Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1929. Juni (Jahrgang 56, nr. 16771-16795)

1929-06-11 / nr. 16779

DIT. AS Museun für rona tur u.Kultur Aa . St bi BEFSETTTEEN Tazele plä­­tite in numä­­rar ord. Dir. Gen. P.T.T. 228720/926 GIA TIM­EA­ nische Litera- . Siriftleitung: Hermannstadt, Honterusgasse Nr. 11, Verwaltung: Königin Mariastr. Nr. 25. — Fernsprecher: Schriftsettung Nr. 11, Verwaltung Nr. 431. Bezugspreis fü­r einen Monat: Hermannstadt: ohne Zustellung L 90’—; mit Zustellung L 100 ° — Nr. 16779 ; mit Postversendung: Inland: Lei 100’—; Ausland: L 135 ° —; Einzelnummer­n 4—; Sonntagsnummer L6— Hermannstadt, Dienstag den 11. J­uni 1929 56, Jahrgang Reichsernährungsminister Pietrich) über deutige rumänisc Zusammenarbeit. Die Aufgabe der Deutschen in Rumänien. Erklärungen des Ministers für das „Siebenbürgisch- Deutsche Tageblatt. (Eigener Telephonbericht.) . Bukarest,—10.Juni.Der Vertreter unseres Blattes hatte Gelegenheit,in Bukarest den dort wei­­lenden Reichsminister für Ern­ährung und Landwirt­­schaft Hermann Dietrich aus Berlin auszusuchen. Dieser hat ihm in gütiger Bereitwilligkeit folgende Zeilen mitgegeben: ,,Jch war schon einmal seit der Konstituierung des heutigen rumänischen Staates in diesem schön an Ende und hatte auch das Vergnügen unsere deutschen Freunde in Siebenbürgen aufzusuchen und begrüßen zu dürfen.Die Fahrten,die ich damals durch die fruchtbaren Felder und sauberen Dörfer gemacht habe, sind mir unvergeßlich.Doch war die Lage unserer deutschen Volksgenossen damals eine keineswegs ange­­nehme.Glücklicherweise aber hat sie sich seit diesem Zeitpunkt,namentlich inleterer Zeit gebessert,w­ofü­r man der rumänischenReerung dankbar sein muß. Nachdem die letzten Differenzen aus dem Krieg­ zwi­­­schen Rumänien und Deutschland aus dem Wege ge­­räumt sind, wird man daran gehen, die lebhaften und umfangreichen früheren Verbindungen zwischen Ru­­mänien und Deutschland­­ wiederaufzubauen. Dabei wird den zahlreichen Deutschen in Rumänien die große Aufgabe zufallen, am Bindeglied zwi­­schen ihrem Heimats­taat und ihrem Stam­­mespolEt zu dienen. Rumänien und auch sein trans­sylvanisches Gebiet ist im Wesentlichen ein aderbau­­treibendes Land mit ungemein gutem und fruc­htbarem Boden. Es produziert eine Reihe von Dingen, an deren Deutschland einen Zuschußbedarf hat und die daher ohne Schaden für die deutsche Landwirtschaft in steigendem Maß nach Deutschland ausgeführt werden konnten. Doch wird die landwirtschaftliche Produktion noch erheblich gebessert und gehoben werden künnen. Schon vor dem großen Krieg haben zahlreiche­­­umänen auf dem ag­­rarwissenschaftlichen Gebiet Beziehungen zu Deutsch­­land unterhalten und es ist zu hoffen, daß nunmehr eine ernste und weitgehende Zusammenar­­beit zur Auswügung der heutigen Agrar­wissenschaft im Interesse der rumänischen Lands­wirtschaft stattfinden wird. So gebe der Hoffnung Ausdruck, daß die Bezie­­hungen zwischen dem heutigen Großrumänien und Deutschland dauernd freundschaftliche und erfolgreiche sein werden, nicht zum­ wenigsten im Iinteresse der zahle­reichen Deutschen, die in Rumänien­ ihre Heimat haben. Außerordentlich bedaure ich, daß es mir nicht mög­­e ist, länger im Lande zu bleiben, weil dringende politische Geschäfte mich nach Berlin zurückrufen. Es wäre mir eine große Freude ge­wesen, die Deutschen in den verschiedenen Landesteilen besuchen zu dürfen und ich bin überzeugt, daß ich dort Diesel befreund­­eie Aufnahme gefunden hätte, wie ich sie in der rumänischen­ Hauptstadt gefunden habe.” «­­ Madrider Bräludium. Bon Dr. Ewald Ammende, Generalsekretär der europäischen Nationalitätenkongresse. Madrid rüstet sie zur Natisession, die Die maßge­­benden europäischen Staatsmänner — Chamberlain, Stresemann, Briand usw.. — nach diesem immerhin entlegenen Winter Europas führen wird. Einstweilen fand Hier, gewissenmaßen als Präludium, die diesjäh­­rige Tagung der B­ölferbundligenunion statt. V­erschiedene Wetterpropheten hatten vorausgesagt, daß der diesjährige Kongreß der Ligenunion in Spa­­nien, einem Lande der Diktatur, von geringerer Bedeu­­tung sein und nur wenige Politiker hinreden