Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1931. Februar (Jahrgang 58, nr. 17336-17362)

1931-02-01 / nr. 17336

s« ,.«· , ASOCIATIUNDA. A fasewn für ronadi­­sche Liter” \ er 4 ni A ! x j Taxele plä­­tite in num&« rar ord. Dir, Gen. P.T.T. 223720/926 age Allgemeine Volkszeitung­­ : Einzelpreis sei mit vordatiert! III & für das Deutsch Schriftleitung: Hermannstadt, Honterusgaffe Nr.11, Vernsprecher: Nr. 11 und Nr. 130. Verwaltung: Königin Matiastr. Nr. 25, Fernspreer: Nr. 237. Bezugspreis für einen Monat: Hermannstadt: ohne Zustellung L 90’—; mit Zustellung L 100 °—: mit Bestversendung: Inland: Lei 100’—; Ausland: L 135 ° —; Einzel­nummer L, 5 °—; Sonnlandnumm­er [, r— Nr. 17836 &/ Hermannstadt Sonntag den 1. Februar 1931 58. Sahraang mean die Stellung der Regierung nach den Griakwahlen Der Finanzminister begibt sich zur Unterzeichnung der Anleihe nach Paris (Eigener Telephonbericht.) Der Ausgang der Erjakswahlen bildet weiter den Gegenstand lebhafter Erörterungen. Wenn man von den Aufbaufhungen der Erfolge absieht, die auf­ der einen und der anderen Seite aus P­ropagandagründen vorgenommen werden, scheinen Die­ Beurteilungen der Wahlergebnisse nicht en­g umweit auseinanderzugehen. Sie laufen Darauf hinaus, hat die nationalzaranistische Mehrheit ihren Pla an erster Stelle der regierungs­­fähigen Parteien zwar behauptet hat, der Liberalen Partei von nun an jedoch mehr Anwartschaft auf die Regierungsnachfolge zugesprochen werden müsse. Man erwartet, daßs die liberale Partei in Hinkunft die Forderung nach Ausschreibung von Neuwahlen mit größerem Nachdruch erheben werde. Das bemerkens­­werteste Ergebnis der Etlaswahlen ist ja nicht nur für sie, sondern für die politis­chen Parteien im allgemeinen die Tatsache, da­ der Wahlkürper eine grundjägliche Gegnerschaft dem Parteiensystem gegenüber nirgend hat erkennen lassen. Damit fällt die Befürchtung zum guten Teil weg, das allgemeine Neuwahlen zu irgendwelchen nit vorauszusehenden und ganz aus dem Rahmen des üblichen fallenden Ergebnissen führen könnten. Der Ansicht auf Neuwehker wid dadurch zweifellos viel von dem Gefahrprohenden, das sie bisher auch für die liberale Partei selbst haben mußten, genommen. In den der Negierung näher stehenden Kreisen legt man bei Beurteilung des Wahlausganges den Nachdruch weniger auf die B Zahlenergebnisse selbst, al auf die Tatsache, daß Dies Ergebnis bei voller Freiheit des Wahlganges erzielt wurde. Er geweiht dem national- Bukarest, 31. Sam­ar zaranistischen Regime tatsächlich zur Ehre, das­s an­­ dem bei den Wahlen des Jahres 1928 aufgestellten Prinzip reiner Wahlen auch im dritten Jahre seines Bestandes festgehalten hat. Zu einer Gesundung uns­­eres öffentlichen Lebens kann es führen, dah­ei Dies­mal von oppositioneller Seite kaum irgendwelche Stim­­men erheben,­ das V­erdienst der Regierung nach Dieser Richtung Hin ernstlich zu bestreiten. · Für die Regierung ist,wie in einem früheren« Bericht,ausgeführt wurde,die Beurteilung des Wahl­ausganges an allerhöchster Stelle von ausschlaggeben­der Bedeutung Die Ereignisse zeigen daß die Krone auch nach den Wahlen ihre Haltung dem Kabinett Miro­­nescu gegenüber nit zu ändern beabsichtigte. Die Stellungnahme der Anleihegegner hat diesen seinen merklichen Erfolg gebracht. Wie