Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1900. November (Jahrgang 27, nr. 8171-8196)

1900-11-01 / nr. 8171

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Fort und fort sucht und findet der überwiegende Teil der hiesigen Rettungspreise die Gelegenheit, in patriotischen Entrüstungssuperlativen über jede Negung eigenen Bollsempfindens herzufallen, die es im Stei­e der nichtmagyariigen Bewohner dieses Landes geltend macht. Die systematisch betriebene, jahrelange Agitation hat es in der That zu­stande gebracht, nach allen Richtungen hin nationale Mißstimmung und Gereiztheit zu erzeugen, die Behandlung der Nationalitätenfrage in ein Wirrsal von Entstellungen und Un­wahrheiten hineinzuzerren und die Bestrebungen derjenigen zu er­­regweren und zu verbittern, die die Erörterung alles dessen, zwas die nationale Besichiedenheit und Empfindlichkeit berührt, allmählich Hinüberleiten möchten in die süßlere Temperatur besonnener Mäßigung und freisinniger Toleranz. Es scheint nun, daß in die Tendenz, die Aufmerksamkeit der politischen Kreise immer und immer wieder auf das Schredgespenst der nationalen Frage zu konzentrieren, in gewisem Sinne Bresche gelegt sei. Unaufhaltsam drängen sich auch in dem Leben und in den Zielen der politischen­­ Parteien die wi­rtigaftlichen Fragen in den Vordergrund, die­ schweren Sorgen, die sich an die wirtschaftliche Not des Landes und an die politisgen und sozialen Folgen derselben knüpfen. Lebtgin Hat sich ein Mann, der vorsichtig und maßvoll zu sprechen pflegt, der Sinangminister Qufacs, in der ein­­begleitenden Rede, mit welcher er das nächstjährige Staatsbudget vorlegte, an der Hand der Erfahrungen des Vorjahres über die wirtschaftliche Lage des Landes in ernsten Worten geäußert. Die mittelmäßige Ernte, — so sagte der Minister, — der niedrige Stand der Getreidepreise, das außer­­ordentlich teure Geld, der zur unerhörten Höhe emporgestiegene Binsfluß, dann der Umstand, daß si und die Beldquellen verschlossen haben, aus denen sie unser wirtschaftliches Leben lange Jahre Hindurch im Wege des Frebites genährt hat, infolge hievon das Sinsen des Unternehmungsgeistes, die spät« Licher fließenden Erwerbsquelen — all dies sind Erscheinungen, die den un­­günstigen Stand unseres wirtschaftlichen Lebens hinlänglich kennzeichnen. Der Minister fügt Hinzu, daß große unwirtsraftliche und politische Interessen sich unter folgen­verhältnissen daran knüpfen, daß das Gleichgewicht im Staats­­haushalte unter allen Umständen aufrechterhalten bleibe, und daß in diesem Gebote mit aller Entfiedenheit Geltung verschafft werden müsse auch jenen vielseitigen, st stetig vermehrenden Ansprüchen gegenüber, die aus dem reife der Gesellschaft alle Impulse, alle materielle Unterftügung lediglich vom Staate erwarten. Noch ernstere undties Ergreifendezragen sind kurz vor dieser Ministerrede auf dem sogenannten Agrariekkongreß in Kaana verhandelt worden Diese Verhandlungen,über die jetzt der offizielle Bericht hinausge­geben wird,ver­­dienen volle Beachtung nicht nur wegen der sozialen und politischen Tragweite der in denselben besprochenen Fragen,sondern auch vermöge der Bedeutung und desslnsshhens der Männer,die auf jenem Kongresse das Wort geführt haben. Die Lage des magyarischen Blittelslandes,vornehmlich die des mittleren Grundbesiheö,war dadssuptthenm ihrer Beratungen,und sö ist geradezu auffällig,mitviegzellen Farben die Lage geschildert­,wie rückhaltlos die schädmaufgedeckt und die Ursachen derselben erörtert werden.Es m­ät den Eindruck der erwachenden Volksgewissens,husunbarnherzig und mit kalter Selbstprüfung mit sich ins Gericht geht Der magyarische mittelstand,jene politisch und wirtschaftlich unabhängige Gesellschaftsk­asse,ohne die dies Land nicht gedeihen kann,die zur geistigen und wirtschaftlichen Führung desselben berufen wäre,ist durch