Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1932. September (Jahrgang 59, nr. 17812-17837)

1932-09-01 / nr. 17812

k­­ . — Taxeie plä­­tite in numä­­rar ord. Dir. Gen. P.T.T, 223720/926 Allgemeine Volkszeitung für das Deutschtum in Rumänien Schriftleitung: Hermannstadt, Honterusgasse Ar. 11 Fernsprecher: Ar. 11 und Nr. 130 — Verwaltung: K­önigin Mariastraße Ar. 3 Fernsprecher Nr. 337 — Bezugspreis für einen Monat: Hermannstadt: ohne Zuftelung 90 Lei; mit Zuftelung 100 Lei; mit Postversendung: Inland: 100 Lei; Ausland: 135 Lei. Einzelnummer 5 Lei Hermannstadt, Donnerstag den 1. September 1932 59. Jahrgang | die Entstehung der deutsch­­jähriichen Arbeiterfrage Von Dr. rer. pol. Helmut Phleps Die deuts-jährti­ge Arbeiterschaft befindet sich schon längst in einer Lage, welche die Aufmerksamkeit und das fordernde Eingreifen der Volksgemeinschaft erheiicht. Taru­m ist auch die Notwendigkeit gegeben, die Arbei­­terfrage und die dadurch der PV Wolfsgemeinschaft exe­wachsenen Aufgaben v­or der Deffentlichkeit zur RE zu bringen. Die A­rbeiterfrage it im Streite unserer Wolfsge­meinschaft erst in der Nachkriegszeit deutlich in Er­­sHeinung getreten. Chedem Teste id unter Bolf in der Hauptsache aus Bauern, Handiwer­ern, Kaufleuten und Beamten zusammen. Die wohl auch damals beschäftigt gewesenen ungelernten Arbeiter waren zumeist nicht Angehörige unserer Wolfsgemeinschaft. Eine Aenderung trat ein, als um die Wende des Jahrhunderts eine jüd­­iische Industrie sich zu entwickeln begann. Seit dieser Zeit besteht w­iohl, — als Sammelbegriff zu verstehen — eine d­e­ihefähnliche Arbeitersicaft. Hieraus ergab sich und­ zwar einerseits im­­ Dinbiid auf die Klein­­­­­heit unserer damaligen 2­ie, andererseits infolge der Wahlordnung in politi­er und wirtschaftlicher Be­ziehung h­och Feine Deutsch-tänjfische Arbeiterfrage. Die A­rbeiterfrage als solche ist erst bei Kriegsende entstan­­den und bildet seitdem ein neues PRuoblen unserer Vollsinnenpolitik. Die allgemeine Stodung in der Er­­zeugung der benötigten Verbrauchs und Gebrauchs­güter während des Krieges brachte nachher naturgemäß eine Werterzeugung aller dieser Güter mit fi. Hiezu kam die Zertrümmerung einer Reihe der bis dahin be­­standenen einheitlichen Wirtschaftsgebiete und die Bil­­dung neuer Wirtschaftseinheiten, was zu der zum Teil berechtigten Hoffnung Anlah gab, so konnte es im Chug der neuen Zollmauern und der zu erwartenden Rollpolitik ein ungeheuer industrieller Aufschwung voll­­ziehen. Der Anschluß Siebenbürgens an­ das industrie­­arme Rumänien erschlug zumal der Deutsche-jfährlichen Industrie neue Wege. Neue Fabriken wurden geschaffen, bestehende erweitert, beides, wie es sie bald zeigen sollte, im Uebermaß. Dementsprechend wuchs die Nach­frage nach Arbeitskräften bedeutend und die Höhe der Löhne mußte Dabei helfen das Angebot zu erzeugen, um die Nachfrage nach Arbeitskräften befriedigen zu kürmen. Während unserer Industrie sich neue Möglichkeiten­­ zu eröffnen säienen, ließ der Anflug Siebenbürgens an das Agrarland Rumänien, sowie die Trennung von dem früheren Ablasgebiet seiner landwirtsaftlichen Er­­zeugnisse Durch Doppelte Zolligranien eine ungünstige Entwicklung seiner Landwirtschaft erwarten. Gleichzeitig mußten wir die Agrarreform über uns ergehen lassen, die uns Deutsche viel landwirtschaftlichen Lebensraum fojtete. so glaubte man der junge Bauer zu Der Er­­­fenntnis gelangen zu müssen, daß für ihn die Begrün­­dung einer selbständigen Bauernwirtschaft und ein Fort­­kommen auf dieser Grundlage nicht recht möglich sei. Zumal wenn mehrere Geschwister vorhanden waren, ers­chien die — oft nit unerwünschte — Notwendigkeit ge­­geben, sich anderwärts Brot und Fortlommen zu suchen. Die tatsächliche Notwendigkeit dem Landleben zu ent­­fliehen bestand im allgemeinen wohl nit, wie sie au Heute troß der mißlichen Lage, in der si un­sere Bauernschaft befindet, nicht besteht. Damals wie zu­ Heute war die Möglichkeit gegeben, als land­wirt­­iaftlicher Arbeiter zu eben. Allerdings wirkte