UNGARN-JAHRBUCH 1980-1981

BESPRECHUNGEN - Staat und Gesellschaft nach 1945 - Kulcsár, László; Lengyel, Zsuzsa: Szakmunkások a mezőgazdaságban. (H. Klocke)

BESPRECHUNGEN 235 landwirtschaftliche Lohnarbeiter, davon zwei Drittel mit wechselndem oder auch ohne Arbeitsplatz. Noch um 1900 waren die Mehrheit der in Industrie und Handwerk Beschäftigten Handwerker. Bei der Atawanderung in den Jahren 1880 bis 1900 nach Budapest und in Industriezentren ohne städtischen Charakter betrug die Zahl der nur gelegentlich vom Gewerbe Lebenden 600 000: Agrarproletarier, Zwerggrundbesitzer, in der Lebensmittelbranche und im Baugewerbe beschäftigte Arbeiter. Von 1900 bis 1910 nahm die Zahl der gewerblichen Arbeiter noch zu, von 1910 bis 1930 stagnierte sie. Der hohe Anteil von fast der Hälfte der ungarischen Arbeiterschaft in den 30er Jahren als Dorfbevölkerung war freilich auch ein Charakteristikum der langsamen Verstädterung. Airbeiteransiedlungen gruppierten sich vor allem um Budapest, die aktiv Erwerbstätigen waren Pendler, die in der Hauptstadt arbeiteten. Ferner gab es dann den Typus der Bergarbeitersiedlungen. 1941 lebten fast zwei Drittel der Bergleute auf dem Dorf. Radikal, und zwar politisch bedingt, war der Eingriff in die Kleingewerbe (Handwerker-)Schicht nach dem Kriege, von 360 000 im Jahre 1949 wurde sie auf 150 000 im Jahre 1950 reduziert, und dies bei 126 000 Arbeitslosen! Als in den 50er und 60er Jahren viele neue Arbeitsplätze in der Industrie geschaffen wurden, behielten viele Beschäftigte ihren Wohnsitz auf dem Dorfe bei; so nahm die Anzahl der Pendler von 1956 bis 1960 fast auf das Dreifache zu- bis 1970 stieg die Pendlerzahl nochmals um die Hälfte, nun mit fast einer Million ein Viertel der Erwerbstätigen und fast zwei Drittel der dörflichen Gewerbe-und Baugewerbearbeiter (meist in der Industrie) erfassend. Deshalb nahm in den 70er Jahren die Bevölkerung in den Dörfern nicht so sehr ab, die Abwanderung erfolgte in andere Dörfer mit leicht städtischem Charakter und in Dörfer im städtischen Umkreis. So nahm die Differenzierung der Berufsstruktur der Dörfer weiter zu, der Gesamtprozeß der Industriali­sierung kommt z.B. auch in folgendem Zahlenvergleich zum Ausdruck: Wäh­rend es 1949 nur drei Komitate (Pest, Komárom, Nógrád) mit einem Anteil von über 20% in Gewerbe und Baugewerbe Beschäftigten gab, so gibt es heute kein Komitat, wo dieser Satz unterschritten wird. Ab Mitte der 70er Jahre sank der Anteil der neu in die Arbeitsplätze Eintretenden. Die Mo­dernisierung der Landwirtschaft führt zu einem steigenden Anteil der In­dustriearbeiter an der dörflichen Bevölkerung bei zunehmenden Fachkennt­nissen, weiterhin hohem Pendleranteil, aber abnehmender Entfernung und zunehmenden Verstädterungserscheinungen. Die landwirtschaftlichen Arbeiter stellen zwei verschiedene Gruppen dar: auf den Staatsgütern (1971) stammen sie meist aus dem Agrar-Proletariat (56,6 °/o) oder von Industriearbeitern ab, sie waren stets an Großbetriebe ge­wöhnt, nur 17,8 °/o der Eltern hatten Grundbesitz. In den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) hatten 1962 72,6 °/o, Ende der 70er Jahre 50 °/o Boden besessen. Dementsprechend zeichnen sich auch heute noch Unter­schiede in der Haltung der beiden Gruppen ab. So sind die ehemals größeren Bauern heute mehr in der Tierzucht tätig als im Pflanzenbau und nehmen mehr Facharibeiterstellen ein. Die früher bessere Ausstattung dieser Höfe gewährt auch ein höheres Einkommen von der Hausparzelle. Deshalb sind diese Mitglieder auch besonders stark an ihrem Einkommen aus der Haus­parzelle interessiert, während die ärmeren Schichten mehr Gewicht auf das Einkommen aus der gemeinsamen Wirtschaft legen. Die bäuerlichen Mitglieder der LPG halten möglichst an ihrer früheren Lebensweise fest und ebenso an den alten Freundschaftsbeziehungen. Von den in den LPG Arbeitenden waren im Januar 1977 70,8 %> Mitglieder. Ihnen stehen als besondere Schicht die Angestellten gegenüber, 120 000 bis 130 000 in wechselnder Zusammensetzung,

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