die Ent­wicklung der leyten Jahrzehnte einfach­ disclaim­­gerichtet worden,—­dies konstatieren die führenden Männer des Kongresses: Stanu­el Dessewssy,Graf Josef Muilath,Graf Alexandercarolyi und die übrigen siebner.Seit dem Zustandekommen des Flaggleichs-so führt Graf Mailab­aut—märe er die Pflicht unserer leitenden Staatsmännergenossen, den mittlerenctunsbesitz zu erhalten und zu entwickeln und den bürgerlichen Mittelstaud in den städten zu kräftigen.Und meist geschehen.Anstatt dem mittleren Grundbefig die Möglichkeit zu gewähren, die Scholle, die er von den Vorfahren ererbt hat,sich zu erhalten,hat man seine­ Angehörigen gelehrt,in die Städte,vor allem in die Hauptstadt zu strömen dort nach Beamtenstelle zu fahnden und sich eine Lebensweise und einen Luxusanrus gewöhnen,deren Mittel aufzubringen sie immer unfähiger wurden.Und damit ist jenes Heer von Strebern geschaffen worden,das nicht nur das Beamten­proletariat in außerordentlicher Weise vermehrt hat,sondern auch die Nähr­­mutter jenes Bureaustatismus geworden ist,der­ überall verderblich wird­, aber nirgendwio gefahrdrohend ist,wie beiunsinningaru.Denn der Migyake ist entweder übermäßig leichtsinnig oder übermäßig pedantisch.So ist er gekommempaßt­ heute,will man nicht immer neue Verfolgungsämter schaffenJeine Stelle mehr giebt,in die man die immerdar­ hungrigen Streber hineinsetzen könnte.Auf diesem Wege ist der magyarische Mittelstand zu Grund­ gegangen und an seine stelle ist eine besorganisierte Gesellschaft getreten,deren Mitglieder sich gegenseitig bekämpfen und um individueller Vort­teile will­ sich in verschiedene feindliche Interessengruppen spalten. Einen anderenhauptgrund für diesen wirtschaftlichen Niedergang der mittleren Grundbesitzer finden alle Redner des Kongresses indeißbräuchen, in der Entartung der wirtschaftlichen Thätigkeit des beweglichen Kapitales,das sich bei uns die rücksichtslose Ausbeutung der menschlichen Schwächen zum Ziele gesetzt habe und die hauptschuld trage an der allgemeinen Unzufriedenheit und an jenem krisenhaften Zustande,der alle Wirtschaftszweige des Landes bedroht-Rhode­so meint Graf Dessewssy­ auch bisher Männer ges­­eben,die auf die ich fahren,insbesondere auf den Niedergang des Mittel­­standes,die staatliche Regierung und Gesetzgebung immer wieder aufmerksam gemacht hätten5 die Mahnungen seien aber fruchtlos geblieben denn man habe darin nur Oppositionssucht gesehen und gar nichtig er damals die Hilfe noch leichter und erfolgreicher gewesen wäre,wie heute.Am klarsten und unumwundensten und,wie deraufgegebene Bericht sagt,unter allgemeinem, frenetischem Beifalle hat die Bestrebungen des Kongresses das Mitglied Ludwig Mercy gekennzeichnet,indem er sagte,daß mit dem wirtschaftlichen Ruin der Landwirte Hand in Hand gegangen sei der Niedergang der wirtschaftlichen Moral. So lange der magyarische Landwirt kräftig war, habe die Welt im Magyaren eine ritterliche Nation gesehen. Heute habe der Handel die Führung an sich gerissen und sei bestrebt, zumeist mit außerabhtlaffung der geschäftlicen Ehrlichkeit die Landwirtscaft niederzuringen. Die Uebergriffe dieses neuen Merkantilismus seien nun ganz entschieden staatsfeindlich geworden. Unser Handel­ betrachte zum guten Teile alles nur aus dem Gesichtspunkte der ge­­schäftlichen Routine und sei nicht daran, einen wirksamen Zaftor der magyarischen Ehrlichkeit und des magyarischen Geschäftsanstandes zu bilden.