knotens zu, und es giebt wohl seinen ersten Faktor mehr, welcher die gegenwärtige Lage nur als vollkommen unhaltbar ansehen würde. Das englische Blaubuch über Die Deutsche Inonstrie. Die Untersuchungen, die der englische Kolonialminister Chamberlain dur die Gouverneure der einzelnen Kolonien veranstalten ließ, sind in einem Blau­­buch dem britisichen Parlament vorgelegt worden. Die Untersuchungen waren sehr eingehend; es­­ sollte nur nur über den Preis der fremden Ware im Verhältnis zur englischen, ihre Qualität und Anpassung an den Markt, die Besonderheiten der P Verpacung und die Art und Bezeichnung der Muster genau berichtet werden, sondern auch über falsche Marken, falsche Ursprungs­­bezeichnungen, falsche Gewichte­ und Maßangaben. Es kann dem deutschen Gewerbefleiß zur Genugthuung gereichen, daß selbst diese Untersuchung, die er gerade gegen seine Konkurrenz richtete und ihm darum nicht eben Hold war, nichts Nachteiliges über den deutschen Export in leiterer Hinsicht zu sagen vermochte. Eine ganze Anzahl Kolonien werden genannt, wo Deutsch­­land den englischen Wettbewerb teilweise aus dem Feld geschlagen hat. Ob es sich um Bekleidungsfunde in Sierra Leone oder Neu-Süd-Wales, Waffen in Lagos, Uhren in der Kapkolonie, Werkzeuge an der Golpfüste oder in Trinidad, Zement in den östlichen Kolonien, chemische Produkte in Australien handelt: das Prädikat ist in den meisten Fällen ein anerkennender. Sodann ist auch in den englischen Kolonien dem deutschen Export zu Gute gekommen, u fremde Waren mit dem Namen des Ursprungslandes bezeichnet werden möüsten. Auf Diese­­ Weise Haben die Kolonien gelernt, daß viele „englische Waren” anderewoher stammten; sie haben nach den ersten Quellen geforscht und damit ist auch die Versuchung genommen, der Bequemlichkeit halber zu­­gleich andere Waren mit zu Taufen. Sodann wird nicht ohne Neid aner­­kannt, daß Neifende, die der fremden Sprache mächtig, und Agenturen, die mit den Gebräuchen und dem Geschmack der Exportländer vertraut sind, Die deutschen Häuser in enge Beziehungen zu den Abnehmern gebracht haben, und es wird darauf aufmerksam gemacht, wie sehr den Deutschen ihre technische und kaufmännische Ausbildung zu statten gekommen­ ist.­ ­ Bolitische Mebersicht. Hermannstadt, 25. Oktober. Einem Interview des „Budapester Tagblatt” mit dem Grafen Apponyi über die Verhältnisse in Oesterreich zufolge sol der Führer der Nationale­partei u. a. erklärt haben: Er nehme die Ereignisse nicht übertrieben tragisch und glaube entschieden, daß ein Ausweg gefunden werden würde. Er wundere sich und table ed, daß in Ungarn in gemissen Kreisen Freude über die Wirren in Oesterreich geäußert werde und halte dies für eine kurzsichtige Politik. Er habe niemand ein­e Webergewicht Ungarns angestrebt, sondern nur die Plarität; von dieser sei man jedoch in Ungarn noch weit entfernt. Niemand werde leugnen, daß die gemeinsamen Institutionen mehr österreichisch als ungarif seien. Graf Apponyi gab schließlich der Ueberzeugung Ausdruck, daß die Obstruktion in Oesterreich von der Rücksicht auf das Interesse der Monarchie ebenso geleitet sein werde, die seinerzeit die Obstruktion in Ungarn. „Budapesti Hirlap“, ein Organ, das bekamntlich Beziehungen zu der liberalen Partei hat, schreibt über die Lage: „Die ungarische Regierung und ihre Partei sind entschlossen, in der Er­­füllung der verfassungsmäßigen Pflichten bis zu jener Grenze zu gehen, bis zu der sie im Sinne des 12. Gelegartifeld von 1867 und ohne die in diesem Gelegartifel bestimmte Selbständigkeit des ungarischen Staatswesens, ferner die verfassungsmäßige Regierung und die verfassungsmäßigen Garantien zu verlegen, gehen kann. Da nun dies infolge der österreichischen Verhältnisse unmöglich ist, entsteht für sie (Regierung und Regierungspartei) die Pflicht , selbständigen (autonomen), aus der pragmatischen Sanktion fließenden Forderungen zu entsprechen, und zwar in dem Geiste, wie es das Gesed von­­ 1867, 12. Gefeßartikel, vorschreibt. Natürlich ist dazu eine neue ver­­fassungsmäßige Form nötig. Bezüglich dieses Prinzips, sowie auch bezüglich des Inhalt und der Form einer selbständigen, legislativen Aktion sind sich die maßgebenden Faktoren volkommen im M­einen. Die zu selbständigen Dispositionen nötige legislative Form ist in ihren Hauptzügen bereits vor­­bereitet. Auf Grund dreier Prinzipien sind die Linien dieser Dispositionen vorgezeichnet. 