Ungarische Revue 2. (Budapest, 1882)

1882 / 10. heft - Moriz Jókai: Denkrede auf Alexander Petőfi

ZUR ENTHÜLLUNG DES PETŐFI-DENKMALS. Budapest, 15. Oktober 1882. I. Denkrede auf ALEXANDER PETŐFI von MORIZ JÓKAI. "TTJERZIG Jahre sind es her, dass ich mit ihm zum ersten Male V zusammentraf, und dreiunddreissig Jahre sind dahin, seit ich mit ihm während der Belagerung Ofens zum letzten Male gespro­chen habe. Tch war Student in der „Physik“-Klasse in Pápa, als er zum ersten Male auf der Strasse in einem schäbigen, schwarzen Kragen­mantel, mit zerknittertem Hute und nacktem Halse vor mir erschien. Mein Stnbenkollege, mit dem ich gerade zur Schule ging, kannte ihn und rief ihm zu : „Guten Morgen, bús magyar!“ Das war sein Spitzname. Jeder von uns besass einen solchen. Mich nannte man „Jámbor“ („der Fromme“). Er erwiderte den Gruss nicht und machte stets solche Schritte, als ob er im Distanzgehen begriffen wäre. In der Schule begegnete ich ihm nur selten. Drum fing ich an, ihn gering zu schätzen. Anstatt in die Schule zu gehen, schrieb er Gedichte, die er in den Sitzungen des Bildungsvereines „Képző­­társaság“ deklamirte. Da begann ich, ihm neidisch zu werden. Dann lernte ich seine Lebensweise kennen. Von Jedermann verlassen, kopirte er Arbeiten für die jungen Herren. Da begann ich ihn zu achten. Als wir auseinandergingen, da liebte ich ihn schon. Und dieser fadenscheinige, verachtete und darbende Knabe wusste damals schon, dass in seiner Brust ein Stern wohne, der ihn so hoch tragen werde, als sich das Firmament einer Nation wölbt, und dass dieser Stern erst dann am hellsten glänzen werde, wenn schon Alles an seinem Träger zu Staub geworden sein wird. Nun stehen wir da vor seinem Erzbilde, auf einem glänzenden Platze, den die Metropole Ungarns nach ihm benannt hat. Welch’ ein langer Weg von dem Odenburger Schilderhaus, Ungarische Revue, 1882. X. Heft. 4:9

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