­­ Die Bestrebungen, die auf am Kongresse zu Kashau­ff geltend gemacht haben und die sig im Hinblickk auf die ruhenden­­ Reichstagswahlen nunmehr auch Äußerlich organisieren wollen, kennzeichnen eine wirtschaftliche Richtung, die seit Jahren her allmählich emporgewarfen ist und gebt an auf dem politischen Kampfplage mehr und mehr in den Vordergrund tritt. Sie hat mit den Mitgliedern der früheren Nationalpartei in das Lager der Regierungspartei ihren Einzug gehalten, wo si unter der Obhut desselben Parteiverbandes „Agrarier“ und „Merkantilisten“ feindlich gegenüber stehen und nur in der Veteuerung jeder der beiden Fraktionen begegnen, daß sie nur den Niedergriffen der anderen Richtung entgegentreten wolle; sie wirkt trennend und verwirrend auch in den Neihen der äußersten Linken und hat für ihre Bestrebungen eine geschloffene politische D Organisation nur in der flek­talen Volkspartei gefunden, die von Anbeginn her in dem „Schuß des Heineren Grundbefigesd und der produstiven Klaffen” und in dem „Kampf gegen die Ausmwüchse der Börse und des mobilen Kapitales“ mit scharfem Blick wirks­ame Schlagworte für ihre politische Propaganda entdeckt hat. In dem parlamentarischen Auftreten und in der politisch­e Agitation der legteren Partei haben fi jene Schlagworte, anfangs nur zurückhaltend und mit allerlei Umschreibungen, nunmehr aber war und entschieden zu dem Schlagworte des offenen „Antisemitismus” verschärft, und daß dieser Charakter der Bewegung nicht auf die Volkspartei allein beschränkt ist, das Hat vor einigen Tagen in den gerade fest im Zluffe befindeten Budgetverhandlungen des Finanzausschusses, wo der Gegenzag der „Agrarier“ und „Merkantilisten“ scharf hervortritt, der zu dem Lager der Seteren ger­hörige Abgeordnete Edmund Gajari war und­ treffend hervorgehoben, indem er sagte, daß die Zeit gekommen sei, der agrarischen Bewegung und ihren Bielen scharf ins Gesicht zu leuchten, denn sie sei ja nichts anderes als eine antisemitische, Bewegung nach ausländischen, Hauptfälih öfter­­reihiigen Muster. Es ist vorauszusehen, daß dieser offene Antisemitismus, der in ver­­einzelten Lebensäußerungen auch bisher hervoigetreten ist, diesmal seine schnell vorübergehende Erscheinung umnseres öffentligen Lebens sein wird. Mag man die, über seine wirtschaftlichen Entstehungsursachen hinauswachsenden brutalen und gehässigen Formen, in denen er anderwärts aufgetreten ist, und die er wohl auch hier annehmen wird, bedauern und besagen, das Verdienst muß dieser Bewegung zuerkannt werden, daß sie vom ungarischen politischen Leben den Bann einer stilen Unwahrheit hinwegnimmt und offen ausspricht, wo jeder fühlte und niemand berühren wollte. Daß im magyarischen Woh­nleben, in den wirtschaftlichen und politisgen Zuständen bestellen, das Judentum einen allzu breiten Raum ein« genommen hat, daß es im Reitungswesen mit der schlagfertigen Gewandtheit und der Schärfe des jüdiigen Geistes nahezu das ganze Gebiet allein ber Herrscht und mit seinen Federn die „öffentliche Meinung” des Landes macht, daß es troß seines Anpasfungsvermögens in die alte, gute magyarische Art ein fremdes Element hineingetragen hat, das mit vielgeschäftiger Vordringlichkeit auf allen Gebieten zur Macht zu gelangen weiß, — das sind Fragen, die in magyarischen Kreisen seit Jahren Her immer häufiger und immer leidens­­chaftlicher behandelt werden. Und Bis in die Steife der höchsten Bildung hinauf, bis zu Männern, die jeden Gedanken konfessioneller Unduldsamkeit und nationalen Hochmutes von sich weilen würden, reicht diese, dem vor» dringenden Judentume wenig freundlige Gesinnung, Daß viele noch Be­­denken tragen, ihre Meinung über die Trage öffentlich kundzugeben, mag vielleicht auch darin gelegen sein, waß sie nicht Gefahr kaufen wollen, als Gesinnungsgenossen der Reaktion, der Herifalen Bollspartei, verrufen zu werden. Denn diese Partei, hinter der die reale Macht der römischen Kirche steht, hat sich in vorderster Reihe für ihre Bestrebungen auch jener Macht bereichert, die der antisemitischen­ Bewegung unter den obwaltenden Verhält­­nissen zugeschrieben werden muß. Nationale, konfessionelle, wirtschaftlige Kämpfe erfüllen und zerflüften unter öffentliches Leben; alle Gegenzäge, die das Wolfsleben in sich birgt, feinen