1. Die bevorstehende Nenderung kann nur in der Richtung der ungarischen staatlichen Selbständigkeit gedacht werden. 2. Wenn in Oester­­reich die Ausführung des Ausgleichsgejeges (12. Gejegartikel von 1867) seinerzeit bis in die Detail wieder ermöglicht wird, dann tritt auch für Ungarn wieder der status quo ein. Dieser Blan berührt natürlich den 12. Gefegartikel von 1867 nicht, denn er fielt nur für jene in den Teis der ungarischen staatlichen Selbständigkeit fallenden Gegenstände Dispositionen auf, welche infolge der Krise im Oesterreich nicht durchführbar sein werden. 3. Die Regierungspartei will mit diesem Plane vor der Krone demonstrieren, daß sie unentwegt an den Fundamenten der Großmachtstellung der Monarchie festhält. Mit diesem Vorgang befolgt die Liberale Partei das Beispiel Deals: auch der forderte mac König gräß nicht mehr, als vorher. Ebenso verlangt jegt die liberale Partei vor Ausbruch der österreichischen Krise nicht mehr, als sie später fordern wird, wenn der Parlamentarismus Oesterreich stürzt. Aber das, was sie verlangt, wird die ungarische staatliche Selbständigkeit fördern. Und in dieser Richtung, mittels dieser Politit kann auch die Duoten­­frage gemäß unseren Wünschen gelöst werden.” Zwischen den beiden Fraktionen der Unabhängigkeitspartei ist wieder ein Konflikt ausgebrochen. Bekanntlich wollten die Szegvarer Wähler Gabriel Ugron kandidieren, doch die Kossuth-Gruppe ist enttlossen Ludwig Müller auftreten zu lassen, Bürgestern vormittags ist Die deutsche Fortserittspartei, die deutsche Volkspartei und der verfassungstreue Grundbefig zu einer neuerlichen Beratung mit Baron Dipauli zus­ammen getreten. Ueber die Konferenz die nur kurze Zeit währte, wurde das folgende Kommuniquee veröffentlicht: Der Abs­geordnete Baron Dipauli ist durch Vermittelung des verfassungstreuen Groß­­grundbesiges an die Obstruktionsparteien herangetreten, um unmittelbar nach den Ministeranklagen, die Verhandlung seines Sprachenantrages zu ermög­­­­­­­­­ ­enilieten. Der eigene Dreg. Bon Hand Richter. (5. Fortlegung.) Die Geheimrätin war ihrem Begleiter die Antiwort auf seine rechte Bemerkung schuldig geblieben. Nun blieb sie stehen, sich mit den beiden Händen auf die Krüde ihres Schirmes fragend, und fragte unvermittelt: „Glauben Sie an Ahnungen ?“ „Da“, gab er rasch zur Antwort. „Ich befand mich einst auf einer Heinen Reise bei lieben Freunden. Mitten im Wohlgefühl des Wiedersehens überfiel mich eine einschlaffende, geradezu körperlich schmerzhafte Traurigkeit, ein Graufen vor etwas Niederschmetterndem, das si in der Ferne gegen mich heraufbeschwor, und in dieser beflemmenden Dual stellte ich an die ge­­liebte Freundin die Frage: Werden wir und je wiedersehen? Sie Lächelte ihr liebes, süßes, Halb schwermütiges Lächeln — wir waren unserer ja so sicher! Nur für körperlich Brant hielt sie mich. Die unerklärliche Bangigkeit — doppelt unerklärlich bei einem Manne, der sie von jedem Aberglauben frei, zu jeder Stunde Herr feiner selbst weiß — verließ mich nicht. Noch beim Abschied rief er in mir: Es ist das rechte Mal, daß du diese Lippen berührst, die geliebte unnonnige Gestalt in deine Arme prefjest! Und als ich heimsam, war das Unheil bereits geschehen. Eine Bubenhand Hatte heim» tückifch mein süßes versch­wiegenes Glüc vernichtet.” Seine Stimme war 6i8 zum heitern Flüstern Herabgefunden ; mit starrem Auge blidte er in die glikernde Mondscheibe, deren silbernes Licht sein scharf geschnittenes Gesicht unheimlich blaß erscheinen Ließ. „Wie ed mir geschah, wie ed mir geschah*, murmelte die Geheimrätin und maß ihren Begleiter mit einem langen dunklen Blick, indes sie fröstelnd das Tuch fester um die Schultern 309. „Es wird fühl”, fuhr sie in ihrem in Zone fort, „und auch für die Mädchen Beit, das Zimmer auf­­zusuchen, „So werde mich