heute bekannt wird, tritt der Finanzminister Mihai Popovici im Laufe der kommenden Woche, begleitet vom Direktor der auto­­nomen Verwaltung der Staatsmonopole Stanescu, eine Reise nach Paris an, wo dann die Unterzeichnung der Anleihe sehr bald erfolgen soll. Die retten Hinder­­nisse, die der Unterzeichnung noch im Wege standen, s­einen also gefallen zu sein. Die Krone so außer­­dem Maßnahmen ihre Zustimmung gegeben haben, deren Durchführung der Regierung das Verbleiben auf ihrem Posten für eine gewisse Zeit wenigstens verbürgt. Bis auf weiteres wäre also eine wirkliche Krise — wie e8 heute den Anschein Hat — nit zu befürchten. Mit den Krisengerüchten ist e8 natürlich etwas anderes; sie werden t wohl auch­ weiterhin nicht ausbleiben, Eindrück in England Von Dr. Paul Rohrbach) London, im Januar 1931 Den Deutschen, der aus dem ganzen Druck der gegenwärtigen Lage nach England kommt, berührt er seltsam, wenn er vom Engländer hört: „We are going to the Dogs" — Wir gehen vor die Hunde! Die mar­terielle Depression ist zwar all hier deutlich sichtbar, aber die Depression der Stimmung scheint beinahe noch­ größer zu sein. Man fanı nit sagen, daß sie in der P­resse ohne Rückhalt zum Ausdruch kommt; der Ton in den großen Blättern und in der sonstigen politischen und wirtschaftspolitischen Literatur ist zwar auch ernst, aber art im Gespräch geben ji Die Leute wirklich pessimistis­.­­ Natürlich fehlt nicht der Vergleich mit Deutschland, aber es ist so gut wie unmöglich, den Engländer davon zu überzeugen, daß die Situation für das deutsche Volk viel gefährlicher ist, als für das englische. Der erste Einwand, der regelmäßig im Gespräch bes­­egnet, ist Dieser. Aber im vergangenen Jahr ist eure Ausfuhr ja größer gewesen, als die unfrige! An­sich ist es richtig. Die Zahlen für den Dezember 1930 liegen noch nit vor, aber im ersten Halbjahr, Januar bis uns, waren die Deutsche Ausfuhr und die englische fast genau gleich, 6,2 Milliarden Mal, und bis Ende November hatte sich Die deutsche Alter auf 11,1­ Mil­liarven, die englische nur auf 10,5 Dedilliarden gehoben. So betrachtet ist Deutschland also den Engländern tage jählich, ein Stück voran­gekommen, was noch niemals geschehen ist, seit es einen deuten und einen enge­lischen Handel gibt. In Wirklichkeit ist nicht der Deutsche Export dem englischen vorangekommen, sondern Der englische ist Hinter dem deutschen zurückgeblieben, und zuwar aus ganz besonderen Gründen. Bei allen Dingen handelt es sich um die Baume­mwollindustrie. Die Minderausfuhr an baumwollenen Stoffen aus England war im vergangenen Jahr im Vergleich zu 1929 enorm; sie betrug beinahe 1 Milliarde Mark, allein für Diesen einen Zweig der­­ englischen Industrie. Die Ursac­he davon ist an drei verschiedenen Stellen zu ruhen: in der Konkurrenz der japanischen Spinnereien und Webereien in Ostasien, in den chine­­sischen Unruhen und im indischen Bodyfott. Die Jas­paner verlaufen ihre Baummollwaren billiger, weil sie näher an China und Indien liegen, weil sie billigere Arbeitslöhne haben und weil ihre Fabriken moderner eingerichtet sind als die englischen. Damit sind schon zwei der größten Sorgen des heutigen England berührt: die reinische Nadständige feit eines großen Teils der englischen Industrie, und die