Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1842 (Jahrgang 3, nr. 1-102)

1842-10-14 / nr. 81

342 ZP EEE EEE a Zn zu erklären, was er nicht zu faffen vermochte ; dann stand er still, wie ein Geistesabwesender die Worte wiederholend, welche er zu verstehn­ niche den Muth hatte :­­­ „Es ist zur spät“ Jenny hatte die Augen auf den Boden geheftet und ihr Antlig war mit Thränen bewegt , ein allzu­­früher Tribut, den sie der Reue zahlte. Da verstand Nicolas Mathon Alles : er machte eine gewaltige Anstrengung, um die Erbitterung, welche sich Luft machen wollte, in sein Herz zurüc­­kudrängen. Dann lös­te er von seinem Halse ein Sä ><en , zerriß es und nahm eine Haarlode her­­aus, welche er Jenny wiedergab ; den Ring,­­welc­hen er von ihr in glücklichen Tagen empfangen hatte, zog er langsam vom Finger und warf ihn ihr hin; ihre Briefe zog er aus seinem Busen und legte sie zu den Füßen des Mädchens. Während Nicolas auf diese Weise sich aller Pfänder seiner Liebe und aller Bande , welche ihn an die Vergangenheit knüpften, entäußerte , betrach­­tete Jenny ihn mit Angst. Als sie sah , daß er sich entfernen wollte, näherte sie sich ihm und sprach mit bittender Stimme : — „Bevor Du Dich entfernst , bevor wir uns für immer trennen, sag' mir, daß Du mich, nicht hassest !// — „Jenny , Gott möge Dir vergeben !’ Und auf die Thür zugehend , verschwand er. Da erscholl ein lautes Gelächter , das ironische Gesicht des Chevaliers zeigte sich halbversteht hinter den Vorhängen des Affovens. „Ach, mein Herr , Sie haben, mich, ver­­nichtet !/4=­ rief Jenny aus, auf die Knie fal­­lend und ih Antliß mit den Händen bededend. Der Pfad des Lasters ist schlüpfrig. Jenny hatte ihn betreten und bemühte sich vergeblich , ihn wieder zu­­ verlassen. Ihre Schönheit brachte ihr äußeres Glück , aber keine Zufriedenheit, denn eine düstere Erinnerung beunruhigte sie stets, selbst in ihrer lustigsten Laune , und ihre nie erloschene Liebe zu Nicolas erwachte oft mit Heftigkeit. Was soll ich weiter sagen ? Drei Jahre nach ihrer Trennung ließ Jenny genaue Erkundigungen einziehen, und erfuhr, daß Nicolas zurückgezogen zu Cheoisy-le- Eine unwillkürliche Hoffnung, das Bedürfniß , für ihren ersten Fehltritt noch einmal Vergebung zu erflehn , vielleicht auch der Gedanke, jene erste Liebe, welche sie so unwürdig verrathen hatte, wieder zu gewinnen, das Alles bewog sie, Roi wohne­ sie dorthin zu begeben Si­e reis­te also eines Abends allein ab, nicht in den glänzenden Equi­­pagen, welche ihre Siege ihr­ verschafft hatten, nicht in­­ dem prächtigen Anzug, mit dem­ sie gewohnt war sich zu schmücken , sondern in der bescheidenen Kleidung , welche sie den Tag trug , als sie Nico­­las zum ersten Male gesehn hatte. Als sie vor der Wohnung ankam , fühlte sie, daß ihr Muth wanke. Dieses freundliche­ Haus, die Bäume, welche dasselbe umgaben , waren so dicht und grün, die Kinder , welche im Schatten derselben spielten, waren so rosig und blond, daß sie bewegt stillstand : die elegante Dame war für einen Augenblick wieder das unschuldige Mädchen aus der Pension von Saint-Aure geworden. Sie näherte sre endlich dem Häuschen und trat ein... ein Mann stand auf der Flur desselben, seine Hände ruhten auf den Lustern einer jungen Frau, deren blaue Augen liebestrahlend ihn anblickten. Jenny erkannte Nicolas Mathon. Wie ein Blutstrahl fuhr es über die Stirn des jungen Mannes , aber dieser Eindrug war nur für den Augenblick. Er begrüßte Jenny freundlich und bat sie, ganz ohne Erstaunen, ihm die Beweggründe ihres Besuchs mitzutheilen. Vor diesem Manne, welcher allen Grund hatte, sie zu hassen und zu verachten , vor dieser Frau, welche Erbin des Glücks war, daß sie von sich­­gestoßen hatte, verlor Jenny plöglich ihre Geistes­­gegenwart. — „Sie erinnern sie, mein Herr,“ — sagte sie — „vielleicht eines jungen Mädchens, Namens Jenny Lancon.” — „Nein , Madame,’ — unterbrach sie Nic colas Mathon — „die Vergangenheit ist ein Grab, in das im Alles versenkt habe, ich bin zu glücklich, um der Erinnerung ein Recht zuzugestehn.’‘ — „Und Sie wünschen? . . .“ x — „Nichts weiter!” — sprach Nicolas, indem er die Hand seiner Frau drückte und seine Kinder herbeizog, die mit ihren blonden Köpfchen voll Neu­­gier Jenny anbieten. Die Strafe war vollkommen! Jenny verneigte sich bleich und verwirrt, in Thränen kehrte sie zur­­ück und verglich ihr bewegtes Leben mit jener ru­­higen , zufriedenen Lebensweise. Bei diesen Worten schwieg die Erzählerin und Jean Jaques betrachtete sie schweigend.­­ = „Io habe mich Jenny Lancon genannt.“ ' : ‘

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