Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1899. Oktober (Jahrgang 26, nr. 7842-7867)

1899-10-26 / nr. 7863

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Reissen­­berger, Schässburg Fritz Teutsch, Bistritz Arthur v. Schankebank, Mühlbach Josef Wagner, Kaufe­mann, Broos H. Graef, Reps Johanna Gunesch, Buchhandlung, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. V. Gold­­berger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile fortet beim einmaligen Einraden 7 fr., das zweites mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30 kr, 1899 Das sächsische Burzenland.*­ 13. Beiden. Seit der Gründung dur­ die deutschen Ritter biß Heute weist die, &e­­fhihhte Beiden reiches historisches Leben auf, aus welchem wir einzelne wenige Daten herausgreifen wollen. Vor allem hat die in der Nähe des Ortes gelegene Schwarzburg, deren altere graue Ueberreste auf der zweiten Kuppe eines vom Heidener Berg gegen Süden bis Alttohan sich erstreckenden Höhenzuges noch deutlich sichtbar sind, oft in die Ges­hide des Landes ein­­gegriffen. So in den Kämpfen des nachmaligen Königs Stefan V. gegen seinen Vatter Bela IV. und dann gleich nach der Thronbesteigung Karl Roberts, als der mächtige Exibgraf Salomon, der Sohn Simons von Kronstadt, die­­selbe bejegte und­ der König erst im Jahre 1331 in ihren Befig gelangte. Unter Gabriel Bathori kam Beiden mit seinem Kirchenkastell auf einfältige Weise in den Befig des Feindes. Als der Fürst am 24. März 1612 dem Orte fi näherte, hatte er nur so viel Pulver, um eine Kanone einmal laden zu lassen. Dieser eine Kanonenfchuß ging sehr unglücklich, er beschäbigte die mittlere Glocke. Nun ritt der Fürst vor die Zugbrücke, welche ins Kirchen­­sattel hineinführte und redete die Zeidener also an: „Ich bin euer Yürst und ed ist nicht recht, daß ihr auf Weiß (dem Kronstädter Nichter) bötet, der euch nichts zu befehlen hat. Seid gehorsam eurem Fürsten und ihr werdet nichts zu bereuen haben“. Der „dumme“ Nichter, wie er in der Chronik genannt wird, hörte wirklich auf Bathori und Lie die Zugbrüche hinab. Darauf stürmten Bathoris Leute und Kirchenkastel und jagten alle Männer heraus. Die 35 Kronstädter, die Michael Weiß den Beidnern zu Hilfe gerihhtet hatte, um bad Schloß verteidigen zu helfen, wurden nach ihrer Auslieferung in Spieße gezogen. In Mulden wurden die silbernen Gürtel hinausgetragen und was die Beidener sonst an Kostbarkeiten daselbst aufbewahrt hatten. Ein Zimmermann namens Göbbel, erzählt man in Zeiden, der sich versteckt ge­­halten hatte, forderte die Frauen auf, sie sollten die aus Steu­ern bestehende Bejagung trofken machen. Wo dieses geschehen war, ließ er die Beidener Männer in das Schloß hinein und diese verjagten und erschlugen die Feinde. ULF Bathori aus dem Burzenlande abgezogen war, ließ der Kronstädter Nat den Beidener Richter und die Ratsgeschworenen nach Kronstadt rufen und die­­selben wegen ihrer Unflugheit und Zeigheit mit je 25 Stocitreifen bestrafen. Die ursprünglich einschiffige romanische Kirche, die mit dem Hauptturm nut verbunden ist, weist am M Westende im Rundbogenportal die ältesten Zeile auf. Auf der Nordseite sind rundbogige, auf der Südseite spigbogige Fenster zu sehen. Das Südportal und das Gewölbe im Chor und in der