Unabhängigkeitsbeiwegung in Indien. Außerdem ist in dem großen Arbeitsgebiet der engstigen Baumwolle­industrie der schon seit einiger Zeit drohende Stillstand der Saleriten eben Wirklicheit geworden. Die Fabrikanten wollen eine neue Art von Webe­stühlen einführen, wobei nicht mehr vier, sondern acht Stühle von einem Arbeiter beaufsichtigt und bedient werden. Natürlich bedeutet Das die Entlastung von Arbeitern und Mehrung der Arbeitlosigkeit. In den ersten Fabriken, wo die Reform eingeführt werden sollte, kam es zum Streik; im ganzen übrigen In­­dustriebezirk erklärten si­che Arbeiter mit ihren streic­henden Kollegen solidarisch, und die Antwort der Ar­­beitgeber ist fest die Aussperrung. Fast eine Halbe Million Spinner und Weber sind teils im Streit, teils ausgesperrt; der Lohnausfall­­ ist ungeheuer, aber es ist gar seine Frage, da­ die Einführung der Achtere anstatt­ der Bieterstühle duch diesen Konflikt nicht hintangehalten werden kann. Die Nationalisierung geht ihren Weg. Allerdings ist dazu ein sehr großes Kar­pital nötig, und die Industrie ist völlig außerstande. Die ungeheuren Summen, die für eine durchgreifende Mo­­dernisierung gebraucht werden,­ von ji aus aufzue bringen. .­­Es ist mit Hilfe der Regierung und der­ Bank von England»eine Gesellschaft gegründet worden,um die­­ Nationalisierung in die Wege zu letten,aber die Ban­­ken verlangen wenn sie Geld in so großem Maßstabe hergeben sollen,ein­e gew­­sse Sicherheit für die Rena­bilität,Abbau der Löhne und Gehältser,vor allen Dingen der ersteren,und Abschreibungen auf das K pMM­ zu hochweten Beniche..­­. Vielleicht st­eht überhaupt die stärkste Duchbrechung des duch Jahrhunderte nicht erschütterten englischen Selbstgefühls, daß so viele Dinge in der Welt anders gehen, als es den englischen Sinteressen entsprich, und ss nicht mehr von England meistern lassen. Am aufs fallendsten ist Das gegenüber Indien. Es gibt noch alte englische Konservative. Die in bezug auf das indische Problem behaupten, das einzig V­ernünftige sei und bleibe die „starre Hand“; es sei ein Unglück, das man überhaupt angefangen habe, den Indern Nachgiebigkeit zu zeigen. Sieht man aber genauer zu, so ist bis tief in die Konservative Partei hinein die Kapitulation vor den Ansprüchen Indiens vollzogen. Man sieht das zum Beispiel an einem Dach zweifellos konservativen Politiker, wie Garvin in seinem „Observer“! Gerade in diesen Tagen hat ji auf der Indienkon­­ferenz die neue Berfassung für Indien in den Grund­­zügen entschieden. Indien bekommt das, was die Eng­­länder „Nesponsible Governement“ nennen, das heißt Selbstregierung, zunächst mit gewissen eingebauten Gas rantien. Alle bisherigen indischen Provinzen und die noch unter einheimischen abhängigen Fürsten stehenden Staaten bilden zusammen den Bundesstaat Indien oder die Vereinigten Staaten von Indien. Diese bekommen ein Parlament, das aus zwei Siammern bestehen soll, einem Unterhaus und einem Senat. Der englische Ge­neralgouverneur oder V­izefünng ernennt sein Mini­­sterium. Zwei Minister, der für den Krieg und Der für das Auswärtige sollen dem Vizekönig verantwortlich sein, alle übrigen dem Parlament. Das bedeutet, das zunächst noch­ die Armee und die auswärtigen Beziehun­­­gen in der Hand Englands bleiben. Man sieht, die