aufgescheucht und gereizt. E 3 ist sein erfreulicher Zustand, in welchen dieser Reichstag seiner Auflösung entgegengeht. Politische Uebersicht. Hermannstadt, 31. Oktober. A Ungarn. In der gestrigen Sigung des Abgeordneten­hauses ist die Vorlage betreffend die Eheschließung des Thronfolgers noch nicht erledigt worden. Das geschieht wahrsceinlich erst heute. Sobald sie an­­genommen ist und noch einige Petitionen erledigt sein werden, hält das Abs­geordnetenhaus bis zur Unterbreitung des Finanzausschußberichtes über den 1901er Staatvoranschlag keine Sigungen. Sobald leiterer unterbreitet sein wird, erfolgt, wie „B. 9.” erfährt, die Schließung der vierten Session und Tags darauf die Eröffnung der fünften und zugleich legten Session dieser Reichstagsperiode. Die vierte Session wurde am­ 30. April I. 2. eröffnet, währt somit sechs Monate, von denen fast drei auf die Sommer­­ferien entfallen sind. Seit 1867 war sie, wie hauptstädtische Blätter bemerken, die kürzeste Session. Im Finanzausschus der Abgeordneten gelangte man vorgestern zur Berufung über den Voranschlag des Oberbauministeriums. Die gemeinsamen Ministerberatungen über die bosnischen Bahnen sind noch immer nicht beendet, Weber, das bisherige Ergebnis wird Senilleton. Die Irre von Sankt Rochus. Kriminalroman von Gustav Höder. (12. Fortlegung.) Nur wenn Doktor Gerth bei seinen amtlicher Besuchen mit Kon­­stanze allein war, da belebten ss ihre sonst so apathischen Züge, ein wärmerer Hauch schien über ihr bleiiges Antlig zu siehen; ihr großes dunkles Auge gewann jenen Glanz, der aus dem Innern kommt, samb zuweilen zeigte auch wohl ein sanftes Lächeln, daß es Wagenblide gab, wo sie ihr Elend vergaß. Aber den Schleier jenes Geheimnisses, in dessen Banne sie stand, wie sie dem jungen Wizte einst angedeutet hatte, Lüftete sie nie, und wenn er diesen Punkt berührte, so zart und tonungsboll dies auch gesah, verfant sie in ihre alte Traurigkeit, und der Zauber jener­­ heiteren Augenblide war zerstört. Die Frage, welche Titus Alram faltblütig angeregt hatte, ob S Konstanzes Beziehungen zu dem ermordeten Gelehrten reine und unverfängliche gemweien oder ob sie solcher Art waren, daß sie die S Intriguenfünfte einer anderen Person herausforderten, welche sich dadurch ge­­fährdet sah, verfolgte den jungen Arzt Tag und Nacht wie ein Gespenst. Somnmitten all dieser Dualen und Zweifel stand sein Ent­gluß, alles zu t­un, um sie von dem Morde zu entlasten, unerschütterlich fest, und hätte er diesem Briede sein ganzes Vermögen aufopfern müssen. Doc hielt er dieses Vorhaben no streng vor ihr geheim; es wäre Gift für sie ge­wesen, um ihr eine wenn auch no so reise Hoffnung zu erwecken, die sich viel Zeit als trügeris ® erweisen konnte. Fühlte er sich doch selbst entmutigt, daß der Mann, auf den er sein ganze Vertrauen lebte, sein Lebenszeichen von sich gab. Hatte er die Sache als völlig aussichtslos fallen Lassen? Weilte er vielleicht bereits, für andere wirtend, im fernen Wuslande, während Gerth vergebens auf eine Nachricht von ihm wartete? Das war der Gedanke, welcher den jungen Arzt zu beunruhigen begann. Als Doktor Werth an einem Sonntagvormittag in seinem Zimmer saß, empfing er den Besuc eines Fremden. Sein Haar war bereits ergraut, aber noch immer von dichtem Wuchs, wie auch der stattliche Volbart zeigte. Die Augen beschattete eine blaue Brille. In Haltung und Kleidung verriet fi der feine Mann. „Sie werden mich wohl nicht kennen ?