Grastistei stammen aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts. 1685 brannte die Kirche ab und wurde renoviert. Das Erdbeben vom Jahre 1802 zerriß den Kirchtum arg. Er wurde dan­ald nur notdürftig geflicht und erst im Jahre 1892 ist er stilgerecht mit einem Kostenaufwand von 12 800 fl. volltändig wieder­hergestell worden. Das Glockengeläute auf dem Turm ist Schön gestimmt und in seiner Art im Burzenlande einzig. Die K­elche und Kannen sind sehenswert. Eine der legteren, silbern, war ursprünglich zu weltlichen Zwecken bestimmt, da auf derselben in getriebener Arbeit ausgeführte Jagdszenen zu sehen sind. Sie trägt die Inschrift: „Wer will auf Erden selig leben, der muß nach Ehr und Tugend streben”, ferner: „Die Bier und Neichtumb dieser Welt, gleichwie ein schöne Blum hinfelt. 1634." Endlich befigt die Kirche aus alter Zeit­e schöne Meißgewänder. Der firchliche Sinn der Zeichner, sofern er sich im Kirchen- und Abendmahlsbesuch offenbart, ist schwach, unter allen Ortsgemeinden der Schwächste. Doc ist in den beiden kirchlichen Vereinen, dem Frauen- und Bustav Adolf-Verein entschieden Leben. Der erstere zählt mehr als dritthalb­­hundert Mitglieder, deren Beiträge im Jahre über 80 fl. ausmachen. Außer­­dem hat der Verein aus anderen Duellen im Jahre 1897 für 200 fl. fünftige Einnahmen erzielt. Kirchen- und Briedhofsverschönerung, Kranken- und Armenpflege sind die lebensnwerten Biere desselben. Der Gustad Adolf. *) Bergl. Nr. 7858 des „Siebenb.­D. Tagbl.V erein Hat seit seinem Bestande biß zum Jahre 1898 den Hohen Betrag von 1689 fl. 39 fl. gesammelt. Das fichliche Vermögen ist nur gering: Liegender Grund 875 Joch, dann in 19 Sonden und Stiftungen ungefähr 20.000 fl. Aller­dings lastet auf der Kirchengemeinde seit der Herstellung des Turmes und der Anschaffung des harmonischen Glockengeläutes noch eine Schuld von fast 12.000 fl. Die Schule ist achtllasfig und in bestem Zustande. Zu den zwei älteren Gebäuden aus den Jahren 1835 und 1853, deren jedes zwei Lehrer­­wohnungen und je zwei Schulzimmer für etwa 80 Schüler besigt, baute die Gemeinde im Jahre 1887 für 32.000 fl. noch eine große neue Schule mit vier geräumigen Klassenzimmern, Turn und Schulsaal, Konferenzzimmer und Schuldienerwohnung. Die innere Einrichtung der Schule und Turnschule ist ein Gescienk des dortigen Worschußverein dg. Nahe an 500 evang. Kinder besuchen die Schule. Ein Schulgeld wird nicht entrichtet. Seturnt wird fleißig. Der Schulgarten ist in befriedigendem Zustandee Sm Heineren, nahe an 500 Quadratmeter großen, erhalten die Schülerinnen der 5. bis 8. Klasse Unterricht im Gemüsebau und Blumenzucht. Im größeren, 1400 Quadratmeter großen, werden die Pnaben der genannten Klassen zu allen Arten der Obstaumzucht angeleitet. Auch werden Hier auf einem landwirt­­schaftlichen Versuchsfeld bei und noch nicht bekannte und bewußte landwirt­­schaftliche Pflanzen angebaut. Die weiblichen Handarbeiten werden seit 1875 gelehrt. Ihre Reorganisation im Sinne der Schallenfeldischen Methode datiert vom Jahre 1887. Der Kindergarten wurde von 1883 ständig eröffnet, Beiden ging voran. Mit demselben ist seit 1887 die von Mai bis September geöffnete Reinwahranstalt verbunden. Die Fortbildungsschule für Jünglinge und Jungfrauen besteht aus