einge­­baute Sicherheit ist vorläufig noch ziemlich groß, zumal wenn man bedenkt, das ein Teil der Abgeordneten zum Senat wie zum Unterhaus nit gewählt, sondern er­­nannt oder von verschiedenen Körperschaften Depu­­tiert sein wird, aber trogdem liegt auf­ der Hand, daß diese Stelle von Anlaspunft für die weitere allmähliche Ausdehnung der Parlamentsrechte bilden wird. Die indischen Vertreter auf der Konferenz haben auf den legten Besprechungen auch nicht den geringsten Zweifel darüber gelassen, daß sie die getroffene Regelung nur als ein Provisorium betrachten, und dieser Standpunkt it sowohl von den englischen Regierungsvertretern als auch von der engl. Breite ausdrücklic anerkannt worden. Bei allen diesen Dingen muß man sich immer vor­­stellen, daß die indische Unabhängigkeitspartei, die auf der Konferenz gar nicht vertreten war, zu der sehr in London glücklich zustande gebrachten Einigung z­wi­­schen England und den indischen Vertretern noch keines­­wegs ja gesagt hat. Im Gegenteil, die indischen Na­­tionalisten fordern sowohl die Militärhoheit al auch die auswärtige P­olitik für Indien allein, ohne Ein­­mischung Englands Man muß es im Gespräch mit Indern, auch Mitgliedern der Konferenz, selbst erlebt haben, wie groß ihr Selbstbewußtsein gegenüber England . it, um ji eine­r Vorstellung davon zu machen, dass er für England sein Anhalten auf dem Jet erreichten Punkte geben wird. Auch wenn man die Nationalisten beiseite­läßt, fühlen ji die indischen Vertreter auf der Konferenz ,allesamt in siegreichem V­ordringen, während es die Engländer zwar bemerkenswert gut verstehen, ihre äußere Haltung zu wahren, aber Dabei da genau wissen, daß sie eine Rüdzunsihlach­t schlagen, und das die Bostion, in der ji jeßt am Souß der Konferenz stehen, «les andere eher i­, al eine von jet ab auf die Dauer zu behauptende Festung. Indien, der Rückgang des englischen Handels und die Erwerbsspvssigkeit, die fest bald 2 einhalb Millionen Menschen ergriffen haben wird, sind zwar die stärksten, aber seineswegs Die einzi­­gen Momente, die zn den Zustand geführt­ haben, den der Engländer fest allgemein mit dem französischen Wort „malaise” zu bezeichnen pflegt. Er fühlt ich auch unbehaglich, weil er seine Abhängigkeit von Frank­­reich merkt, weil er den wachsenden Druck der Macht Amerikas auf dem Gebiet der Finanzen, der Flotten­­politik und des Welthandel spürt, und nicht zulest ist er mißgestimmt über die von Deutschland aus­­­gehende Unruhe in der europäischen Politik. Deutsch­­land verlangt eine materielle Erleichterung seiner Lage, und­­ er verlangt Krechtegleichheit, insbesondere Ab­­rüstung. Der Engländer hat auf der einen Seite ein gewisses Empfinden dafür, daß diese Forderungen bef­rrechtigt sind; auf der anderen Seite sieht er, daß er gegen die überlegene Macht Frankreichs nichts tum­­ann, und infolgedessen versucht er es mit dem Aus­weg, Deutschlands schlechte Lage zu bestreiten, auf Die deutschen Lurus-Reissenden in der Schweiz, an der Riviera und an Ähnlichen Blägen h­inzu­weisen und­ den­ Druck seiner eigenen Verpflichtungen gegen Amerika zu betonen. Das ganze aber bedeutet eine Stimmung, wie sie dem Engländer Jahrhunderte lang fremd ges­unwesen ist. ’ | « s -

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