Ungarische Jahrbücher 12. (Berlin-Leipzig, 1932)

1932 / Heft 1-2 - Farkas, J.: Deutsch-ungarische geistige Auseinandersetzung im Vormärz

Deutsch - ungarische geistige Auseinandersetzung im Vormärz. 3 der angarländischen Zeitschriften, und indem sie für diese „Berliner Briefe“ schreiben, nehmen sie den abgerissenen Faden der unmittelbaren deutsch­ungarischen geistigen Beziehungen wieder auf. Berlin wird bald zu einem beliebten Reiseziel der neuen ungarischen Generation. Im Gedenkbuch des Studentenbundes1) begegnen wir den bekanntesten ungarischen Namen der 40er Jahre. Die Auslandsreisen werden zur großen Mode. Sie waren nicht mehr das Vorrecht des reichen Hochadels. Der Fortschritt der Verkehrsmittel gestattete es auch Minderbegüterten, das Ausland kennenzulernen. Die Generation der 30 er Jahre wurde von einem wahrhaftigen Auslandsfieber ergriffen, unter den Führenden fand sich kaum einer, der nicht halb Europa oder mindestens Paris und London besucht hätte. Diese Generation hatte bereits in ihren jüngsten Jahren fremde Sprachen gelernt, einige beherrsch­ten sechs bis sieben Sprachen. Sie überließen sich nicht dem Zufall, sondern reisten nach vorgefaßten Studienzwecken. Nach ihrer Rückkehr waren sie bemüht, die Erfahrungen ihrer Nation nutzbar zu machen. Reisebücher, Reisebeschreibungen erschienen in großer Zahl und brachten auf einmal den Westen Ungarn ganz nahe, wo noch vor kurzem die Losung war: extra Hungáriám non est vita. Um nur die Bekannteren anzuführen, hielt sich Br. J. Eötvös längere Zeit in Paris auf, wo er u. a. Chateaubriand und Lamartine persönlich kennenlernte. Br. Zs. Keménys Studienreise führte weit über Wien hinaus, Fr. Pulszky wurde wegen seines in deutscher Sprache erschienenen Tagebuches mit 26 Jahren zum Mitglied der Aka­demie gewählt, Nordamerika erschien nicht nur in Reisebeschreibungen, sondern die Auswanderung dorthin auch als beliebte Lösung von tragischen Konflikten in der Romanliteratur. Die im Ausland reisenden ungarischen Dichter und Schriftsteller be­wunderten die großen kulturellen Errungenschaften des Westens, und ihre Gedanken wanderten immer wieder zurück zu ihrem kleinen und armen Volke. Sie versäumten keine Gelegenheit, ihre neuen Freunde mit dem schweren Schicksal und den heldenhaften Kämpfen ihres Vaterlandes bekannt zu machen. Franz Toldy-Schedel, der in Berlin über die ungarische Literatur einen Vortrag hielt, war ihr Wegbereiter. Ungarn blieb dem Ausland nicht mehr ganz unbekannt. Einen nicht geringen Anteil hatte daran Nikolaus Lenau, der die Romantik der ungarischen Puszta in das deutsche Bewußtsein hineintrug. Auch Karl Beck darf nicht unerwähnt bleiben, der sogar in Leipzig nicht von der ungarischen Tracht ließ. Noch mehr als die Dichtung leistete für das Ungartum die Musik. Der Name Franz Liszts gehörte bereits zu dieser Zeit zu den berühmtesten der Welt. Die ungarische Musik erfreute sich einer solchen Beliebtheit, daß, als der J Im Besitze des Ungar. Instituts a. d. Univ. Berlin.1*

Next