Ungarische Revue 2. (Budapest, 1882)

1882 / 10. heft - Moriz Jókai: Denkrede auf Alexander Petőfi

7« 2 ZU« KNTIlUfiLUNö BES BETOFT-BKNKSTALS. auf dessen Bretterwand er seine ersten Gedichte geschrieben, Ins zum Piedestal dieses Monuments! Und nun verlangt Ihr von mir, dass ich diesen langen Weor beschreibe, ich, der seinen Spuren folgte. Hätte ich nur das Lehen eines Dichters, eines guten Freun­des, eines grossen Mannes zu beschreiben, so brauchte ich mich nur an die Daten zurückzuerinnern, um mit nüchterner und kalter Kritik die von ihm geschaffenen Werke zu beurtheilen, und dann gibt es ja nichts Leichteres, als die Todten zu preisen; aber die sieben Jahre, während welcher das Genie Petöfi's wie ein feuriges Meteor am Himmel unserer Nation dahinzog, sind an und für sich eine Epoche, wie es noch keine gegeben und wie es auch sobald keine mehr geben kann. Es gab eine im Zauberschlaf befangene ungarische Nation, die keine Freiheit besass und nicht empfand, dass sie keine Frei­heit besitze. In Fesseln war der Geist geschlagen. Ins Joch gebeugt war der Nacken des Volkes. Zensur und Leibeigenschaft herrschten. Um dieses Volk aus seinem Schlaf zu erwecken, um ihm die Frei­heit zum religiösen Dogma zu machen, erstand Petőfi. Da reicht die Erinnerung nicht aus ; die lebendigen Empfin­dungen muss ich heraufbeschwören, welche damals das Herz der Zeitgenossen durchglühten; die wunderthätige Flamme muss ich anfachen, in deren Gluth der Charakter zu Stahl, der Gedanke zu Gold wurde. Ich weiss nicht, ob mir dies gelingen wird. Wer Petőfi kennen lernen will, der lese seine Gedichte; in diesen prägt er sein Wesen in einer Weise aus, dass das Modell fertig dastelit; man braucht nur das Erz hieneinzugiessen und die Statue steht vor uns da. Und jeder Zug, mit dem er seine Gestalt kontourirt, ist wahr, und jeder Stimmung entspricht ein bemerkenswerthes Ereigniss, entspricht der stille Verlauf oder entsprechen die erschütternden Katastrophen seines Lebens und seiner Zeit. Keine Übertreibung, die pure Wahrheit ist Alles, was er von dem Elend schreibt, mit dem er bis zum Zenit seines Lebens kämpfen musste; doch all1 das nicht im Tone mitleidheischender Klage; — mit dem Schicksal trotzende Selbstironie und oft leicht­fertiger Humor bricht aus diesen Gedichten hervor, wie in „Erin-

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