würde. Diese V­oraussage hat ss als unrichtig eriwiesen. No nie war die Zahl der aktiven Politiker, die zu­dem Kongresse kamen — unter ihnen Lord Robert Cecil, Henry de Souvenel, Prälat Dr. Schreiber, Freiherr von Richthoven usw. — eine so große, und noch nie haben die Diskussionen während der Tagungen das Niveau und Die Bedeutung des Madrider Kongresses über­­tr­offen. Gerade was die Behandlung der Minderheitenfrage betrifft, sollten die Propheten unrecht behalten, denn Die Auseinanderlegungen auf d­iesem­ Gebiet waren von besonderer Lebhaftigkeit und großem Interesse. Es han­delte­­ sich­ anfänglich um die Abwehr einer Reihe von Angriffen. So wurde in der Eröffnung des Kongresses seitens der Vertreter Italiens und Polens — Giannini und GStronski — wie in der permanenten Minder­­heitskommission so alt­ im Rat des Verbandes der Ber­­fu) gemacht, Sir W. Dikinson al Präsidenten der Minderheitskommission sowie der Leitung des Gefre­­tariats das Miktrauen der Versammlung zu dotieren, und zwar weil die Yeiieren ohne eine Genehmigung des Rates bezw. des Kongresses selbst die bisherigen Resolutionen der Union auf dem Gebiete der­ Minder­­heitenfrage dem Studienkomitee des Berferbundrates anläßlich der von dem festeren Durchgeführten Enquete übermittelt hatten. Dieser V­orstog mißlang, da Herr Giannini zuguterlegt allein bei seinem Antrage blieb und der Rai­fi, dem Delegierten Nordamerikas an­­schloß, der Vertrauen für das Präsidium und für das G­efretariat plädierte. Ein zweiter Vorstoß fand dann seitens des rumä­­nischen Vertreters Herrn Serbescus statt und richtete si gegen die Annahme der Resolution auf Gründung einer Studienkommission für die Gesamtheit des Min­­­­derh­eitenproblems beim PVöllerbund. Herr Gherbescu machte den V­orschlag, statt der vorliegenden allgemeinen Saftung der NResolution die Funktion der Kommission vor allem auf eine Behandlung der V­erallgemeinerung der bestehenden Minderheitenrechte. D. h. ihre Ueber­­tragung auch auf solche Staaten, die heute seine vers­traglichen Bindungen bejigen, in der Resolution zu prägzisieren, eine Zumutung, die von den Vertretern einer Reihe von Großmächten — Frankreichs, Englands, Italiens usw. — bekam­tlich abgelehnt wird. Doc Die Proposition Herrn Serbescus, deren Behandlung unter den Mitgliedern des Ausschusses sicherlich die größten Gegenzage hervorgerufen hätte, blieb erfolglos. Denn 3 konnte dem rumänischen Delegierten infolge eines energischen Einspruchs vorgehalten werden, daß er auf der legten Tagung der Kommission in Brüsssel dem Texte ja selbst zugestimmt habe. Somit konnte auch­ Die­­ser Vorstoß zurückgewiesen werden. Der­­ Schwerpunkt in der Auseinanderlegung lag jedoc­h in der­­ Verhand­­lung im Blenum, wo die Diskussion zum­ holländischen Berschlag — Gründung der Expertenk­ommission beim Belferbund — mit ausgezeichneten Reden des Bericht­­erstatters bezw. der Antragsteller ‚Brof. Bovet und Frau Balfer van Bojje einlöste. Er­sterer betonte u. a., daß gerade die Ergebnisse der bereits von 16 Staaten beant­­worteten Enquete der Ratskommission eine klare Stel­­lungnahme in betreff der zu bildenden Studienkommis­­sion notwendig machten. Er hob mit Nahhdruch den Inhalt der vom Präsidium der Nationalitätenkongresse dem Ratskomitee übermittelten Denkschrift hervor. Er erklärte, der Diskussion über das Minderheitenproblem könne nicht mehr aus dem Wege gegangen werden; sie wäre unvermeidlich und man müsse darauf Hin­­wirken, Daß Das börge in einer der europäischen Kulturentwicklung. Die auf Den Rollgindividualitäten basiere wie auch meiner der Humanität entsprechen­ den Weise entschieden würde Auch Frau Balfer van Bosje betonte in ihrer Rede die Stellungnahme der Nationalitätenfangresfe, sie erwähnte die Erklärungen ihrer führenden Persönlichkeiten, die niemals einen Hieb­el darüber Hätten aufkommen lassen, daß Das Streben der Nationalitäten auf eine loyale Zus­ammen­­arbeit ziwec3 Klärung und Lösung des so bedeutsamen Problems Hinziele. Von großer Wirkung waren ferner die Ausführungen des D­eutschen Delegierten, Neichs­­tagsabgeordneten Brälaten Dr. Schreiber, sowie des Sejmdeputierten