Dieter Möglichkeit der Stolz unserer Bauern entgegen, jener Stolz, der es ihnen unwürdig erscheinen läßt, in der­­selben Gemeinde, wo ihre Anverwandten noch­ als selbs­­tändige Bauern siten, in Taglohn zu arbeiten. An­­dererseits muß er verständlich erscheinen, dag Die besse­­ren Löhne, die damals in der Stadt gezahlt wurden, die leichtere Arbeit des Fabrik­- und Bauarbeiter ge­­genüber der landwirtschaftlichen Arbeit, und schließlich die Reize des Stadtleben, welche Dieses auf jene aus­­übt, die er nur wenig oder noch gar nicht fennen, ihre Verlobung ausübten und manchen zur Preisgabe des Landlebens und zum Eintausch desselben gegen Das die gesellschaftliche E S­chichtung unseres Wolfes eine be­­deutende Aenderung. Hatte unsere Bolfggemeinschaft bis dahin nur eine kaum nennenswerte Anzahl ungelernter Arbeiter, so wurde das nun rasch anders. Bei den Erwachsenen kam das Erlernen eines Hand­­werks von vorneherein nicht in Frage. Bei der Jugend wieder war das Bestreben darauf gerichtet, unter Ver­­meidung der Lernjahre möglichst bald in Verdienst zu kommen, um dem Zeitgeist folgend nach erlangter Selbständigkeit, unabhängig von elterlicher Bevormuns­chung das Leben „genießen“ zu künnen. Dieser Im­­stand, wohl oft auch Armut, die dazu zivwang, sowie die irrige Ansicht, das in der neuen Zeit deu uige städtische Leben und Gehalten veranlaßten,­­ gab jedoch auch, und Teicher nicht vereinzelt, Fälle, da die Preisgabe des Bauerntums ohne vermeintliche Notwen­­­digkeit erfolgte, daß Hof und Grund Teichtfertigermweise verkauft wurden, in der irrigen Hoffnung, in der Stadt ein weniger mühsames Dasein führen zu dünken. Die damalige Lage des Arbeitsmarktes war diesen Umständen mehr als günstig und forderte den Zustram in die Stadt allenthalben. Mit der nach Kriegsende ein­­jegenden starren Zuwanderung in die Städte erfuhr lernte Arbeiter ebenso gut fortlomme als der gelernte Arbeiter, hielt viele davon ab, ji dem Gewerbe zuzus­penden. Die weit überw­iegende Mehrzahl der damals zugeiwanderten ruhte und fand in den Fabriken und an andern Orten als ungelernte Arbeiter das Vork­om­­men. In weiterer Folge dieser Umstände kam es Dazu, das er heute in manchem Handiwert an dem richtigen jählicchen Nachwuchs Fehlt. Die zu jener Zeit günstigen Erwerbsmöglichkeiten wirkten ji bei der neuentstandenen Arbeiterschaft in erzieherischer Hinsicht nur günstig aus. Gleich vom Beginn an darauf angewiesen von der Hand in dem Mund zu leben, wurde bei Dem Damals guten Verdienst nicht an die Möglichkeit schlechterer Zeiten und an vernünftigen Sparen und Wirtschaften nur selten ges dat. Erst im segter Zeit hat die „Selbsthilfe“ duch ihre „Arbeiter-Spar- und Hilfsgemeinschaft“ Diesbe= süglie) erzieherischen Einfluß gewonnen und damit bei einem Teil unserer Arbeiterschaft einen schönen Er­­­folg erzielt. In anderer Beziehung sind unsere Ar­­beiter jedoch sich selbst überlassen geblieben. So ist­­ es bei B­erücksichtigung der Ursachen eine natürliche­ Iolgeerscheinung,daß"unsereÆ Weitensyei emtreten­" - gie Eröffnungfskung des Reichstags röffnung Durch Klara Zetlin — Nationalsozialist Göhring zum Präsidenten gewählt — Beftagung bis 9. September Su gespannter Erwartung Berlin, 30. August. Um das Reichstagsgebäude hatte sich schon in den Vormittagstunden eine große Men­­schenmenge angesammelt, um dem Einzug der natio­­nalsozialistichen Abgeordneten beizumahnen. Die ge­samte Polizeimannschaft von Berlin wurde in Bereit­schaft gefest, doch verlief der Vormittag, abgesehen von kleineren Zusammenstößen, ruhig Um 2 Uhr mar­­schierten die nationalsozialistiscchen Abgeordneten in Neid und Glied ins Parlament. Unter den Line der und um Das Neidstagsgebäude staute si die Menge. Mieberall stand . Polizei und Militär. Auf den Galerien de Sikungssaales drängten sich das Bublitum, Sournalisten, Photogras­phen und Filmleute, im Saal waren alle Pläte befest. Die Abgeord­neten besprachen in erregten Debatten die zu erwartenden Ereignisse. Einige Minuten vor 3 Uhr­­ verbreitete ji die