einer Ober- und Unterklasse mit je vier wöcentlichen Stunden. In die Oberklasse können nur solche aufgenommen werden, die die achtklassige Volksschule besucht und absolviert haben. Die Behbrmittelsammlung und Bibliothek sind entsprechend. Lettere zählt 464 Bände. Für Schulen giebt die Gemeinde redlich folgende Beträge: 199 fl, 52 kr. Oberbauschule, 230 fl. Gymnasium, 150 fl. Alumnat und 1 fl. Landeskirchenseminar. Die Sächsische Bevölkerung weidend zählte 1814 2445 Seelen und stieg bis zum Jahre 1890 auf 2695. 3 betrug somit die Zunahme 250 Seelen. In derselben Zeit stieg die nichtsächsische Bevölkerung von 819 auf 1340. Die sächsische Bevölkerung war im erstgenannten Jahre 749 Prozent groß, heute wo nur 66­8. 3 Der ansehnliche Markt liegt am Fuge des weitausschauenden Zeidner Berges, welcher (1294 Meter) ein vielbesuchter Aussichtspunkt ist, zu dem man auf unwohlgepflegten Wegen im schattigen Wald Leicht gelangen kann. Der gegen Osten vom Neugraben bespülte Markt ist seiner Hauptmasse nach lang hingestredt. Drei nahezu einen Kilometer lange Hauptstraßen geben dem unteren Teil der Gemeinde die Form eines gestredten Rechteckes, von welchem aus sich dann zwei Zeile in Form ge­wundener Hörner gegen den Berg zu ziehen. Der Markt macht auf den Besucher einen recht soliden Eindruck. Strohe und Schindeldächer sind nicht zu sehen, dagegen ganze Reihen hübischer Häuser mit dem Charakter der Vorstadthäuser. Vornehm sieht der geräumige Marktplan aus, den neben der altersschwachen unschönen Kirche der stilvolle Turm, von dem oben gesprochen wurde, beherrscht. Vor der Kirche das stattliche Rathaus und der geräumige Pfarrhof, dem Rathaus gegenüber das große Gemeindegasthaus und die Apotheke, in nächster Nähe davon das nach den Plänen des Stadtingenieurs Christian Kertich erbaute geschmachvolle neue Schulgebäude und die älteren Schulgebäude. Die lauberen, ganz regelmäßigen Gassen mit gepflasterten Rinnsalen und einigen Baumanlagen geben dem Ort­­ ein ebenso freundliches als behäbiges Aussehen. Sobald die Hochquellen­­­wasserleitung vollendet sein wird, wird Beiden wieder ein Werk aufzumessen haben, um welches es zu beneiden sein wird. Die Anfänge einer Straßen­­beleuchtung (28 Petroleumlampen) sind auch vorhanden. Der Hattert,­iegt in der Kommassierung begriffen, Hat oberhalb der Gemeinde sehr Fallhältigen, neben den Waldteilen an der Gemeinde gegen Osten zu beiden Seiten des Neugrabend humusreichen, gegen Nordost lehmigen, zum Teil torfhältigen und gegen die Burzen sandigen Boden, welcher in den niederen Zeilen gegen Heldsdorf zu feucht, ja sogar sumpfig is. Die Ent­­­ästerungsarbeiten w­erden sich nahe an 30.000 Gulden belaufen. Auf dem 23.129 Koch großen Hattert sind 4242 Joch Aderland, 151 Joch Gärten, 3457 Yo Wiesen, 2754 Joch Weide, 12.111 Joch Wald, 414 Yo sind unproduktid. Die regelmäßigen Einnahmen aus dem Wald belaufen sich pro Jahl auf 4200 fl. Wenn man bedenkt, daß die Gemeinde für die Schanfregal­­ablösung 228.000 fl. erhalten Hat, und Wald und Weide au­f schöne Ein­­nahmen geben, so kann man sagen, daß Beiden als Gemeinde wohl­­habend ist. Der Hattert war bisher starr parzelliert und wurde nach dem System der verbesserten Dreifelderwirtschaft bearbeitet. Anfolge des­sen sind denn die