Dr. Stronski. Lebterer führte aus, daß die Polen auf Grund einer 150 Jahre langen Erfah­­rung am besten müßten, daß man die Nationalitäten selbst mit den zaristischen Mitteln eines Nikolaus I. nit assimilieren künne­n3 käme nur darauf an, daß Hinter einer Politik zur Sicherung der Minderheiten­­rechte nicht ein Vorgehen zur Befämbtung oder Gefähr­­dung des Staates selbst stehe. Er stellte mit Genug­­törung fest, daß er auf Grund früherer Unterredungen mit Herren Dr. Sunghann und jest hier mit Herrn Dr. Schreiber den Eindruck gewonnen habe, daß man auf Dieser Seite eine ehrliche Lösung des Minderhei­­Diese Bestrebungen sollten fort­­gelegt werden; er schließe sie dem V­orschlage der hol­­ländischen Delegation auf Gründung der Expertenkom­­mission an. Den Ausführungen Dr. Stroussis gingen die Ausführungen des Abgeordneten Brälaten Schreiber voraus. In einer groß angelegten Weise vertrat Dchieser die Deutsche, auf der Grundlage des Rechts und der Humanität begründete Auffassung zur Lösung des Min­­derheitenproblems. Mit besonderem Nahpdruch forderte­­ er eine sachliche Zusammenarbeit zur Klärung aller bestehenden Mißverständnisse und zum folgerichtigen Studium der einzelnen Teile des bedeutsamen Pro­­blems; eine Tätigkeit, die die Gründung der Studien­­kommission — Das Nazikomitee künne ja nur einen vorübergehenden Charakter tragen — zu einer Not­­wendigkeit mache. Er "gab auch dem Gedanken Aus­­druck zu der Gründung eines Instituts für internatio­­nales Recht. Gegen die holländische P­roposition spra­­chen sich einzig die italienischen Delegierten aus. Sie behaupteten, daß es "sich bei Diesem V­orschlag um eine Theorie ohne sachliche Grundlage handle. Die­­ Stel­­lung Der Italiener erwies fi jedoch als mehr denn eine isolierte. Denn selbst der Vertreter Rumäniens sprach sr für die Annahme der Resolution aus. Den Ausführungen Serbescus war eine Feststellung der un­­garischen Delegierten dr. PBecar vorausgegangen, Daß im Laufe der zehnjährigen Existenz des Berferbundes so gut wie nicht? für eine Lösung des Minderheiten­­problems zu einer Erleichterung des Schicsals der zahlreichen europäischen Minderheiten geschehen sei. Aus der Zahl der Reden muß noch besonders Die des Präsidialmitgliedes der europäischen Nationali­­tätenkongresse, Leo Moslin, hervorgehoben werden, der auf die bedeuts­ame Etappe hinwies, die seitens der Ligenunion in der Arbeit zu einer Klärung des Natio­­nalitätenproblems bereits zurückgelegt worden sei. Er dankte seitens der Nationalitäten aufs herzlichte Den neutraler Kämpfern für den nationalen Ausgleich innerhalb der Union: Sir W. Didinson, Frau Bafler van Bosje, Prof. Bovet, Sir Walter Napier und Bros. Doperbede. Neben der Annahme des holländischen Borschlages auf Gründung einer Expertenkommission beim Belfer­­bund hat die diesjährige Tagung der Bülferbundligen­­union in Bezug auf das Minderheitenproblem noch gänzlich unerwarteterweise einen anderen Erfolg ges­bracht und zwar inbetreff der Frage der Staatenlosig­­keit. Dank den Neden des Abgeordneten Dr. Schreiber, Abgeordneten vol. Medinger, Gera vd­ Szüllös und Leo Mogfins wurde diese das Schieksal von Hunderttausen­­den und Millionen Heimatloser berührende Frage plöß­­lh in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. 8 wurde festgestellt, daß, wenn die Zahl der Staatenlosen ‘in’ den rechten Jahren zurückgegangen, sei, ja jedoch anderseits ihre Lage in außerordentlicher Weise insbe­­sondere ‘in sozialer Hinsicht, verschlimmert hätte, da sie vielerorts weder eine Arbeit noch eine Arbeitslo­­senunterstügung zugei­iesen erhielten. Zur Annahme ge­­langte noch abgesehen von dem Beschlag Sir W. Na­­piers Die bevorstehende Konferenz zur Kodifizierung des internationalen Rechts resp. die an ihr teilnehmen­­den Regierungen um die Behandlung des Problems der Staatenlosen zu ersuchen, eine von Dr. Schreiber vor­­geschlagene Resolution in betreff Gründung eines be­­sonderen Berferbundausschusses zur Behandlung der Frage und zur Ausarbeitung von Vorschlägen an die Konferenz; zur Kodifizierung des internationalen ‚tenproblems­ wolle.

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