“ führte fi der Besucher unter einem verbindlichen Lächeln ein. . »Ich muß allerdings bedauern«,entschuldigte sich Gerth. »Allram ist mein Name,Tit.s Allram«. Der Irrenarzt wollte seinen Ohren und Augen nicht trauen.Selbst regt,wo er es wußte,erkannte er den Detektiv nicht wieder,der erst im späteren Verlauf des Gesprächs,wo er sich zwanglosgehen ließ,in Stimme und Benehmen nach und nach zum Vorschein kam.Da war also der Mann selbst,von dem er mit jeder Post eine Mitteilung erwartet hatte,und daß er in so geheimnisvollem Inkognito kam,schient eine ungünstige Vorbedeutung zu sein. „Kann uns hier jemand hören? trug Allram vorsichtig, während er auf dem ihm dargebotenen Sessel Plab nahm. „Wir sind vor jedem unberufenen Laufcher sicher,“ beruhigte Gerth. „So komme unter Dieser Maske“, sagte Alram mit gedämpfter Stimme, „um dem Teufel das Spiel zu verderben, fals mich Hier zufällig jemand rennen sollte. E33 würde Mißtrauen erregen, wenn man Sie mit einem Detektiv verkehren sähe. Ich bin also Doktor Hauser, bin ein Irrenarzt aus irgend einer weit entlegenen Anstalt, die Sie selbst wählen mögen. Als Fach­­mann darf ich mich unter Ihrer Führung hier frei bewegen und sogar einige Worte mit Konstanze Herbronn sprechen, falls dies nötig werden solle. Damit es aber nicht auffällt, wenn ich noch einmal kommen müßte, so werden Sie Ihren Herrn Kollegen sagen, ic sei auf einer größeren Reise begriffen und hätte versprochen, Sie auf der Radfahrt noch einmal zu besuchen.“ „Ich verstehe voll­ommen*, nichte der junge Arzt. „So darf ich also wohl annehmen, daß —* „Dank ich mich ganz in Ihre Dienste gesielt Habe? Sa, das dürfen Sie, Die Mission verspricht interessant zu werden, wenn ich auch für einen Erfolg nit bürgen kann.“ ‚hatte, so mußte man ed mit einem Hausdiebe zu thun haben. Mit kopfendem Herzen erwartete Doktor Gerth die Eröffnungen des Detektivs. „Die leisen Spuren, die ich entdeckt habe, deuten zunächst auf ein Vors­kommnis, welches um fünf Jahre zurückliegt,“ begann All­em. „Sie erinnern sich gewiß meiner Mitteilung, daß ich einen Dieb ermittelte, der P­rofessor Georgis Altertumssammlung bestohlen hatte. Es handelte sich um eine Bibel und zwar um Die jeher selten gewordene lateinische Ausgabe von 1532, die bei Robertus Stephanus in Paris gedruckt worden is. So steht es in meinem Z Tagebuche, welches ich über alle meine Geschäfte biß auf die geringfügigsten Nebenumstände führe. Ich habe in diesem Tagebuche schon manchen wichtigen ‚Radbhid gethan über Personen und Dinge, mit denen ich abgeschlossen zu haben glaubte und die dennoch bei späteren­­ Ereignissen, welche durch meine Hand liefen, wieder bedeutungsvoll wurden. Berwintern Sie also nicht mein Gedächtnis, wenn ich auf dieses und jenes Detail werde zu sprechen kommen, auf Zahlen und Daten sogar, — sie stehen alle in meinem Tagebuche, welches ich befragt Habe. . . . Der Zufall wollte es, daß Professor Georgi das kost­­bare Buch sogleich vermißte. Am Abend vorher Hatte er es noch neben anderen altertümlichen Büchern, von denen er eine gerade gebraucht, fliehen sehen; am Morgen war es verschwunden. Da der Bornier Punkt acht Uhr das Haus flog und gerade an jenem Abende niemanden ein- noch ausgelassen Um nit erst die P­olizei in die Sache Hineinzuziehen, wandte sich der Professor an mich. Der Schuldige hatte alle Vorkehrungen­ getroffen, den Berdacht dem Dienst­­mädchen aufzuhalten. Ich ließ mich jedoch nicht doch den Schein täuschen. Professor Georgi Hatte kurz vorher mit einem Berliner Antiquar über­ den Verlauf der Bibel korrespondiert, die Unterhandlungen jedoch­ wieder abges­chrochen. Sein Neffe wohnte bei ihm. Ich rannte den jungen Mann nicht, den ich auch während jener Tage nie im Hause antraf, — wahrsceinlich wich er mir aus; aber ich hatte gehört, daß er ein leichtsinniger Schulden­­macher und ein großer Freund von Spiel- und Champagnergelagen sei. Im Arbeitszimmer seines Unfelds hatte er vielleicht, den einen oder anderen Brief des Berliner Antiquars offen liegen sehen, einen Blick Hineingeworfen und daraus den hohen Geldnwert der Bibel ersehen. Wer weiß, aus welcher Bere­legenheit er sich Helfen konnte, wenn er das vom Onkel­ abgelegte Seihaft

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