landwirtschaftlichen Geräte auch nicht jeher modern. Hölzerne Pflüge und Eggen sind io jeher im Schwung, Had- und Häufelpflüge nur 5, Walzen nur 4, Wiesenhobel nur 2, dafür aber 6 Dampfdreshmaschinen. Nach der Home­mafjation m wird das in wenigen Jahren volständig anders, allerdings besser audsehen. Binzgauer Viehftüde sind an nur 29 vorhanden, sonstiges Vieh nicht besonders viel. Es wurden feithin gezählt: 1102 Pferde, 1512 Stüd Hornvieh, 1142 Büffel (die meisten im ganzen Burzenland), 1813 Schafe, 1136 Schweine. Für Milch wurden in einem Jahre 220.000 fl. erworben. Vom großen Hattert befigen die Sadhsen 8212 Joch, die Romänen 185 Joch als Eigentum­ . Sehr entwickelt ist in seiden das Vereinswesem So sind sieben Dreschs­gesellschaften und verschiedene Scheunenversicherungsgesellschaften vorhanden. Vor allem aber blüht der Spar-und Vorschußverein.Derselbe wurde im Jahre 1872 von 50 Gründern ins­ Lebensaner-Die Filialen Weidenbach und Woltendorffind ihm angegliedert.Wiewohl der Verein zunächst den Vorteil seiner Mitglieder im Auge hat,hat er von Anfang an auch für das öffentlicheohl der drei genannten Gemeinden gesorgt und viele Geschenke gemacht.In den ersten 25 Jahren betrug die Höhe derselben 17.702fl.15kr.,wovon Zeiden 14.282fl.1kr.erhalten hat.Hievon erhielt die ev.Kirchengemeinde 12.920fl.84kr.und hievon der Kinders­garten 3674fl.29k­.Die Entwickelung des Vereins im ersten Viertels­jahrhundert seines Bestandes bezeichnen folgende Zahlent Spareinlagen 1873 7356fl.85kr.,im Jahre 1897 387.085fl.22kr.;Stammeinlagen 1873 3973fl.,1897118.447fl.73­r.;Reservefond 1873 184fl.22­r., im Jahre 1897 26.225fl.87kr.;Reingewinn 1873223fl.39kr.,1897 11.315fl.62kr.;Mitglieder 187394,1897336. Der Hausfleiß wird gekennzeichnet durch die sehr begehrte und gesuchte 8eidner Leinwand.Auch Flechten von Stuhlsitzen für die Sesselfabrik findet guten Lohn.Ferner arbeiten hier 15 Tischler,11 Schuster,4 Schneider, 8 Wagner,1 Schlosser,3 Bäcker,2 Schmiede,1 Seifensieder,1 Spengler und über 100 Maurer und Zimmerleute,1 Gelb-und Glockengießer,4 Faßs­chinder,2 Uhrmacher,1 Riemer,28immermaler. Die Erzeugung von Möbeln durch die Brüder Hornung,deren Fabrik 1878 in Weiden gegründet wurde,seit 1892 in Kronstadt sich befindet,hat durch den Zollkrieg mit Rumänien schweren Daseinskampf siegreich durch­­gefochten.Ueber 300 Arbeiter erzeugen täglich SOOStsickthriesse,die bis nach Japan und Südamerika verwendet werden.Ebenso weites Absatzgebiet hat auch die Werkzeugfabrik des M.J.Horvath,die,im Jahre 187s gegründet, stetig gewachsen ist.Kaufläden sind inseidenm vorhanden. An Staatssteuern zahlt die Gemeinde 18.823 fl.54 kr.,an Komitatss­­teuern 4738 fl. 93 Kr., zusammen 23.562 fl. 47 kr. Der Export ist nicht unbedeutend und wird durch folgende Ziffern beleuchtet: 80.000 Meterzentner Heu, 100.000­­ Meterzentner Erdäpfel, 100 Waggon Gerste, 500 Stüd gemästete Ochsen (meist nach Wien), ferner 200 Stüd Büffel, 800 Schweine, 600 Kälber, Teen Tor um in Ben­fleton. Novelle. Bon Baron Zosef Edtwög. Mederfegt von Franz Arz. (12. Fortlegung.) „Wahrlich, ich hätte mir das auch gerne eingeredet und eine Zeit lang dachte ich daran, ob’s nicht am besten wäre, wenn ich alles so ließe, wie es mar. Ohnehin wüßte ich, wenn ich Heute abends Esther nicht