nach den Damen umsehen, gnädige Frau.” Bierbewußt glitt er durch die Gänge. Sein spähendes Auge Hatte Hedwigs Helles Kleid doch die Büssche im äußersten Winkel des Gartens hindurchschimmern sehen. Dort fand er sie auch inmitten einer Gruppe hoch­­stämmiger kostbarer Rosen, welche Herr Breitenfeld ehr sorgsam kultivierte, freilich nur um sie zu verkaufen. Beide Arme erhebend, so daß sich die edlen Formen des jugendlichen Körpers in voller Reinheit zeigten, zog sie soeben einen der mit Blüten be­­ladenen Hefte nieder und pflückte eine halb erschloffene Blume. „Geben Sie mir die Rose — zur Erinnerung an den heutigen Tag“, bat er. Ern­oden barg das Mädchen die Blüte zwischen beiden Händen. „&3 sind ihrer hier so viele...“ „Und nur die eine begehre ich, wie man unter den Millionen Menschen­­herzen doc nur eins und nur Dieses zu gewinnen strebt.” Ein bestridender Klang durchbebte seine weiche Stimme. Halb unwillenlos reichte ihm Hedwig die Rose. Während er sie im Knopfloch befestigte, sprach er bald laut die Verse Hammerlings: Gepflüdt zu werden in der schönsten Blüte, Das ist das 208 der Blumen wie der Frauen, Doch sol die Liebe, nicht der Tod sie pflüden, Hedwig antwortete nicht. Schweigend schritten sie nebeneinander Hin, um erst vor dem Hause wie auf Verabredung gleichzeitig anzuhalten. In den Schläfen de Mädchens brauste und poche das Blut. Das magische Mondlicht, die drühende Stille, der schwule Blumenduft, die Note — und ad, die weiche sehmeichelnde Stimme: „Werden auch Sie dieses Tages, dieser Blume gedenken? Werden Sie mir zürnen, wenn ich Sie einst daran zu erinnern wage? Sprechen Sie nur ein Wort, ein kurzes Ja — oder niden Sie nur, bitte, bitte!“ Hatte sie gesprochen, genicht?­­Sie mußte es selbst nicht, murde sich auch später nie darüber Klar- Wie. im Traume legte sie ihre Hand in den Arm Zobst von Dengerns, der sie, diese bebende Hand leife am si drüdend, in den Salon führte. „Da, ihr Habt euch wohl zwischen meinen sechs Beeten verlaufen tief Breitenfeld in seiner gut gemeinten Unzartheit ihnen entgegen. Der derbe Scherz fand seinen Anklang. Hedwig feßte ich stumm neben die Mutter, Cilli zerpflückte ihr Taschentuch, Frau Martha ärgerte si über die abgepflückte­­je, die sie auf mindestens fünfzehn Pfennig schägte. Dengern selbst war es, der mit einer hingeworfenen Bemerkung das Peinliche der Lage überwand. Die allgemeine Unbefangenheit vermochte freilich auch er nicht wieder Hervorzuzaubern, wenngleich die Geheimrätin nicht minder gewandt diesen Hinge­worfenen Faden weiterspann. Noch einmal ver­­widelte sie von Rammerheren in eine lebhafte Unterhaltung, die von einem Thema zum andern übersprang, als wolle sie ihm gefliffentlich Gelegenheit gewähren, alle Facetten seines vielseitig gebildeten Geistes spiegeln zu lassen. Sie reizte ihn duch Widersprüche und Paradogen, mußte sich jedoch enttäuscht fühlen, wenn sie geglaubt hatte, ihn dabei in einer Blöße zu ertappen. In Hin und Her des Meinungskampfes blieb er stets der gleiche, ein Mann von weiten Blick und gereifter Erfahrung, der jedes seinem Stande anhaftende Vorurteil überwunden hatte, ohne an Ehrenhaftigkeit und Gradheit der­ Ge­­sinnung zu verlieren. Sie lächelte, als sei sie äußerst zufrieden und drücke den Wunsch aus, Herrn von Dengern recht bald in ihrem Hause begrüßen zu dürfen. Er verneigte si stumm; sein brennender Brief suchte das gesenkte Antlig Hed­wigs. Während er sie dann zum Wagen geleitete, raunte er ihr zu: „Werden auch Sie mich gern kommen sehen ?* He gab seine Antwort, aber die Heine Hand, welche auf seinem Arm­ag, biebte. Nach dem Abfahren der Gäste zogen sich Frau Martha und Cili bald zurück. Breitenfeld entkorkte noch eine Rotweinflasche und rief lachend: „Zobst, du hast eine famose Eroberung gemacht!" n Wieso ?* fragte Dengern, sich eine Bigarre anzündend: „Stelle dich, bitte, nicht naiv! Die Alte — ein reines Meerwunder „Wie alt frägt du sie?“ ! Sie ist sonst verdammt unzugänglich. Du hast es ihr entschieden angethan, Schade, daß sie nicht zwanzig Jahre weniger zählt !* 2 ?*

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