Nachricht, Day Die Auflösung Des Reichstages vollendete Tatsache jet. Sie rief große ‘"Auflösung hervor und murde! in der­ beschiedenen Gruppen in erregten Augen­anderlegungen erörtert. Die Unruhe wuchs von Stunde zu Stunde Um 3 Uhr war der Listingssaal Thon überfüllt. Die nationalen­­zialistiigen Abgeordneten sind alle in Uniform. Die Negierungspläne sind noch unbefeit. Eröffnungsrede der Alterspräsidentin Klara Zetfin Kurz nach 3 Uhr begab ei Klara Zetfin unter dem Sohn von­ zwei kommunistischen weiblichen Abgeord­­neten auf den Plan des Präsidenten. Die Kommu­­­nisten rufen im Chor „Rotfront‘. Das Haus reagiert auf­­ diese Rufe nit. Klara Zetfin kann die sehwere Präsidentenihelle faum heben. Die Kommunisten brin­­gen der Rednerin bei Beginn ihrer Ausführungen lau­­ten Beifall dar. Sie hält eine dreiviertel Stunden -lange Rede. Nach den üblichen Formalitäten betont Klara Zetfin in ihrer Rede, dag die­­ Reichsregierung groß aller ihrer Bemühungen in der Innen und Außenpolitik auf allen Linien verfagt habe. Sie kritis­­iert die Sozialpolitik­ der Regierung und sagt, sie werde von imberialistischen Zielen geführt. Deutsch­­land wurde von Söldnern in die Hände der Herren des V­ersailler Vertrages ausgeliefert. Sodann greift sie heftig die Nationalsozialisten an und tadelt Die Negierung, daß sie ihnen das Uniformtragen erlaubt habe. € sei Pflicht des Reichstages, die Negierung zur Abdanfung zu bewegen. Die Wiederherstellung der Verfassung und der Sturz der Regierung soll ein Zeichen für die Ablehnung des Faszismus duch das deutsche Volk sein. Ein weltgesch­tliches Beispiel habe die russische Revolution aufgerichtet. Die beiviefen Habe, daß in den Massen des Volkes die Kraft zum Wiedere­aufbau der Wirtschaft vorhanden­ei. — Klara Zei­­sin beendet todmüde ihre Rede unter dem Beifall der Kommunisten und dem Schweigen der bürger­­lichen Parteien. Wahl des Beasibiums und der Ausschüsse Sodenn wurde mit der Wahl der Meiter begonnen. Zum N Reichstagpräsidenten wurde der Nationalsozialist Göhring mit 367 Stimmen (von 583) gegen 185 Stim­men für den Sozialisten Lebe und 80 Stimmen für den Kommunisten Torgler gewählt. Nach Abschlag der P­räsidentenwahl übergab die Altersportigende Frau getfin an ihn den VBorsik mit den Worten: „Damit it meine Pflicht erfüllt und der neugewählte Präsident muß nun seines Amtes­ walten”. Reichstagspräsident Sopehring übernahm den Präsidenten bis mit dem Hitlergruß und dankte für das ihm er Ber­­trauen. Er versprich sein Amt unparteiisch und gerecht zu leiten. € folgt die Wahl heu­te Be Aus « ( WlwsfM­.s .­zialdemokrat),Elser wird gewählt. Bized­präsidenten wird der Deutschnationale Abgeordnete Graf Thüringen, zum dritten Vizepräsidentenr Rau G (bayerische V­olfspartei) gewählt. Gegen 8 Uhr ist auf diese Wahl beendet und es folgt die Wahl der Schrift­führer und der Ausschüsse. h­ ­orst­ellung beim Reichspräsidenten Nach Buchführung der Wahlen hat Präsident Gneh­­ring um die Ermächtigung den R­eichspräsiden­­ten in einem Telegramm zu ersuchen, das er das Neidig­­tagspräsidtum nicht wie gewöhnlich gelegentlich, son­­dern unverzüglich zum Bertrag empfangen solle, da Gerüchte über die Ausschaltung des Neidhe­­tages verbreitet werden. Er trat der Auffassung ent­­gegen, da­ der Reichstag nicht über eine arbeitsfähige Mehrheit verfüge, wofür auch die Heutige­ Sikung den Gegenbeweis geliefert habe. Zum erstenmal besige der Reichstag wieder eine nationale Mehrheit. Die Das deutsche Biel aus seiner Verzweiflung und seiner Not herausführen werde. Schließlich gedachte der Präsident der Toten der „Niobe”. Die Sisung wurde um Heil, 9 Uhr geschlossen. ‚Die nächste Sigung Berlin, 31. August. Der Ael­ejtenrat des Neichstages bestimmte die nächste Situng des Reichstages für den 9. September. Auf der Tagesordnung steht die Erklärung der Reichsregierung, falls diese aber seine Erklärung abgibt, wird eine andere RREEUOR: später festge­­­stellt werden. Ole ‚Beim, ersten 8 sepre äsidend .-T·

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