besucht hätte, nichts von der Sache; nach ein paar Wochen würde ich sie Heiraten und wer weiß, ob sie nigt auch mit mir glüclich werden würde. Esther war ein liebes Mädchen ; so jeder Hatte ic mich in das eheliche Leben mit ihr Hineingedacht, daß ich mich von diesem Gedanken kaum trennen konnte. Und hatte ich sie nicht seit lange geliebt, und würde nicht auch sie mich immer mehr lieben, wenn wir nur erst immer zusammen sein würden? Und all für meinen Bruder würde er vielleicht besser sein, wenn er Soldat würde, das ganze Dorf sagte ja, er sei gerade so, wie unser Großvater, „Aber was immer ich that, zulegt fam mir doch immer wieder der Ge­­tante, daß, wenn an Peters Stelle ich im Kahne gemesen wäre, Esther sich nicht Halb so sehr abgeängstigt Haben würde, und daß au­ch, nur um sie zu sehen, mein Leben gewiß nicht gefährdet haben würde, und daß es, wenn ich nun einmal wise, daß mein Bruder und Esther einander lieben, Schurkerei von mir wäre, wenn ich ihnen im Wege stünde.” „Die ganze Nacht konnte ich nicht schlafen, der Kopf rauchte mir vom vielen Nachdenken. Endlich hatte ich einen Entschluß gefaßt. Sobald der Tag zu grauen begann, nahm ich meinen Pelz auf den Rüden, auf’s Pferd und geradeaus in die benachbarte Stadt zum Werbetorporal.” „Am Charfreitag war’s, kein Eigeuner war dort, Fein Tanz, nur der Korporal aß in der Schenke, an der nur in seinem alten Dolman und ohne Weberbush. Aber ich machte mir nichts daraus, wenn ich nur möglichst schnell darüber hinüberkam; denn wenn ich an Esther dachte und an meine liebe Mutter, so war's mir, als ob mir jemand die Kehle zuschnürte,” „als ich dem Korporal sagte, warum ich gelommen, riß er Augen und Mund auf, er sah mich an, al3 wenn er dachte, ich sei betrunken. Das sei ihm noch nie begegnet, daß sich einer am Charfreitag hätte anwerben lassen. Aber ich antwortete darauf, mein jüngerer Bruder Habe si schon lange her von ihm anmwerben lassen, und weil der mun nicht kommen könne, so sei ich an seine Stelle getreten, und er müsse Peter seines Versprechens entbinden, denn beide könnten wir unsern Vater und die Wirtschaft nicht verlassen. Hierauf sagte der Korporal, er nehme den Tausch gerne an, denn Peter tauge ohnehin mehr zu einem Grenadier und aus mir würde ein strammerer Hußar merden. Er legte mir feinen Tichako auf den Kopf, ich ließ Wein bringen, und während des Trinkend machten wir aus, daß ich nächsten Dienstag zurückkommen sollte. Damit feste ih” mich wieder auf’s Pferd, und als man zu Mittag läutete, war ich schon wieder zu Hause.“ „Die paar Tage, die ich so zu Hause zubrachte, erschienen mir zugleich kurz und lang. Zumeilen bedauerte ich, daß ich nicht wenigstens noch ein paar Wochen im Dorfe bleiben konnte, zuweilen konnte ih ‚kaum erwarten, daß der Dienstag schon da wäre. Nie hätte ich geglaubt, daß es so viele geben könne, von denen zu scheiden mir schwer fallen würde, und doch fühlte ich auch wieder, daß ich eigentlich mit seinem mehr zusammenhing.“ „Mein Vater war anfangs sehr zornig, meine Mutter, die Arme, weinte, Peter aber sagte, ihn könne niemand seines Wortes entbinden; aber als sie sahen, daß ich nicht nachgab, ‚und als ich schwor, dag, mein auch, Peter Soldat werde, ich darum doch gleichfalls fortgehen würde, beruhigten sie sich, und außer meinem Vater sahen sie vielleicht alle ein, daß ich gut daran that.” «So nahm von allen Abschied, zulebt auch von Esther. Mein Bruder wollte mich begleiten, und wir ritten zusammen fort. Der arme Beter war so gerührt, daß er kaum sprechen konnte; und mahrlich auch ich war nicht gut aufgelegt, aber ich that mir Gewalt an, und was mir nur Scherzhaftes in den Sinn kam, sagte ich alles. Peter Schiwieg, und später gingen auch mir die Worte aus. Al wir an die Flurgrenze gelangten und ich auf unsre Tanga zurückblickte, da fehlte nicht viel, daß ich in Thränen ausgebrochen wäre, aber ich überwand auch das. „Du bist mit mir bis zur Sturfscheide gekommen, mein Bruder“, sagte ich, „Eh­re­det nach Hause zurück, und Gott segne dich." Er sagte, er wolle bs zur Stadt mitkommen, „Es ist besser, wenn du das nicht icnst,“ erwiderte ich, „ohnehin machen wir einander nur traurig, und wenn ich nun schon aus freiem Entschluß Soldat geworden bin, so will ich nicht so vor dem Korporal erscheinen, als wenn ich mit Gewalt gefangen worden wäre. Sage dem lieben Vater und der lieben Mutter, daß ich sie grüßen lasse, und daß Gott sie segnen möge für ihre mir so oft be­­wiesene Gemogenheit. Grüße auch Esther und seid glücklich alle zusammen !* Und damit gab ich dem Pferde die Sporen, und fort ging’s, als wenn mich der Türke jagte. Ich sah mich gar nicht um. Denn ich wußte, dort stand mein Bruder und ed würde mir mein Herz darüber nur wo mehr weh thun, daß ich nicht zurückgehen konnte. Ich habe den Armen auch­ seither nicht ge­sehen, und werde ihn auch nie mehr sehen im Leben." — Mein Wirt war sichtlich gerührt; ein schwerer Seufzer hob seine Brust. „So bin ich Soldat geworden”, fuhr er endlich, seiner Rührung Meister geworden, fort. „Anfangs fiel er mir ein wenig schwer, später gemöhnte ich mich daran, und ich habe es nie bereut, daß ich Soldat geworden bin. Unser Rittmeister war ein strenger Mensch, aber grundehrlich, so wie ein Bifjen Brot, wenn man seine Schuldigkeit bhat; die Mannschaft lauter Ungarn, ein großer Teil aus der Gegend, wo ich geboren war, und wenn ich nicht fern vom Vaterland ge­wesen wäre, hätte ich mie nie ein besseres Leben ge­wünscht. Bumeilen, wenn ich die Landleute pflügen sah, oder wenn der Wirt, bei dem ich im Quartiere lag, von der Arbeit nach Hause kam, und die vielen Kinder sich ihm an die Kleider hängten, kamen mir die früheren Zeiten in den Sinn und dad, was hätte werden künnen. In solchem Fall ging ich zu meinem Kameraden, der aus unserm Dorf etwa sechs D Monate später in unser Regiment eingetreten war und Peters Hochzeit mitgemacht hatte, ließ mir von neuem alles erzählen, wer alles bei der Trauung gewesen sei, wie Esther ausgesehen, wie viel mal sie auch auf meine Gesundheit getrunken hätten, und wie Peter die Thränen in die Augen gefommen, so oft er von mir gesproc­hen, aber wie bei alledem sowohl er als auch Esther so heiter seien, daß man sie kaum wieder erkenne. Und wenn ich das gehört hatte, dann wurde auch ich wieder guter Dinge, und wir fangen mit­einander: „Das Husarenleben ist ein herrlichr Leben”, und ich erkannte, daß alles so am besten war, wie es war. Später brach der Krieg aus, und nun blieb mir ohnehin nicht viel

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